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L24004 Gemeindebedienstete Oberösterreich;Norm
ABGB §1294;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des EL in L, vertreten durch Dr. Georg Schwab, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Ringstraße 3, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. Dezember 2004, Zl. Gem-224145/8-2004- Si/Pü, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens nach dem Oberösterreichischen Gemeinde-Unfallfürsorgegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand bis zu seiner Ruhestandsversetzung per 1. Dezember 2003 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Marktgemeinde L; er war als Wassermeister u.a. auch mit dem Einbau von Wasserzählern befasst.
Am 13. August 2001 erlitt der Beschwerdeführer beim Einbau eines Wasserzählers bzw. beim Anziehen einer Wasserzählermutter eine Verletzung im Bereich der rechten Schulter (Schlüsselbeingelenk). Auf Grund der Meldung dieses Ereignisses als Dienstunfall wurde vom Unfallfürsorgefonds der oberösterreichischen Gemeinden (UFF) ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches nach Untersuchung des Beschwerdeführers und Einsichtnahme in die Patientenkarte des LKH G vom Sachverständigen Dr. H am 3. Oktober 2001 erstattet wurde.
Auf Grund dieses Gutachtens und dessen Ergänzung vom 7. November 2001 wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde L vom 15. Mai 2002 der am 13. August 2001 erlittene Unfall des Beschwerdeführers als Dienstunfall anerkannt und dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung einer Erwerbsminderung in der Höhe von 20 v.H. für die Dauer von 9 Monaten eine Gesamtvergütung für den Zeitraum vom 3. September 2001 bis 13. Mai 2002 in der Höhe von EUR 2.649,70 zuerkannt.
Gegen die Höhe der zuerkannten Gesamtvergütung - hingegen ausdrücklich nicht gegen die Anerkennung des Unfalles als Dienstunfall - erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Im Zuge des Berufungsverfahrens veranlasste der Unfallfürsorgefonds der oberösterreichischen Gemeinden die Beiziehung des weiteren fachärztlichen Sachverständigen Dr. F., welcher in seinem Gutachten vom 9. Dezember 2002, ergänzt am 3. März 2003, zu dem Ergebnis kam, das Ereignis vom 13. August 2001 sei für den Leidenszustand des Beschwerdeführers nicht kausal.
Daraufhin zog der Beschwerdeführer seine Berufung mit Eingabe vom 26. März 2003 zurück.
Damit erwuchs der Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde L vom 15. Mai 2002 in Rechtskraft.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 2003 verfügte der Bürgermeister der Marktgemeinde L die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend den Dienstunfall vom 13. August 2001 gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 14 DVG (erster Absatz des Spruches) und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Vergütung für eine als Folge des Dienstunfalls vom 13. August 2001 eingetretene Minderung der Erwerbsfähigkeit ab (zweiter Absatz des Spruches).
Gegen die Wiederaufnahme und Abweisung seiner Ansprüche aus dem Dienstunfall vom 13. August 2001 erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde L vom 12. März 2004 wurde dieser Berufung keine Folge gegeben.
Gegen den Bescheid des Gemeinderates erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde, welche mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid die vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung als unbegründet abwies.
Nach Darstellung des Verfahrensganges verwies die belangte Behörde auf die Begründung des Bescheides des Gemeinderates der Marktgemeinde L vom 12. März 2004, welcher zur Frage der Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeführt habe, nicht das Sachverständigengutachten des Dr. F. wäre als Wiederaufnahmetatbestand angesehen worden, sondern der Umstand, dass der Sachverständige Dr. F. auf Grund einer Beischaffung der Krankengeschichte des LKH G, insbesondere des Ergebnisses der Computertomographie vom 17. August 2001 zu anderen Ergebnissen in der Beurteilung der Unfallfolgen gekommen wäre, nämlich dahingehend, dass die Beschwerden des Beschwerdeführers auf das so genannte "Friedrich-Syndrom" zurückzuführen wären. Die Krankengeschichte des LKH G, insbesondere das Ergebnis der Computertomographie vom 17. August 2001 wäre daher ein neues Beweismittel und eine neue Tatsache und erfüllte den Tatbestand des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG. Dass die Ergebnisse der Computertomographie vom 17. August 2001 im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 15. Mai 2002 bekannt gewesen wären, würde selbst in der Berufung nicht behauptet und wäre auch aus der Aktenlage nicht zu entnehmen. Die Erstbehörde hätte ihrer Entscheidung das Sachverständigengutachten des Dr. H vom 3. Oktober 2001 zu Grunde gelegt, welcher lediglich die Patientenkarte des LKH G seinem Gutachten zu Grunde gelegt hätte, nicht aber die sonstige Krankengeschichte, insbesondere wäre diesem Sachverständigen das Ergebnis der Computertomographie vom 17. August 2001 nicht vorgelegen. Der Beschwerdeführer hätte vielmehr dem Sachverständigen gegenüber angegeben, dass bei der Computertomographie "nichts gefunden worden" wäre. Der Sachverständige Dr. F. wäre auf Grund der Ergebnisse der Computertomographie zum schlüssigen Ergebnis gekommen, dass die vom Beschwerdeführer verspürten Schmerzen und Beschwerden auf das "Friedrich-Syndrom", nicht aber auf eine traumatische Verrenkung des Schlüsselbein-Brustbeingelenkes zurückzuführen wären. Der Beschwerdeführer wäre diesem Gutachten auch weder im damaligen Berufungsverfahren noch im gegenständlichen Verfahren auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. Damit sei das Gutachten des Sachverständigen Dr. F. zu Recht von der Behörde erster Instanz den Sachverhaltsfeststellungen zu Grunde gelegt worden. Insbesondere hätte der Beschwerdeführer im Wiederaufnahmeverfahren und auch im nunmehrigen Berufungsverfahren keinen Sachverhalt behauptet und mit einer auf gleicher fachlicher Ebene liegenden Argumentation versucht, die Schlüssigkeit und Vollständigkeit des Sachverständigengutachtens Dris. F. zu widerlegen. Zu Recht wäre daher der Bürgermeister der Marktgemeinde L davon ausgegangen, dass dieses Gutachten auf Grund der von ihm berücksichtigten vollständigen Krankengeschichte, insbesondere der Ergebnisse der Computertomographie vom 17. August 2001 vollständig und schlüssig wäre, die unterschiedlichen Ergebnisse im Vergleich zum Vorgutachten Dris. H wären schlüssig und nachvollziehbar begründet, weshalb es der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht mehr bedurft hätte.
Die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid sei unberechtigt. Ein Gutachten bestehe aus einer sachverständigen Tatsachenfeststellung - der so genannten Befundaufnahme - und aus sachverständigen Schlussfolgerungen unter Anwendung der jeweiligen Kunst oder Wissenschaft aus eben den festgestellten Tatsachen - dem Gutachten im engeren Sinn. Hätte ein Sachverständiger Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung im Hauptverfahren bereits bestanden hätten, erst später feststellen sollen oder wären solche Tatsachen einem Sachverständigen erst später zur Kenntnis gekommen, so könnten solche neuen Befundergebnisse, die sich ja auf seinerzeit bestandene Tatsachen beziehen müssten, durchaus einen Wiederaufnahmegrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen gegeben seien. Anders stehe es mit den vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen. Es stelle weder einen Wiederaufnahmegrund dar, wenn der bereits im Hauptverfahren vernommene Sachverständige später erklären sollte, sich bei seinen Schlussfolgerungen geirrt zu haben und nunmehr zu neuen Schlussfolgerungen gekommen zu sein, noch, wenn ein im Hauptverfahren nicht vernommener Sachverständiger auf Grund unveränderter Sachverhaltsgrundlagen nunmehr zu anderen Schlüssen kommen sollte, als der im Hauptverfahren vernommene Sachverständige. Es könnten daher immer nur neue Befundergebnisse in einem Gutachten und nicht auch die sachverständigen Schlussfolgerungen im engeren Sinne einen Wiederaufnahmegrund bilden. Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeute dies, dass lediglich Neufeststellungen im Befundbereich durch den Computertomographiebefund vom 17. August 2001 eine Verfahrenswiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG rechtfertigen könne. In diesem Befund werde im Wesentlichen ausgeführt
"kein Hinweis für Luxation oder Subluxation. In erster Linie an ein Friedrichsyndrom imponierende Veränderung des sternalen Claviculaendes rechts (aseptische Knochennekrose mit reaktiver Sklerosierung) zu denken."
Im objektiven Befund des Gutachtens Dris. H vom 3. Oktober 2001 werde ausgeführt
"Brustkorb und rechter Arm: Es besteht eine Luxationsstellung des medialen Schlüsselbeinendes in Gelenksbreite nach oben, einer Luxation im Brustbein-Schlüsselbeingelenk entsprechend".
Das Gutachten Dris. H vom 3. Oktober 2001 stütze sich auf die Patientenkarte des LKH G, auf die Aussagen und eingehende Untersuchung des Versicherten vom 3. Oktober 2001 und auf mitgebrachte Röntgenbilder vom 11. September 2001. Die Ergebnisse der Computertomographie vom 17. August 2001 hätten hingegen keine Berücksichtigung gefunden. Der Umstand, dass eine Computertomographie durchgeführt worden sei, werde zwar erwähnt, die diesbezüglichen Ausführungen beschränkten sich aber auf die Bemerkung, es wäre "nichts gefunden" worden. Diese Annahme basiere offenbar auf Angaben des Beschwerdeführers. Die in der Vorstellung erhobene Behauptung, der Beschwerdeführer habe den Gutachter Dr. H sehr wohl über die tatsächlichen Ergebnisse der Computertomographie informiert, sei bei einer solchen Sachlage nicht nachvollziehbar. Der Inhalt des Computertomogrammbefundes sei erst im Gutachten Dris. F. vom 9. Dezember 2002 berücksichtigt worden. Die Behörde habe folglich erst nach Abschluss des Hauptverfahrens bzw. Erlassung des Bescheides vom 15. Mai 2002 Kenntnis vom tatsächlichen Inhalt des CT-Befundes erhalten, was ein "novum repertum" im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG darstelle. Zu berücksichtigen sei auch, dass ein Verschulden der Behörde daran, dass die neuen Tatsachen nicht schon im abgeschlossenen Verfahren hervor gekommen seien, einer amtswegigen Wiederaufnahme entgegenstünde. Bei dem Verschulden im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG handle es sich um ein Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB. Ein solches könne auch in einem Verfahrensmangel gelegen sein, der zur Folge gehabt habe, dass die erst nachträglich hervorgekommene Tatsache nicht schon in dem abgeschlossenen Verfahren hätte verwertet werden können. Der Beschwerdeführer habe Dr. H gegenüber offenbar die Angabe, beim Computertomogramm "wäre nichts gefunden worden" gemacht. Mit dieser Fehlinformation habe er selbst verschuldet, dass dieser Sachverständige bei seinem Gutachten von einem unvollständigen - die tatsächlichen Ergebnisse des Computertomogramms nicht berücksichtigenden - Befund ausgegangen sei. Die Behörde erster Instanz habe demnach zu Recht darauf vertrauen können, dass der Beschwerdeführer anlässlich der Untersuchung durch den Sachverständigen richtige Angaben gemacht hätte und das fachärztliche Gutachten dieses Sachverständigen vom 3. Oktober 2001 auf einer vollständigen und zutreffenden Befundaufnahme basiert hätte. Die Behörde treffe kein Verschulden daran, dass die neuen im CT-Befund enthaltenen Tatsachen nicht schon im abgeschlossenen Verfahren hervor gekommen seien. Diese neu hervor gekommenen Befundergebnisse des CT-Befundes seien entscheidungswesentlich, weil aus dem Gutachten Dris. F. vom 9. Dezember 2002 hervorgehe, dass unter Berücksichtigung der Unterlagen, insbesondere des vorliegenden CT-Befundes des LKH G mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass im Rahmen des Vorfalles vom 13. August 2001 beim Beschwerdeführer keine strukturelle Verletzung eingetreten sei, insbesondere habe im Rahmen dieser CT-Untersuchung eine Verrenkung des rechten Brustbein-Schlüsselbeingelenkes ausgeschlossen werden können. Vielmehr handle es sich bei der Vorwölbung am inneren Ende des rechten Schlüsselbeines laut CT-Befund um ein so genanntes Friedrich-Syndrom oder um einen Morbus Friedrich ... Im Rahmen des gegenständlichen Dienstunfalles vom 13. August 2001 sei eine Verletzung des rechten Schlüsselbein-Brustbeingelenkes nicht aufgetreten. Demzufolge hätten auch unfallbedingte Funktionseinschränkungen nicht festgestellt werden können. Auch wenn der Beschwerdeführer diese Schlussfolgerungen bezweifle, sei er dem ärztlichen Gutachten doch nicht auf gleichem fachlichem Niveau entgegen getreten. Durch das Gutachten Dris. F. sei aber das Gutachten Dris. H widerlegt, da letzteres von einem unvollständigen Befund ausgegangen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Bestand eines rechtmäßig zu Stande gekommenen Bescheides und Unterbleiben einer unzulässigen Wiederaufnahme durch die Behörde verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, und legte die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 des gemäß § 49 Abs. 1 des OÖ Gemeinde-Unfallfürsorgegesetzes in Verbindung mit § 1 Abs. 1 DVG anzuwendenden AVG, in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung kann die Wiederaufnahme des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Abs. 1 auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die amtswegige Wiederaufnahme eines durch Bescheid rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens unter anderem voraus, dass die Behörde am Unterbleiben der Berücksichtigung des neu hervorgekommenen Beweismittels (hier: des Computertomographiebefundes im Gutachten Dris. H) kein Verschulden trifft. Die amtswegige Wiederaufnahme eines (rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahrens ist daher ausgeschlossen, wenn die Behörde die neue Tatsache (bzw. das neue Beweismittel) bereits im durchgeführten Verfahren hätte erheben (bzw. aufnehmen) können. Bei dem (auch bei der amtswegigen Wiederaufnahme beachtlichen) Verschulden im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG handelt es sich um Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB. Ein solches Verschulden kann in einem Verfahrensmangel gelegen sein, der zur Folge hatte, dass die erst nachträglich hervorgekommene Tatsache nicht schon in dem abgeschlossenen Verfahren verwertet werden konnte (vgl. etwas das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2004, Zl. 2002/01/0458, und die dort angegebene Judikatur). Im Ermittlungsverfahren unterlaufene Fehler schließen die Annahme einer unverschuldeten Unkenntnis einer Tatsache auf Seiten der Behörde und damit die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter Berufung auf § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Januar 1996, Zl. 94/08/0290).
Ein Verschulden im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung liegt der Gemeindebehörde 1. Instanz hier zur Last: Wie die belangte Behörde nicht verkennt, hat der Sachverständige Dr. H das vier Tage nach dem Dienstunfall angefertigte Computertomogramm bei seinem Gutachten nicht berücksichtigt, sondern sich mit der Mitteilung des Beschwerdeführers begnügt, dass "nichts gefunden worden" sei. Dies kommt in seinem Gutachten auch zum Ausdruck und war der Behörde daher auch bekannt. Wenn die Behörde sich in einer medizinischen Fachfrage damit begnügt, dass die Partei eine zur Abklärung der unfallsbedingten Beschwerden angefertigte, bildgebende Untersuchung gegenüber dem medizinischen Sachverständigen selbst interpretiert und wenn sie in Kenntnis der Existenz dieses Beweismittels weder diesen Befund aus eigenem beischafft, noch den Gutachter dazu verhält, sich aus fachlicher Sicht zu diesem Befund zu äußern, dann kann nicht gesagt werden, dass die Behörde kein Verschulden daran trifft, dass die aus diesem Befund zu ziehenden medizinischen Schlussfolgerungen nicht schon in das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren Eingang gefunden haben. Dieses Verschulden der Behörde schließt aber eine nachträgliche Wiederaufnahme des Verfahrens im Grunde des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG aus.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da Umsatzsteuer in dem für Schriftsatzaufwand zuerkannten Pauschalbetrag bereits enthalten ist.
Wien, am 22. Februar 2006
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer Sachverständiger Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel Sachverständiger Arzt Verfahrensbestimmungen VerschuldenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005090011.X00Im RIS seit
05.04.2006