TE OGH 1993/1/27 7Ob505/93

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Veröffentlicht am 27.01.1993
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Ebner und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian S*****, vertreten durch Dr.Dietmar Ritzberger und Dr.Erich Janovsky, Rechtsanwälte in Schwaz, wider die beklagte Partei F***** GmbH,***** vertreten durch Dr.Peter Gatternig, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 183.203,48 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25.September 1992, GZ 4 R 146/92-67, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17.April 1992, GZ 26 Cg 48/88-60, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger war im Auftrag der Beklagten mit Verfugungsarbeiten auf der Baustelle L***** tätig. Bei Auftragserteilung vereinbarten die Streitteile als Auftragsgrundlagen ua die beiliegenden Aufmaßblätter, die Ö-Normen A 2060 und B 2110, die allgemeinen Vertragsbestimmungen für Nachunternehmerleistungen der Bundesinnung der Baugewerbe sowie die einschlägigen Ö-Normen, hilfsweise auch die DIN.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung des Werklohnes für auftragsgemäß durchgeführte Arbeiten. Diese seien über Anweisung des Bauleiters mit Teilrechnungen verrechnet worden. Hinsichtlich der einzelnen Baupositionen habe er damit ordnungsgemäß Schlußrechnung gelegt. Aufgrund dieser Rechnungen ergebe sich - nach Abzug geleisteter Teilzahlungen und des auf den Kläger entfallenden allgemeinen Bauschadens - eine Werklohnforderung in der eingeklagten Höhe. Die Schlußrechnungen seien prüffähig und auch mit den zur Prüfung erforderlichen Beilagen versehen gewesen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Die Rechnungen des Klägers hätten den Bestimmungen der vereinbarten Ö-Normen nicht entsprochen. So wäre über das einheitliche Bauwerk auch eine einheitliche Schlußrechnung zu legen gewesen. Zur Prüfung wären lückenlose und zusammenhängende Unterlagen vorzulegen gewesen. Die bloß vereinzelt vorgelegten Unterlagen hätten hingegen nicht genügt. Insbesondere hätten Aufmaßblätter, Pläne, Berechnungen und Zeichnungen angeschlossen werden müssen. Vereinzelte Gegenzeichnungen auf den Unterlagen des Klägers durch den örtlichen Bauleiter der Beklagten besagten für die Rechnungsprüfung nichts. Daß die örtliche Bauleitung zur Prüfung der Rechnungen des Klägers in der Lage gewesen sei, sei unerheblich. Maßgebend sei vielmehr, daß der Geschäftsführung der Beklagten die Prüfung möglich gemacht werde. Das sei aber nicht der Fall gewesen. Schließlich fehlten in einzelnen Rechnungen auch die Umsatzsteuerbeträge. Einzelne Leistungen seien zudem doppelt verrechnet worden. Der Kläger habe auch Kosten für die Behebung eigener Mängel fakturiert. Er habe trotz Aufforderung keine ordnungsgemäße (Schluß-)Rechnung gelegt. Die Werklohnforderung sei daher mangels Prüffähigkeit der gelegten Rechnungen noch nicht fällig. Außerdem habe der Kläger die von der Beklagten vorgenommene Abrechnung, die eine Überzahlung ergebe, durch Schweigen genehmigt.

Die Parteien erstatteten auch weiters, für den vorliegenden Aufhebungsbeschluß jedoch nicht maßgebendes Vorbringen.

Das Erstgericht gab der Klage in Ansehung der Kapitalforderung samt stufenweise berechneter Zinsen Folge, wies jedoch ein Zinsenmehrbegehren ab. Neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf es ua noch folgende Feststellungen über die Rechnungen des Klägers:

Die Rechnungen des Klägers reichten dem Bauleiter der Beklagten für eine Kontrolle aus. Der Beklagten standen ohnedies sämtliche Bau- und Ausführungspläne zur Verfügung. Teilweise kam es zu Rechnungskorrekturen durch den Bauleiter. Die Geschäftsführung der Beklagten beanstandete ihrem Bauleiter gegenüber niemals die von ihm geübte Rechnungskontrolle.

Den der Schlußrechnung über die schriftlichen Aufträge vom 8.1., 21.2. und 7.4.1986 (Beilage I) zugrundeliegenden Teilrechnungen (LKW/1 und LKW/2) war eine Aufstellung über Arbeitsbereiche samt Art der verrichteten Arbeit mit Laufmeter - und Preisangaben sowie eine Aufmaßliste über die einzelnen Zimmer und Gangbereiche (mit Angabe der Laufmeter und der jeweils darauf entfallenden Preise) angeschlossen. Die ihr weiters angeschlossene "Aufstellung M" über Nachtragsaufträge trug den Vermerk, daß die Detail-Aufmaßblätter 5 und 6 beiliegen und daß das Aufmaßblatt für die Teilrechnung LKW/4 bei der Bauleitung abgegeben wurde. Die weitere Teilrechnung LKW/7 enthielt den Vermerk, daß das Detail-Aufmaßblatt und die Arbeitsbestätigung beiliegen.

Die Schlußrechnung für Fugensanierungen (Beilage J) ergab sich aus den Teilrechnungen LKW/8, LKW/9 und LKW/3. Diesen Teilrechnungen waren Aufstellungen über den Arbeitseinsatz und das Material sowie Arbeitsbeschreibungen und zum Teil unterfertigte Arbeitsscheine angeschlossen; auf der Teilrechnung LKW/3 war vermerkt, daß die Arbeitsbestätigungen täglich bei der Bauleitung abgegeben wurden.

Die der Schlußrechnung "Fugensanierung-Kirchberger" (Beilage K) angeschlossenen Teilrechnungen (zwei vom 30.4.1986 sowie FS-2, FS-1, MUK-6, MUK-7) trugen die Vermerke "Aufmaßblatt-Neuverfugungen, Teilrechnungsaufstellung Blatt 1 und 2, Arbeitsbestätigungen und Materialpreisnachweise wurden bei der Bauleitung abgegeben" sowie "Teilrechnungsaufstellung, Auftragsbestätigungen liegen bei".

Die der Schlußrechnung "Künstlerbrunnen-Fahnenpodest" (Beilage L) angeschlossenen Teilrechnungen enthielten Aufmaßaufstellungen oder die Vermerke, daß Auftrag und Rechnungsaufstellungen sowie Arbeitsbestätigung beiliegen.

Alle Vermerke auf den Rechnungen über die Rechnungsunterlagen entsprachen den Tatsachen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht folgendes aus:

Die Beklagte hafte für die Zahlung der in den schriftlichen Aufträgen und in den mündlichen, ihr bekannt gewordenen Zusatzaufträgen ihres Bauleiters enthaltenen Arbeiten. Auch auf letztere Aufträge seien die vereinbarten Vertragsbedingungen anzuwenden. Die Schlußrechnungen hätten zwar nicht den Formvorschriften der Ö-Norm entsprochen. Abgesehen davon, daß sie nicht fortlaufend numeriert seien, eine Zusammenfassung sämtlicher Rechnungen in einer Schlußrechnung fehle und Zahlungen nicht gesondert ausgewiesen worden seien, fehlten in den dem Gericht vorgelegten Rechnungskonvoluten auch Rechnungsunterlagen, insbesondere Aufmaße. Mit den einzelnen Rechnungen seien jedoch Teilleistungen verrechnet worden, die zum Teil durch die jeweiligen Aufträge, zum Teil aber räumlich abgegrenzt gewesen seien, so daß Teilschlußrechnungen vorlägen. Die Beklagte habe alle für die Rechnungsprüfung zur Verfügung gestellten Unterlagen erhalten, sodaß die örtliche Bauaufsicht und Bauleitung in der Lage gewesen sei, diese Rechnungen zu prüfen. Soweit solche Unterlagen der Geschäftsleitung der Beklagten nicht zugekommen seien, liege das im internen Organisationsbereich der Beklagten. Die Beklagte habe die Teilschlußrechnungen auch nicht in der durch Abschnitt 2.12.9.3. der Ö-Norm A 2060 festgelegten Frist zurückgestellt. Die Ö-Norm knüpfe das Hinausschieben der Fälligkeit aber auf die fristgerechte Rückstellung der Rechnung an. Da die Beklagte die Rechnungen somit nicht rechtzeitig und vollständig dem Kläger zurückgestellt und auch nicht weitere Unterlagen angefordert habe, seien die ihr nach Punkt 2.12.9.3. dieser Ö-Norm zustehenden Rechte erloschen. Die Teilschlußrechnungen des Klägers seien daher fällig. Eine sachliche Unrichtigkeit der Rechnung sei nicht erwiesen.

Das Berufungsgericht wies die Klage zur Gänze ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es stellte ergänzend den Inhalt der Ö-Norm A 2060 Punkt 2.10.4. und der Ö-Norm B 2110 Punkt

2.7. fest und verneinte den in der Unterlassung einer Ergänzung des Sachverständigengutachtens erblickten Verfahrensmangel. Die umfangreiche Tatsachenrüge über die Rechnungslegung (gerügt wurden vor allem die Feststellungen über die Vermerke auf den Rechnungen hinsichtlich der zur Prüfung angeschlossenen Beilagen sowie die Feststellungen, daß die vorhandenen Unterlagen dem örtlichen Bauleiter zur Kontrolle ausgereicht hätten und sämtliche Bau- und Ausführungspläne der Beklagten zur Verfügung gestanden seien, daß Doppelverrechnungen nicht vorgelegen seien und die Rechnungen von der Beklagten auch nicht zurückgestellt worden seien) erledigte das Berufungsgericht dahin, daß es die gerügten Feststellungen "mangels Relevanz für die rechtliche Beurteilung" nicht übernahm. Das Berufungsgericht stützte sich vielmehr auf Feststellungen, daß die vorgelegten Schlußrechnungen nicht den Formvorschriften der Ö-Normen entsprochen hätten, weil eine fortlaufende Numerierung sowie eine Zusammenfassung sämtlicher Rechnungen gefehlt habe, Zahlungen nicht angeführt worden seien und "keine Rechnungsunterlagen, insbesondere Aufmaße, angeschlossen gewesen seien".

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß der Kläger eine den vereinbarten Ö-Normen entsprechende Rechnung noch nicht gelegt habe und der Werklohn somit noch nicht fällig geworden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne des darin gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Mit Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht - ohne eigene Beweisaufnahmen - von den Feststellungen des Erstgerichtes abgewichen ist. Das Berufungsgericht hat nicht etwa für die rechtliche Beurteilung nicht maßgebende Feststellungen nicht übernommen. Die von der Tatsachenrüge in der Berufung der Beklagten erfaßten Feststellungen, welche das Berufungsgericht nicht übernommen hat, betrafen vielmehr die Rechnungslegung und die den einzelnen Rechnungen angeschlossenen Unterlagen. Ob solche Unterlagen angeschlossen waren und für die Prüfung der Rechnungen ausgereicht haben, ist jedoch für die rechtliche Beurteilung insbesondere der Fälligkeit der Rechnungen von Belang. Das Erstgericht hat - neben den im Rahmen der rechtlichen Beurteilung über Formmängel der Rechnungen (keine laufende Numerierung und Fehlen einer zusammenfassenden Schlußrechnung) enthaltenen Angaben - auch nicht (zusätzlich) festgestellt, daß den Rechnungen des Klägers keine prüffähigen Unterlagen beigelegt waren, was gegenüber den tatsächlich getroffenen Tatsachenfeststellungen einen Widerspruch bedeutet hätte. Es hat in dieser zusammenfassenden Wiedergabe von Fesstellungen vielmehr nur ausgeführt, daß solche Unterlagen bei den Gerichtsbeilagen fehlen. Feststellungen über die der Beklagten tatsächlich gelegten Rechnungen wurden damit aber nicht getroffen; derartige konnten daher nicht übernommen werden. Somit ist das Berufungsgericht in Wahrheit von den Feststellungen des Erstgerichtes über die Art der Rechnungslegung und die den Rechnungen beigelegten Unterlagen abgewichen und hat seiner Beurteilung gegenteilige Feststellungen zugrundegelegt, ohne die Tatsachenrüge der Beklagten behandelt und ohne darüber eigene Beweisaufnahmen durchgeführt zu haben. Will das Berufungsgericht aber von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes in Wahrnehmung einer entsprechenden Beweisrüge der Berufung abgehen, so muß es nach dem das Zivilverfahren beherrschenden Unmittelbarkeitsgrundsatz alle zur Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen erforderlichen Beweise, die das Erstgericht unmittelbar aufgenommen hat, selbst wiederholen (SZ 57/142; SZ 53/117; SZ 23/112; EvBl 1978/194; EvBl 1974/72; Fasching IV 308) oder das Protokoll über die Beweisaufnahme in erster Instanz unter den Voraussetzungen des § 281a ZPO verlesen, was im vorliegenden Fall nicht geschehen ist; eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes liegt aber auch vor, wenn das Berufungsgericht seine rechtliche Beurteilung unter Abweichung von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes ohne Durchführung einer Beweiswiederholung trifft. Die Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes berührt aber immer eine Frage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (SZ 57/142; EFSlg 49.384).

Aus den dargelegten Gründen war daher das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E33190

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0070OB00505.93.0127.000

Dokumentnummer

JJT_19930127_OGH0002_0070OB00505_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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