TE OGH 1993/2/17 7Ob654/92

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.02.1993
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Ebner und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****genossenschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Großschedl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Mathilde V*****, vertreten durch Dr.Gerald Stenitzer, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufkündigung (Streitwert S 7.200,--, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 23.September 1992, GZ 3 R 152/92-21, womit der das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 17.Jänner 1992, GZ 8 C 313/91d-13, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei ist Eigentümerin des Hauses Graz, Augasse 114. Die Beklagte wurde dort aufgrund eines Mietvertrages vom 29.3.1990 ab 1.11.1989 Mieterin einer im Erdgeschoß gelegenen Wohnung, deren Bruttomietzins S 4.111,-- beträgt. Eine Untervermietung war der Beklagten untersagt. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten entschloß sich die Beklagte - die zuvor in einer anderen, gleichfalls im Eigentum der klagenden Partei stehenden Wohnung gewohnt, diese aber mit Genehmigung der klagenden Partei gegen die verfahrensgegenständliche getauscht hatte -, die Wohnung dennoch unterzuvermieten. Sie schloß mit den über ein Inserat kontaktierten Eheleuten M***** beginnend mit 1.10.1989 einen Untermietvertrag über die gesamte Wohnung "vorübergehend auf ca. drei Monate" gegen einen monatlichen wertgesicherten Untermietzins von S 5.500,-- ab. Der Mietvertrag sollte sich "bei pünktlicher Bezahlung aller anfallenden Kosten nach Bedarf automatisch" um jeweils drei Monate verlängern, sein Ende aber (jedenfalls) mit dem für Frühjahr 1992 in Aussicht genommenen Einzug der Eheleute M***** in eine Eigentumswohnung finden. Die Beklagte hat vor dieser Untervermietung nicht in dieser Wohnung gewohnt. Sie war bereits im September 1989 in die 40 m2 große Wohnung ihres Lebensgefährten in Feldkirchen, Triesterstraße 101, gezogen, wo sie auf engstem Raum mit dessen Mutter zusammenlebte. In diesem vom Lebensgefährten der Beklagten gepachteten Haus haben die beiden Personen einen Altenpflegebetrieb eröffnet. All dies hat die Beklagte der klagenden Partei bei Mietvertragsabschluß verschwiegen. Die Beklagte begehrte erstmals im März oder April 1991 von den Ehegatten M***** die Räumung ihrer Wohnung mit der Begründung, daß dort, wo sie derzeit wohnhaft sei, der Platz anderweitig benötigt werde. Die Ehegatten M***** weigerten sich zunächst, die Wohnung zu räumen, zogen aber dann doch Ende Juni 1991 aus. Die Beklagte und ihr Lebensgefährte leben seit 1.7.1991 in der gegenständlichen Wohnung. In der Mietwohnung des Lebensgefährten wohnt seither dessen Mutter allein.

In ihrer auf § 30 Abs.2 Z 4 und 6 MRG gestützten Aufkündigung vom 29.5.1991 (zugestellt am 3.6.1991) zum 30.9.1991 macht die Klägerin geltend, die Beklagte habe die aufgekündigte Wohnung nie bewohnt und ohne ihr Wissen bereits vor Mietvertragsabschluß zur Gänze weitergegeben. Die Beklagte benötige die Wohnung nicht zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses und erhalte für sie darüber hinaus ein überhöhtes Entgelt.

Die Beklagte wandte ein, daß sie sich die Wohnung 1989 aus finanziellen Gründen nicht habe leisten können und daß sie daher kurzfristig der Familie M***** zur Verfügung gestellt habe. Sie habe bereits damals die Absicht gehabt, wieder in die Wohnung einzuziehen, sobald sie eine Beschäftigung finde. Die Beklagte habe auch nur aus beruflichen Gründen anderweitig gewohnt und verfüge über keine weitere Wohnmöglichkeit.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung als rechtswirksam. Es folgerte aus den oben wiedergegebenen Feststellungen, daß zwar nicht der Kündigungsgrund nach § 30 Abs.2 Z 4, 2.Fall, wohl aber jener nach § 30 Abs.2 Z 4 1.Fall MRG von der Beklagten verwirklicht worden sei. Im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung habe die Beklagte kein dringendes Wohnbedürfnis an der gegenständlichen Wohnung gehabt, weil sie bei ihrem Lebensgefährten wohnversorgt gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Urteil hob das Berufungsgericht die Kündigung auf. Es sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Rechtlich folgerte das Berufungsgericht, daß der Kündigungsgrund nach § 30 Abs.2 Z 4 1.Fall MRG nicht verwirklicht worden sei, weil die Beklagte habe nachweisen können, daß sie im Zeitpunkt der Weitergabe der Wohnung offenbar in relativ naher Zeit wieder einen dringenden Bedarf an der Wohnung haben werde. Bei dieser Beurteilung sei weniger auf den Zeitraum, zu dem der dringende Wohnbedarf wieder gegeben sei - es könne durchaus ein Jahr und mehr verstreichen - als darauf abzustellen, daß im Weitergabezeitpunkt eine gesicherte Prognose in diesem Sinne erstellt werden könne. Die behelfsmäßige Unterbringung der Beklagten auf engstem Raum in der Wohnung ihres Lebensgefährten im Zeitpunkt der Weitergabe habe weder einer ausreichenden Wohnversorgung, noch einem Zustand auf unabsehbare Zeit entsprochen. Dementsprechend habe die Beklagte ihre Wohnung nur für relativ kurze Zeit, längstens bis Frühjahr 1992, weiterzugeben beabsichtigt. Es sei daher davon auszugehen, daß die Beklagte bereits bei Weitergabe der Wohnung an die Eheleute M***** die konkrete Absicht gehabt habe, die Wohnung wieder zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses zu beziehen. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs.2 Z 4 2.Fall MRG sei nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Klägerin ist unzulässig.

Eine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO liegt nicht vor.

Das Berufungsgericht hat die von der Judikatur als maßgeblich angesehenen Kriterien für die Beurteilung, wann davon ausgegangen werden darf, daß ein Mieter trotz gänzlicher Weitergabe seiner Wohnung diese offenbar in naher Zeit wieder für sich dringend benötigen wird, in zutreffender Weise wiedergegeben und seiner Entscheidung zugrunde gelegt (vgl. die dazu zuletzt ergangene Veröffentlichung in WoBl. 1991, 141). Die zweite Instanz hat insbesondere die Zukunftsprognose eines "offenbar in naher Zeit" gegebenen "dringenden Bedarfs" der Beklagten an dem Mietgegenstand iS der ständigen Rechtsprechung auf den Zeitpunkt der Weitergabe des Mietgegenstandes abgestellt (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 34 zu § 30 MRG). Soweit die Revisionswerberin davon ausgeht, daß die Beklagte erst auf die Aufkündigung hin ihre Untermieter zum Räumen der Wohnung aufgefordert habe und erst dann unter völlig freiwilliger Aufgabe der bisherigen Wohnmöglichkeit in die aufgekündigte Wohnung eingezogen sei, was sie bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht vorgehabt hätte, geht sie nicht von den Feststellungen aus, wonach die Beklagte die Untervermietung nur bis längstens Frühjahr 1992 beabsichtigt hatte und das Ende der Untervermietung mit der Fertigstellung der Eigentumswohnung der Eheleute M***** fixiert war. Die Behauptung, daß dieser Untermietvertrag unkündbar gewesen sei, entspricht nicht der Gesetzeslage. Die Beurteilung, daß bei einer Weitergabe im Oktober 1989 ein spätestens im Frühjahr 1992 wieder eintretendes Wohnbedürfnis noch als "in naher Zukunft" zu werten ist, ist unter den ganz besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalles noch vertretbar, weil die Beklagte in der Wohnung ihres Lebensgefährten nur eine Schlafstätte hatte, und ihr Aufenthalt dort damals hauptsächlich auf ihre berufliche Tätigkeit (nächtliche Betreuung der Altersheimbewohner) zurückzuführen war. Der Entscheidung kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Da die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit der vorliegenden Revision hinwies, waren ihr keine Kosten zuzuerkennen.

Anmerkung

E33250

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0070OB00654.92.0217.000

Dokumentnummer

JJT_19930217_OGH0002_0070OB00654_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten