Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Fritz Stejskal (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr.Renate Klenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hubert T*****, vertreten durch Dr.Ekkehard Erlacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.August 1992, GZ 5 Rs 101/92-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 7.Mai 1992, GZ 44 Cgs 197/91-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger beantragte erstmals am 6.11.1989 eine Invaliditätspension. Mit Urteil vom 8.11.1990, 44 Cgs 74/90-18, wies das Erstgericht die auf die von der Beklagten abgelehnte Leistung gerichtete Klage ab. Auf Grund von ärztlichen Gutachten aus den Fachgebieten der Inneren Medizin, Neurologie, Orthopädie und Psychiatrie ging es davon aus, daß der Kläger mit den üblichen Pausen ganztägig leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung leisten konnte. Heben und Tragen von über zehn kg schweren Lasten, häufiges Bücken und Überkopfarbeiten waren ebenso ausgeschlossen wie mit Verantwortung beladene Tätigkeiten, die gewisse geistige Erfordernisse verlangen. Die letztgenannte Einschränkung war durch die Debilität des Klägers bedingt, die jedoch nur leichtesten Grades war, wobei der Sachverständige für Psychiatrie Kritikvermögen, Überblick, Erkennen des Wesentlichen sowie Gedächtnis- und Merkfähigkeitsfunktionen noch als durchaus genügend bezeichnete und betonte, daß der Kläger zB die Tätigkeit eines Portiers einer Universitätsklinik leicht ausüben könnte. Entsprechend der damals festgestellten Arbeitsfähigkeit wurde der überwiegend als Bauhilfsarbeiter tätig gewesene Kläger auf die Tätigkeiten eines Portiers und Museumswärters sowie auf die unter Leistungslohnbedingungen (etwa Akkord und Gruppenakkord) zu leistenden Tätigkeiten eines Prägers, Stanzers, Pressers, Polierers und Bohristen verwiesen. Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 6.3.1991, 5 Rs 22/91-24, nicht Folge gegeben.
Der bereits am 22.5.1991 gestellte neuerliche Antrag des Klägers auf Invaliditätspension wurde mit Bescheid der Beklagten vom 14.10.1991 mangels Invalidität abgewiesen.
Die dagegen fristgerecht erhobene, auf die abgelehnte Leistung ab Stichtag gerichtete Klage stützt sich im wesentlichen darauf, daß der überwiegend als Bauarbeiter ohne Berufsschutz tätig gewesene Kläger wegen verschiedener körperlicher und geistiger Leiden keine geregelte Tätigkeit mehr ausüben könne.
Die Beklagte wendete ein, der Kläger könne noch leichte und mittelschwere Arbeiten verrichten und daher noch auf eine Reihe von entsprechenden Tätigkeiten verwiesen werden.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Auf Grund der in der mündlichen Verhandlung dargetanenen wesentlichen Teile des den Kläger betreffenden Pensionsaktes der Beklagten und des bereits erwähnten erstgerichtlichen Voraktes 44 Cgs 74/90, der Gutachten von ärztlichen Sachverständigen aus den Fachgebieten der Inneren Medizin, Orthopädie und der Psychiatrie und Neurologie, eines zusammenfassenden ärztlichen Gutachtens sowie der Vernehmung des Klägers als Partei stellte es im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Infolge seines seit dem Pensionsantrag bestehenden körperlichen und geistigen Zustandes kann der am 31.5.1949 geborene Kläger während eines Achtstundentages mit den gesetzlichen Pausen leichte Arbeiten im Sitzen und Stehen, vorübergehend auch im Gehen bzw im Wechsel dieser Positionen, verrichten. Heben und Tragen von über zehn kg schweren Lasten, häufiges Bücken oder Tätigkeiten in überwiegend gebückter Haltung, wiederholte Überkopfarbeiten, Akkordarbeiten oder Tätigkeiten an laufenden Maschinen müssen vermieden werden. Der Kläger kann die Wege zur und von der Arbeitsstelle zu Fuß oder mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zurücklegen.
Mit dieser Arbeitsfähigkeit kann der Kläger noch die Tätigkeiten eines Portiers und Museumswärters, aber auch eines Prägers, Stanzers, Pressers, Polierers oder Bohristen verrichten.
Wegen dieser Verweisungsmöglichkeiten verneinte das Erstgericht die Invalidität des Klägers iS des § 255 Abs 3 ASVG.
Das Berufungsgericht gab der (inhaltlich) wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge.
Es verneinte die geltend gemachten Verfahrens- und Feststellungsmängel. Die Tätigkeiten eines Portiers und Museumswärters seien weit verbreitet und spielten sich zum Teil unter den Augen der Öffentlichkeit ab. Deshalb seien die damit verbundenen Anforderungen allgemein bekannt und bedürften keiner weiteren Feststellungen. Die übrigen Verweisungstätigkeiten, die aus zahlreichen veröffentlichten Entscheidungen zumindest teilweise gerichtsbekannt seien, seien körperlich leichte und geistig anspruchslose Hilfsarbeiten. Diese Arbeiten, deren geistige Anforderungen nicht höher seien als bei den vom Kläger bisher ausgeübten Bauarbeiten, könnten auch kurzfristig angelernt werden. Für eine verringerte oder gar ausgeschlossene Anlernfähigkeit hätten sich im erstgerichtlichen Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, so daß es auch keiner Feststellungen darüber bedurft hätte, inwieweit die Anlernfähigkeit hinsichtlich der Verweisungstätigkeiten gegeben sei. Daß die Arbeitsfähigkeit des Klägers zB noch für die leichten Arbeiten eines Portiers und Museumswärters ausreiche, sei richtig, weshalb er nicht als invalid iS des § 255 Abs 3 ASVG gelte.
Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es, allenfalls samt der erstgerichtlichen Entscheidung, aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Das nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 dieser Gesetzesstelle zulässige Rechtsmittel ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 leg cit). Ein bereits vom Berufungsgericht verneinter Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens, hier die Nichteinholung eines berufspsychologischen Gutachtens, darf auch in einer Sozialrechtssache nicht neuerlich in der Revision gerügt werden (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senates: SSV-NF 1/32, 3/115, 4/114, 5/116 uva).
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß die Anforderungen an einen Portier oder Museumswärter allgemein bekannt sind und daher als offenkundige Tatsachen iS des § 269 ZPO weder behauptet noch festgestellt werden müssen, sondern der Entscheidung von Amts wegen zugrunde zu legen sind, stimmt mit der schon von der zweiten Instanz beispielsweise zit Rechtsprechung des erkennenden Senates SSV-NF 2/77, die ua in den - allerdings andere Verweisungstätigkeiten betreffenden Entscheidung SSV-NF 2/109 und 5/96 (mwN) - bestätigt wurde, überein und ist richtig (§ 48 ASGG). Zu diesen offenkundigen Tatsachen gehört auch, daß die beiden genannten Verweisungstätigkeiten keine besonderen geistigen Anforderungen stellen und kurzfristig angelernt werden können. Im vorliegenden Fall ist noch zu berücksichtigen, daß sich das Erstgericht bei seiner Feststellung, der Kläger könne die Tätigkeiten eines Portiers und Museumswärters aus psychiatrischer und berufskundlicher Sicht ausüben, auf die in seinem Verfahen 44 Cgs 74/90, an dem die selben Parteien beteiligt waren, eingeholten und im vorliegenden Verfahren dargetanenen ergänzten Gutachten der Sachverständigen für Psychiatrie und Berufskunde stützen konnte (§ 281a ZPO).
Da die Arbeitsfähigkeit des Klägers jedenfalls für die uneingeschränkte Tätigkeit als Portier und Museumswärter ausreicht, ist er auch imstande, dadurch das kollektivvertragliche Entgelt und damit wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig (völlig) gesunder Versicherter regelmäßig durch diese Tätigkeiten zu erzielen pflegt (SSV-NF 1/11, 54, 2/34, 3/157, 4/33 uva).
Die in der Revision behaupteten Feststellungsmängel liegen daher jedenfalls bezüglich der beiden genannten Verweisungstätigkeiten nicht vor.
Da das Verweisungsfeld für Versicherte, die - wie der Kläger - keinen erlernten oder angelernten Beruf ausgeübt haben, mit dem allgemeinen Arbeitsmarkt ident ist (SSV-NF 1/4, 2/34, 50, 5/96 uva), können die auf dem Arbeitsmarkt bewerteten Verweisungstätigkeiten eines Portiers und Museumswärters den bisher als Bauhilfsarbeiter tätig gewesenen Kläger, der kurz vor dem Stichtag erst das 42. Lebensjahr vollendet hatte, durchaus zugemutet werden.
Schon wegen der zulässigen Verweisung auf diese beiden Tätigkeiten gilt der Kläger nicht als invalid iS des § 255 Abs 3 ASVG.
Deshalb war der Revision nicht Folge zu geben, ohne daß geprüft werden mußte, ob der Kläger noch weitere zumutbare Verweisungstätigkeiten ausüben könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E32335European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:010OBS00329.92.0112.000Dokumentnummer
JJT_19930112_OGH0002_010OBS00329_9200000_000