TE OGH 1993/1/27 7Ob26/92

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.01.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Ebner und Dr.I. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****krankenkasse B*****, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Leopold Hammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen DM 60.264,26 (= öS 421.848,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Juni 1992, GZ 12 R 101/92-45, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Jänner 1992, GZ 8 Cg 728/87-40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.022,60 (darin S 2.837,10 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 23.12.1982 ereignete sich in Jugoslawien (Kosovo) ein Verkehrsunfall zwischen einem in Österreich zugelassenen PKW und einem Eisenbahnzug. Halter des PKWs war Gjeme L*****, Haftpflichtversicherer die beklagte Partei. Das Fahrzeug wurde vom Sohn des Halters, Ramadam L*****, der keinen Führerschein besaß, gelenkt. Beim Versuch, einen Eisenbahnübergang zu überqueren, starb aus Verschulden des Lenkers der Motor des Fahrzeuges ab. Der PKW wurde vom herannahenden Zug erfaßt und der Beifahrer Vesel K***** erheblich verletzt. Es konnte nicht festgestellt werden, daß der Verletzte wußte, daß Ramadam L***** über keine Lenkerberechtigung verfügte. Die Klägerin hat als gesetzliche Krankenversicherin für Vesel K***** Krankenversicherungsleistungen in Höhe des Klagsbetrages erbracht.

Die Klägerin begehrt letztlich diesen Betrag von der beklagten Haftpflichtversicherung.

Die beklagte Partei wendete Leistungsfreiheit ein. Die Bestimmung des § 158c VersVG, wonach der Versicherer in einem solchen Fall dem Dritten gegenüber weiterhin leistungspflichtig bleibe, sei auf das österreichische Staatsgebiet beschränkt und entfalte keine Wirksamkeit bei Auslandsunfällen.

Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren vollinhaltlich statt. Es folgerte rechtlich, daß auf den Unfall das Haager Straßenverkehrsübereinkommen anzuwenden sei. Der dabei in Art.2 Z 6 leg. cit. normierte Ausnahmstatbestand komme im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, weil die Legalzession an der Rechtsnatur des Anspruches, der ihr zugrundeliege, nichts ändere. Gemäß Art.3 des Übereinkommens sei für Ansprüche des Geschädigten das Recht des Unfallsortes maßgeblich, also in diesem Fall jugoslawisches Recht. Ob der Geschädigte ein direktes Klagerecht gegen den Versicherer habe, könne sich gemäß Artikel 9 des Übereinkommens sowohl nach dem Unfallsstaat als auch subsidiär nach dem Zulassungsstaat oder dem Versicherungsvertragsstaat bestimmen. Da zumindest in Österreich ein direktes Klagerecht gegen die Haftpflichtversicherung bestehe, sei ein solches auch nach dem Haager Übereinkommen gegeben. Hinsichtlich der Legalzession sei das dem (Kranken-)Versicherungsvertrag zugrundeliegende Recht, sohin deutsches Recht anzuwenden. Dieses kenne mit § 116 SGB eine dem § 332 ASVG entsprechende Bestimmung. Das Haager Straßenverkehrsübereinkommen regle nicht die Frage der Leistungsfreiheit des (Haftpflicht-)Versicherers bei Obliegenheitsverletzungen; hiefür sei nach § 38 Abs.2 IPRG das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Versicherer seine Niederlassung habe, sohin österreichisches Recht. Nach diesem stehe dem Geschädigten gegenüber dem Versicherer gemäß § 158c VersVG trotz Leistungsfreiheit gegenüber dem Halter ein Ersatzanspruch zu. Der vom Halter des Fahrzeuges vertraglich vereinbarte Versicherungsschutz erstrecke sich auch auf Auslandsunfälle.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung in der Hauptsache dieses Urteil. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Rechtlich stimmte das Berufungsgericht der Rechtsmeinung des Erstgerichtes bei. Die Entscheidung VersR 1962, 819 = SZ 35/23 könne nicht aufrechterhalten werden, weil zwischenzeitig das Europäische Übereinkommen über die obligatorische Haftpflichtversicherung von Kraftfahrzeugen BGBl. 1972/236, dem auch Jugoslawien beigetreten sei, abgeschlossen worden sei. Art.25 der AKHB habe den örtlichen Geltungsbereich vergrößert und die Haftung auf Unfälle in Staaten, die dem Abkommen beigetreten seien, erweitert. Aus der Sicht des geschädigten Dritten würde die obligatorische Haftpflicht, wie sie übereinstimmend in Europa eingeführt wurde, durch die Aufrechterhaltung dieser Rechtsprechung weitgehend unterlaufen, weil dem Geschädigten bei Auslandsunfällen in allen Fällen der Leistungsfreiheit des Versicherers im Innenverhältnis der Anspruch gegen den Versicherer genommen wäre und er auf den problematischen Anspruch gegen den Schädiger selbst verwiesen würde.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Auch in der Revision werden die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen, wonach die Voraussetzungen und der Inhalt der Legalzession hinsichtlich der Schadenersatzansprüche des Versicherten an einen ausländischen Sozialversicherungsträger nach dem Recht zu beurteilen sind, dem dieses Versicherungsverhältnis unterworfen ist, im vorliegenden Fall sohin deutsches Recht (vgl. ZVR 1990/89 mwN), nicht bekämpft. Die Legalzession ändert an der Rechtsnatur des Anspruches, der ihr zugrundeliegt, nichts, denn gemäß § 1394 ABGB sind die Rechte des Übernehmers mit den Rechten des Überträgers in Rücksicht auf die überlassene Forderung gleich. Wird im Lichte dieser Grundsätze Art.2 Z 6 des Haager Straßenverkehrsübereinkommens untersucht, so können unter Ansprüchen, die von Trägern der Sozialversicherung geltend gemacht werden, nicht auch solche verstanden werden, die ihrer Rechtsnatur nach im Grunde Ansprüche des Geschädigten selbst, also bloß von diesem abgeleitete Ansprüche sind, wie hier (SoSi 1989, 66 mwN).

Wie schon vom Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben wurde, wurde die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 7.2.1962 zu 7 Ob

27/62, veröffentlicht in VersR 1962, 819 = SZ 35/23 = ZVR 1962/149 =

EvBl. 1962/268 = JBl. 1962, 563 von Wahle ablehnend kritisiert (VersR 1962, 1021 ff); Prölss-Martin (VersVG24, 677) stimmen ihr dagegen - allerdings ohne nähere Begründung - unter Anführung auch einer Entscheidung des OLG Saarbrücken (VersR 1957/145) und mit Hinweis auf die deutsche Rechtslage zu. Nach der genannten Entscheidung SZ 35/23 sei nicht einzusehen, warum der österreichische Versicherer nach § 158c VersVG für einen Unfall in einem Staat haften soll, in dem es weder eine analoge Vorschrift gebe noch eine Verpflichtung zum Abschluß einer Haftpflichtversicherung, warum also der österreichische Versicherer eine Last zur Wahrung der Verkehrssicherheit in einem solchen ausländischen Staat übernehmen soll; dies könne nicht der Zweck des Gesetzes (§ 6 ABGB) sein. Das Pflichtversicherungsrecht habe öffentlichen Charakter, seine Bestimmungen und die zu seiner Durchsetzung erlassenen privatrechtlichen Vorschriften seien daher auf das Staatsgebiet beschränkt. Die Entscheidung gründet sich damit im wesentlichen darauf, daß in Italien, in dem sich der ihr zugrundeliegende Unfall ereignet hatte, damals noch keine obligatorische Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung bestanden hat. Mit dem Europäischen Übereinkommen über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge (BGBl. 1972/236) ist ein derartiges Argument weggefallen.

Dazu kommt, daß nach den zur Zeit des gegenständlichen Unfalles geltenden Haftpflichtversicherungsbedingungen (AKHB 1967, Art 25) der Haftpflichtversicherer seinem Versicherten für ganz Europa Versicherungsschutz zusicherte und die Haftung aus der bestehenden Haftpflichtversicherung sich in diesem Umfang auch dem geschädigten Dritten gegenüber erstreckt. Wie Wahle (aaO, 1027) zutreffend ausführt, läßt sich die Ansicht Prölss' und die ihm folgenden Entscheidungen weder aus einer vertraglichen noch aus einer gesetzlichen Bestimmung ableiten. Mit dem Einschluß von Auslandsunfällen in die Versicherung sagte der Versicherer in den zitierten Bedingungen grundsätzlich dieselbe Behandlung von Auslandsunfällen zu wie für Inlandsunfälle. Er muß sich daher in beiden Fällen gleich behandeln lassen. Hätte er dies nicht gewollt, so hätte er nicht aufgrund der Haftpflichtversicherungsbedingungen abschließen dürfen. Da nach österreichischem Versicherungsrecht der Versicherer verpflichtet ist, den geschädigten Dritten iSd § 158c VersVG zu befriedigen und er durch Abschluß eines Versicherungsvertrages sich nicht nur den ausdrücklich bedungenen Vertragsbestimmungen, sondern auch den gesetzlichen Vorschriften vertragsmäßig unterwirft, so ist auch § 158c VersVG Vertragsbestandteil und daher, bei Ausdehnung des Wirkungskreises des Vertrages auf das Ausland auch bezüglich der Auslandsunfälle Vertragsbestandteil geworden. Aus den zutreffenden Überlegungen der Vorinstanzen war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E33185

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0070OB00026.92.0127.000

Dokumentnummer

JJT_19930127_OGH0002_0070OB00026_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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