Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Alfred Mayer und Helmut Mojescick als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Anton V*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei *****Zeitschriftenvertriebsgesellschaft mbH & Co KG, *****vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 158.563,29 brutto sA (im Revisionsverfahren S 152.132,86 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.August 1992, GZ 33 Ra 75/92-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11.Oktober 1991, GZ 3 Cga 2005/90-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird im Umfang der bestätigten Klageabweisung aufgehoben und die Arbeitsrechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger war von 1.September 1981 bis 30.Juni 1988 bei der **********Druckerei AG als Betreuer der Kolporteure beschäftigt. Mit 1. Juli 1988 setzte er sein Arbeitsverhältnis bei der aus der AG ausgegliederten Beklagten zu den gleichen Bedingungen und unter Wahrung sämtlicher Ansprüche fort. Vereinbarungsgemäß sollte auf das fortgesetzte Arbeitsverhältnis weiterhin der Kollektivvertrag für die kaufmännischen Angestellten der österreichischen Tageszeitungen (kurz Kollektivvertrag) Anwendung finden. Er war nunmehr als Gruppenleiter der Hauswerber für Abonnementaufträge tätig. Die Beklagte kündigte dieses Arbeitsverhältnis vorerst zum 31.Dezember 1989. Damit der Kläger keine finanziellen Nachteile erleide, nahm die Beklagte mit Vereinbarung vom 9.November 1989 ihre Kündigung zurück und löste das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger einvernehmlich auf, wobei der Personalleiter der Beklagten dem Kläger die Zahlung seiner Entgelte "wie bei Dienstgeberkündigung" zusagte. Die Auflösungsvereinbarung hat folgenden Wortlaut:
"Herr V***** per 30.11.1989 aus dem Unternehmen aus, wobei ihm die bis 31.12.1989 gebührenden Bezugsteile als freiwillige Abfertigung verrechnet werden. Ab 20.11.1989 bis zu seinem Austritt konsumiert Herr V***** Urlaub.
Mit der vorstehenden Vereinbarung sind sämtliche wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis erledigt."
Auf Grund dieser Vereinbarung zahlte die Beklagte dem Kläger S 92.596,50 an Abfertigung, S 20.511 an Dezember-Gehalt und eine Urlaubsentschädigung (bzw -abfindung) von S 24.237,21.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger S 158.563,29 brutto sA. Die Beklagte schulde ihm noch S 23.248,38 an restlicher Urlaubsentschädigung für 48 Werktage. Weiters habe er in der Zeit vom 1. April 1987 bis 30.November 1989 nicht durch das Überstundenpauschale gedeckte Überstunden geleistet, wofür noch ein Betrag von S 135.314,91 ausstehe.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger habe seine Ansprüche aus der Abgeltung des offenen Urlaubs erhalten. Weitergehende Ansprüche stünden ihm auf Grund der Generalbereinigung nicht zu. Abgesehen davon habe der Kläger Überstunden, die über das Überstundenpauschalen inaus geleistet worden seien, nie angemeldet oder geltend gemacht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 6.430,43 brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 152.132,86 brutto sA ab. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:
Der Kläger hatte keine festen Dienstzeiten und keine bestimmten Arbeitszeitvorgaben. Seine Arbeitszeit gestaltete sich - dem Arbeitsanfall entsprechend - unterschiedlich. Teils war er nur am Vormittag, teils nur am Nachmittag und teils den ganzen Tag tätig. Er verrichtete seine Arbeit entweder in den Räumen der Beklagten oder suchte Gasthäuser in Niederösterreich auf, die als Stützpunkte für die Betreuung der Abonnementwerber dienten.
Er bezog ein Monatsentgelt von S 20.577, in dem ein Überstundenpauschale von S 3.500 für 26 Überstunden monatlich enthalten war. Seinen Vorgesetzten gegenüber machte er nie eine Äußerung dahin, daß er weitere Überstunden verrichten müsse. Er hatte aus steuerlichen Gründen eine Überstundenliste zu führen und der Beklagten zu übergeben. Obwohl andere Arbeitnehmer der Beklagten fallweise mehr Überstunden in diese Listen eintrugen als durch das Pauschale gedeckt waren, verzeichnete der Kläger nie mehr als 26 Überstunden. Für seine Tätigkeit außerhalb des Dienstortes legte er überdies Spesenabrechnungen, welche die Zielorte, die Zeit der Tätigkeit und die aufgelaufenen Spesen enthielten. Auch diese Spesenabrechnungen dienten steuerlichen Zwecken und der Verrechnung von Diäten und Spesen. Während seines Arbeitsverhältnisses verlangte der Kläger von der Beklagten nie Überstundenentgelt.
Aus dem Urlaubsjahr 1987/1988 bestand ein Urlaubsrest von 18 Werktagen.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß dem Kläger zwar eine Urlaubsentschädigung für den Resturlaub 1987/88, nicht jedoch für das Urlaubsjahr 1989/90 gebühre, da Voraussetzung für das Entstehen eines Urlaubsentschädigungsanspruches bei einvernehmlicher Lösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 9 Abs 1 Z 5 UrlG das Verstreichen von mehr als der Hälfte des Urlaubsjahres sei. Ihm stehe gemäß § 10 Abs 1 UrlG nur eine restliche Urlaubsabfindung in Höhe von S 6.430,43 zu.
Das Begehren des Klägers auf Überstundenentgelt sei nicht konkretisiert; es fehle dazu an jeglichem Sachvorbringen. Im übrigen habe der Kläger ohnehin Überstundenaufzeichnungen geführt und bei der Beklagten abgegeben, in denen nur die durch das Pauschale abgedeckten Überstunden angeführt gewesen seien. Damit habe er im Hinblick auf sein Begehren der Vorschrift des § 9 des Kollektivvertrags nicht entsprochen, wonach die Abgeltung von Überstunden spätestens zum Ablauf des der Leistung folgenden vierten Monats beim zuständigen Organ des Unternehmens bei sonstigem Erlöschen anzumelden gewesen wäre. Da eigene Überstundenaufzeichnungen geführt worden seien, komme den zu völlig anderen Zwecken vorgelegten Spesenabrechnungen keine Bedeutung zu. Die Ansprüche des Klägers seien daher sowohl nach diesem Kollektivvertrag als auch allenfalls nach Art VII Z 3 lit a des Kollektivvertrags der Handelsangestellten verfallen. Wegen der auswärtigen Tätigkeit des Klägers habe die Beklagte die Leistung von Überstunden nicht nachprüfen können, sie sei daher auf die Überstundenaufzeichnungen des Klägers angewiesen gewesen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung im wesentlichen mit der Begründung, daß eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vorliege. Da der Kläger in der Berufung nur einen Aufhebungs-, aber keinen Abänderungsantrag gestellt habe, erübrige sich eine "eingehende Stellungnahme" zur Rechtsrüge. Dies gelte sowohl hinsichtlich der vom Kläger behaupteten unrichtigen rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts in bezug auf die Urlaubsentschädigung als auch hinsichtlich des Entgelts für Überstunden. Demnach könne auch dahingestellt bleiben, welcher Kollektivvertrag auf die Ansprüche des Klägers anzuwenden wäre. Für die Behauptung des Klägers, daß er bei der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses so zu stellen sei wie bei einer Arbeitgeberkündigung, fehle es an Feststellungen. Daher sei nur vom festgestellten Vereinbarungsinhalt auszugehen, der eine Generalklausel enthalte.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Kläger erhob in seiner Berufung eine eingehende und ausführlich begründete Rechtsrüge zu sämtlichen streitgegenständlichen Rechtsfragen, so daß sich aus dem Inhalt der Berufung sinngemäß und zwanglos auch ein Abänderungsantrag ableiten läßt. Soweit das Berufungsgericht dennoch die Rechtsauffassung vertritt, es hätte eines ausdrücklichen Abänderungsantrages bedurft, damit es in die Prüfung der Rechtsrüge eingehen kann, hätte es das von Fasching (ZPR2 Rz 1697) geforderte Verbesserungsverfahren einleiten müssen (vgl SZ 59/134 = JBl 1987, 189 mwH). Da es ein solches Verfahren unterließ, liegt die vom Revisionswerber gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gemäß § 503 Z 2 ZPO vor.
Das angefochtene Urteil ist daher im noch streitverfangenen Umfang aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung aufzutragen, mit der - allenfalls nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens - über den gesamten Inhalt der Berufung abzusprechen sein wird.
Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet.
Anmerkung
E35130European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00290.92.0127.000Dokumentnummer
JJT_19930127_OGH0002_009OBA00290_9200000_000