TE OGH 1993/2/17 13Os15/93

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Veröffentlicht am 17.02.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Februar 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Kuch, Dr.Markel und Dr.Schindler als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Malesich als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann F***** wegen des Vergehens des Betruges nach dem § 146 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Strafbezirksgerichtes Wien vom 18. Februar 1992, GZ 2 U 38/91-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Hauptmann, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Strafbezirksgerichtes Wien vom 18.Februar 1992, GZ 2 U 38/91-14, auf Absehen vom Widerruf der mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 14.September 1987, GZ 25 U 139/87-12, gewährten bedingten Strafnachsicht und auf Verlängerung der Probezeit verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 56 StGB und überdies in dem sich aus dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung abzuleitenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Dieser Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

I./ Mit rechtskräftigem (in gekürzter Form ausgefertigtem) Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 14.September 1987, GZ 25 U 139/87-12, wurde der am 15.Mai 1949 geborene Elektrikerhelfer Johann F***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, die gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Die Probezeit ist am 15.September 1990 abgelaufen. Mit Beschluß vom 29.August 1991 sprach der Jugendgerichtshof Wien gemäß dem § 497 StPO die endgültige Strafnachsicht aus. Dieser Beschluß gelangte dem Bezirksanwalt am 4. September 1991 zur Kenntnis und erwuchs in Rechtskraft (ON 18).

Mit (gleichfalls in gekürzter Form ausgefertigtem) Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 18.Februar 1992, GZ 2 U 38/91-14, wurde Johann F***** wegen des am 4., 6., 9., 12. und 23.Juli 1990 - sohin während der Probezeit - begangenen Vergehens des Betruges nach dem § 146 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Das Bezirksgericht faßte zugleich gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO den Beschluß auf Absehen vom Widerruf der mit erwähntem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien gewährten bedingten Strafnachsicht und gemäß dem § 494 a Abs. 7 StPO auf Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre. Dies obwohl der im Akt erliegenden Strafregisterauskunft vom 14.Jänner 1992 (ON 12) die bereits endgültige Strafnachsicht zu entnehmen war.

Rechtliche Beurteilung

II./ Der erwähnte Beschluß des Strafbezirksgerichtes Wien steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Der Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien vom 29.August 1991 auf endgültige Strafnachsicht entfaltete (auch schon vor Eintritt der Rechtskraft) eine Bindungswirkung, derzufolge kein Gericht mehr berechtigt war, über den Entscheidungsgegenstand neuerlich abzusprechen ("ne bis in idem"). Das Strafbezirksgericht Wien hat daher mit der erwähnten Beschlußfassung eine Entscheidungskompetenz rechtswidrig in Anspruch genommen. Dieser Beschluß konnte weder die schon vorher rechtskräftig beschlossene endgültige Strafnachsicht beseitigen noch sonst für den Verurteilten irgendwelche Rechtsfolgen nach sich ziehen; die konstitutive Wirkung des Beschlusses des Jugendgerichtshofes Wien blieb vielmehr hievon unberührt (vgl. EvBl. 1989/64 = JBl. 1989, 400; 15 Os 76/91, 12 Os 87/92).

Im übrigen waren die zeitlichen Voraussetzungen des § 56 StGB für die Verlängerung der Probezeit nicht gegeben. Die Probezeit war am 15. September 1990 abgelaufen, sodaß die Entscheidung vom 18.Februar 1992 auch nicht innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit erging. Überdies war das neue Strafverfahren zum Zeitpunkt des Ablaufes der Probezeit noch gar nicht anhängig.

Der rechtsunwirksame Beschluß des Strafbezirksgerichtes Wien war somit durch Aufhebung zu beseitigen (vgl. abermals EvBl. 1989/64 = JBl. 1989, 400; 15 Os 76/91, 12 Os 87/92).

Anmerkung

E34347

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00015.9300005.0217.000

Dokumentnummer

JJT_19930217_OGH0002_0130OS00015_9300005_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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