Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Ebner und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann K*****, vertreten durch Dr.Thomas Langer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei B***** Versicherung, ***** ***** vertreten durch Dr.Günther Dobretsberger und Dr.Martin Steininger, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 124.789,50 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14.Oktober 1992, GZ 3 R 171/92-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 29.Februar 1992, GZ 8 Cg 80/90-14, bestätigt wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.789,60 (darin S 1.131,60 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger schloß mit der beklagten Partei einen Versicherungsvertrag für private Krankenvorsorge ab, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Krankengeldversicherung für selbständig Erwerbstätige zugrundeliegen. Darnach steht ihm (nur) im Falle 100 %iger Arbeitsunfähigkeit ab dem 15.Tag ein tägliches Krankengeld von 1.000,-- S zu. Er begehrt neben einer Prämienrückzahlung die Zahlung eines (restlichen) Krankengeldes und hilfsweise die Feststellung, daß ihm die beklagte Partei aus dem Versicherungsvertrag für die "in den Jahren 1988 und 1989 gemeldeten Krankenstände" bis zur Höhe des Klagsbetrages hafte.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage unter Bestreitung einer über den bereits anerkannten Zeitraum hinausreichenden 100 %igen Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Die beklagte Partei sei darüber hinaus leistungsfrei, weil der Kläger nach Ablehnung der von ihm geltend gemachten weitergehenden Ansprüche die Entscheidung der in § 21 der AVB vorgesehenen Ärztekommission nicht beantragt habe. Das Feststellungsbegehren sei im Hinblick auf § 14 Abs.1 der AVB verfristet.
Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren abgesehen von einem Teil des Zinsenbegehrens statt.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist entgegen der Ansicht der 2. Instanz mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.
Im Revisionsverfahren allein strittig ist die Frage der Leistungsfreiheit der beklagten Partei, weil der Kläger nach Ablehnung seiner Ansprüche nicht die Entscheidung einer Ärztekommission beantragt habe.
Nach § 21 Abs.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Krankengeldversicherung für selbständig Erwerbstätige entscheidet im Falle von Meinungsverschiedenheiten über Art und Umfang der Arbeitsunfähigkeit eine Ärztekommission. Deren Entscheidung hat der Versicherungsnehmer innerhalb von 14 Tagen, nachdem ihm die Ablehnung des Versicherers zugegangen ist, unter gleichzeitiger Erhebung eines Widerspruchs zu beantragen (§ 21 Z 2 AVB). Diese Klausel stellt einen Schiedsgutachtervertrag dar, nämlich die Vereinbarung, eine oder mehrere Personen - hier eine nach § 21 Z 3 AVB zu bildende Ärztekommission - zur Feststellung einzelner Tatbestandselemente oder einzelner Tatsachen - hier der Art und des Umfanges der Arbeitsunfähigkeit - zu bestellen. Dem Schiedsgutachtervertrag kommt keine prozeßhindernde Wirkung zu, doch ist in materiellrechtlicher Hinsicht der Anspruch grundsätzlich nicht fällig, solange das Schiedsgutachterverfahren nicht eingeleitet und (wenn auch erfolglos) durchgeführt wurde (Fasching, Kommentar IV, 714; SZ 34/171), es sei denn, daß die in diesem Verfahren festzustellenden Belange unbestritten sind (OGH vom 18.3.1970, 7 Ob 34/70 = ZVR 1970/206).
Des dispositiven Charakters dieser Klausel wegen kann auf die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens verzichtet werden. Liegt ein Verzicht des Versicherers vor, dann kann er der Leistungsklage des Versicherungsnehmers die Einrede der mangelnden Fälligkeit nicht mehr mit Erfolg entgegensetzen (Prölss/Martin, VersVG25 § 64 Anm.3 A). Der Verzicht muß nicht ausdrücklich erklärt werden, er kann auch konkludent erfolgen (VR 1975, 60; 1989, 383; SZ 38/138; VersR 1980, 935; ZVR 1990/60). Inwieweit ein konkludenter Verzicht anzunehmen ist, ist eine Frage, die nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen ist.
Im vorliegenden Fall wertete das Berufungsgericht das Ablehnungsschreiben der beklagten Partei vom 31.10.1989 als Verzicht auf das Sachverständigenverfahren und bejahte damit die Fälligkeit des geltend gemachten Versicherungsanspruches.
Dieses Schreiben hat auszugsweise folgenden Wortlaut: "Wir dürfen Ihnen mitteilen, daß wir weitere Leistungen aus der gegenständlichen Versicherung ablehnen, da nach unserer Ansicht die Voraussetzung des § 1, Abs.3 AVB 1973 nicht mehr vorliegt. Hier wird davon ausgegangen, daß eine völlige (100 %-ige) Arbeitsunfähigkeit nur dann gegeben ist...Gemäß § 21 Allgemeine Versicherungsbedingungen besteht bei Meinungsverschiedenheiten über Art und Umfang der Arbeitsunfähigkeit die Möglichkeit, die Entscheidung durch eine Ärztekommission zu beantragen. Es bleibt nun Ihnen überlassen, ob Sie innerhalb von vierzehn Tagen nach Ablehnung unsererseits Widerspruch erheben und die Entscheidung der Ärztekommission beantragen. Im übrigen wollen wir darauf hinweisen, daß gemäß § 14,1 Allgemeine Versicherungsbedingungen die Versicherung von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, wenn der Anspruch auf Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten nach Erhalt der schriftlichen Ablehnung von Ihnen gerichtlich geltend gemacht wird...."
Nach § 14 Z 1 der AVB ist die Versicherungsanstalt von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird; die Frist beginnt erst, nachdem die Versicherungsanstalt dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat. Die genannte Vertragsbestimmung entspricht daher jener des § 12 Abs 3 VersVG.
Das Schreiben der beklagten Partei enthält demnach einerseits zwar den Hinweis, daß dem Kläger die Möglichkeit offenstehe, innerhalb von 14 Tagen eine Entscheidung durch die Ärztekommission zu beantragen, weil die beklagte Partei weitere Leistungen ablehne (§ 21 Z 2 AVB), andererseits aber nach ihrem Wortlaut eine qualifizierte Ablehnung iS des § 12 Abs 3 VersVG, denn die Ablehnung erfolgte schriftlich unter Angabe der mit dem Ablauf der Sechsmonatefrist verbundenen Rechtsfolgen.
Das Berufungsgericht hat ausführlich dargelegt, weshalb es im Hinblick auf diese gleichzeitig mit dem Hinweis auf die "Möglichkeit, die Entscheidung durch eine Ärztekommission zu beantragen" (vgl hiezu den Wortlaut des § 21 Z 2 AVG - "... hat... zu beantragen..") erklärte qualifizierte Ablehnung des geltend gemachten Anspruches zum Ergebnis kommt, die beklagte Partei verzichte auf die (vom Kläger zu beantragende) Entscheidung der Ärztekommission als Voraussetzung für das vom Kläger im Fall einer für ihn negativen Entscheidung einzuleitende gerichtliche Verfahren. Eine derartige Auslegung des Schreibens der beklagten Partei vom 31.10.1989 ist durchaus vertretbar; war doch danach die Anrufung der Ärztekommission für den Kläger augenscheinlich nur eine Möglichkeit neben der gerichtlichen Geltendmachung, und hätte er doch danach überdies riskiert, seinen Anspruch gerichtlich nicht mehr geltend machen zu können, sollte die Entscheidung der Ärztekommission nicht innerhalb der ihm hiefür offenstehenden Frist ergangen sein, ohne daß er - gleichzeitig? - mit einer klageweisen Geltendmachung vorgegangen wäre. Nur bei unvertretbaren Auslegungsergebnissen aber könnte eine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO gegeben sein.
Mangels der Voraussetzung des § 502 Abs.1 ZPO war die Revision, zumal der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden ist (§ 508a Abs.1 ZPO) daher als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision ausdrücklich hingewiesen.
Anmerkung
E33156European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0070OB00002.93.0217.000Dokumentnummer
JJT_19930217_OGH0002_0070OB00002_9300000_000