TE OGH 1993/2/4 15Os13/93

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Veröffentlicht am 04.02.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Feber 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner und Dr.Kuch als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Munsel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jörg C***** wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren (allenfalls auch gewerbsmäßigen) Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 StGB (allenfalls auch § 148 erster Fall StGB) sowie § 15 StGB, AZ 34 a (E) Vr 2366/92 des Landesgerichtes Linz, über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 23. Dezember 1992, AZ 8 Bs 381/92, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Jörg C***** wurde am 13.November 1992 von sicherheitsbehördlichen Organen festgenommen, nachdem er an diesem Tag in mehreren Postämtern in Linz mit verfälschten Sparbüchern und unter Vorlage eines verfälschten Reisepasses in vier Fällen Geldbeträge behoben und in einem weiteren Fall zu beheben versucht hatte.

Am 15.November 1992 verhängte der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Linz über den Genannten die Untersuchungshaft gemäß § 180 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 2 und 3 lit. b StPO. Der Beschuldigte verzichtete auf eine Beschwerde gegen diesen Beschluß.

Nachdem der Staatsanwalt am 24.November 1992 gegen den Beschuldigten einen Strafantrag vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes Linz eingebracht hatte, wurde am 1.Dezember 1992 eine Hauptverhandlung durchgeführt, in welcher der Einzelrichter, weil er aus mittlerweile eingelangten weiteren sicherheitspolizeilichen Erhebungsergebnissen, die ein organisiertes Zusammenspiel einer Mehrzahl von Personen zur Verübung gleichartiger Betrügereien indizieren, auch beim Beschuldigten einen näher zu erhebenden Verdacht gewerbsmäßiger Tatbegehung als naheliegend ansah, gemäß § 276 StPO weitere Untersuchungshandlungen anordnete und zu deren Durchführung die Rückleitung des Aktes an den Untersuchungsrichter beschloß.

Am 11.Dezember 1992 brachte der Beschuldigte einen als "Haftbeschwerde" bezeichneten Enthaftungsantrag ein, den der Untersuchungsrichter, dem der Akt inzwischen rückgemittelt worden war, am 15.Dezember 1992 der Ratskammer zur Entscheidung "nach § 194 Abs. 2/3 StPO" vorlegte. Die Ratskammer lehnte am 16.Dezember 1992 in einer im Antrags- und Verfügungsbogen festgehaltenen Verfügung ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über den Enthaftungsantrag ab, weil - ihrer Meinung nach - seit der Vertagung der Hauptverhandlung die Frist des § 276 a StPO noch nicht verstrichen sei, und übermittelte den Akt dem Einzelrichter zur Entscheidung über den in Rede stehenden Antrag. Der Einzelrichter wies hierauf diesen Antrag mit Beschluß vom 16. Dezember 1992 ab.

Der Beschuldigte erhob sowohl gegen die den erwähnten Unzuständigkeitsausspruch enthaltende Verfügung der Ratskammer als auch gegen den Beschluß des Einzelrichters Beschwerde.

Das Oberlandesgericht Linz wies mit Beschluß vom 23.Dezember 1992, AZ 8 Bs 381/92, die Beschwerde gegen die Verfügung der Ratskammer (mangels einer Anfechtungsmöglichkeit) zurück, gab hingegen der Beschwerde gegen den Beschluß des Einzelrichters Folge, hob dessen Beschluß auf und verwies die Sache zu neuer Entscheidung über den Enthaftungsantrag an die Ratskammer des Landesgerichtes Linz. Das Oberlandesgericht erachtete hiezu, daß mit dem Rückleitungsbeschluß des Einzelrichters die Hauptverhandlung beendet war und deshalb - auch innerhalb der Frist des § 276 a StPO - nicht mehr er, sondern die Ratskammer zur Entscheidung berufen gewesen sei. Im Hinblick auf diesen - vom Beschwerdeführer in diesem Verfahrensstadium auch reklamierten (S 205) - Zuständigkeitsmangel ging das Oberlandesgericht (folgerichtig) nicht auf die Prüfung des Tatverdachtes, der Haftgründe und einer allfälligen Unangemessenheit der Haft ein.

Gegen diesen Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz richtet sich die vom Beschuldigten erhobene, am 15.Jänner 1993 beim Landesgericht Linz eingebrachte Grundrechtsbeschwerde.

Der Vollständigkeit halber sei beigefügt, daß nach der kassatorischen Entscheidung des Oberlandesgerichtes die Ratskammer des Landesgerichtes Linz mit Beschluß vom 13.Jänner 1993 aussprach, daß die über den Beschuldigten verhängte Untersuchungshaft aufrecht bleibe, und daß der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 26.Jänner 1993, AZ 8 Bs 24/93, Folge gegeben und die Enthaftung des Beschuldigten verfügt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat sich bei der Entscheidung über die Grundrechtsbeschwerde von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Gemäß § 1 Abs. 1 GRBG steht dem Betroffenen nach Erschöpfung des Instanzenzuges die Grundrechtsbeschwerde wegen Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung zu. Der Instanzenzug ist dann erschöpft, wenn gegen einen Beschluß, mit welchem über die Verhängung oder Aufrechterhaltung einer Haft entschieden wurde, kein Rechtsmittel zulässig ist, oder eine die Verhängung oder Aufrechterhaltung der Haft betreffende Rechtsmittelentscheidung keinem weiteren Rechtszug unterliegt.

Gewiß könnte auch eine kassatorische Entscheidung eines Gerichtshofes zweiter Instanz zulässigerweise Gegenstand einer Anfechtung mit einer Grundrechtsbeschwerde sein, so etwa, wenn infolge rechtsfehlerhafter Beurteilung der Voraussetzungen einer Haft die Aufhebung - beispielsweise zur Vornahme von in Wahrheit nicht erforderlichen ergänzenden Erhebungen tatsächlicher Umstände - und Rückverweisung der Sache an die Unterinstanz zur neuen Entscheidung verfügt wurde. Immer aber muß es sich bei der kassatorischen Beschwerdeentscheidung um eine solche handeln, die für die Verhängung oder Aufrechterhaltung der Haft ursächlich ist, weil nur ein solcher richterlicher Akt Beschwerdegegenstand sein kann.

Eine solche Beschwerdeentscheidung lag hier nicht vor; im vorliegenden Fall ist vielmehr der Instanzenzug in der Bedeutung des § 1 Abs. 1 GRBG, bezogen auf die angefochtene Entscheidung - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - nicht erschöpft.

Unzutreffend ist bereits die Ansicht des Beschwerdeführers, durch die Verfügung der Ratskammer vom 16.Dezember 1992, mit welcher sie ihre Unzuständigkeit erklärt hatte, sei eine "Zurückweisung des Enthaftungsantrages" vorgenommen worden, über welche - so der Sache nach das weitere Beschwerdevorbringen - das Oberlandesgericht meritorisch zu entscheiden gehabt hätte. Bei dem bezüglichen Ausspruch der Ratskammer handelte es sich nämlich um eine bloße - wenngleich verfehlte - Unzuständigkeitsentscheidung, mit welcher eben nicht meritorisch über den Enthaftungsantrag und damit über die Aufrechterhaltung der Haft abgesprochen wurde, sondern die Entscheidung darüber folgerichtig auch ausdrücklich dem Einzelrichter überbunden wurde.

Das Oberlandesgericht Linz hinwieder hatte die Zuständigkeit des daraufhin über den Enthaftungsantrag entscheidenden Einzelrichters jedenfalls auch von Amts wegen zu überprüfen; dies ganz abgesehen davon, daß auch der Beschuldigte in seiner wenngleich unzulässigen Beschwerde gegen die Verfügung der Ratskammer die Zuständigkeit der Ratskammer (und nicht jene des Einzelrichters) reklamiert hatte.

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen konnte das Oberlandesgericht bei der gegebenen Verfahrenslage gar nicht in der (Haft-)Sache selbst entscheiden. Eine assertorische oder reformatorische Sachentscheidung setzt nämlich voraus, daß eine von dem nach dem Gesetz zuständigen Entscheidungsorgan erster Instanz erflossene Entscheidung vorliegt, die im Rechtsmittelzug bekämpft wird. Das Oberlandesgericht konnte sich demnach über den Mangel einer unterinstanzlichen Entscheidung des dazu berufenen Entscheidungsorganes nicht hinwegsetzen und in Übergehung einer Instanz sogleich eine Entscheidungskompetenz arrogieren, sondern hatte - in Sicherung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes des Beschuldigten auf seinen gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG), das auch dann verletzt ist, wenn zwar in oberer Instanz das zuständige Organ eingeschritten ist, aber von der entscheidenden unteren Instanz die sachliche Zuständigkeit gesetzwidrig in Anspruch genommen worden ist (vgl. VfSlg. 9599/1983; 11.061/1986 ua) - vorerst die Entscheidung des gesetzlichen Richters erster Instanz (hier: der Ratskammer) herbeizuführen; erst dessen Entscheidung über die Haft konnte es sodann - wie mittlerweile geschehen - im Rechtsmittelzug prüfen.

Dem (allfälligen) Einwand, daß durch Verzögerungen, die durch die verfehlte Zuständigkeitsentscheidung der Ratskammer des Landesgerichtes Linz ausgelöst wurden, das Grundrecht des Beschwerdeführers auf persönliche Freiheit verletzt worden sein könnte, ist durch den Hinweis auf die Möglichkeit einer Grundrechtsbeschwerde nach § 2 Abs. 2 GRBG zu begegnen.

Aus den angeführten Gründen war die Grundrechtsbeschwerde des Jörg C***** daher zurückzuweisen.

Demnach entfällt im Hinblick auf § 8 GRBG eine Entscheidung über das

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im übrigen nicht der Verordnung des BMJ BGBl. 1993/35 entsprechende

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Begehren auf Zuerkennung der Beschwerdekosten.

Anmerkung

E33272

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0150OS00013.9300007.0204.000

Dokumentnummer

JJT_19930204_OGH0002_0150OS00013_9300007_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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