Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Jänner 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof. Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Munsel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Antonius L***** wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14.September 1992, GZ 5 a Vr 9.364/90-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr.Rifaat zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Antonius L***** (im zweiten Rechtsgang abermals) des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 23.Juni 1990 in Wien, nachdem er als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen W 732.250 in alkoholisiertem Zustand von den Polizeibeamten Bez.Insp.Josef T***** und Insp.Manfred B***** angehalten und ihm der Führerschein vorläufig abgenommen worden war, versucht, die genannten Polizeibeamten dazu zu verleiten, daß sie mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf Ausschluß von alkoholbeeinträchtigten Personen vom Lenken eines Kraftfahrzeuges zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbrauchen, indem er sie aufforderte, ihm den Führerschein gegen "einen schönen Betrag als Spende" zurückzugeben, somit die Einleitung des Führerscheinentziehungsverfahrens gegen die Zahlung eines Geldbetrages pflichtwidrig zu unterlassen.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist unberechtigt.
Mit der Mängelrüge (Z 5) - in deren Rahmen allerdings überwiegend materiellrechtliche Einwände vorweggenommen werden, auf die noch einzugehen sein wird - bekämpft der Beschwerdeführer die Urteilsannahme als unzureichend begründet, daß er die Polizeibeamten durch das Spendenangebot auch zur Unterlassung eines Führerscheinentziehungsverfahrens zu veranlassen versucht habe.
Dieser Einwand versagt, weil die Tatrichter einen nicht nur auf die Rückgabe des Führerscheines, sondern auch auf die Unterlassung der Anzeigenerstattung und auf das daraus folgende Unterbleiben der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zur Entziehung der Lenkerberechtigung (§ 76 Abs. 3 iVm § 75 Abs. 1 KFG) gerichteten Schädigungsvorsatz schlüssig aus der gegenüber den Beamten abgegebenen Erklärung des Angeklagten ableiten konnten, daß der Verlust des Führerscheines für ihn aus beruflichen Gründen unvorstellbar sei (US 5 iVm S 13, 67 und 133).
Auch der Beschwerdevorwurf, daß das Urteil für die vom Erstgericht beim Angeklagten angenommene Wissentlichkeit in bezug auf den Befugnismißbrauch der Beamten im Falle der Annahme seines Angebotes keine Begründung enthalte, ist nicht stichhältig, haben sich doch die Tatrichter dabei zutreffend darauf berufen (US 7 und 8), daß die rechtlichen Konsequenzen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholbeeinträchtigtem Zustand zum Allgemeinwissen gehören und die entsprechenden Vorschriften insbesondere einem Kraftfahrzeuglenker auf Grund der Fahrschulausbildung geläufig sind.
Die die Rechtsrüge (Z 9 lit a) einleitende Bezugnahme auf den Inhalt der im ersten Rechtsgang eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerde ist unbeachtlich, weil Rechtsmittel stets unmittelbar ausgeführt werden müssen und auf frühere Schriftsätze nicht einzugehen ist (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 34 zu § 285).
Die Beschwerdebehauptung aber, das Urteil enthalte keine ausreichenden Feststellungen zum Vorsatzerfordernis der Wissentlichkeit, widerspricht dem tatsächlichen Inhalt der Entscheidungsgründe, in denen ausdrücklich festgestellt wird, der Angeklagte habe es im Zeitpunkt des Geldanbots für gewiß gehalten, daß die Beamten durch die von ihm angestrebte Vorgangsweise ihre Befugnis mißbrauchen würden (US 7). Insbesondere geht aus den Entscheidungsgründen auch unmißverständlich hervor, daß sich die positive Kenntnis des Angeklagten von einem den Beamten zugesonnenen Befugnismißbrauch nicht nur auf die verlangte Rückgabe des vorläufig abgenommenen Führerscheines, sondern auch auf die von ihm angestrebte Unterlassung der Anzeigenerstattung und die damit verbundene Einleitung eines Entziehungsverfahrens bezogen hat (US 5, 7 und 8). Indem der Beschwerdeführer diese Feststellungen übergeht, verfehlt er die prozeßordnungsgemäße Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, die stets ein Festhalten am Urteilssachverhalt und den Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz zur Voraussetzung hat.
Verfehlt ist ferner der Beschwerdeeinwand (Z 9 lit a), die Polizeibeamten wären zur Rückgabe des Führerscheines berechtigt gewesen, weshalb ein darauf abzielendes Begehren nicht als Bestimmung zu einem Befugnismißbrauch beurteilt werden könne. Die als Begründung für diese Auffassung herangezogene Vorschrift des § 75 Abs. 4 KFG hat die Ablieferung des Führerscheines nach Eintritt der Vollstreckbarkeit eines Entziehungsbescheides zum Gegenstand, ist demnach im vorliegenden Fall, in dem es noch gar nicht zur Einleitung eines förmlichen Entziehungsverfahrens gekommen war, nicht aktuell. Hier kamen vielmehr die Bestimmungen des § 76 Abs. 1 und Abs. 2 KFG zum Tragen, wonach Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich erkennbar ist, daß er insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses nicht mehr die volle Herschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen haben, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, und der vorläufig abgenommene Führerschein unverzüglich der Behörde vorzulegen ist. Dabei steht den Sicherheitsorganen nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ("...haben...vorläufig abzunehmen; ...ist...vorzulegen...") kein Ermessensspielraum zur Verfügung. Deshalb könnte das im Urteil festgestellte, an beide Polizisten gerichtete Ansinnen auf Rückgabe des Führerscheines schon für sich allein den Schuldspruch wegen der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt tragen (ZVR 1979/47; 12 Os 78/84), ohne daß es noch der weiteren Konstatierung bedurft hätte, daß der Angeklagte mit seinem Angebot speziell auch auf die Vermeidung einer Anzeigenerstattung mit den für ihn daraus resultierenden nachteiligen Folgen abgezielt hätte.
Der in der Rechtsmittelschrift im Zusammenhang mit der Behauptung einer auf eine zulässige Ermessensausübung gerichteten Einwirkung auf die Beamten zitierten Entscheidung AZ 9 Os 134/74 (= SSt 46/6) lag ein anderer, im Gegensatz zum hier vorliegenden Verwaltungsstraftatbestand (§ 99 Abs. 1 lit a iVm § 5 StVO) eine Anzeigenerstattung nicht zwingend gebietender Sachverhalt zugrunde, weshalb das dort in Rede stehende Begehren des Täters, von der Erstattung einer Anzeige abzusehen und ihn bloß auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens hinzuweisen (§ 21 Abs. 2 VStG) oder eine Organstrafverfügung zu erlassen (§ 50 VStG), keine Bestimmung zu einem Befugnismißbrauch bilden konnte.
Zur Subsumtionsrüge (Z 10) schließlich enthält die Beschwerdeschrift überhaupt keine Ausführungen, weil sie sich ausschließlich auf einen - wie erwähnt unzulässigen - Hinweis auf die Rechsmittelschrift im ersten Rechtsgang beschränkt und sich damit einer sachbezogenen Erwiderung entzieht.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht keinen Umstand als erschwerend, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, dem es überwiegende Bedeutung zumaß, sodaß es eine das gesetzliche Mindestmaß unterschreitende Freiheitsstrafe von vier Monaten für ausreichend hielt (§ 41 StGB), die es zudem für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Die Verhängung einer Geldstrafe (§ 37 StGB) lehnte der Schöffensenat jedoch wegen der Schwere des Delikts und der Uneinsichtigkeit des Angeklagten ausdrücklich ab.
Mit seiner dagegen erhobenen Berufung strebt Antonius L***** primär die Verhängung einer bedingten Geldstrafe, in eventu die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an, wobei er als Argument lediglich ins Treffen führt, daß die Tat schon vor längerer Zeit begangen worden sei und er sich seither wohlverhalten habe.
Auch die Berufung ist unbegründet.
Abgesehen davon, daß der behauptete Milderungsgrund (§ 34 Z 18 StGB) nicht vorliegt, weil sich das Ausmaß des seit der Tat verstrichenen Zeitraumes an der fünfjährigen Rückfallsverjährungsfrist des § 39 StGB zu orientieren hat (Leukauf-Steininger Komm3 § 34 RN 27), würde die Verhängung einer bedingten Geldstrafe die nach Lage des Falles mit Rücksicht auf die vom Schöffensenat zutreffend hervorgehobenen Umstände erforderliche Effektivität und Präventionswirkung verfehlen. Der Ausspruch einer Geldstrafe hinwieder, die nicht bedingt nachgesehen wird, kam schon mangels einer hiefür notwendigen Erklärung des Angeklagten nach dem Gesetz (§ 295 Abs. 2 letzter Satz StPO) nicht in Betracht. Das Ausmaß der ohnedies im Rahmen der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB) erkannten Freiheitsstrafe aber entspricht durchaus der unrechtsbezogenen Täterschuld (§ 32 StGB) des Berufungswerbers, sodaß auch deren weiterer Ermäßigung nicht nähergetreten werden konnte.
Anmerkung
E31481European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0140OS00145.9200009.0112.000Dokumentnummer
JJT_19930112_OGH0002_0140OS00145_9200009_000