TE Vfgh Erkenntnis 2001/12/12 B346/01 ua

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Veröffentlicht am 12.12.2001
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Index

L3 Finanzrecht
L3712 Standortabgabe

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88
VfGG §17a

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung von Wortfolgen in §2, §3, §4 und §5 Oö StandortabgabeG, LGBl 8/1993 idF LGBl 49/1995, sowie mehrerer auf der Grundlage dieses Gesetzes erlassener Verordnungen mit E v 03.12.01, G309/01 ua, V89/01 ua.; Kostenzuspruch

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, der zu B346/01 und B347/01 beschwerdeführenden Partei die mit S 32.000,-- (€ 2.325,53) sowie der zu B830/01 beschwerdeführenden Partei die mit S 29.500,-- (€ 2.143,85) bestimmten Prozeßkosten jeweils zuhanden ihrer Rechtsvertreter binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Die zu B346/01 und B347/01 beschwerdeführende Gesellschaft betreibt aufgrund einer abfallwirtschaftsrechtlichen Bewilligung aus dem Jahr 1992 eine in den Gemeindegebieten der Gemeinde Redlham und der Gemeinde Attnang-Puchheim gelegene Deponie.

1.1.1. Mit dem zu B346/01 bekämpften Bescheid vom 25. Jänner 2001 wurde ihre Vorstellung gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Gemeinde Redlham betreffend Vorschreibung der Standortabgabe für den Zeitraum vom 1. Jänner 1998 bis 31. Mai 1999 in der Höhe von S 1.891.901,-- gemäß O.ö. Standortabgabegesetz 1993 iVm §1 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Redlham vom 22. April 1993 betreffend die Festsetzung der Standortabgabe für Abfälle von der Oberösterreichischen Landesregierung als unbegründet abgewiesen.

1.1.2. Mit dem zu B347/01 bekämpften Bescheid vom 24. Jänner 2001 wurde ihre Vorstellung gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Gemeinde Attnang-Puchheim betreffend Vorschreibung der Standortabgabe für den Zeitraum vom 1. Jänner 1998 bis 31. Mai 1999 in der Höhe von S 810.814,-- gemäß O.ö. Standortabgabegesetz 1993 iVm der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Attnang-Puchheim vom 9. März 1995 betreffend Festsetzung der Höhe der Standortabgabe für Abfälle von der Oberösterreichischen Landesregierung als unbegründet abgewiesen.

1.2. In ihren dagegen erhobenen, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden behauptet die beschwerdeführende Gesellschaft, in ihren Rechten, insbesondere in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit vor dem Gesetz, wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (O.ö. Standortabgabegesetz, die aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Verordnungen der Oberösterreichischen Landesregierung sowie des Gemeinderates der Gemeinde Redlham bzw. des Gemeinderates der Gemeinde Attnang-Puchheim) verletzt zu sein, und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Zur Begründung beruft sie sich im wesentlichen auf das zum - dem O.ö. Standortabgabegesetz weitgehend inhaltsgleichen - NÖ Standortabgabegesetz 1992 ergangene Erkenntnis VfSlg. 14.688/1996.

2.1. Die zu B830/01 beschwerdeführende Gesellschaft ist Betreiberin einer im Gemeindegebiet der Gemeinde Ort im Innkreis gelegenen Deponie.

Mit dem nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpften Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung wird einer gegen einen (Berufungs-)Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Ort im Innkreis erhobenen Vorstellung, mit dem die Standortabgabe für das Jahr 1999 mit S 599.740,45 festgesetzt und der Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der Standortabgabe für die Jahre 1993 bis 1998 mit Null abgewiesen wird, keine Folge gegeben.

2.2. Auch diese Gesellschaft behauptet in ihrer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde unter Hinweis auf VfSlg. 14.688/1996, durch den bekämpften Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums und in sonstigen Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen, nämlich des O.ö. Standortabgabegesetzes und der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Ort im Innkreis vom 8. April 1993, verletzt zu sein, und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

3. Die Oberösterreichische Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie den Beschwerdevorwürfen nicht entgegengetreten ist.

II. Aus Anlaß dieser Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit jener Bestimmungen des O.ö. Standortabgabegesetzes, LGBl. für Oberösterreich 8/1993 idF LGBl. 49/1995, welche die Erhebung einer Standortabgabe für das Betreiben einer Deponie zum Gegenstand haben, sowie der Gesetzmäßigkeit von mehreren auf der Grundlage dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen (und zwar der Verordnungen der Oberösterreichischen Landesregierung vom 21. Juni 1993 betreffend die Umrechnung des Gewichtes des angelieferten Abfalls auf das deponierte Volumen, LGBl. für Oberösterreich 73/1993, und vom 21. November 1994 betreffend Erhöhung der Standortabgabe durch Indexbindung, verlautbart unter Z Gem-82.535/28-1994-Keh vom 27. November 1994 in der Amtlichen Linzer Zeitung, Folge 25/1994, S. 11, der Beschlüsse des Gemeinderates der Gemeinde Redlham vom 22. April 1993 über die Festsetzung der Standortabgabe, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23. April bis 10. Mai 1993, und vom 21. Oktober 1993 betreffend die Festsetzung eines Aufteilungsschlüssels, der Beschlüsse des Gemeinderates der Gemeinde Attnang-Puchheim vom 9. März 1995 betreffend die Festsetzung der Höhe der Standortabgabe für Abfälle, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 13. bis 30. März 1995, und vom 23. September 1993 betreffend die Festsetzung eines Aufteilungsschlüssels sowie des Beschlusses des Gemeinderates der Gemeinde Ort im Innkreis betreffend die Festsetzung der Standortabgabe vom 8. April 1993, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 17. April bis 4. Mai 1993) ein.

Mit Erkenntnis vom 3. Dezember 2001, G309-311/01, V89-94/01, V95,96/01, V97,98/01, V99/01, hob er diese Rechtsvorschriften mit Ausnahme der beiden die Festsetzung eines Aufteilungsschlüssels betreffenden Beschlüsse des Gemeinderates der Gemeinde Redlham bzw. der Gemeinde Attnang-Puchheim als verfassungs- bzw. gesetzwidrig auf und stellte die Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Beschlüsse des Gemeinderates der Gemeinde Redlham und des Gemeinderates der Gemeinde Attnang-Puchheim betreffend die Festsetzung eines Aufteilungsschlüssels mangels Voriegens einer Verordnung ein.

III. 1. Die Beschwerden sind begründet.

Die belangte Behörde hat bei Erlassung sämtlicher angefochtener Bescheide verfassungswidrige Gesetzbestimmungen und gesetzwidrige Verordnungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gesellschaften nachteilig war.

Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von je

S 4.500,-- (€ 327,03) sowie im Fall der zu B346/01 und B347/01 beschwerdeführenden Partei eine Eingabegebühr gemäß §17a VerfGG in Höhe von S 5.000,-- (€ 363,36), im Fall der zu B830/01 beschwerdeführenden Gesellschaft in Höhe von S 2.500,-- (€ 181,68) enthalten.

Den über den einfachen Satz des Kostenpauschales hinausgehenden und auch Streitgenossenzuschlag ansprechenden Kostenbegehren der zu B346/01 und B347/01 beschwerdeführenden Partei war nicht Folge zu geben, weil zum einen eine getrennte Beschwerdeführung gegen die beiden vom Sachverhalt und der rechtlichen Beurteilung her gleichgelagerten Bescheide weder aus zeitlicher noch auch in sachverhaltsmäßiger und rechtlicher Hinsicht erforderlich war (s. VfGH 1.10.2001, B544-549/01 ua.) und zum anderen es sich bei im verfassungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Parteien nicht um Streitgenossen im Sinne des §15 RATG handelt (s. VfGH 14.3.2001, B1886/98).

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B346.2001

Dokumentnummer

JFT_09988788_01B00346_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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