TE OGH 1993/1/12 10ObS322/92

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.01.1993
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Fritz Stejskal und Dr.Theodor Zeh (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Wolfgang B*****, vertreten durch Dr.Hans Pritz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.März 1992, GZ 34 Rs 205/91-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 8.Oktober 1991, GZ 2 Cgs 103/91-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der am 25.5.1931 geborene Kläger war bei dem beklagten Versicherungsträger in der Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) pflichtversichert. Er stellte am 25.4.1991 den Antrag auf Gewährung der Alterspension gemäß § 130 Abs. 1 GSVG zum Stichtag 1.7.1991, den die beklagte Partei mit der Begründung ablehnte, daß er das 65.Lebensjahr noch nicht vollendet habe.

Der Kläger begehrte in seiner innerhalb der Frist des § 67 Abs. 2 ASGG eingebrachten Klage, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm ab 1.7.1991 die Alterspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es teilte die vom Kläger gegen § 130 Abs. 1 GSVG geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, beim Verfassungsgerichtshof die Überprüfung der Verfassungsgemäßheit des § 130 Abs. 1 GSVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 zu beantragen und das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Weil der erkennende Senat gegen die hier präjudizielle Wortfolge im § 130 Abs. 1 GSVG BGBl 1978/560 idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 BGBl 1957 "nach Vollendung des 65.Lebensjahres, die Versicherte" verfassungsrechtliche Bedenken hatte, stellte er mit Beschluß vom 7.7.1992 10 Ob S 178/92 beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, diese Wortfolge als verfassungswidrig aufzuheben oder auszusprechen, daß sie in der Zeit vom 1.April bis 30.November 1991 verfassungswidrig war.

Mit Erkenntnis vom 2.12.1992 G 132/92-8 ua sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß die erwähnte Wortfolge bis zum Ablauf des 30.November 1991 verfassungswidrig war.

An diesen Spruch des Verfassungsgerichtshofes sind nach Art 140 Abs. 7 Satz 1 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht (Satz 2 leg.cit.).

Die vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erklärte Wortfolge im § 130 Abs. 1 GSVG ist daher im vorliegenden Anlaßfall nicht mehr anzuwenden, in dem für den Kläger ausnahmsweise als Anfallsalter für die Alterspension das vollendete 60.Lebensjahr genügt.

Damit steht aber nur fest, daß der Kläger am Stichtag diese eine Voraussetzung für den Anspruch auf die begehrte Alterspension erfüllt hat.

Die weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 130 Abs. 1 und 2 GSVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 wurden bisher weder behauptet, noch erörtert, außer Streit gestellt oder festgestellt.

Deshalb waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sozialrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§§ 496, 499, 503 Z 4, 510, 511 und 513 ZPO).

Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten der Revision beruht auf dem nach § 2 Abs. 1 ASGG anzuwendenden § 52 Abs. 1 ZPO.

Anmerkung

E32328

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:010OBS00322.92.0112.000

Dokumentnummer

JJT_19930112_OGH0002_010OBS00322_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten