TE OGH 1993/2/9 12Os18/93

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Veröffentlicht am 09.02.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Februar 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag.Röder als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard S***** u.a. wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 3, 130, zweiter Fall, StGB über die Grundrechtsbeschwerde des Gerhard S***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 11.Jänner 1993, AZ 26 Bs 535/92, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 11.Jänner 1993, AZ 26 Bs 535/92, wurde Gerhard S***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

Dieser Beschluß des Oberlandesgerichtes wird aufgehoben.

Gemäß § 8 GRBG wird dem Bund der Ersatz der mit 6.000 S (davon 1.000 S Umsatzsteuer) bestimmten Beschwerdekosten auferlegt.

Text

Gründe:

Der am 12.Mai 1963 geborene, zuletzt arbeitslose Gerhard S***** befindet sich seit dem 28.September 1992, 18,20 Uhr, in Haft (Untersuchungshaft seit 1.Oktober 1992).

Die gegen ihn erhobene (rechtswirksame) Anklage vom 5.Oktober 1992 (31 St 97212/92 der Staatsanwaltschaft Wien) legt ihm gemeinsam mit zwei anderen Beschuldigten zur Last, von Ende Juli bis Ende August 1992 in Wien in wechselnder Täterkombination mindestens 22 Fahrräder im Gesamtwert von mindestens 242.000 S teilweise durch Aufbrechen von Sperrvorrichtungen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weggenommen und dadurch das Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 3, 130, zweiter Fall, StGB begangen zu haben.

Das Oberlandesgericht Wien gab mit Beschluß vom 11.Jänner 1993 (26 Bs 535/92) seiner Beschwerde gegen einen Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (vom 2.Dezember 1992, GZ 4 d Vr 11527/92-38), mit dem ein Enthaftungsantrag des Gerhard S***** abgewiesen und die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit b StPO angeordnet worden war, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen (am 1.Februar 1993) beim Obersten Gerichtshof erhobene Grundrechtsbeschwerde bestreitet das Vorliegen dieses Haftgrundes und reklamiert überdies Unverhältnismäßigkeit der Haftdauer. Der zur Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft vorausgesetzte dringende Tatverdacht wird jedoch nicht bestritten und ausdrücklich vorgebracht, daß ein "vollumfängliches Geständnis vorliegt" (S 3 der Beschwerde).

Das Oberlandesgericht gründet den angenommenen Haftgrund auf die massive Suchtgiftabhängigkeit des Beschwerdeführers, welche die Gefahr indiziere, er werde auf freiem Fuße neuerlich gleichartige strafbare Handlungen begehen, um seine Suchtgiftabhängigkeit finanzieren zu können. Der (auch in der Grundrechtsbeschwerde) behauptete Entwöhnungswille stehe dem nicht entgegen, weil sich der Beschuldigte nach seinen eigenen Angaben wiederholt Entwöhnungsbehandlungen unterzogen habe, die jedoch erfolglos geblieben seien.

Die Beschwerde ist begründet.

Die vom Oberlandesgericht angeführten Argumente stellen zwar gewiß Indizien für die Annahme der Bedingungen des in Rede stehenden Haftgrundes dar.

Sie werden aber dadurch, daß der im dreißigsten Lebensjahr stehende Beschuldigte bisher gerichtlich unbescholten ist, er die ihm angelasteten Delikte nur während eines relativ kurzen Zeitraumes von einem Monat begangen hat und die bisherige Haft der Sache nach eine Suchtgiftentwöhnung bewirkte, derart abgeschwächt, daß die Gefahr, er werde auf freiem Fuß strafbare Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind wie jene, deren er nunmehr dringend verdächtig ist, nicht mehr schlüssig bejaht werden kann.

In Ermangelung eines Haftgrundes verletzt die Entscheidung des Oberlandesgerichtes daher den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit.

Sie war mithin aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 8 GRBG, wobei die vom Beschwerdeführer verzeichneten Kosten unter dem vom Bundesminister für Justiz mit Verordnung vom 15.Jänner 1993, BGBl 1993/15, festgesetzten Pauschbetrag liegen und demnach in der verzeichneten Höhe zugesprochen wurden.

Anmerkung

E34522

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0120OS00018.9300005.0209.000

Dokumentnummer

JJT_19930209_OGH0002_0120OS00018_9300005_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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