TE OGH 1993/2/16 11Os20/93

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Veröffentlicht am 16.02.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Februar 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut und Dr.Schindler als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Malesich als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef M***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 23. Dezember 1992, AZ 8 Bs 370/92, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Josef M***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Josef M***** befindet sich seit 28.Februar 1992 (IV 45 f) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit. a und b StPO in Untersuchungshaft.

Am 7.August 1992 erhob die Staatsanwaltschaft gegen ihn Anklage (ON 203) wegen Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB.

Danach ist er (zusammengefaßt wiedergegeben) verdächtig, in Linz und anderen Orten als Geschäftsführer der "Wohnungseigentumsbau" Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH (in der Folge abgekürzt: WEB Linz) die ihm durch Gesetz (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz) und Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen dieser Gesellschaft zu verfügen oder sie zu verpflichten, wissentlich mißbraucht und ihr einen 500.000 S übersteigenden Vermögensnachteil von 21,856.559,73 S zugefügt zu haben, indem er

(zu A) in der Zeit vom 8.März 1984 bis 26.Juni 1990 in neun Angriffen veranlaßte, daß Geld der WEB Linz im Gesamtbetrag von 4,055.036,68 S zum Teil auf WEB-fremde Bankkonten überwiesen, zum Teil bar entgegengenommen und (in der Folge) teils für eigene, teils für andere als der WEB Linz dienende Zwecke verwendet wurde,

(zu B 1.) Anfang März 1988 den durch die WEB Linz um 10,2 Mill. S angekauften "Kreuzbichlhof" unentgeltlich in das außerbücherliche Eigentum der Firma "Hotgast" Hotel- und Gastronomiebetriebsgesellschaft mbH (in der Folge abgekürzt: Hotgast) übertrug,

(zu B 2.) am 28.Dezember 1988 den Betrag von 2,301.523,05 S aus WEB-Vermögen auf ein von ihm eröffnetes Privatkonto verbrachte und

(zu C) am 8.Jänner 1990 und 18.April 1990 in zwei Angriffen (in der Folge am 8.Oktober 1991 realisierte) Sparguthaben der WEB Linz von insgesamt 5,300.000 S zur Besicherung von Krediten der Firma Hotgast beim Österreichischen Creditinstitut ohne Gegenleistung für die WEB Linz verpfändete.

Mit (noch nicht ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichtes Linz vom 29. Jänner 1993, gegen das er die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung anmeldete, wurde der Beschwerdeführer im wesentlichen im Sinn der Anklage (zu Anklageteilfaktum A 2. mit einem um 6.040,40 S reduzierten Schadensbetrag) schuldig erkannt und zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt (vgl. Vorlagebericht des Landesgerichtes Linz).

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluß wurde der Beschwerde des Angeklagten gegen den seinen Enthaftungsantrag in der Hauptverhandlung am 30. November 1992 (2.Ordner zu Band XV 635) abweisenden Beschluß des Schöffengerichtes (zweiter Ordner zu Band XV 677 f) nicht Folge gegeben.

Die dagegen fristgerecht erhobene, beim Obersten Gerichtshof (nach Komplettierung der am 8.Februar 1993 vorgelegten Kopie von Aktenteilen) am 15.Februar 1993 eingelangte Grundrechtsbeschwerde, worin die unrichtige Beurteilung des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr und die Unverhältnismäßigkeit der Haftdauer releviert wird, ist nicht berechtigt.

Den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit a und b StPO (die Anführung auch der Z 1 des § 180 Abs. 2 StPO erfolgte im angefochtenen Beschluß - ebenso wie anläßlich der Verkündung des den Enthaftungsantrag vom 30.November 1992 abweisenden Beschlusses ((zweiter Ordner zu Band XV 677)) ersichtlich irrtümlich) und die nach Lage des Falles mangelnde Substituierbarkeit durch gelindere Mittel nach § 180 Abs. 5 StPO stützte das Oberlandesgericht mit Bezugnahme auf die Begründungen der in dieser Strafsache ergangenen Entscheidungen dieses Gerichtshofes vom 21.August 1991 (ON 207) und vom 15.Juni 1992 (ON 191) zunächst auf die Wiederholung der durch hohe Schadensbeträge gekennzeichneten Wirtschaftsdelikte. Darüber hinaus berücksichtigte es die Begehung der Straftaten während eines langen Zeitraumes sowie die raffinierte Vorgangsweise des Angeklagten und schloß davon ausgehend auf eine den bezeichneten Haftgrund begründende hohe kriminelle Intensität dieser Aktivitäten.

Die Einwände des Beschwerdeführers, er sei "aus den Gesellschaften ausgeschieden" und (schon) mit Rücksicht auf seinen Bekanntheitsgrad daran gehindert, gleichartige strafbare Handlungen zu begehen, erachtete das Beschwerdegericht als nicht geeignet, den Haftgrund zu beseitigen und verneinte im übrigen die Unangemessenheit der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft.

Zunächst versagt der Einwand der mangelhaften Begründung des angefochtenen Beschlusses. Dazu ist mit Bezugnahme auf die weitwendigen Beschwerdeausführungen über den Gang des Verfahrens vorweg festzuhalten, daß frühere, die Haftfrage betreffende Entscheidungen nur insoweit für das aktuelle Grundrechtsprüfungsverfahren von Bedeutung sind, als sich der angefochtene Beschluß auf die damalige Begründung stützt.

Im Hinblick darauf, daß das Oberlandesgericht ausdrücklich feststellt, daß die Gründe für die Annahme des angezogenen Haftgrundes, die in den Vorentscheidungen ON 191 und 207 dargelegt wurden, seither keine Änderung erfuhren, kann nicht die Rede davon sein, daß das Beschwerdegericht lediglich auf sechs und vier Monate alte Beschlüsse samt Inhalt verweise, "zwischenzeitlich verstrichene Zeiträume" unter dem Aspekt der Substituierung der Haft durch gelindere Mittel aber unbeachtet lasse.

Der Beschwerdeargumentation zuwider wurde weder im angefochtenen Beschluß noch in den dort (zur Vermeidung von Wiederholungen) zitierten Beschlüssen ON 191 und 207 zur Beurteilung der Haftfrage (auch) ein gemäß § 57 StPO ausgeschiedener Verfahrenskomplex herangezogen. Die im Beschluß vom 21.August 1992, ON 207, an die Anführung der Anklagefakten anschließende Passage ("Hinsichtlich weiterer Vorwürfe gegen Josef M***** wurde das Verfahren teilweise eingestellt, teilweise gemäß § 57 Abs. 1 StPO ausgeschieden") diente vielmehr ersichtlich der Darstellung des Standes und Umfanges des Strafverfahrens.

Auch das weitere Beschwerdevorbringen, der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr könne nicht auf die bloße Tatsache gegründet werden, daß dem Beschwerdeführer wiederholte Tathandlungen mit einer hohen Schadenssumme zur Last fallen, geht ins Leere. Denn das Beschwerdegericht hat zum angeführten Haftgrund nicht nur diese Kriterien, sondern zutreffend - wie bereits erwähnt - auch die raffinierte Vorgangsweise des Angeklagten berücksichtigt.

Die behaupteten Aktivitäten des Beschwerdeführers erschöpften sich nämlich nicht nur in Malversationen im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der WEB Linz: Er bediente sich zur Erreichung seiner inkriminierten Ziele auch der von ihm und seiner Ehefrau gegründeten Firma Hotgast (V 525 ff), deren formelle Geschäftsführerin zwar Erika M***** war, die de facto aber er selbst leitete (Anklagefakten A 4., 5.; B 1.; C, vgl auch Erhebungsbericht der Bundespolizeidirektion Linz vom 13.Jänner 1993, ON 272), somit eines Unternehmens, das den Kreuzbichlhof (Anklagefaktum B 1.) betrieb (XV 427, 460, 465, 468, 530, 582) und dessen Geschäftstätigkeit ausgeweitet werden sollte (XV 285) sowie auch der von Treuhändern des Angeklagten gegründeten (VII 375 ff, VIII 239 ff) und ebenfalls von ihm geleiteten Mozart-City GesmbH (Anklagefakten A 6.; C), die unter anderem als Kreditgeberin der Hotgast auftrat (XV 460, 530, 593).

Der Angeklagte, der eigenen Angaben zufolge Gesellschafter einer Firma IMS war (Hauptverhandlung am 18.November 1992, S 35 der ON 218), leitete ferner auch die Ende 1990, also nach den inkriminierten Straftaten gegründete, von ihm durch Abtretungs- und Treuhandverträge gehaltene (X 211 ff, 227, 257 ff, 355, 437 ff, XII 13) Kommerzbaugesellschaft mbH und er ist nach wie vor an den Firmen Hotgast und Mozart-City GesmbH, die derzeit bloß ruhen, beteiligt (vgl Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung am 16.November 1992, XV 2).

Der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit. a und b StPO ist somit nach Lage des Falles hier schon in Anbetracht des Verdachtes wiederholt und während eines mehrere Jahre dauernden Zeitraumes - bei überdurchschnittlich guten Einkommens- und Vermögensverhältnissen (XV 2, 338) - mit Bereicherungsvorsatz begangener, der schweren Vermögenskriminalität zuzurechnender strafbarer Handlungen mit einer 21 Mill S übersteigenden Schadenshöhe und der daraus konkret ableitbaren, solcherart bereits manifesten Tendenz zur Vermögensdelinquenz großen Stils in Verbindung mit den aufgezeigten (Wiederholungs-) Möglichkeiten gegeben.

Die bisherigen Verfahrensergebnisse lassen daher bei objektiver Beurteilung mit Grund befürchten, Josef M***** werde - ungeachtet seiner bisherigen gerichtlichen Unbescholtenheit - ohne Fortsetzung der durch gelindere Mittel nicht substituierbaren Untersuchungshaft auch während des gegen ihn geführten Strafverfahrens in Freiheit neuerlich strafbare Handlungen mit schweren Folgen verüben, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind wie die ihm nunmehr angelasteten Straftaten.

In Anbetracht des beträchtlichen Umfanges der durch Manipulationen des Angeklagten an Buchhaltungs- und Bankbelegen erforderlichen Untersuchungshandlungen (vgl hiezu die umfangreichen Gutachten des Banksachverständigen Dr.Reinhard D***** ON 94 und 220, insbesondere die graphische Darstellung der Geldflüsse auf S 54 und 55 der ON 220) und der die Ermittlungen erschwerenden wechselnden und variantenreichen Verantwortung des Beschwerdeführers steht die bisherige Dauer der Untersuchungshaft weder zum Gewicht der angelasteten Delikte noch zum Umfang der Untersuchung und zu der zu erwartenden Strafe (Strafdrohung: von einem bis zu zehn Jahren) außer Verhältnis (§§ 2 Abs. 1 GRBG, 193 Abs. 2 zweiter Halbsatz StPO).

Da sohin durch den angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz das Grundrecht des Josef M***** auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde (§ 2 Abs. 1 iVm § 7 GRBG), war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG ein Ausspruch über den Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.

Anmerkung

E30875

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0110OS00020.9300008.0216.000

Dokumentnummer

JJT_19930216_OGH0002_0110OS00020_9300008_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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