TE Vfgh Erkenntnis 2001/12/12 G269/01 ua

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Veröffentlicht am 12.12.2001
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Index

21 Handels- und Wertpapierrecht
21/06 Wertpapierrecht

Norm

B-VG Art20 Abs1
B-VG Art23 Abs1
B-VG Art77 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
WertpapieraufsichtsG §1, §3, §5, §6, §7, §8, §21, §24a, §29
WertpapieraufsichtsG §21
WertpapieraufsichtsG §28
BankwesenG §108

Leitsatz

Präjudizialität auch der eine Behörde in ihrer Organisation konstituierenden Vorschriften bei Überprüfung eines Bescheides; Verfassungswidrigkeit der Einrichtung der Bundes-Wertpapieraufsicht als selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts; Unzulässigkeit der Betrauung von außerhalb der Staatsorganisation stehenden Rechtsträgern mit Kernaufgaben des Staates, zB mit Strafkompetenzen im hier vorgesehenen Ausmaß; Leitungs- und Organisationsverantwortung des dem Parlament gegenüber verantwortlichen Bundesministers nicht ausreichend gesichert; Zurückweisung von Anträgen bzw Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der zu weit gefaßten Prüfungsanträge und des Prüfungsbeschlusses; keine Verfassungswidrigkeit weiterer Bestimmungen über die Bundes-Wertpapieraufsicht aufgrund der bereinigten Rechtslage; keine Bedenken gegen die Besorgung der der Bundes-Wertpapieraufsicht übertragenen Aufgaben durch eine unselbständige Einrichtung des Bundes

Spruch

I. 1. a) Folgende Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen (Wertpapieraufsichtsgesetz - WAG), ArtI des Bundesgesetzes über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen (Wertpapieraufsichtsgesetz - WAG) und über die Änderung mehrerer anderer Bundesgesetze, BGBl. Nr. 753/1996 werden als verfassungswidrig aufgehoben:

-

die Worte "mit eigener Rechtspersönlichkeit" in §1 Abs1, die Worte "betreffend die Besorgung der Aufgaben gemäß §2" in §3 Abs3 erster Satz, §3 Abs5, die Wortfolge "; die Kündigung des gemäß §3 bestellten Stellvertreters bedarf jedoch der Zustimmung des Bundesministers für Finanzen" in §5 Abs1, §6 samt Überschrift, §8 und die Worte "an Stelle des im BWG genannten Bundesministers für Finanzen" in §21 Abs1 (alle in der Stammfassung)

-

die Worte "den Bundesminister für Finanzen und" in Abs1 und die Worte "des Bundesministers für Finanzen," in Abs2 des §24a idF BGBl. I Nr. 126/1998

-

die Worte "BWA, die" im letzten Satz des §7 Abs2 idF BGBl. I Nr. 63/1999 und

-

die Worte "der Bundesminister für Finanzen im Rahmen seiner Aufgaben gemäß dem BWG und dem VAG," im dritten Satz des §29 Abs1 idF BGBl. I Nr. 2/2001.

              b)              Die Aufhebung tritt mit Beginn des 1. April 2002 in Kraft.

              c)              Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

              2.              Die Worte "der Bundesminister für Finanzen im Rahmen seiner Aufgaben gemäß dem BWG und dem VAG," im zweiten Satz des §29 Abs1 idF BGBl. I Nr. 11/1998 war verfassungswidrig.

              3.              Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

II. §28 Abs1 WAG idF BGBl. Nr. 753/1996 wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

III. Im übrigen werden das von Amts wegen eingeleitete Verfahren eingestellt und die vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Beim Verfassungsgerichtshof ist - zu B1695/99 - ein Verfahren anhängig, dessen Gegenstand ein Bescheid der "Bundes-Wertpapieraufsicht" (im folgenden: BWA) vom 2. September 1999 ist, mit dem der nunmehr beschwerdeführenden Gesellschaft die Erteilung einer (eingeschränkten) Konzession als Wertpapierdienstleistungsunternehmen versagt wurde.

b) Bei Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Ausgliederung der hoheitlich zu besorgenden Verwaltungsaufgaben der Wertpapieraufsicht an eine "Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit" entstanden. Der Gerichtshof hat daher beschlossen, folgende, die Ausgliederung anscheinend konstituierende Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen (Wertpapieraufsichtsgesetz - WAG), ArtI des Bundesgesetzes BGBl. 753/1996, in der jeweils zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltenden Fassung auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen:

-

§1, §§3 bis 6 samt den Überschriften, §8, die Wortfolge ", wobei die Vollziehung der BWA an Stelle des im BWG genannten Bundesministers für Finanzen obliegt" in §21 Abs1, §28 Abs1 und die Z1 und 2 des §32, alle in der Stammfassung

-

den zweiten Satz des §29 Abs1 idF BGBl. I 11/1998

-

die Worte "den Bundesminister für Finanzen und" im Abs1 und die Worte "des Bundesministers für Finanzen," im Abs2 des §24a idF BGBl. I 126/1998 und

-

die Worte "BWA, die" im letzten Satz des §7 Abs2 idF BGBl. I 63/1999.

Dieses Verfahren ist zu G269/01 protokolliert.

              2.              Beim Verwaltungsgerichtshof ist ein Verfahren zur Prüfung eines Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Oktober 2000 anhängig, mit dem über die Berufung gegen den erstinstanzlichen über den Beschwerdeführer eine Verwaltungsstrafe verhängenden Bescheid der BWA vom 9. August 1999 weitgehend abweislich entschieden wurde.

Da beim Verwaltungsgerichtshof bei Behandlung dieser Beschwerde Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Übertragung von Verwaltungsstrafbefugnissen an die BWA als einer Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit entstanden waren, stellte dieser Gerichtshof mit ausführlicher (unter Pkt. VIII. 2. a)aa) wiedergegebener) Begründung beim Verfassungsgerichtshof am 4. Juli 2001 den Antrag, §28 Abs1 des WAG in der Stammfassung als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit einem weiteren Antrag vom 8. Oktober 2001 begehrte der Verwaltungsgerichtshof (primär) die Aufhebung auch jener Bestimmungen des WAG, die der Verfassungsgerichtshof in seinem (unter Pkt. I. 1. referierten) das Verfahren G269/01 einleitenden Beschluß in Prüfung genommen hatte, sowie (eventualiter) die Aufhebung dieser Bestimmungen sowie der Wortfolge "der BWA" in §19 Abs2 WAG idF BGBl. I 63/1999. Er schloß sich dabei den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes an und bezog in den Eventualantrag auch jene Bestimmung ein, die der BWA die Kompetenz zur Konzessionserteilung vermittelt.

Diese Anträge sind beim Verfassungsgerichtshof zu G287/01 protokolliert.

3. a) Weiters ist beim Verwaltungsgerichtshof - nach Ablehnung der Behandlung einer zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde und deren Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof - ein Verfahren zur Prüfung eines Bescheides der BWA vom 19. Oktober 1999 anhängig, mit dem dem nunmehrigen Beschwerdeführer die Konzession zur Erbringung bestimmter Dienstleistungen nach dem WAG versagt worden war.

b) Bei der Behandlung dieser Beschwerde entstanden beim Verwaltungsgerichtshof jene Bedenken, die den Verfassungsgerichtshof in dem unter Pkt. I. 1. geschilderten Verfahren bewogen haben, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der die Ausgliederung der Wertpapieraufsicht konstituierenden Bestimmungen einzuleiten. Überdies bezweifelte der Verwaltungsgerichtshof die Verfassungskonformität jener Wortfolge in §19 Abs2 WAG, die im konkreten Fall seiner Ansicht nach die Kompetenz der BWA zur Erteilung von Konzessionen für Dienstleistungen, wie sie im konkreten Fall beantragt wurden, begründet. Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher beim Verfassungsgerichtshof den - zu G321/01 protokollierten - Antrag,

"a) folgende Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen (Wertpapieraufsichtsgesetz - WAG), ArtI des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 753/1996, nämlich

-

§1, §§3 bis 6 samt den Überschriften, §8, die Wortfolge ',wobei die Vollziehung der BWA anstelle des im BWG genannten Bundesministers für Finanzen obliegt' in §21 Abs1, §28 Abs1 und die Z1 und 2 des §32, alle in der Stammfassung;

-

den zweiten Satz des §29 Abs1 idF BGBl. I

Nr. 11/1998;

-

die Worte 'den Bundesminister für Finanzen und' im Abs1 und die Worte 'des Bundesministers für Finanzen,' im Abs2 des §24a idF BGBl. I

Nr. 126/1998 und

-

die Worte 'BWA, die' im letzten Satz des §7 Abs2 idF BGBl. I Nr. 63/1999,

in eventu

              b)              die in lita aufgezählten Bestimmungen sowie die Wortfolge 'der BWA' in §19 Abs2 WAG idF BGBl. I Nr. 63/1999,

in eventu

              c)              die Wortfolge 'der BWA' in §19 Abs2 WAG idF BGBl. I Nr. 63/1999, als verfassungswidrig aufzuheben."

              4. a)              Beim Verwaltungsgerichtshof ist auch ein Verfahren über die Beschwerde gegen einen einen Konzessionsantrag einer in Gründung befindlichen GmbH (die der Verwaltungsgerichtshof angesichts des §20 Abs1 WAG als beschwerdelegitimierte Vorgesellschaft qualifizierte) abweisenden Bescheid der BWA vom 14. August 2001 anhängig.

              b)              Aus Anlaß dieses Verfahrens stellte der Verwaltungsgerichtshof mit der gleichen Begründung, die ihn zur Antragstellung im Verfahren G321/01 bewogen hat, einen mit dem in diesem Verfahren gestellten Antrag nahezu identen Antrag; dieser unterscheidet sich von jenem bloß dadurch, daß anstatt der Aufhebung des zweiten Satzes des §29 Abs1 WAG idF BGBl. I 11/1998 die Aufhebung des - wortgleichen - Satzes des §29 Abs1 idF BGBl. I 2/2001 begehrt wird, der durch Einfügung eines Satzes in den genannten Abs1 zum dritten Satz dieses Absatzes wurde.

Dieses Verfahren ist zu G331/01 protokolliert.

              5. a)              Schließlich ist beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Beschwerde anhängig, mit der die Aufhebung eines Bescheides der BWA vom 21. Mai 2001 als rechtswidrig begehrt wird, mit dem eine erteilte Wertpapierdienstleistungskonzession entzogen wurde.

              b)              Aus Anlaß dieses Verfahrens stellte der Verwaltungsgerichtshof aus den gleichen Gründen, die ihn zur Antragstellung im Verfahren G321/01 bewogen haben, einen mit dem im Verfahren G331/01 gestellten Antrag identen Primärantrag. In eventu beantragt der Verwaltungsgerichtshof, neben den mit dem Primärantrag angefochtenen Bestimmungen auch die Wortfolge "der BWA" in §19 Abs2 WAG idF BGBl. I 63/1999 sowie §24 Abs1 Z1 und §24 Abs3 WAG in der Stammfassung aufzuheben, sowie mit einem weiteren Eventualantrag,

"(nur) in §21 Abs1 WAG die Wortfolge ', wobei die Vollziehung der BWA an Stelle des im BWG genannten Bundesministers für Finanzen obliegt' und §24 Abs3 WAG als verfassungswidrig aufzuheben".

Diese Eventualanträge beziehen sich auf die der BWA die Zuständigkeit zur Konzessionsentziehung übertragenden Bestimmungen.

Dieses Verfahren ist zu G332/01 protokolliert.

6. Die Bundesregierung hat in allen Verfahren Äußerungen erstattet, in denen sie die Einstellung des amtswegig eingeleiteten Verfahrens bzw. die Zurückweisung der Anträge des Verwaltungsgerichtshofes insoweit begehrt, als sich die Anträge gegen die die Ausgliederung anscheinend konstituierenden Bestimmungen des WAG richten; in eventu sowie hinsichtlich der die Zuständigkeit zur Verhängung von Verwaltungsstrafen und zur Konzessionserteilung normierenden Bestimmungen wurde beantragt, daß der Gerichtshof die in Prüfung stehenden Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufheben möge. Auch die Eventualanträge des Verwaltungsgerichtshofes hält die Bundesregierung für unzulässig und beantragte insoweit deren Zurückweisung.

Für den Fall der Aufhebung wurde in der mündlichen Verhandlung begehrt, für das Außerkrafttreten eine Frist bis 31. März 2002 zu gewähren, um bis zu diesem Zeitpunkt, zu dem die Bundeswertpapieraufsicht in die Finanzmarktaufsicht nach dem Finanzmarktaufsichtsgesetz übergeleitet werden soll, die notwendigen legistischen Vorkehrungen vornehmen zu können.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat beschlossen, die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden (§§187, 404 ZPO iVm §35 VerfGG).

III. 1. a) Mit dem WAG wurden Vorschriften erlassen, die insbesondere zum Ziel haben, die Ordnungsmäßigkeit und Fairneß des Wertpapierhandels sowie den Schutz der Anleger zu sichern und dem Mißbrauch von Insiderinformationen entgegenzusteuern. Dazu wurden einerseits (ergänzende) Regelungen über die Eigenkapitalausstattung und die Pflicht zur Zugehörigkeit zu entsprechenden Entschädigungssicherungseinrichtungen geschaffen sowie unternehmens-, kapitalmarkt- und kundenbezogene Verhaltens- und Meldepflichten statuiert und andererseits eine umfassende Kapitalmarktaufsicht zur Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften eingerichtet. Die Aufsichtsbefugnisse wurden ebenso wie die Kompetenz zur Erteilung und zum Entzug von Konzessionen an

Wertpapierdienstleistungsunternehmungen und einige Verwaltungsstrafbefugnisse einer aus der staatlichen Verwaltungsorganisation ausgegliederten Wirtschaftsaufsichtsbehörde mit eigener Rechtspersönlichkeit mit der Bezeichnung "Bundes-Wertpapieraufsicht" übertragen.

b) Im einzelnen stellt sich die für die Beurteilung der beim Verfassungsgerichtshof bzw. beim Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheide offenbar maßgebliche Rechtslage des WAG idF BGBl. I 63/1999 bzw. (in den Verfahren G331/01 und G332/01) BGBl. I 2/2001 folgendermaßen dar (die in Prüfung stehenden Bestimmungen sind bei der nachfolgenden Wiedergabe des Gesetzestextes hervorgehoben, die schließlich aufgehobenen Vorschriften überdies durch Fettdruck):

Der I. Abschnitt des Gesetzes stellt Grundsätze über die Einrichtung, Organisation und Aufgaben der Wertpapieraufsicht sowie über die Bilanzerstellung und Kostentragung auf. Er lautet:

"I. ABSCHNITT

Bundes-Wertpapieraufsicht

Bundes-Wertpapieraufsicht (BWA)

§1. (1) Zur Durchführung der in §2 bezeichneten Aufgaben wird unter der Bezeichnung 'Bundes-Wertpapieraufsicht' (BWA) eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet.

(2) Der Sitz der BWA ist Wien. Ihr Wirkungsbereich erstreckt sich auf das gesamte Bundesgebiet. Sie ist berechtigt, das Bundeswappen zu führen.

(3) Die Bestimmungen der Gewerbeordnung - GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994, sind auf die BWA nicht anzuwenden.

§2. (1) Die BWA hat auf Grund der ihr nach diesem Bundesgesetz und des Börsegesetzes 1989 - BörseG, BGBl. Nr. 555/1989, zukommenden Meldungen nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Bundesgesetze alle Untersuchungen durchzuführen und jene Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind,

1. um die Ordnungsmäßigkeit und Fairness des Handels mit Instrumenten, die auf einem geregelten Markt (§2 Z37 Bankwesengesetz - BWG, BGBl. Nr. 532/1993 ArtI) eines Mitgliedstaates (§2 Z5 BWG) zugelassen sind, beurteilen und sichern zu können;

2. um bei der Erbringung von Dienstleistungen gemäß §11 Abs1 die Wahrung der Interessen der Anleger im Sinne der §§11 bis 18 zu gewährleisten;

3. um anderen Verwaltungsbehörden, insbesondere dem Bundesminister für Finanzen und den zuständigen Behörden (§2 Z9 BWG) anderer Mitgliedstaaten, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem BWG und den für Kreditinstitute geltenden sonstigen Gesetzen (§69 Abs1 BWG) oder ihrer Aufgaben gemäß den Richtlinien 88/627/EWG, 89/592/EWG, 93/6/EWG und 93/22/EWG erforderlichen Informationen zu erteilen;

4. um dem Mißbrauch von Insiderinformationen gemäß §48a BörseG entgegenzuwirken und zur Aufklärung und Verfolgung von Mißbrauchsfällen dadurch beizutragen, daß sie alle zur Konkretisierung eines Verdachtes einer gemäß §48a BörseG strafbaren Handlung erforderlichen Ermittlungen mit den Maßnahmen des BörseG und gemäß diesem Bundesgesetz aus eigenem durchführt; dazu kann sie Auskünfte von

a)

meldepflichtigen Instituten (§10 Abs1) und Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§19),

b)

Emittenten, die meldepflichtige Instrumente (§10 Abs2) begeben haben,

c)

natürlichen und juristischen Personen, die Aufträge in bezug auf meldepflichtige Instrumente erteilt haben oder An- oder Verkäufe in solchen Instrumenten getätigt haben,

d)

natürlichen und juristischen Personen, die Kenntnis von Mißbrauchsfällen haben können, und

e)

Angestellten und Vertretern der in lita bis d genannten Personen

einholen;

5. um die Verfolgung von Verstößen gegen die in §48 Abs4 BörseG genannten Verwaltungsstraftatbestände sicherzustellen.

(2) Zur Erteilung von Auskünften nach Abs1 Z4 haben die auskunftspflichtigen Personen (Abs1 Z4 lita bis e):

1. Vorladungen der BWA nachzukommen,

2.

der BWA die geforderten mündlichen Auskünfte zu erteilen und

3.

der BWA die geforderten schriftlichen Unterlagen und Datenträger vorzulegen.

Leitung der BWA

§3. (1) Die BWA wird von einem vom Bundesminister für Finanzen zu bestellenden Direktor geleitet. Der Direktor hat aus den Dienstnehmern der BWA einen Stellvertreter zu bestellen; diese Bestellung bedarf der Zustimmung des Bundesministers für Finanzen. Zum Direktor und zu dessen Stellvertreter dürfen nur in den Bereichen des Börse- und Kapitalmarktwesens fachkundige Personen bestellt werden. Die Funktionsperiode des Direktors und des Stellvertreters beträgt fünf Jahre; eine neuerliche Bestellung ist zulässig.

(2) Vor der Bestellung einer Person zum Direktor der BWA ist die Funktion auszuschreiben. Die Ausschreibung hat der Bundesminister für Finanzen zu veranlassen. Im übrigen ist das Ausschreibungsgesetz 1989, BGBl. Nr. 85/1989, anzuwenden.

(3) Der Bundesminister für Finanzen kann der BWA Weisungen betreffend die Besorgung der Aufgaben gemäß §2 erteilen. Die Weisungen des Bundesministers für Finanzen haben schriftlich zu erfolgen.

(4) Der Bundesminister für Finanzen hat die Bestellung zum Direktor zu widerrufen, wenn dieser eine Weisung gemäß Abs3 nicht befolgt. Die Zustimmung zur Bestellung des Stellvertreters ist zu widerrufen, sofern dieser im Falle der Verhinderung des Direktors eine Weisung gemäß Abs3 nicht befolgt. Die Bestellung kann auch aus folgenden Gründen gemäß Z1 bis 3 widerrufen werden:

1.

Wenn ein wichtiger Grund wie insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung vorliegt;

2.

wenn der Direktor seine Funktion aus wichtigen Gründen zurücklegt;

3.

bei dauernder Dienstunfähigkeit oder wenn der Direktor infolge Krankheit, Unfall oder eines Gebrechens mehr als ein halbes Jahr vom Dienst abwesend und dienstunfähig ist.

In allen Fällen des Widerrufs ist unverzüglich ein neuer Direktor (Stellvertreter) zu bestellen.

(5) Der Direktor hat dem Bundesminister für Finanzen jährliche Berichte und vierteljährliche Zwischenberichte über die Erfüllung der Aufgaben der BWA zu erstatten. Diese Berichte müssen jeweils binnen vier Wochen nach Ablauf des Berichtszeitraumes beim Bundesminister für Finanzen eingelangt sein.

Beirat

§4. (1) Der Bundesminister für Finanzen hat bei der BWA einen Beirat zur Kontrolle der finanziellen Gebarung der BWA einzurichten.

(2) Der Beirat nach Abs1 besteht aus sechs Mitgliedern. Zwei Mitglieder sind auf Vorschlag der Wirtschaftskammer Österreich, ein Mitglied auf Vorschlag der Bundes-Arbeitskammer, ein Mitglied auf Vorschlag der Oesterreichischen Nationalbank zu bestellen; zwei Mitglieder sind aus dem Personalstand des Bundesministeriums für Finanzen zu bestellen, diese müssen sachkundige Beamte des Aktivstandes oder sachkundige Vertragsbedienstete sein.

(3) Der Beirat hat das Auskunftsrecht gegenüber dem Direktor und dessen Stellvertreter über die Gebarung der BWA. Der Beirat hält jährlich mindestens drei Sitzungen ab, an denen über sein Ersuchen der Direktor teilzunehmen hat. Der Direktor hat den Beirat unverzüglich von sich aus zu informieren, wenn der Stellenplan oder die Gesamtkosten der BWA die für das betreffende Geschäftsjahr geplante Zahl oder den veranschlagten Betrag voraussichtlich um mindestens 10 vH überschreiten werden; in diesem Fall kann jedes Mitglied des Beirats die Einberufung einer Sitzung verlangen. Über dem Bankgeheimnis unterliegende Tatsachen darf dem Beirat keine Auskunft erteilt werden.

(4) Die Niederschriften über die Sitzungen des Beirats sind dem Bundesminister für Finanzen unverzüglich zu übermitteln.

(5) Den Vorsitz im Beirat führt das vom Bundesminister für Finanzen bezeichnete Mitglied aus dem Personalstand des Bundesministeriums für Finanzen. Der Vorsitzende hat zu den Sitzungen einzuladen.

Personal

§5. (1) Der Direktor ist berechtigt, Angestellte in der erforderlichen Anzahl durch Dienstvertrag einzustellen. Auf das Dienstverhältnis der Dienstnehmer sind das Angestelltengesetz, BGBl. Nr. 292/1921, und die für Dienstnehmer in der privaten Wirtschaft geltenden sonstigen Rechtsvorschriften anzuwenden. Der Direktor ist berechtigt, Dienstverhältnisse nach den arbeitsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere durch Kündigung, zu beenden; die Kündigung des gemäß §3 bestellten Stellvertreters bedarf jedoch der Zustimmung des Bundesministers für Finanzen.

(2) Die Dienstnehmer der BWA sind über alle ihnen aus ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit nicht auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen über solche Tatsachen Auskunft zu erteilen ist. Die Verschwiegenheitspflicht besteht auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses. Die Organe der BWA und ihre Dienstnehmer unterliegen der Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses als Amtsgeheimnis gemäß §38 Abs1 BWG.

Jahresabschluß

§6. (1) Die BWA hat für das vergangene Geschäftsjahr den Jahresabschluß in Form der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung so rechtzeitig aufzustellen, daß die Vorlagefrist des Abs2 eingehalten werden kann. Das Handelsgesetzbuch - HGB, DRGBl. 1897 S 219, ist anzuwenden.

(2) Der Jahresabschluß ist dem Beirat und dem Bundesminister für Finanzen innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des vorangegangenen Geschäftsjahres zu übermitteln.

(3) Das Geschäftsjahr der BWA ist das Kalenderjahr.

Kosten

§7. (1) 90 vH des Personal- und Sachaufwandes der BWA (Kosten der Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen) sind dem Bund von den meldepflichtigen Instituten, den Emittenten und den Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit einer Gebühr zu erstatten. Unter Beachtung des Verursacherprinzips und des volkswirtschaftlichen Interesses an einer funktionsfähigen Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen sind die Aufsichtskosten demnach wie folgt aufzuteilen:

1. Meldepflichtige Institute 75 vH,

2. Bund 10 vH,

3. Emittenten mit Ausnahme des Bundes 10 vH,

4. Wertpapierdienstleistungsunternehmen 5 vH.

(2) Die auf die Kostenpflichtigen gemäß Abs1 Z1, 3 und 4 entfallenden Beträge sind von der BWA mit Bescheid vorzuschreiben; die Festsetzung von Pauschalbeträgen ist zulässig. Der Bundesminister für Finanzen hat nähere Regelungen über diese Kostenaufteilung und ihre Vorschreibung mit Verordnung festzusetzen. Hierbei sind insbesondere zu regeln:

1.

Die Bemessungsgrundlagen der einzelnen Arten von Kostenvorschreibungen;

2.

die Termine für die Kostenbescheide und die Fristen für die Zahlungen der Kostenpflichtigen.

Bei der Erlassung von Verordnungen gemäß Z1 und 2 ist auf Art und Ausmaß der meldepflichtigen Geschäfte und der erbrachten Wertpapierdienstleistungen sowie hinsichtlich der Emittenten auf Art und Ausmaß der ausgegebenen meldepflichtigen Instrumente Bedacht zu nehmen. Die BWA, die Kostenpflichtigen und die Wiener Börsekammer haben dem Bundesminister für Finanzen alle erforderlichen Auskünfte über die Grundlagen der Kostenbemessung zu erteilen.

(§7 teilweise idF der Novelle BGBl. I 63/1999)

§8. (1) Der Bundesminister für Finanzen ist berechtigt,

1. von der BWA Auskünfte über alle Vorgänge und die Vorlage von Ausweisen in bestimmter Form und Gliederung zu verlangen und

2. jederzeit in die Bücher, Schriftstücke und Datenträger der BWA Einschau zu nehmen und hierzu auch Überprüfungen an Ort und Stelle vorzunehmen.

(2) Die Gebarung der BWA unterliegt der Prüfung durch den Rechnungshof.

(3) Die BWA hat eine Innenrevision einzurichten und kann sich dabei eines Wirtschaftstreuhänders bedienen."

Der II. Abschnitt normiert in den §§10 bis 18 umfangreiche Meldepflichten, Wohlverhaltensregeln, Organisations- und Aufbewahrungspflichten und überträgt in den §§19 und 20 der BWA die Kompetenz zur Erteilung von Konzessionen an "Wertpapierdienstleistungsunternehmen" und regelt in diesem Kontext auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession. Die §§19 und 20 lauten:

"Wertpapierdienstleistungsunternehmen

§19. (1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist, wer

1.

eine oder mehrere Dienstleistungen gemäß §1 Abs1 Z19 BWG gewerblich erbringt,

              2.              kein Kreditinstitut gemäß §1 Abs1 BWG ist und

3.

seine Berechtigung zur Erbringung von Dienstleistungen gemäß §1 Abs1 Z19 nicht auf die §§9 ff BWG gründet.

(2) Die Erbringung der in §1 Abs1 Z19 BWG genannten Dienstleistungen bedarf der Konzession der BWA, soweit nicht Abs2a oder §9 dieses Bundesgesetz, §1 Abs3 BWG oder §3 Abs3 VAG Anwendung finden.

...

§20. (1) Die Konzession ist zu erteilen, wenn:

1. Das Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder einer Genossenschaft geführt werden soll;

2. das Eigenkapital mindestens die in Abs2 genannte Höhe beträgt und den Geschäftsleitern unbeschränkt und ohne Belastung in den Mitgliedstaaten zur freien Verfügung steht;

3. die Geschäftsleiter auf Grund ihrer Vorbildung fachlich geeignet sind und die für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen erforderlichen Eigenschaften und Erfahrungen haben;

4. das Unternehmen keine Dienstleistungen erbringt, die das Halten von Geld, Wertpapieren oder sonstigen Instrumenten von Kunden umfassen, sodaß das Unter nehmen diesbezüglich zu keiner Zeit Schuldner seiner Kunden werden kann;

5. die Voraussetzungen gemäß §5 Abs1 Z2 bis 4, 6, 7 und 9 bis 14 BWG vorliegen.

(2) Das Anfangskapital eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens hat mindestens zu betragen:

1. 650 000 S, sofern der Geschäftsgegenstand ausschließlich

a) die Beratung über Veranlagung von Kundenvermögen oder

b) die Vermittlung von Geschäftsgelegenheiten zum Erwerb oder zur Veräußerung eines der in §1 Abs1 Z7 litb bis f BWG genannten Instrumente oder

              c)              beide Geschäfte gemäß lita und b

umfaßt;

2. 1 750 000 S, sofern der Geschäftsgegenstand die Verwaltung von Kundenportefeuilles mit Verfügungsvollmacht im Auftrag des Kunden umfaßt.

...

(4) Für eine Tätigkeit gemäß §1 Abs1 Z19 lita BWG oder eine Tätigkeit gemäß §1 Abs1 Z19 litc BWG, sofern diese im Rahmen der in Artikel 2 Abs2 litg der Richtlinie 93/22/EWG angeführten Schranken erfolgt, brauchen für die Erlangung der Konzession die Voraussetzung gemäß §5 Abs1 Z12 und 13 BWG und die Voraussetzung nach Abs1 Z1 und die Verpflichtung gemäß

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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