Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Februar 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Massauer, Dr.Markel und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Malesich als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt Werner B***** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 und 15 StGB sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB, der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB und des Betruges nach dem § 146 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Kurt Werner B***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.September 1992, GZ 3 b Vr 5699/92-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.August 1945 geborene Angeklagte Kurt Werner B***** des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 und 15 StGB (Punkt A/I und II des Urteilssatzes), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (B/1), der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB (B/2) und des Betruges nach dem § 146 StGB (C) schuldig erkannt.
Darnach hat er in Wien und anderen Orten Österreichs
(zu A) Martha M***** mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Genötigten sich unrechtmäßig zu bereichern, mit Gewalt und teilweise auch durch gefährliche Drohung, und zwar mit dem Tod und einer auffallenden Verunstaltung, zu nachstehend angeführten Handlungen, welche die Genannte am Vermögen schädigten bzw. schädigen sollten,
I./ genötigt, und zwar im Frühjahr 1992 durch Versetzen von Schlägen in wiederholten Angriffen zur Übergabe von Bargeldbeträgen in Höhe von
a) 32.000 S,
b) 45.000 S,
c) 42.000 S
sowie
II./ am 10.Mai 1992 dadurch, daß er ihr zurief, er gebe ihr 48 Stunden Zeit, um einen Geldbetrag von 790.000 S "aufzustellen", sonst würden ihr seine Leute einen Bauchschuß verpassen und sie umbringen, sowie durch Versetzen einer Ohrfeige und eines Faustschlages dazu zu nötigen versucht, ihm einen Geldbetrag in jener Höhe zur Verfügung zu stellen;
(zu B/1) im März 1992 Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, und zwar ein vinkuliertes Länderbanksparbuch (Nr. 255-756-735-CH) und ein weiteres Länderbanksparbuch der Martha M***** unterdrückt, indem er diese Urkunden an sich nahm und behielt, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, daß diese Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweise einer rechtserheblichen Tatsache gebraucht werden;
(zu B/2) im März 1992 Martha M***** mit Gewalt, nämlich durch Versetzen von Schlägen zu einer Handlung, und zwar zur Bekanntgabe eines Losungswortes hinsichtlich zweier Sparbücher, genötigt;
(zu C) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese am Vermögen schädigten, und zwar
1.) in der Zeit vom 21.Oktober 1989 bis 31.Jänner 1990
a) Ernst Me***** zur Gewährung von Darlehen, wobei er vorgab, ein rückzahlungsfähiger und -williger Darlehensnehmer zu sein; Schaden 4.000 S;
b) Frida V***** zur Ausfolgung von Getränken unter Stundung des Kaufpreises, wobei er vorgab, er werde der Genannten Lieferverträge vermitteln; Schaden 685 S;
2.) Gabriele B*****, indem er vorgab, ein zahlungsfähiger Gast zu sein, jeweils zur Verabreichung von Getränken und Überlassung von Zigaretten, und zwar
a) am 24.Juli 1991; Schaden 170 S,
b) am 25.Juli 1991; Schaden 838 S.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 9 lit. a, b und c, 10 sowie 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Das Unterbleiben der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach dem § 21 Abs. 2 StGB (US 33 ff) kann vom Angeklagten, weil ihm nicht zum Nachteil gereichend, nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft werden (EvBl. 1977/117 ua), sodaß auf das darauf abzielende Vorbringen des Angeklagten unter den Gründen der Z 5 und 11 nicht näher einzugehen war.
Nach dem Schuldspruch zu Punkt A des Urteilssatzes (wegen Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Erpressung) wird dem Angeklagten angelastet, Martha M***** zur Ausfolgung von drei Geldbeträgen in der Höhe von 32.000 S, von 45.000 S und 42.000 S genötigt zu haben (US 3, 8 und 9). Soweit die Mängelrüge (Z 5), die (vom Anklagevorwurf gar nicht erfaßt gewesenen) Ausführungen im Urteil über die Abhebung verschiedener Geldbeträge aus vinkulierten Sparbüchern durch den Angeklagten - der sich zuvor eigenmächtig in deren Besitz gesetzt (Schuldspruch zu B/1 wegen § 229 Abs. 1 StGB) und in weiterer Folge Martha M***** zur Preisgabe des jeweiligen Losungswortes genötigt hatte (Schuldspruch zu B/2 wegen § 105 Abs. 1 StGB) -, die nicht Gegenstand dieses Schuldspruches wegen Erpressung waren und vom Erstgericht nur illustrativ angeführt worden sind, unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit bekämpft, betrifft die Rüge keine entscheidende Tatsache (vgl. SSt. 45/27 ua).
Entgegen dem Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5) wurde auch die Aussage der Zeugin Martha M*****, der Angeklagte habe ihr mitgeteilt, daß er Schulden habe und für gewisse Leute Geld brauche, von den Tatrichtern gewürdigt (vgl. US 21). Ebenso wurde die Verantwortung des Beschwerdeführers zum Faktum A/II des Urteilssatzes in den Kreis der Erwägungen einbezogen (vgl. US 22 f).
Nach dem Vorbringen und der Zielrichtung der diesbezüglichen Rüge war auch nicht entscheidungswesentlich und damit nicht näher zu erörtern, welcher Art die persönlichen Beziehungen zwischen dem Angeklagten und Martha M***** waren, weil die dem Beschwerdeführer angelasteten Tathandlungen zu den Fakten A und B des Urteilssatzes nicht zu den im § 166 StGB angeführten begünstigten Taten gehören.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a, b und c sowie 10) ist zur Gänze nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.
Der Angeklagte legt sowohl seinem Vorbringen zum Grund der Z 9 lit. a als auch zu dem der Z 10 zugrunde, daß ihm das Erstgericht als schwere Erpressung "die Wegnahme der Sparbücher ohne Erlaubnis der Martha M*****" angelastet habe und daß er eigenmächtig Behebungen vornahm. Damit geht der Angeklagte aber nicht vom Inhalt des Schuldspruches aus. Diese Argumentation bezieht sich neuerlich bloß auf die gar nicht schuldspruchgegenständlichen vorerwähnten Bargeldabhebungen. Die Ausführungen gehen damit ins Leere.
Unter dem Grund der Z 9 lit. c behauptet der Angeklagte, daß nach den Beweisergebnissen Feststellungen über den Bestand einer Lebensgemeinschaft mit Martha M***** indiziert waren und daß - hievon ausgehend - die Tat als Privatanklagedelikt nach dem § 166 Abs. 1 StGB zu beurteilen gewesen wäre. Die Rüge verschweigt dabei aber die im Urteil festgestellte Tatsache, daß eine Lebensgemeinschaft mit sexuellen Beziehungen nicht bestand (US 8) und ist daher nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (13 Os 136/90).
Soweit der Angeklagte in seiner Rechtsrüge (9 lit. b) zum Schuldspruchfaktum A/II behauptet, daß sämtliche Voraussetzungen für die Annahme eines Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB) vorlägen, übergeht er die gegenteiligen Urteilskonstatierungen: Die Äußerung des Angeklagten, M***** brauche ihm das Geld nicht mehr geben, er schaue nur, daß er wegkomme, sollte nämlich nach den ausdrücklichen Urteilsfeststellungen in Verbindung mit der weiteren Behauptung, die Angehörigen der Mafia würden ihn erschießen, wenn er ihnen das Geld nicht übergebe, lediglich dazu dienen, M***** weiterhin, wenn auch ab nun nicht mehr unter dem Eindruck gefährlicher Drohung mit dem Tode oder unmittelbarer Gewaltanwendung, sondern durch Erregen von Mitleid, zur Geldübergabe zu veranlassen (US 13).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der zitierten Gesetzesstelle iVm dem § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten fällt demnach in die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 285 i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E34335European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00001.9300006.0211.000Dokumentnummer
JJT_19930211_OGH0002_0130OS00001_9300006_000