Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Steiermark, vertreten durch Dr.Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 10,015.033,65 S sA und Feststellung (Streitwert 400.000 S), infolge von Rekursen beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 13.Jänner 1992, GZ 5 R 193/91-61, womit infolge Berufung beider Parteien das Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10.April 1991, GZ 16 Cg 272/88-54, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird dem Rekurs der beklagten Partei teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß teilweise dahin abgeändert, daß das Teilurteil des Erstgerichtes in Ansehung seines Punktes 3.a) (Abweisung des Feststellungsbegehrens) zur Gänze und in Ansehung seines Punktes 3.b) (Abweisung des Eventualfeststellungsbegehrens) teilweise und zwar in seinem zweiten Halbsatz "Die beklagte Partei hafte der klagenden Partei auch über den 1.Jänner 1990 hinaus für den Vertrieb von jedem Bundesstempelmarkenbezug aus den zu Punkt 3.a) genannten Verträgen für die Bezahlung einer 3 %igen Provision zur Gänze" wiederhergestellt wird.
Im übrigen wird dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Das klagende Land Steiermark wurde aufgrund von 18 in den Jahren 1964 bis 1969 mit der beklagten Republik Österreich abgeschlossenen Verträgen berechtigt und verpflichtet, bei den Bezirkshauptmannschaften und ihren Exposituren des Landes Steiermark Stempelmarken gemäß dem StempelmarkenG, BGBl 1964/24 idgF, und der Verordnung des BMF vom 11.Mai 1964, BGBl 1964/89 idgF, zum Nennwert zu verkaufen, auf die Verkaufsmöglichkeit hinzuweisen, für geeignete Verkaufszeiten zu sorgen und laufend einen ausreichenden Vorrat an Stempelmarken bereit zu halten. Dafür erhält die klagende Partei eine durch die Finanzlandesdirektion (FLD) zu gewährende Vergütung in Form einer Provision von 3 % des Jahresbezuges an Stempelmarken. § 6 der genannten Verträge enthält jeweils folgende Bestimmung:
"Der FLD steht das Recht zu, die Höhe der Provision neu festzusetzen. Im Falle einer Herabsetzung der Provision hat die FLD dem Verkäufer hievon drei Monate vor dem Inkrafttreten der neu festgesetzten Provision schriftlich zu verständigen."
Mit Wirksamkeit vom 1.Jänner 1986 änderte die beklagte Partei den Provisionssatz dahingehend ab, daß dieser bis zum Jahresbezug von 300.000 S 3,5 %, vom Mehrbetrag über 300.000 S bis 600.000 S 2 % und vom Mehrbetrag über 600.000 S 1 % beträgt. Die gestaffelte Provision wird jeweils vom Umsatz jeder Bezirkshauptmannschaft berechnet. Der Berufungssenat der FLD für Steiermark sprach mit Entscheidung vom 21. März 1985, Zl. P 111-4/1984, aus, daß die Tätigkeit der klagenden Partei in den 18 Stempelmarken-Verschleißstellen bei den Bezirkshauptmannschaften und politischen Exposituren als gewerblicher Betrieb einzustufen sei. Zufolge Änderung der Provisionssätze entging der klagenden Partei in der Zeit vom 1.Jänner 1986 bis 31.Dezember 1989 ein Gesamtbetrag von 10,015.033,65 S.
Im ersten Rechtsgang begehrte die klagende Partei mit ihrer am 5.März 1986 eingebrachten Klage gegenüber der beklagten Partei die Feststellung, daß die Verpflichtung der beklagten Partei zur Bezahlung einer Provision von 3 % über den 1.Jänner 1986 hinaus fortbestehe, und nach Klagsausdehnung (ON 11) von der beklagten Partei den Ersatz der ihr im ersten Halbjahr 1986 entgangenen Provisionen von 1,099.670,80 S sA. Die beklagte Partei habe der klagenden Partei, die beim Verschleiß der Stempelmarken nur knapp kostendeckend gearbeitet habe, die Betriebskosten einseitig aufgelastet, sich selbst im entsprechenden Ausmaß finanziell entlastet und das ihr vertraglich in Ansehung der Provisionshöhe eingeräumte Gestaltungsrecht in unbilliger Weise ausgeübt. Wäre das der beklagten Partei eingeräumte Gestaltungsrecht dahin zu verstehen, daß sie es willkürlich ausüben könne, wäre diese Vertragsbestimmung iS des § 879 ABGB sittenwidrig. Die klagende Partei habe daher weiterhin Anspruch auf 3 % Provision des Umsatzes.
Die beklagte Partei wendete im wesentlichen ein, die geänderten Provisionssätze hätten nur der wesentlichen Erhöhung der in Form von Stempelmarken zu entrichtenden Gebühren Rechnung getragen. Die den Gebietskörperschaften gewährten Vergütungen seien jenen der privaten Stempelmarkenverkäufer angeglichen worden, womit eine sachlich nicht zu vertretende Besserstellung der Gebietskörperschaften beseitigt worden sei. Die Stempelmarken-Verschleißstellen der klagenden Partei würden unwirtschaftlich geführt, könnten doch Privatpersonen mit den zugestandenen Provisionssätzen weiterhin Gewinne erwirtschaften. Die Vorgangsweise der beklagten Partei sei weder sittenwidrig noch gegen Treu und Glauben verstoßend, vielmehr habe die beklagte Partei nach billigem Ermessen gehandelt. Die klagende Partei habe auch nach dem 1. Jänner 1986 weiterhin Stempelmarken übernommen und vertrieben, die Vergütungen vorbehaltlos zur Zahlung angenommen und damit schlüssig einer Vertragsänderung zugestimmt.
Das Erstgericht gab im ersten Rechtsgang dem Klagebegehren statt. Es stellte fest: Im Jahre 1982 seien von der durch die klagende Partei lukrierte Bruttoprovision von 3,079.176,41 S abzuziehen 1) dem Stempelmarkenvertrieb zuzurechnender Aktiv- und Pensionsaufwand von 2,665.000 S, 2) Sachaufwand von 216.000 S und 3) Gewerbesteuer von
455.936 S, sodaß sich ein Verlust aus Gewerbebetrieb von 257.779,59 S und bei Entfall der Verpflichtung zur Entrichtung der Gewerbesteuer ein Gewinn von 198.156,41 S oder 6,435 % der Bruttoprovision ergebe. Oberregierungsrat Dr. Franz K***** von der klagenden Partei habe gegenüber der beklagten Partei bei mehreren mündlichen Vorsprachen im Herbst 1985 auf die Unstatthaftigkeit der Änderung der Provisionssätze hingewiesen.
Der Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz vom 10.Dezember 1987 ON 23 wurde vom Obersten Gerichtshof bestätigt (1 Ob 544/88 ON 29). Die Festlegung der Gegenleistung für eine Leistung könne nicht nur beim Kauf, sondern bei jedem Rechtsgeschäft iS des § 1056 ABGB auch einer der Parteien des Rechtsgeschäftes überlassen werden. Eine derartige Leistungsbestimmung unterliege insofern der richterlichen Kontrolle, als eine Partei an eine grob unbillige Preisfestsetzung durch die andere Partei nicht gebunden sei. Dies gelte auch für Dauerschuldverhältnisse. Die Preisbestimmung habe sich an der Austauschgerechtigkeit im Einzelfall zu orientieren, für die wieder die Interessenlage beider Parteien von Bedeutung sei. Da die Angemessenheit der seinerzeit in den Verträgen gewährten Provision von 3 % von den Parteien nicht in Zweifel gezogen werde, sei von der Angemessenheit der seinerzeitigen Regelung auszugehen. Die Neufestsetzung des Provisionssatzes wäre dann grob unbillig, wenn die Neufestsetzung nicht etwa der Relation zwischen Aufwendungen und Provisionserträgen entspräche, wie sie zur Zeit der Vertragsabschlüsse gegeben gewesen sei. Es müßten daher das Verhältnis des Aufwandes beim Vertrieb zum Erlös sowohl im Zeitpunkt nach Abschluß der Verträge und im Zeitpunkt der von der beklagten Partei verfügten Änderung festgestellt werden, wobei eine umfassende betriebswirtschaftliche Prüfung nicht notwendig sei. Es komme auch nicht auf die Ergebnisse einer steuerlichen Gewinnermittlung beim Vertrieb der Stempelmarken an, vielmehr seien die seit Vertragsabschluß eingetretenen Erhöhungen des Sachaufwandes an Hand eines Indexwertes - die Frage, welcher Index die Steigerung des Sachaufwandes am zutreffendsten wiedergebe, werde mit den Parteien zu erörtern sein - zu erheben, ebenso die durch die vorschußweise Bestreitung des Aufwandes für den Einkauf der Stempelmarken auflaufenden Kapitalkosten. Beim Personalaufwand seien die Bezugsansätze eines Bediensteten der Verwendungs- bzw. Entlohnungsgruppe D bzw. d mit mittlerer Dienstzeit, (§ 29 Abs 5 Geo; nunmehr mittlerer Dienst) - die bei den Gerichten mit dem vergleichbaren Vertrieb von Gerichtskostenmarken befaßt seien - dieser Gegenüberstellung zugrunde zu legen. Auch eine bloß teilweise Korrektur der Provisionssätze sei möglich und werde bei der Entscheidung über das Leistungsbegehren zu berücksichtigen sein. Zwar sei auch bei Feststellungsklagen der Zuspruch eines minus zulässig, doch lasse das gestellte Feststellungsbegehren, das ausdrücklich auf die Feststellung des Fortbestandes der von der beklagten Partei in den mit der klagenden Partei abgeschlossenen Verträgen übernommenen Verpflichtung zur Zahlung einer Provision in der Höhe von 3 % über den 1.Jänner 1986 hinaus gerichtet sei, eine teilweise Stattgebung nicht zu.
Im zweiten Rechtsgang dehnte die klagende Partei in der Verhandlungstagsatzung vom 26.September 1990 (ON 45) ihr Leistungsbegehren um die bis einschließlich 1989 entgangenen Provisionsbeträge auf 9,699.289,25 S sA aus und modifizierte das Feststellungsbegehren bzw. Eventualbegehren dahingehend, daß es anstelle "1.Jänner 1986" nunmehr "1.Jänner 1990" zu lauten habe. Mit Schriftsatz vom 9.Jänner 1991 ON 49 dehnte die klagende Partei schließlich das Leistungsbegehren auf den der Höhe nach außer Streit gestellten Betrag von 10,015.033,65 S sA aus.
Die beklagte Partei wendete zu den im Leistungsbegehren geltend gemachten weiteren Forderungen ein, daß die Provision dermaßen bezahlt worden sei und werde, daß diese bereits bei Fassung der Stempelmarken vom Preis einbehalten werde. Es werde sohin hinsichtlich der Forderungen, die bis 26.September 1987 zur Zahlung herangestanden seien, die Einrede der Verjährung erhoben. Aufrechnungsweise wendet die beklagte Partei den Betrag von 124,774.668,91 S sA aus anteiliger Leistung zur Deckung des Gebarungsabganges der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz aufrechnungsweise ein.
Das Erstgericht sprach im zweiten Rechtsgang mit Teilurteil 1) der klagenden Partei 8,155.271,10 S sA an Provisionsentgang zu und wies folgende weitere Begehren ab:
2) das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von 1,859.762,55 S sA an Provisionsentgang für den Zeitraum vom 1.Jänner bis 26.September 1987 wegen Verjährung;
3a) das Feststellungshauptbegehren, daß die in den (im einzelnen genannten 18) Verträgen der Streitteile über den Vertrieb von Bundesstempelmarken von der beklagten Partei jeweils im § 6 übernommenen Verpflichtung zur Zahlung einer Provision von 3 % an die klagende Partei über den 1.Jänner 1990 hinaus fortbestehe, sowie
3b) das Feststellungseventualbegehren, daß die von der beklagten Partei vorgenommene Herabsetzung der Provisionssätze aus den obgenannten Verträgen über den Vertrieb von Bundesstempelmarken, wonach ab 1.Jänner 1990 die Provision bei einem Jahresbezug an Bundesstempelmarken zwischen 300.000 S und 600.000 S statt bis dahin 3 % nur mehr 2 % und über 600.000 S statt 3 % nur mehr 1 % betragen sollte, der klagenden Partei zur Gänze rechtsunwirksam sei und die beklagte Partei der klagenden Partei auch über den 1.Jänner 1990 hinaus für den Vertrieb von jedem Bundesstempelmarkenbezug aus den obgenannten Verträgen für die Bezahlung einer 3 %igen Provision zur Gänze hafte.
Das Erstgericht stellte noch fest, die Auszahlung der Provision erfolge in der Weise, daß sie bei einem Bezug von Stempelmarken sofort vergütet werde. Im übrigen lichtete der Erstrichter eine von dem, bei der klagenden Partei beamteten, in steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Belangen für sie tätigen Zeugen Oberregierungsrat Dr. Franz K***** erarbeitete befundartige Zusammenstellung der Erlöse der klagenden Partei samt dessen Schlußfolgerungen und hinsichtlich des mit dem Stempelmarkenverschleiß verbundenen Aufwandes der Jahres 1965 bis 1986 das in einem Schriftsatz erstattete Vorbringen der klagenden Partei ab und erklärte sie zum Urteilsbestandteil. Dazu kamen Ergänzungen aus der Aussage dieses Zeugen. Rechtlich verwies der Erstrichter vorerst auf die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofes in ON 29. Die Gesamtbetrachtung lasse eine auch nur teilweise Korrektur der Provisionssätze nicht gerechtfertigt erscheinen, zumal jede Änderung derselben der Relation zwischen Aufwand und Ertrag, wie sie zum Zeitpunkt der früheren Vertragsabschlüsse gegeben gewesen seien, in unbilliger Weise widerspräche. Der Verjährungseinrede für den für die Zeit 1.Jänner bis 26.September 1987 begehrten Provisionsentgang sei zufolge Ablaufes der dreijährigen Verjährungsfrist bis zur Geltendmachung zu entsprechen. Den Feststellungsbegehren mangle das Rechtsschutzinteresse, zumal ausgehend von den entsprechenden Vertragsinhalten (vgl. "derzeit") der begehrte Anspruch nicht einmal unter der Voraussetzung gerechtfertigt wäre, daß ein Auseinanderklaffen der bei Vertragsabschluß bestehenden Verhältnisse für die Zukunft auszuschließen wäre. Die klagende Partei trachte mit dieser Forderung realiter nach einer in dieser Form nicht durchsetzbaren Novellierung der bestehenden Verträge durch Ausschluß des vereinbarten Gestaltungsrechtes der beklagten Partei.
Das Berufungsgericht hob über Berufung beider Parteien das Teilurteil erster Instanz (neuerlich) auf und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Es billigte die Feststellung, daß die Provision bei einem Bezug von Stempelmarken sofort vergütet werde und ging im übrigen von folgenden rechtlichen Erwägungen aus:
Mangels Zugeständnis der von der klagenden Partei behaupteten Tatsachen hätte der Erstrichter zu den Aufwendungen der klagenden Partei für den Stempelmarkenvertrieb der Jahre 1969 und 1986 Feststellungen treffen und nicht bloß die Prozeßbehauptungen der klagenden Partei in deren Schriftsatz ON 31 durch Ablichtungen zum Urteilsbestandteil machen dürfen, noch dazu, da der von der klagenden Partei hiezu namhaft gemachte Zeuge Dr.Franz K***** zur Ermittlung etwa des Vertriebsaufwandes wiederum nur auf die Auflistung des Parteivorbringens im klägerischen Schriftsatz verwiesen habe. Zum gesamten Komplex des Aufwandes habe das Erstgericht somit nur die unbewiesenen klägerischen Parteibehauptungen wiedergegeben und überdies zufolge anderer Rechtsansicht auf der Einnahmenseite auch Feststellungen zur Anzahl der vertriebenen Stempelmarken, dem Verhältnis und Verkaufsanteil der einzelnen Gebühren und Marken in den fraglichen Zeitpunkten nicht für erforderlich erachtet. Der Zeuge Dr. Franz K***** habe zwar zu seiner befundartigen Zusammenstellung und Grafik in Beilage I befragt werden können. Seine Schlußfolgerungen könnten jedoch, da ihm die Eigenschaft eines gerichtlich beeideten Sachverständigen fehle, ebensowenig wie die abgelichteten Parteibehauptungen Feststellungsgrundlage sein. Im fortzusetzenden Verfahren werde das Erstgericht iS der bereits durch den Beschluß des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 588/88 ON 29 gegebenen Richtlinien unter Abstandnahme von Ablichtungen etwa der Privaturkunde Beilage I und mit Berücksichtigung sämtlicher Beweisergebnisse samt allfällig nötiger Ergänzungen, jedoch ohne eine umfassende betriebswirtschaftliche Prüfung, Feststellungen insbesondere zu den Provisionserträgen (Erlösen) und zum Aufwand der klagenden Partei unter Berücksichtigung der Personalkosten, des anteiligen und nach den Baukosten- und Verbraucherpreisindizes II und 1966 aufgewerteten Sachaufwandes und der Kapitalkosten im Verhältnis von 94 % Personalkosten, 5 % Sachaufwand und 1 % Kapitalkosten in den Jahren 1969 und 1986 zu treffen haben. Das Verhältnis des Aufwandes zum Erlös, gesondert nach den Jahren 1969 und 1986, werde sich aus diesen Prämissen errechnen lassen und als Grundlage für die Beurteilung der Austauschgerechtigkeit nach der einseitigen Leistungsbestimmung durch die beklagte Partei dienen können. Der nach der einseitigen Gestaltung der Provisionshöhe durch die beklagte Partei in Höhe von 10,015.033,65 S entstandene Provisionsentgang sei zwar unstrittig, lasse allein jedoch noch nicht den Schluß zu, daß die Änderung des Provisionssatzes in unbilliger Weise erfolgt sein müßte.
Nach der Formulierung des Feststellungshaupt- und Eventualbegehrens könne diesem allerdings bei Vorliegen der Voraussetzungen nur zur Gänze, jedoch nicht teilweise stattgegeben werden. Die klagende Partei strebe nach der Formulierung ihres Feststellungsbegehrens keine "Novellierung" der bestehenden Verträge durch Ausschluß des bestehenden Gestaltungsrechtes an; dies könne schon wegen der ausdrücklichen Bezugnahme der Begehren auf die Verträge der Streitteile, zum Teil sogar auf die im § 6 übernommene Verpflichtung der derzeitigen Bezahlung einer Provision von 3 % bei einem der beklagten Partei eingeräumten Neufestsetzungsrecht, nicht unterstellt werden. Die allein darauf gegründete Abweisung der Feststellungsbegehren sei nicht rechtens. § 1486 Z 1 ABGB sei unanwendbar, weil die Tätigkeit der klagenden Partei in den Stempelmarken-Verschleißstellen bei den Bezirkshauptmannschaften und politischen Exposituren als Bürgerservice und zur Erleichterung der staatlichen Gebühreneinhebung, jedoch nicht als gewerblicher Betrieb eingestuft werden könne. Maßgeblich sei daher die 30jährige Verjährungsfrist.
Rechtliche Beurteilung
Nur dem Rekurs der beklagten Partei kommt teilweise Berechtigung zu.
Die zweite Instanz hat das Ersturteil im Tatsachenbereich als ergänzungsbedürftig angesehen. Hält das Berufungsgericht, von der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes ausgehend, das Beweisverfahren und die Sachverhaltsfeststellungen - hier zum Verhältnis von Erlösen und Aufwand in den maßgeblichen Jahren 1969 und 1986 - noch für ergänzungsbedürftig, so kann der Oberste Gerichtshof als reine Rechtsinstanz dem nicht entgegentreten (EFSlg 64.162; ZfRV 1988, 223; EFSlg. 41.814 f u.a.; Fasching IV 414). Der Inhalt des Ergänzungsauftrages der zweiten Instanz entspricht den Grundsätzen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ON 29. Ein Abstellen auf das Jahr 1969, in dem die letzten fünf Verträge der Streitteile abgeschlossen wurden, als Ausgangspunkt für die Prüfung des Verhältnisses von Aufwand beim Vertrieb der Stempelmarken und Erlös ist sachgerecht, zumal die Parteien eine gesonderte Prüfung des genannten Verhältnisses für jeden einzelnen Vertrag gar nicht forderten.
Die Einräumung des Rechts zum Verkauf von Stempelmarken in 18 Bezirkshauptmannschaften und Exposituren und ihre aus dem Verkauf resultierenden Provisionsansprüche erlangte die klagende Partei durch 18 Verträge mit der klagenden Partei. Die der klagenden Partei durch Verkauf der Stempelmarken gemäß § 6 dieser Verträge erwachsenden Provisionsansprüche unterliegen, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes, der Triennalverjährung nach § 1486 Z 1 ABGB. Danach verjähren Forderungen für die Lieferung von Sachen oder die Ausführung von Arbeiten oder sonstige Leistungen - einschließlich Provisionsansprüche (SZ 52/137 = JBl 1980, 149 = EvBl 1980/50 = ImmZ 1980, 220 mit Anm. von Call) - in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigem geschäftlichen Betrieb in drei Jahren. Diese kurze Verjährungszeit wurde durch die III. Teilnovelle in Anlehnung an § 196 BGB für Forderungen aus Geschäften des täglichen Lebens eingeführt. Maßgeblich war das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, weil bei diesen Geschäften nach längerer Zeit Beweisschwierigkeiten auftreten. Die den Forderungen des § 1486 Z 1 ABGB zugrunde liegenden Lieferungen und Leistungen müssen, wie die zweite Instanz zutreffend erkannte, in einem "Geschäftsbetrieb" erbracht worden sein (SZ 54/56 = JBl 1982, 376 = EvBl 1981/232; SZ 52/117; Mader in Schwimann, Rz 5 zu § 1486 ABGB; Klang in Klang2 VI 622), wobei eine den Bestimmungen der Gewerbeordnung entsprechende Berechtigung für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung nicht gefordert wird (SZ 54/56, SZ 52/137, SZ 43/112; Schubert aaO, Rz 4; Mader aaO). Lehre (Klang aaO, 622; Mader aaO) und Rechtsprechung (SZ 43/112) nehmen die Abgrenzung beim Begriff "im Geschäftsbetrieb" dahingehend vor, daß darunter nicht Forderungen für Leistungen, die etwa aus Gefälligkeit erbracht werden oder für Leistungen, die nur einen Gelegenheitserwerb darstellen, fallen. Die jeweilige Bezirkshauptmannschaft oder Expositur muß beim Verkauf der Stempelmarken als "sonstiger geschäftlicher Betrieb" angesehen werden, denn der Verkauf an Abgabenpflichtige erfolgt in einem auf Dauer angelegten Betrieb mit eigener Organisation als nach außenhin erkennbare Beteiligung am wirtschaftlichen Leben zum Leistungsaustausch auf eigene Rechnung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, mag auch auf die Art und den Preis der verkauften "Ware" (Stempelmarken) kein Einfluß genommen werden können. Die Tätigkeit des zum Verkauf von Stempelmarken bestimmten Bediensteten der jeweiligen Bezirkshauptmannschaft oder deren Expositur entspricht völlig der von Personen, denen sonst (§ 3 Z 1 StempelmarkenG) die Berechtigung zum Verkauf vertraglich eingeräumt wird. Die Tatsache, daß in § 1486 Z 1 ABGB zwischen "gewerblichen", "kaufmännischen" und "sonstigem geschäftlichen" Betrieb unterschieden wird, erlaubt es, auch eine Tätigkeit wie den Verkauf von Stempelmarken des Bundes durch Behörden entsprechend dem StempelmarkenG im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung auch ohne auf die Erzielung eines Gewinnes gerichtete Absicht als "sonstigen geschäftlichen Betrieb" einzustufen. Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit wegen der Gefahr von Beweisschwierigkeiten bei diesen Verkaufsgeschäften nach längerer Zeit besteht auch hier. Entgegen der Auffassung der zweiten Instanz unterliegen somit die Provisionsansprüche von Behörden iS der §§ 3, 4 StempelmarkenG aus dem Verkauf von Stempelmarken gegenüber dem hier beklagten Bund der Triennalverjährung.
Mit der Ablehnung der von der zweiten Instanz vertretenen Auffassung, daß auf die Verjährung der geltend gemachten Provisionsforderungen die dreißigjährige Verjährungsfrist anzuwenden ist, erlangt die Frage des Beginnes und des Ablaufes der Verjährungszeit Bedeutung. Die beklagte Partei hat Verjährung nur in Ansehung der auf den Zeitraum 1. Jänner bis 26.September 1987 entfallenden klägerischen Provisionsforderungen eingewendet. Die Verjährung beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Geltendmachung des Anspruches kein rechtliches Hindernis, zB mangelnde Fälligkeit mehr im Wege steht. Auch dazu werden bei der von den Streitteilen festgestelltermaßen gepflogenen Verrechnungsweise (sofortige Vergütung beim Bezug von Stempelmarken) die notwendigen Feststellungen noch nachzutragen sein, weil noch offen ist, ob dabei die Provision für bereits von der klagenden Partei verkaufte oder für die nun bei der beklagten Partei gekauften Stempelmarken (durch Kompensation) entrichtet werden und dies auf die Fälligkeit der Provisionsforderung Einfluß übt.
Die beklagte Partei kommt im Rechtsmittel neuerlich auf ihr Vorbringen erster Instanz im zweiten Rechtsgang zurück (ON 44, 45), die klagende Partei habe der Aufnahme des Preisbestimmungsrechtes der beklagten Partei in die Verträge nur deshalb zugestimmt, weil ihr gleichzeitig auch ein Kündigungsrecht zu den gleichen Bedingungen wie der beklagten Partei eingeräumt worden sei, sie habe damit auf die Inanspruchnahme des richterlichen Überprüfungsrechtes konkludent verzichtet. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung ist für die Annahme eines stillschweigenden Verzichts aber ein sehr strenger Maßstab anzulegen, besondere Vorsicht ist dabei geboten. Das Verhalten des Verzichtenden muß bei Überlegung aller Umstände des Falles unter Berücksichtigung der im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche den zweifelsfreien und zwingenden Schluß zulassen, er habe ernstlich verzichten wollen (Rummel in Rummel2, Rz 14, 18 zu § 863 ABGB, Apathy in Schwimann, Rz 11 zu § 863 ABGB, jeweils mwN). Bei Anwendung dieser Grundsätze kann in der Einräumung eines auch der klagenden Partei zustehenden Kündigungsrechtes in allen Verträgen mit der beklagten Partei ein schlüssiger Verzicht auf die richterliche Kontrolle des Preisfestsetzungsrechtes schon deshalb nicht gesehen werden, weil die Kündigung nicht darauf beschränkt war, daß die beklagte Partei von ihrem Preisfestsetzungsrecht Gebrauch macht. Auch unter dem Gesichtspunkt einer ergänzenden Vertragsauslegung iS der §§ 914 f ABGB kann unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks sowie unter Heranziehung der Verkehrssitte nicht gesagt werden, redliche und vernünftige Parteien hätten einen Verzicht der richterlichen Überprüfung eines so weitgehenden Preisbestimmungsrechts vereinbart. Soweit mit diesem Vorbringen (auch) fehlende Tatsachenfeststellungen über entsprechende ausdrückliche Vereinbarungen der Streitteile gerügt werden, wird die erste Instanz Feststellungen darüber noch zu treffen haben, mag auch die Form des bei allen 18 Verträgen verwendeten Vertragsformulars dagegen sprechen, daß der klagenden Partei das Recht auf Kündigung erst aufgrund einer zusätzlichen Vereinbarung eingeräumt worden wäre.
Beim nunmehrigen Eventual-Feststellungs- begehren ist der - zulässige - Zuspruch eines minus denkbar, weil das Begehren darauf gerichtet ist, die vorgenommene Herabsetzung der Provisionssätze sei "zur Gänze" rechtsunwirksam. Eine Überschreitung des § 405 ZPO liegt aber dann nicht vor, wenn ein quantitativ geringerer Umfang des Rechtes, dessen Feststellung begehrt wird, oder an Stelle des begehrten Rechtes ein qualitativ geringeres Recht urteilsmäßig festgestellt wird (Fasching III 650 f). Der beklagten Partei würde aber, wie der Rekurs der beklagten Partei zutreffend ausführt, durch die Fassung des Feststellungsbegehrens (Punkt 3.a) und den zweiten Halbsatz des Eventualfeststellungsbegehrens (Punkt 3.b) tatsächlich die Möglichkeit, in Zukunft von ihrem Gestaltungsrecht nach § 6 der Verträge (wieder) Gebrauch zu machen, in unzulässiger Weise genommen. In diesem Umfang war daher die klagsabweisende Entscheidung der ersten Instanz wieder herzustellen. Beim ersten Halbsatz des Eventualfeststellungsbegehrens (Punkt 3.b) bestehen hingegen bei der gegebenen Fassung und der ausdrücklichen Bezugnahme auf eine in der Vergangenheit liegende Änderung der Provisionssätze ("..... vorgenommene Herabsetzung ....") solche Bedenken nicht. Denn damit ist unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, daß nur die von der beklagten Partei zum 1.Jänner 1986 vorgenommene und von der klagenden Partei als unrechtmäßig angesehene Änderung der Provisionssätze Gegenstand des Begehrens ist.
Im genannten Umfang ist daher das klagsabweisende Teilurteil erster Instanz wiederherzustellen, wogegen es sonst bei der Aufhebung und der Zurückweisung der Rechtssache an das Erstgericht zu verbleiben hat. Bei der gegebenen Sachlage ist das Berufungsgericht nicht verpflichtet, die Ergänzung des mangelhaften Verfahrens selbst vorzunehmen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 52 Abs 2, 392 Abs 2, 50 ZPO.
Anmerkung
E33320European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0010OB00565.92.0129.000Dokumentnummer
JJT_19930129_OGH0002_0010OB00565_9200000_000