TE OGH 1993/1/13 9ObA260/92

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Veröffentlicht am 13.01.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Roman Merth und AR Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. H***** B*****, Baumschulbesitzer, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei Ing. F***** H*****, Gartengestalter, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwälte *****, wegen 400.000 S sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. 5. 1992, GZ 8 Ra 9/92-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. 9. 1991, GZ 30 Cga 135/90-14, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 26.103,60 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 4.350,60 S Umsatzsteuer) sowie die mit 27.658,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.609,70 S Umsatzsteuer und 12.000 Barauslagen) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war seit 1.4.1977 beim Kläger gegen ein Fixum von 8.000 S monatlich und eine 20 %ige Provision mit dem Verkauf von Gartenbau- und Baumschulprodukten beschäftigt. Verkaufsstelle war der Gärtnereibetrieb (später Baumschulbetrieb) der Gattin des Beklagten auf einem Grundstück im Ausmaß von ca. 2.000 m2 in *****.

Die Streitteile trafen folgende Vereinbarung, die in den vom Kläger ausgestellten Dienstzettel aufgenommen wurde:

"Die im Bereich ***** aufgestellten Werbetafeln haben stets in einem sauberen, gereinigten und unkrautfreien Zustand gehalten zu werden. Alle Werbemaßnahmen werden vom Arbeitgeber getragen. Sollte der Arbeitnehmer das Dienstverhältnis beenden und in ein anderes, branchengleiches oder ähnliches Verhältnis eintreten oder aber eine selbständige Tätigkeit in dieser oder artverwandter Branche fortsetzen, verpflichtet er sich, innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Dienstverhältnisses 50 % der nachweisbaren, bisher aufgewendeten Werbekosten dem Arbeitgeber zu ersetzen."

Das Arbeitsverhältnis endete am 31.12.1989 durch Kündigung durch den Beklagten.

Seit Anfang 1990 ist der Beklagte in ***** als selbständiger Gartenarchitekt tätig. Zur Tätigkeit des Beklagten gehört auch die Vermittlung von Verkäufen von Baumschulprodukten an seine Kunden. Hiebei vermittelt der Beklagte vor allem Produkte aus dem Betrieb seiner Gattin. Der Beklagte war am Betriebsvermögen oder am Gewinn des Unternehmens seiner Ehefrau ("Baumschule H*****") nie beteiligt. Diese Baumschule und das Gartenplanungsunternehmen des Beklagten sind wirtschaftlich voneinander getrennt.

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung von 400.000 S sA. Der Baumschulbetrieb werde nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter dem Namen der Gattin des Beklagten am bisherigen Standort weitergeführt. Der Beklagte müsse dem Kläger vereinbarungsgemäß 50 % der im Bereich ***** aufgewendeten Werbekosten ersetzen. In den vergangenen zwölf Jahren habe der Kläger im Gebiet von ***** für Werbemaßnahmen 1,6 Millionen S aufgewendet.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Beklagte übe als Gartengestalter keine branchengleiche oder artverwandte Tätigkeit aus. Die Werbemaßnahmen hätten nicht über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses hinaus gewirkt; darüber hinaus sei ihr Wert für den Standort im ***** sehr beschränkt gewesen. Die Vertragsbestimmung über den Ersatz von Werbekosten beschränke die Kündigungsmöglichkeit des Beklagten und sei daher sittenwidrig. Sollte es sich um eine Vertragsstrafe handeln, werde sie ohne Verletzung einer Vertragspflicht geltend gemacht und sei aus diesem Grund sittenwidrig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und vertrat die Rechtsauffassung, daß die Gartengestaltung keine dem Verkauf von Baumschulprodukten artverwandte Tätigkeit sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers statt, hob das Ersturteil auf, verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Rekurs zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die nunmehrige Tätigkeit des Beklagten, in deren Rahmen er (auch) den Verkauf von Produkten der Baumschule seiner Gattin vermittle, seiner Tätigkeit für den Kläger artverwandt sei, zumal er als Absolvent der höheren Gartenbauschule in Schönbrunn auch beim Verkauf von Produkten der Baumschule des Klägers eine Beratungstätigkeit entfaltet habe. Es erscheine aber unangemessen, das Kündigungsrecht des Beklagten durch einen Ersatz von Werbeaufwand zu belasten, der schon länger zurückliege. Dieser Aufwand habe sich für den Kläger bereits amortisiert und wirke für den Beklagten nicht mehr fort. Ziehe man die für den Ersatz von Ausbildungskosten in Lehre und Judikatur entwickelte Höchstgrenze heran, sei die Ersatzpflicht des Beklagten auf den in den letzten fünf Jahren vor der Auflösung des Arbeitsverhältnisses getätigten Werbeaufwand einzuschränken. Im fortgesetzten Verfahren werde daher festzustellen sein, welcher Teil der Werbeausgaben des Klägers auf diesen Zeitraum entfalle; darüber hinaus sei zu klären, welcher Teil dieses Werbeaufwandes räumlich dem Standort ***** zuzuordnen sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Beklagten aus den Rekursgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht eine Sachentscheidung aufzutragen oder in der Sache selbst zu erkennen und das Ersturteil zu bestätigen.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zu Recht wendet sich der Rekurswerber gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in SZ 57/1 = DRdA 1985/19 (zust Csebrenyak) unter Berufung auf Firlei (DRdA 1979, 226 ff [227] und Söllner (Der Umfang der Arbeitspflicht bei Zeitlohn, in Tomandl, Entgeltprobleme aus arbeitsrechtlicher Sicht, 92 ff [103, 104 und 106]) sowie in RdW 1992, 21 ausgesprochen hat, schuldet der Arbeitnehmer ein "Wirken" (also Dienste) aber kein "Werk", da er - anders als der Werkunternehmer - die Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zum Arbeitgeber und demgemäß nach dessen Weisungen zu leisten hat. Wer hingegen ein Werk, also den Erfolg der Arbeit, schuldet, muß die Art und Weise, wie dieser Erfolg zustandekommen soll, im allgemeinen selbst zu bestimmen haben, weil er andernfalls eine Gewähr für dessen Herbeiführung nicht übernehmen könnte. Die Vereinbarung einer Mindestarbeitsleistung ist daher mit dem Wesen des in persönlicher Abhängigkeit zu erfüllenden Arbeitsvertrages nicht vereinbar (s Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechtes7 I 135; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch7, 130 f; RdW 1992, 21).

Die Überwälzung des Erfolgsrisikos für die nach den Weisungen des Arbeitgebers zu leistende Arbeit durch die Verpflichtung zu einer Mindestarbeitsleistung widerspricht demnach dem Wesen des Arbeitsvertrages (s Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 120; JBl 1990, 395).

Dasselbe gilt auch für andere Vereinbarungen, mit denen das Unternehmerrisiko zur Gänze auf den Arbeitnehmer überwälzt wird (JBl 1990, 395). Dazu gehört auch die Belastung des Arbeitnehmers mit den Kosten von Werbemaßnahmen, über deren Einsatz und Gestaltung allein der Arbeitgeber zu bestimmen hat (JBl 1990, 395). Die Arbeit ist nicht nur grundsätzlich mit den Mitteln des Arbeitgebers zu leisten (s Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 55; Martinek-M. und W. Schwarz, AngG7, 44); dem Arbeitnehmer steht darüber hinaus beim Einsatz eigener Mittel zur Besorgung der Arbeit im Interesse des Arbeitgebers gemäß § 1014 ABGB der Ersatz des Aufwandes und des allenfalls erlittenen Schadens zu (s Spielbüchler aaO 238 f; Schaub aaO 636 ff; SZ 56/86 = DRdA 1984, 32 [Jabornegg] = JBl 1984, 391 [Hanreich 361]). Dazu kommt noch, daß der Kläger die Verpflichtung zum Ersatz des Werbeaufwandes an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer geknüpft und damit dessen Kündigungsrecht anders als durch die nach § 1159 c ABGB und § 20 Abs 4 AngG zulässige gleichmäßige Verlängerung der beiden Teilen zur Verfügung stehenden Kündigungsfrist einseitig erschwert hat (DRdA 1991, 366 [abl Binder]; ecolex 1992, 796).

Die Vereinbarung ist daher unwirksam.

Schließlich ist noch zu bemerken, daß die Aufnahme einer artverwandten Tätigkeit durch den Beklagten mangels Vereinbarung einer Konkurrenzklausel nicht rechtswidrig war, sodaß eine Schadenersatzpflicht des Beklagten und damit auch die Qualifikation des vereinbarten Aufwandersatzes als Konventionalstrafe im Sinne des § 37 Abs 3 AngG nicht in Frage kommt.

Dem Rekurs war daher gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E32422

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00260.920.0113.000

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2015
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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