Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E. Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter B*****, vertreten durch Dr.Walter Vasoll, Rechtsanwalt in Hermagor, wider die beklagte Partei Ernst F*****, vertreten durch Mag.Dr.Michael Michor, Rechtsanwalt in Villach, wegen Entfernung einer Druckrohrleitung, infolge ao. Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 20.März 1991, GZ 3 R 122/91-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hermagor vom 26.November 1990, GZ C 758/89h-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur Fortsetzung der Verhandlung und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger ist Eigentümer des in der Katastralgemeinde V***** liegenden Grundstückes *****, an das im Süden der zum öffentlichen Gut gehörige Mühlbach anschließt. Dieses Grundstück ist grundbücherlich mit der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen zugunsten von Grundstücken des Beklagten belastet. Der Beklagte verlegte im Jahr 1975 eine zu seinem Kleinkraftwerk führende Druckrohrleitung zum Teil über das genannte Grundstück des Klägers. In seinem am 22.November 1974 an die Bezirkshauptmannschaft Hermagor gerichteten Antrag hatte der Beklagte den Kläger bzw. dessen Vater und Rechtsvorgänger im Eigentum dieses Grundstückes nicht in das Anrainerverzeichnis aufgenommen. Nach der Verlegung der Leitung ließ der Vater des Klägers im Jahr 1976 die Grundstücksgrenzen vermessen und entdeckte dadurch, daß die Leitung über sein Grundstück verlief. Er schlug dem Beklagten vor, er wolle ihm die Belassung der allerdings mit Erdreich zu bedeckenden Leitung gestatten, wenn er auf sein Geh- und Fahrrecht verzichte. (Ob der Beklagte diesen Vorschlag angenommen oder abgelehnt hat, ist nach der Aktenlage nicht feststellbar). Gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hermagor vom 6.Juli 1977, mit welchem dem Beklagten die Erweiterung seiner Wasserkraftanlage bewilligt wurde, hat der Vater des Klägers Berufung eingelegt und geltend gemacht, daß die Rohrleitung über seinen Grund verlaufe. Bei der dann am 12.April 1978 von der Verwaltungsbehörde an Ort und Stelle durchgeführten Verhandlung konnte allerdings der Grenzverlauf nicht festgestellt werden. Hernach klagte der nunmehrige Beklagte den Vater des Klägers auf Duldung der über seinen Grund verlaufenden Rohrleitung und Zurückziehung der Berufung gegen den Bewilligungsbescheid. Im Zuge dieses beim Erstgericht geführten Verfahrens einigten sich die damaligen Streitteile am 14.Mai 1979 auf eine vergleichweise Regelung derart, daß der von der Rohrleitung eingeschlossene Grundstreifen auf einer Linie 70 cm nördlich des Mittelpunktes der Rohrleitung zur Mappengrenze im Süden an den Beklagten abgetreten werde, dieser dafür auf sein Geh- und Fahrrecht durch den Hofraum des Gasthauses des Vaters des Klägers verzichten und der Vater des Klägers sich zur Tragung der halben Kosten (für Ablöse und Aufschließung) eines für den Beklagten über Grundstücke eines oder zweier anderer Nachbarn, mit denen erst Kontakt aufgenommen werden sollte, herzustellenden Weges verpflichten sollte. Diese "Regelung" konnte jedoch wegen der fehlenden Einwilligung dieser beiden Nachbarn noch nicht getroffen werden; am 23.Oktober 1979 wurde sie aber hinsichtlich der mit der Errichtung einer Ersatzzufahrt verbundenen Ersatzansprüche abgeändert, jedoch nicht mit den betreffenden anderen Nachbarn beschlossen. Dennoch vereinbarten die Parteien damals (14.Mai 1979) Ruhen des genannten Verfahrens und der Vater des Klägers zog seine Berufung gegen den Bewilligungsbescheid zurück. Der Beklagte hielt sich allerdings nicht an diese "Vereinbarung", sondern nahm nach wie vor ein Fahrrecht über das Grundstück des Klägers in Anspruch.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger die Verpflichtung des Beklagten zur Entfernung der über sein Grundstück verlegten Druckrohrleitung und brachte dazu vor: Der Beklagte habe diese Druckrohrleitung seinerzeit ohne Zustimmung seines, des Klägers, Vaters und Rechtsvorgängers über das Grundstück verlegt. Sein Vater habe nach Entdeckung dieses - vorerst aufgrund der Antragsangaben des Beklagten gegenüber der Verwaltungsbehörde verborgen gebliebenen - Umstandes Berufung gegen den Genehmigungsbescheid erhoben. In der Erwartung, der Beklagte werde sich an die (oben dargestellte) vergleichsweise Regelung vom 14.Mai 1979 halten und auf sein Fahrrecht verzichten, habe sein Vater die Berufung zurückgezogen. Da der Beklagte sich aber an die getroffene Vereinbarung nicht halte, fühle sich nun auch er, der Kläger, nicht daran gebunden; er fordere vielmehr kraft seines Eigentumsrechtes die Beseitigung der vom Beklagten widerrechtlich verlegten Druckrohrleitung von seinem Grund.
Der Beklagte beantragte aufgrund der folgenden - im Revisionsverfahren allein noch wesentlichen - Einwendungen die Abweisung des Klagebegehrens: Die Verlegung der fraglichen Druckrohrleitung sei nicht über den Grund des Vaters des Klägers erfolgt. Der Vater des Klägers habe ihm, dem Beklagten, jedoch nach der Entdeckung, daß die Leitung zum Teil über sein Grundstück verlief, deren Belassung erlaubt und damit eine Leitungsdienstbarkeit eingeräumt, ohne dies vom Verzicht seines (oben dargestellten) Fahrrechtes abhängig zu machen. Im übrigen habe der Vater des Klägers bei der Behörde keine Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben und seine Berufung letztlich auch ohne Abschluß eines konkreten Vergleiches vor der Verwaltungsbehörde zurückgezogen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, der Kläger sei berechtigt, die Entfernung der Druckrohrleitung von seinem Grunde zu verlangen, weil der Beklagte nicht bereit sei, "wie bereits vereinbart", auf sein Fahrrecht mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen über das Grundstück des Klägers zu verzichten.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es äußerte folgende Rechtsansichten:
Aus dem Verhalten des Vaters des Klägers, der die Verlegung der Druckrohrleitung geduldet und im verwaltungsbehördlichen Bewilligungsverfahren keine Einwendungen mehr erhoben habe, könne eine schlüssige Einräumung einer Dienstbarkeit des Leitungsrechtes nicht abgeleitet werden. Gegen eine solche Annahme falle vor allem ins Gewicht, daß er in seinem Verhalten offenbar von der Annahme ausgegangen sei, sein Grundstück werde von der Leitungsverlegung gar nicht berührt. Nach Entdeckung des gegenteiligen Sachverhaltes habe er aber Berufung gegen den Bewilligungsbescheid erhoben und sie dann bloß im Vertrauen auf das Zustandekommen der mit dem Beklagten geschlossenen - und an der fehlenden Zustimmung zweier Grundnachbarn gescheiterten - Vereinbarung (Grundabtretung gegen Verzicht auf Fahrrecht) wieder zurückgezogen.
Die gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhobene außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig und auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die in der Revision gerügte Nichtigkeit des Berufungsurteils im Sinne des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nicht vor, weil die zweitinstanzliche Entscheidung eine überprüfbare Begründung enthält; nur eine fehlende, nicht aber eine bloß mangelhafte oder rechtlich verfehlte Begründung kann diesen Nichtigkeitsgrund darstellen.
Das Verfahren ist jedoch im Sinne der insoweit zutreffenden Revisionsausführungen deshalb nicht spruchreif, weil mangels entsprechender Feststellungen ungeklärt blieb, ob die vom Erstgericht - im Rahmen der rechtlichen Darlegungen - als durch den Beklagten infolge der festgestellten Mißachtung seines Verzichts auf sein Fahrrecht über das Grundstück des Klägers verletzt angesehene Vereinbarung, überhaupt wirksam zustande gekommen ist oder nicht. Diese Vereinbarung setzte offenkundig als Wirksamkeitserfordernis die Einräumung eines Wege-Servitutsrechtes zugunsten des Beklagten über Grundstücke eines oder zweier Nachbarn voraus, wie Punkt 4 der vom Erstgericht festgestellten "Regelung" vom 14.Mai 1979 (Seite 4 des Urteils) zu entnehmen ist. Das Erstgericht hat (aaO) dazu nur festgestellt, daß diese "Regelung" wegen der "fehlenden Einwilligung der Dienstbarkeitsverpflichteten D***** und P***** sowie hinsichtlich der Höhe der Kosten", die damit verbunden sind, "noch nicht getroffen werden" konnte; es ist aber auch zu prüfen, ob noch ernstliche Aussichten bestehen, daß die Zustimmung des oder der betroffenen Nachbarn zu der beabsichtigten Wegedienstbarkeit und eine Einigung über die Höhe der damit verbundenen Kosten erreicht werden kann, wozu eine zielstrebige Bemühungspflicht beider Parteien bei dem oder den betroffenen Nachbarn nach den Grundsätzen von Treu und Glauben redlicherweise zu fordern ist. Wenn sich bei der Erforschung dieser Umstände, die zunächst mit den Parteien im Rahmen der Pflicht zur materiellen Prozeßleitung (§§ 180 Abs 3 und 182 Abs 1 ZPO) zu erörtern sein werden, allenfalls nach einem Beweisverfahren herausstellen sollte, daß noch ernstliche Chanchen zur Erzielung einer Zustimmung der betroffenen Nachbarn bestehen, müßte das Klagebegehren abgewiesen, andernfalls aber müßte ihm stattgegeben werden, denn eine andere Rechtsgrundlage als die - nach den bisherigen Feststellungen noch nicht zustandegekommene - "Regelung" vom 14.Mai 1979 besteht für die Belassung der Rohrleitung des Beklagten auf dem Grund des Klägers nicht.
Die Berufung des Beklagten auf § 418 ABGB mit dem gewünschten Ergebnis, daß er durch die Errichtung der Druckrohrleitung auf dem Grunde des Klägers Eigentum an diesem Grund erworben habe, scheitert - abgesehen davon, daß dieser Einwand substantiell bisher nicht vorgetragen wurde und daher dem Neuerungsverbot unterfällt - schon daran, daß eine auf dem Boden verlegte Rohrleitung nicht als Bauwerk von selbständiger Bedeutung im Sinne dieser Gesetzesstelle angesehen werden kann (vgl SZ 51/143 ua; Spielbüchler in Rummel2 Rz 2 zu § 418; Palandt50 § 638 Rz 10).
Solange noch die ernstliche Möglichkeit zur Erzielung einer Einigung mit dem oder den betroffenen Nachbarn besteht, darf der Kläger nach Treu und Glauben redlicherweise nicht gegen den Vertragszweck handeln und kann deshalb auch nicht die Entfernung der Rohrleitung vom Beklagten begehren. Der Umstand, daß der Beklagte sich solange noch nicht der Ausübung seiner Wegeberechtigung über den Grund des Klägers enthält, als nicht die noch mögliche Einigung mit den oder dem betroffenen Nachbarn über ein anderes Wegerecht erzielt worden ist, gibt jedenfalls dem Kläger nicht das Recht, deshalb schon die Entfernung der Rohrleitung zu verlangen, denn diesbezüglich muß die Duldung des bestehenden Zustandes bis zur endgültigen Klarheit über das Scheitern der anzustrebenden Einigung mit dem oder den Nachbarn als auflösend bedingt angesehen werden.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Anmerkung
E30912European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0080OB00508.93.0128.000Dokumentnummer
JJT_19930128_OGH0002_0080OB00508_9300000_000