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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des Ing. L in W, vertreten durch Dr. Walter Lichal, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Anton Sattler-Gasse 105/1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich - Außenstelle Mistelbach vom 18. November 2004, Zl. Senat-BN-03-3023, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen und Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B vom 24. Juli 2003 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als nach § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufenes Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der K GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin zwei namentlich genannte polnische Staatsbürger in der Zeit von Anfang 2002 bis zum 20. Februar 2003 in S, entgegen § 3 AuslBG beschäftigt habe, obwohl für diese weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt, noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs. 5 AuslBG) oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei. Er habe daher in zwei Fällen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG verletzt und sei gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG mit zwei Geldstrafen von je EUR 2.000,-- zu bestrafen gewesen.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. November 2004 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der Schuldfrage keine, in der Straffrage jedoch dahingehend teilweise Folge gegeben, als die Strafen auf jeweils EUR 1.000,-- (die Ersatzfreiheitsstrafen auf je zwei Tage) herabgesetzt wurden.
Nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens wiederholte die belangte Behörde die Angaben der in der mündlichen Berufungsverhandlung vernommenen Zeugen und des Beschwerdeführers und kam nach Darstellung der Rechtslage zu dem Ergebnis, es sei auf Basis des durchgeführten Beweisverfahrens erwiesen, dass die beiden im Spruch des Straferkenntnisses genannten ausländischen Staatsangehörigen in unmittelbarer Nähe des Betriebsgeländes der K GmbH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Berufungswerber sei, von Beamten der Zollbehörde in ihrem Fahrzeug angetroffen worden seien. Die Beamten seien von ihnen anschließend auf das Betriebsgelände der genannten Firma gebracht und ihnen dort in einem Gebäude bzw. Container befindliche Spinde gezeigt worden. Anlässlich der darauf folgenden Befragung habe weder der Beschwerdeführer in Abrede gestellt, dass die beiden polnischen Staatsangehörigen für das Aufdoppeln von Reifen noch etwas zu bekommen hätten, noch habe der gewerbliche Geschäftsführer, der Schwiegersohn des Beschwerdeführers, bestritten, dass die beiden Ausländer für erbrachte Tätigkeiten "etwas zu erhalten" hätten. Die Verantwortung des Beschwerdeführers im Zuge der mündlichen Verhandlung, er hätte erst im Nachhinein erfahren, dass die beiden polnischen Staatsangehörigen auf dem Firmengelände nicht für die von ihm zu vertretende Firma gearbeitet bzw. Reifen aufgedoppelt und deshalb auch von dieser keinerlei Entlohnung zu erwarten gehabt hätten, erscheine der Berufungsbehörde einfach unglaubwürdig. Zwar sei es der Berufungsbehörde nicht gelungen, die beiden polnischen Staatsangehörigen, die zwar zur mündlichen Verhandlung geladen gewesen, jedoch nicht erschienen seien, in der Sache zu befragen; auch sei der weitere Versuch der Kontaktaufnahme mit den beiden polnischen Staatsangehörigen auf schriftlichem Wege gescheitert, doch habe bereits das Ergebnis des berufungsbehördlichen Beweisverfahrens, also der mündlichen Verhandlung, in welcher u.a. auch die Angaben der Ausländer über eine seitens der Firma (K GesmbH) für die Tätigkeiten gewährte Entlohnung "erörtert worden" sei, zur Entscheidungsfindung herangezogen werden können. Die Durchführung von Tätigkeiten gegen Entgelt für ein Unternehmen sei als eine Beschäftigung im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes anzusehen, für welche die Bewilligungspflicht gelte. Die Erstbehörde sei deshalb selbst unter Bedachtnahme darauf, dass die beiden Polen zunächst nicht auf dem Firmenareal der K GesmbH in S arbeitend angetroffen worden seien, sondern ihre Anhaltung bereits vor dem Firmengelände erfolgt sei, zu Recht davon ausgegangen, dass die Ausländer innerhalb des von der Erstbehörde bezeichneten Tatzeitraumes für das vom Beschwerdeführer zu vertretende Unternehmen tätig geworden seien. Selbst wenn die beiden Ausländer nicht durchgehend während des gesamten bezeichneten Tatzeitraumes für den Beschwerdeführer tätig gewesen seien, diene dieser angeführte Tatzeitraum insofern dem Schutz des Beschwerdeführers, als er dadurch vor eventuellen weiteren Verfahren betreffend die unberechtigte Beschäftigung der beiden Ausländer geschützt sei. Vor dem Hintergrund der vom Beschwerdeführer zugestandenen Tätigkeit der beiden Ausländer, also des fallweisen Aufdoppelns von Reifen auf dem Firmengelände, sowie auch seinem weiteren Vorbringen, die beiden polnischen Staatsangehörigen hätten auch für sich selbst Reifen auf dem Gelände aussortiert, die sie dann vom Verkauf weggebracht hätten - also so gesehen von einer getrennten Beschäftigung der beiden Polen für sich selbst und für das Unternehmen des Beschwerdeführers auszugehen sei -, müsse "allerdings zunächst" bezüglich der Tätigkeit der Ausländer für den Beschwerdeführer von der Schuldform des Vorsatzes ausgegangen werden, "weshalb dem vom Vertreter des Beschwerdeführers gestellten Eventualantrag auf Ausspruch einer Ermahnung im Sinn des § 21 Abs. 1 VStG, die u. a. ein geringfügiges Verschulden des Beschwerdeführers voraussetze, nicht entgegengetreten werden" könne, "dies eben im Hinblick auf die festgestellte Verschuldensform des Vorsatzes".
Allerdings könne vorliegendenfalls der Erschwerungsgrund der langen Dauer der unerlaubten Beschäftigung trotz des etwa dreizehn Monate umfassenden Tatzeitraumes nicht herangezogen werden, weil die unerlaubte Beschäftigung der beiden Ausländer während dieses Zeitraumes nicht durchgehend konkret feststellbar gewesen sei und so auch nicht ausgeschlossen werden könne, dass die beiden Ausländer tatsächlich nur fallweise - der Beschwerdeführer habe sie nur einmal beim Aufdoppeln der Reifen gesehen haben wollen - tätig geworden seien, weshalb nach Wegfall dieses von der Erstbehörde festgestellten Erschwerungsgrundes sowie in Anbetracht der vom Beschwerdeführer bekannt gegebenen persönlichen Verhältnisse mit der Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe von EUR 1.000,-- pro unberechtigt beschäftigtem Ausländer das Auslangen zu finden gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die unrichtige rechtliche Beurteilung (Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides) sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG - erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, die Frist des § 51 Abs. 7 VStG sei bereits abgelaufen gewesen, das erstinstanzliche Straferkenntnis wäre daher mit Bescheid aufzuheben und das Verfahren gegen den Beschwerdeführer einzustellen gewesen. Die Berufung sei der Berufungsbehörde am 18. August 2003 vorgelegen, die angefochtene Berufungsentscheidung sei erst am 7. Dezember 2004 zugestellt worden. Damit sei die Präklusivfrist des § 51 Abs. 7 VStG überschritten gewesen.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht.
Gemäß § 51 Abs. 7 VStG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 137/2001 tritt in einem Verfahren, in dem nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht, das Straferkenntnis von Gesetzes wegen außer Kraft, wenn seit dem Einlangen der dagegen erhobenen Berufung 15 Monate vergangen sind. Das Verfahren ist in solchen Fällen einzustellen.
Gemäß § 28a Abs. 1 erster Satz AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der am 1. Juli 2002 in Kraft getretenen Fassung BGBl. I Nr. 68/2002, hat die Zollbehörde im Verwaltungsstrafverfahren nach § 28 Abs. 1 Z. 1, nach § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. c bis f leg. cit., wenn die Übertretung die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes durch die Zollbehörde betrifft, Parteistellung und ist berechtigt, Berufung gegen Bescheide sowie Einspruch gegen Strafverfügungen zu erheben.
Die Bestimmung des § 51 Abs. 7 VStG kommt daher im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zur Anwendung, weil das Recht der Berufung (gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 24. Juli 2003, zugestellt am 30. Juli 2003) innerhalb der 14-tägigen Berufungsfrist jedenfalls der örtlich zuständigen Zollbehörde auch zukam. Da § 51 Abs. 7 VStG lediglich davon ausgeht, dass "nicht nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht", was im vorliegenden Fall durch das auch der Amtspartei "Zollbehörde" zustehende Berufungsrecht auszuschließen war, liegt ein Anwendungsfall des § 51 Abs. 7 VStG jedenfalls nicht vor.
Insoweit der Beschwerdeführer aber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, ist er im Recht.
Als Begründungsmangel rügt er zutreffend, die belangte Behörde habe keinerlei relevante Feststellungen getroffen, auf die sie ihre rechtliche Beurteilung hätte stützen können.
Gemäß dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dabei ist die Behörde verpflichtet, in der Begründung des Bescheides in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise aufzuzeigen, von welcher konkreten Sachverhaltsannahme sie bei ihrem Bescheid ausgegangen ist und worauf sich die getroffenen Tatsachenfeststellungen im einzelnen stützen. Dieser Rechtspflicht nicht entsprechend gestaltete Bescheide werden nicht nur dem Sinn und Zweck der §§ 58 und 60 AVG nicht gerecht, sondern hindern im Falle seiner Anrufung auch den VwGH, seiner Rechtskontrollaufgabe, wie sie im § 41 Abs 1 VwGG zum Ausdruck kommt, insoweit zu entsprechen, als nicht oder unzureichend begründete Bescheide inhaltlich auch keine Überprüfung "auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes" zulassen (vgl. als Beispiel für viele das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl. 2001/08/0020). Die (wörtliche) Wiedergabe von Zeugenaussagen, die nicht erkennen lässt, welchen Sachverhalt die belangte Behörde tatsächlich als erwiesen annimmt, kann die im jeweiligen Fall erforderliche Tatsachenfeststellung nicht ersetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2001, Zl. 2000/01/0254).
Die von der belangten Behörde - im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - getroffenen Feststellungen
"Auf Basis des durchgeführten Beweisverfahrens ist es für die Berufungsbehörde zunächst als erwiesen anzusehen, dass die beiden im Spruch des Straferkenntnisses genannten ausländischen Staatsangehörigen in unmittelbarer Nähe des Betriebsgeländes der K GmbH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist, von Beamten der Zollbehörde in ihrem Fahrzeug angetroffen wurden und anschließend diese Beamten auf das Betriebsgelände der genannten Firma brachten und ihnen dort in einem Gebäude bzw. Container befindliche Spinde zeigten."
reichen für die rechtliche Beurteilung der vorliegenden Angelegenheit jedenfalls nicht aus.
Die belangte Behörde hat es nämlich ungeachtet weitwendiger Wiedergaben der Beweisergebnisse in der Begründung des angefochtenen Bescheides unterlassen, Feststellungen zu der entscheidungswesentlichen Frage zu treffen, ob und in welcher Eigenschaft die beiden polnischen Staatsangehörigen im Betrieb der Gesellschaft gearbeitet haben und ob sie dafür ein Entgelt erhalten haben. Feststellungen dazu hätte die belangte Behörde in beweiswürdigender Auseinandersetzung mit den Ergebnissen des Verfahrens einerseits und den Behauptungen des Beschwerdeführers andererseits zu treffen gehabt, wobei auch die Angaben der beiden polnischen Staatsangehörigen - freilich erst nach deren dem Gesetz (§ 51i VStG) entsprechender Einführung in das Verfahren durch Verlesung in der mündlichen Verhandlung, welche die belangte Behörde ebenfalls unterlassen hat - einzubeziehen gewesen wären.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II, Nr. 333/2003.
Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil Umsatzsteuer in dem für Schriftsatzaufwand zuerkannten Pauschalbetrag bereits enthalten ist.
Wien, am 22. Februar 2006
Schlagworte
Beweismittel Zeugenbeweis Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005090007.X00Im RIS seit
22.03.2006