TE OGH 1993/2/10 9ObS24/92

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Veröffentlicht am 10.02.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Mayer und Dr.Stein als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei G***** D*****, vertreten durch A***** G*****, Sekretär der Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuß, ***** dieser vertreten durch *****, Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei Arbeitsamt Versicherungsdienste, Wien 4, Schwindgasse 5, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 5.078,95 S netto Insolvenzausfallgeld (Revisionsstreitwert 2.686 S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Oktober 1992, GZ 31 Rs 147/92-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19.Juni 1992, GZ 10 Cgs 503/91-11, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.812,48 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 302,08 S Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 5.Oktober 1987 bis 27.April 1991 als Arbeiterin bei der Firma B***** KG beschäftigt, über deren Vermögen am 3.Juli 1989 der Ausgleich eröffnet wurde. Mit Beschluß vom 12.Dezember 1989 wurde der Ausgleich aufgehoben. Nach Ausgleichseröffnung beantragte der Ausgleichsschuldner die Ermächtigung zur Kündigung der Klägerin gemäß §§ 20 b und 20 c Abs 2 AO; diese Ermächtigung wurde mit Beschluß vom 4.September 1989 erteilt. Mit der Klage vom 22.August 1989 begehrte der Ausgleichsschuldner die Zustimmung zur Kündigung der damals schwangeren Klägerin. Mit dem am 31.August 1989 verkündeten Urteil wurde die Zustimmung zur Kündigung der Klägerin zum 27.April 1991 erteilt und vom Ausgleichsschuldner auch zu diesem Termin ausgesprochen. Das Kind wurde am 25.März 1990 geboren; die Klägerin arbeitete bis zum Beginn der Schutzfrist (Außerstreitstellung AS 27).

Im Ausgleichsverfahren meldete die Klägerin am 6.September 1989 unter anderem an (zukünftigem) Lohn für Jänner 1990 und anteiligen Sonderzahlungen für 1990 einen um insgesamt 2.686 S geringeren Betrag an, als sie dann gegenüber dem Arbeitsamt geltend machte. Die Differenz ergab sich durch Überstundenleistungen der Klägerin.

Mit Bescheid vom 19.August 1991 lehnte die beklagte Partei unter anderem die Zahlung von Insolvenzausfallgeld für diese Entgeltansprüche mit der Begründung ab, sie seien im Ausgleich nicht angemeldet worden.

Die Klägerin begehrte die Zuerkennung von insgeamt 5.078,95 S netto an Insolvenzausfallgeld mit der Begründung, sie habe diese Ansprüche nicht vor Aufhebung des Ausgleichs anmelden können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab, weil die Anmeldung der Ansprüche unterlassen worden sei.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil teilweise ab; es erkannte der Klägerin S 2.686 zu, bestätigte die Abweisung des Mehrbegehrens und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Die Anmeldung der auf Überstundenleistungen zurückzuführenden Differenzansprüche an Lohn für Jänner 1990 sowie an Weihnachtsremuneration und Urlaubszuschuß für das Jahr 1990 sei bis zur Aufhebung des Ausgleiches nicht möglich gewesen; auf diese Ansprüche komme daher § 1 Abs 5 IESG nicht zur Anwendung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie die Revisionswerberin selbst einräumt, sind die Forderungen der Klägerin im Hinblick auf die Kündigung durch den Ausgleichsschuldner nach den §§ 20 b und 20 c Abs 2 AO gemäß § 23 Abs 1 Z 3 lit a AO nicht als bevorrechtete, sondern als Ausgleichsforderungen zu qualifizieren (siehe Schwarz-Holler-Holzer, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz, 352 und 513). Gemäß § 14 Abs 1 AO sind Forderungen, deren Geldbetrag unbestimmt ist, nach ihrem Schätzwert zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens geltend zu machen. Da die Klägerin, deren Arbeitsverhältnis am 31.August 1989 gemäß § 10 Abs 3 MuttSchG mit Zustimmung des Arbeits- und Sozialgerichtes zum 27.April 1991 aufgekündigt wurde, noch bis zum Beginn der Schutzfrist Ende Jänner 1990 weiterarbeitete, konnte sie den aus künftigen Überstundenleistungen erst später entstandenen Mehrbetrag bis zur Aufhebung des Ausgleiches am 12.Dezember 1989 nicht anmelden, sondern schätzte ihre künftigen Entgeltansprüche bei der Anmeldung am 6. September 1989 zulässigerweise mit dem sich ohne Berücksichtigung einer Überstundenleistung ergebenden Betrag ein. In diesem Zusammenhang ist auch darauf Bedacht zu nehmen, daß der Anmeldung im Ausgleichsverfahren eine § 110 Abs 1 KO vergleichbare Ausschlußwirkung nicht zukommt, so daß die beklagte Partei die auf sie im Wege der Legalzession gemäß § 11 IESG übergegangenen Ansprüche gegen den Ausgleichsschuldner ohne jegliche Einschränkungen geltend machen kann. Andererseits ist zu bedenken, daß der Ausgleichsschuldner im Falle einer überhöhten Schätzung der Forderung im Hinblick auf die im § 54 Abs 1 AO normierte Feststellungswirkung zu einer auch aus der Sicht der beklagten Partei wenig wünschenswerten Bestreitung der angemeldeten Forderung gezwungen gewesen wäre. Da die in § 1 Abs 5 IESG vorgesehene Anmeldung im Konkurs- und Ausgleichsverfahren durch den Arbeitnehmer vor allem der Sicherung der auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds im Wege der Legalzession übergehenden Forderung gegen den Arbeitgeber dient (s RV 464 BlgNR 14.GP 8), gebietet der Gesetzeszweck eine Auslegung der Wortfolge "angemeldet werden kann" dahin, daß die Anmeldungspflicht des Arbeitnehmers im Ausgleich lediglich die Ansprüche umfaßt, mit deren Entstehen er rechnen kann. Der Klägerin kann daher, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, eine Verletzung der Verpflichtung nach § 1 Abs 5 IESG nicht angelastet werden.

Soweit die Revisionwerberin in Zweifel zieht, daß die Forderung der Klägerin nach dem IESG gesichert ist, ist ihr zu erwidern, daß die Klägerin vom Ausgleichsschuldner nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens gemäß §§ 20 b und 20 c AO gekündigt wurde, sodaß ihr gemäß § 3 Abs 3 IESG - abweichend von § 3 Abs 2 Z 1 IESG - auch Insolvenzausfallgeld für den gemäß § 1 Abs 2 Z 1 IESG gesicherten Anspruch auf laufendes Entgelt bis zu dem an den gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen nach § 10 MuttSchG orientierten Ende des Arbeitsverhältnisses zusteht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

Anmerkung

E32442

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBS00024.92.0210.000

Dokumentnummer

JJT_19930210_OGH0002_009OBS00024_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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