TE OGH 1993/2/17 7Ob28/92

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Veröffentlicht am 17.02.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Ebner und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Friedrich S*****, 2. Helga S*****, beide vertreten durch Dr.Siegfried Rack und Dr.Franz Grauf, Rechtsanwälte in Völkermarkt, wider die beklagte Partei G***** Versicherung, ***** vertreten durch Dr.Michael Mülner, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 250.696,28 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 15.September 1992, GZ 1 R 37/92-45, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17.Juli 1991, GZ 25 Cg 91/88-36, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich weiteren Kosten des Berufungsverfahrens Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Am 4.11.1986 brannte die bei der beklagten Partei feuerversicherte Getreidetrocknungsanlage der Kläger in T***** ab. Beim Brand wurde im wesentlichen die gesamte technische Einrichtung total zerstört, von der Brückenwaage allerdings nur der Rollmeßkopf. Vor Ausbruch des Brandes am 4.11.1986 bestand die versicherte technische Betriebseinrichtung der Maistrocknungsanlage aus einer Flachtrocknungsanlage SD 35 der Firma S*****tela, Stefan L*****ax Huber KG, einem Elevator 6,5 m hoch, 2,2 kw mit Dreiwegverteiler und Ablaufrohr, einem Elevator 5,5 m hoch, sonst wie vorher, einem Vorreiniger mit Getriebemotor, einer Körnerschnecke mit Getriebemotor, einer elektrischen Licht- und Kraftinstallation mit Verteiler, der Beleuchtung und Installation, sowie einer Straßenbrückenwaage und Vollbetonbrücke ca. 8 m x 3,5 m, mit Rollgewichtskopf und einem Druckwerk für Prägedruck von Waagkarten bei 20 Tonnen Tragfähigkeit. An Baulichkeiten waren ein Heizhaus in Massivbauweise, ein Gebäude für die Trocknungsanlage in Mischbauweise, eine Siloüberdachung mit zwei Silos, ein Flugdach über dem Öltank, eine Überdachung des Übernahmesilos und ein Siloschacht vorhanden. Der Feuerversicherung lagen die Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Gebäuden und Einrichtungen, soweit sie industriell oder gewerblich genutzt sind (Fassung 1985), die Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen (AFB) idF 1984 sowie die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) idF 1971 zugrunde. Die vereinbarte Neuwert-Versicherungssumme betrug für die technische Einrichtung der Trocknungsanlage S 700.000,--. Die Versicherungssummen wurden excl. Mehrwertsteuer vereinbart. Am 29.4.1987 zahlte die beklagte Partei den Klägern für die technische Betriebseinrichtung eine Entschädigung von S 348.450,-- (die weiteren bezahlten Entschädigungen sind nicht Gegenstand des Verfahrens). Die beklagte Partei ging bei der genannten Entschädigungssumme von einem Neuwert der gesamten Anlage von S 1,024.854,-- und einer 66 %igen Altersentwertung aus. Tatsächlich errechnet sich jedoch ein Neuwert für die Flachtrocknungsanlage von S 573.000,--, für einen Elevator 6,5 m hoch von S 40.900,--, einen weiteren 5,5 m hohen Elevator von S 39.100,--, für einen Vorreiniger mit Getriebemotor S 33.900,--, für eine Körnerschnecke mit Motor von S 18.200,--, für die elektrische Licht- und Kraftinstallation von S 28.250,--, für eine Straßenbrückenwaage von S 88.750,-- und einen Rollgewichtsmeßkopf samt Druckwerk von S 55.000,--, zusammen sohin ein Wert von S 877.100,--. Davon ist der nicht beschädigte Teil der Brückenwaage (S 88.750,--) abzuziehen. Der Zeitwert der beschädigten Anlagen betrug 42 % des Neuwertes (die altersbedingte Abwertung der einzelnen genannten Geräte wurde nicht festgestellt).

Die Kläger beabsichtigten zunächst, die Maistrocknungsanlage an Ort und Stelle wieder aufzubauen. Ihr Ansuchen um Baubewilligung vom 17.2.1987 wurde jedoch mit Bescheid vom 17.9.1987 vom Bürgermeister der Gemeinde V***** abgelehnt, weil das Bauvorhaben im Widerspruch zu dem nunmehrigen Flächenwidmungsplan stehe und eine Umweltbelastung darstelle. Der Bau wurde eingestellt; den Klägern wurden weitere Baumaßnahmen verboten. Mit Kaufvertrag vom 25.8.1988 erwarben die Kläger in D*****, ebenfalls in der Gemeinde V*****, ein 2340 m2 großes Flurgrundstück, um darauf die Maistrocknungsanlage wiederzuerrichten. Nach Genehmigung einer Änderung des Flächenwidmungsplanes mit Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung vom 8.2.1989 wurde den Klägern mit Bescheid vom 1.8.1990 über ihr Ansuchen vom 11.4.1989 die Baubewilligung erteilt, die jedoch nach Erhebung von Rechtsmitteln durch Anrainer noch nicht rechtskräftig ist. Die Kläger haben aber inzwischen alle jene Teile - überwiegend gebraucht - zusammengekauft, die nötig sind, um nach Errichtung der Gebäude wieder eine Trocknungsanlage zusammenzubauen und haben diese auf ihr Grundstück in Dullach bzw auf andere ihnen zur Verfügung gestellte Lagerplätze transportiert. Hiefür sind insgesamt nach der Berechnung des Berufungsgerichtes excl. Mehrwertsteuer S 611.675,29 aufgewendet worden (nach der Berechnung des Erstgerichtes, allerdings teilweise auch inclusive Mehrwertsteuer, S 641.157,08), allerdings auch für Gegenstände wie Silos, die nicht Gegenstand der Betriebseinrichtung sind bzw. für solche, die vorher noch nicht Bestandteil der Betriebseinrichtung waren. In seiner rechtlichen Beurteilung listete das Erstgericht eine Reihe von Anschaffungen und Leistungen, die der Wiederherstellung der Getreidetrocknungsanlage im ursprünglichen Umfang dienten, auf und errechnete dafür die Gesamtsumme von S 285.362,93 (vgl. S 49 und 50 der Urteilsausfertigung).

Das Berufungsgericht stellte ergänzend fest, daß für den Zusammenbau der von den Klägern bereits gekauften Anlageteile Kosten in Höhe von S 100.000,-- zu erwarten sind, sodaß sich für die Wiederbeschaffung der durch den Brand zerstörten Einrichtung der Trocknungsanlage insgesamt ein Betrag von S 385.362,92 errechne.

Die Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Gebäuden und Einrichtungen, soweit sie industriell oder gewerblich genutzt sind oder Wohn- und Bürozwecken dienen, lauten auszugsweise:

"I.

Als Ersatzwert gelten bei Gebäuden der ortsübliche Neubauwert, bei

Einrichtungen und den sonstigen zum Neuwert versicherten Sachen die

Wiederbeschaffungskosten (Neuwert) jeweils zur Zeit des Eintrittes

des Schadensfalles.......

                            II.

Ist der Zeitwert einer Sache niedriger als 40 % des Neuwertes, so

gilt als Ersatzwert der Zeitwert......

IV.

Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teiles der Entschädigung nur insoweit, als dieser Teil zusammen mit der Zeitwertentschädigung den Wiederherstellungsaufwand nicht übersteigt und in dem Umfang, in dem die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung an der bisherigen Stelle gesichert ist.

Hiebei genügt es, wenn für zerstörte oder beschädigte Gebäude wieder Gebäude, für zerstörte oder beschädigte Einrichtungen wieder Einrichtungen und für zerstörte oder beschädigte sonstige Sachen gleichartige Sachen hergestellt bzw. beschafft werden, soweit alle vorgenannten Sachen dem gleichen Betriebszweck dienen........

Weist der Versicherungsnehmer nach, daß die Wiederherstellung an der bisherigen Stelle behördlich verboten ist, so genügt die Wiederherstellung an anderer Stelle innerhalb Österreichs.

Unterbleibt die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung innerhalb einer Frist von 3 Jahren nach dem Schadenfall oder erklärt der Versicherungsnehmer dem Versicherer vor Ablauf der Frist schriftlich, daß er nicht wiederherstellen wolle, so verbleibt es endgültig bei Gebäuden bei dem Anspruch auf Entschädigung nach dem Zeitwert, höchstens aber dem Verkehrswert, bei Einrichtungen und den sonstigen Sachen bei dem Anspruch auf Zeitwertentschädigung; im Falle eines Deckungsprozesses wird die Frist für die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung um die Dauer des Deckungsprozesses erstreckt....

Die Kläger begehrten mit ihrer am 17.3.1988 eingebrachten Klage ursprünglich S 193.935,72 und dehnten dieses Klagebegehren am 14.9.1989 auf S 250.696,28 aus. Der Zeitwert der Anlage habe noch 43 % des Neuwertes betragen. Der Entschädigungswert auf Basis einer Neuwertversicherung für die technische Betriebseinrichtung betrage unter Berücksichtigung einer Unterversicherung S 599.146,--, darauf habe die beklagte Partei nur einen Entschädigungsbetrag von S 348.450,-- bezahlt. Es seien alle Veranlassungen für einen Wiederaufbau bereits getroffen worden. Eine Baubewilligung für den ursprünglichen Standort sei abgelehnt, jedoch seien bereits die Teile für eine Ersatzanlage um mehr als S 600.000,-- und ein Ersatzgrundstück angekauft sowie für dieses um eine Baubewilligung angesucht worden, die Dauer des Bauverfahrens verhindere den Wiederaufbau, eine Saumseligkeit der Kläger liege nicht vor. Die Verwendung der Entschädigung für die Wiedererrichtung der Anlage sei gesichert. Eventualiter begehrten die Kläger für den Fall, daß ihre Forderung mangels Fälligkeit abgewiesen werden sollte, die Feststellung der Haftung der Beklagten im Umfang des Klagebegehrens aus dem Feuerversicherungsvertrag für die versicherte Einrichtung der Maistrocknungsanlage.

Die beklagte Partei wendete ein, daß der Neuwert der gesamten Einrichtung S 1,024.854,-- betragen habe. Es liege eine Unterversicherung vor. Der Zeitwert der technischen Einrichtung entspreche unter Zugrundelegung einer 66 %igen Altersentwertung dem ausgezahlten Betrag von S 348.450,-- und damit auch dem Ersatzwert im Sinne der Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Gebäuden und Einrichtungen. Mehr stünde den Klägern nicht zu, solange die Maistrocknungsanlage nicht wiedererrichtet sei. Nur für den Fall der Wiedererrichtung innerhalb von 3 Jahren hätte sich die Beklagte zur Zahlung weiterer S 353.886,-- verpflichtet. Der mit 3.11.1989 befristete Wiederaufbau sei von den Klägern aber vorsätzlich oder zumindestens grob fahrlässig verzögert worden, weil sie ungeachtet fehlender Widmung und Genehmigung Bauprovisorien errichtet und erst nach Baueinstellung ein Ersatzgrundstück für einen Wiederaufbau gekauft und darauf auch eine Baubewilligung erwirkt hätten, die jedoch zufolge Anrainerbeschwerden beeinsprucht worden sei. Der Aufwand der Kläger für den Ankauf der Ersatzanlage übersteige nicht die von der Beklagten bereits gezahlte Entschädigung. Die Ersatzansprüche der Kläger seien verjährt. Auch das Eventualbegehren, das eine Deckungsklage darstelle, sei verfristet. Selbst unter Zugrundelegung eines Neuwertes der technischen Einrichtung incl. Brückenwaage von S 919.850,-- und einer altersbedingten Entwertung von 58 % ergebe sich nur ein Ersatzwert-Zeitwert von S 386.337,-- bzw. unter Berücksichtigung der Unterversicherung ein Neuwert von S 788.350,-- und ein Zeitwert von S 331.107,--; dieser sei von der beklagten Partei voll ersetzt worden. Der Rest auf den (im Hinblick auf die Unterversicherung aliquoten) Neuwert von S 268.823,-- stehe den Klägern mangels fristgerechter Wiedererrichtung nicht zu (AS 226).

Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab. Zufolge ausdrücklicher Prozeßerklärung der Kläger seien nur die technischen Betriebseinrichtungen Verfahrensgegenstand, hiezu zählten nicht die Silos, wohl aber die Brückenwaage und die Elektroinstallation. Für diese gelte ein Ersatzwert in Höhe der Wiederbeschaffungskosten (Neuwert) zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles. Für die verbrannten Gegenstände errechne sich ein solcher mit S 877.100,--, der nur zu 80 % in der Versicherungssumme Deckung finde. Demnach betrage der Ersatzwert, da der nicht beschädigte Teil der Brückenwage (S 88.750,--) abzuziehen sei, S 630.680,--. Da der Zeitwert der Einrichtung im Schadenszeitpunkt 40 % des Neuwertes überstiegen habe und die Kläger die Teile der Anlage wiederbeschafft hätten, stünden ihnen zwar die Wiederbeschaffungskosten zu, jedoch seien dafür nur S 285.362,93 angefallen, die nicht einmal die ausbezahlte Zeitwertentschädigung erreichten.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung über Berufung der Kläger nach einer Beweisergänzung durch Verlesung des Sachverständigengutachtens des Ing.T***** und durch die Einvernahme des Zeugen Alois M***** in der Hauptsache im klagsstattgebenden Sinne ab. Es erklärte die Revision für zulässig. Rechtlich teilte das Berufungsgericht die Ansicht des Erstgerichtes, daß sich die Ersatzleistung der beklagten Partei am Neuwert zu orientieren habe, weil der Zeitwert der durch Feuer untergegangenen Anlage mehr als 40 % des Neuwertes betragen habe und schon vor dem Ablauf der 3jährigen Frist zufolge der kompletten Anschaffung gleichwertiger Sachen gesichert gewesen sei, daß die Kläger die Anlage wiedererrichten werden. Bei der Berechnung des Wiederherstellungsaufwandes habe eine Ersparnis der Kläger durch Ankauf von Sachen minderer Art und Güte außer Betracht zu bleiben. Die beklagte Partei habe selbst vorgebracht, daß den Klägern für den Fall der Erfüllung der Wiederaufbauklausel weitere S 268.823,-- zustünden bzw. die zweckgewidmete Verwendung der Entschädigung gesichert sei. Die Wiederherstellungsklausel sei rechtlich nicht als Obliegenheit, sondern als Risikoausschluß des Versicherers zu werten. Es genüge aber, daß der Versicherungsnehmer nachweise, daß er die bestimmungsgemäße Verwendung des Ersatzbetrages sichergestellt habe. Der Versicherer müsse, wenn dem Versicherten wie hier kein Vorwurf am eingetretenen Verzug zu machen sei, in Härtefällen die Wiederherstellung der Anlage auch nach Ablauf der vereinbarten Dreijahresfrist gegen sich gelten lassen. Die Beklagte habe selbst vorgebracht, daß die Kläger zur Wiedererrichtung Leistungen im Wert von S 364.834,-- erbracht hätten. Darüber hinaus stünden noch weitere Leistungen über S 40.970,90 unbestrittenermaßen fest (vgl. hiezu Seite 25 der angefochtenen Entscheidung). Dazu kämen die nach dem Sachverständigengutachten mit S 100.000,-- anzunehmenden Kosten des Zusammenbaues der Betriebseinrichtung. Zusammenfassend ergebe sich daraus, daß die Kläger einerseits alle für die Wiedererrichtung der Anlage erforderlichen Gerätschaften usw beschafft und andererseits glaubhaft dargetan hätten, daß sie die Anlage wiedererrichten wollten. Es läge fern, daß die Kläger die schon angekauften Teile nicht bestimmungsgemäß verwenden wollen. Die Schadenssumme sei abschätzbar, das Leistungsbegehren daher berechtigt. Der Verjährungseinwand der beklagten Partei sei unberechtigt. Es stehe nicht fest, daß sie den Anspruch im Sinne des § 12 Abs.3 VersVG und Art.13 Abs.3 ABS abgelehnt habe. Die Wiederbeschaffung sei erst ab 1.12.1987 gesichert gewesen. Demnach sei das am 17.3.1988 erhobene und am 14.9.1989 ausgedehnte Klagebegehren nicht verjährt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei gegen diese Entscheidung erhobene Revision ist berechtigt.

Das Berufungsgericht beschloß eine Beweisergänzung durch die Verlesung des Sachverständigengutachtens Ing.T***** und die Einvernahme des Zeugen M***** vor dem Berufungsgericht. Daraufhin wurde "einverständlich das Sachverständigengutachten des Ing. T***** verlesen". Daraus hat das Berufungsgericht im Zusammenhalt mit § 273 ZPO festgestellt, daß für den Zusammenbau der von den Klägern bereits gekauften Anlageteile weitere S 100.000,-- an Kosten anwachsen werden. Der von der Revisionswerberin in der Verlesung des Sachverständigengutachtens des Ing.T***** erblickte Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz liegt nicht vor, weil § 357 ZPO grundsätzlich eine schriftliche Begutachtung durch den Sachverständigen vorsieht, die dieser, allerdings nur über Verlangen der Partei, mündlich zu erläutern hat. Einen solchen Antrag hat die beklagte Partei aber nicht gestellt. Der Revision ist auch keine Rüge nach § 488 Abs 4 ZPO zu entnehmen. Ein Verfahrensmangel ist daher nicht gegeben.

Zur Frage der Rechtsnatur einer Wiederherstellungsklausel wie in Art 5 Abs 2 lit a der AFB (1984) hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 58/207 (= VR 1987/18 mit Anmerkung von Jabornegg) ausführlich Stellung genommen und ist unter Berücksichtigung der hiezu vorhandenen Rechtslehre in Abkehr von einer in einer Vorentscheidung (SZ 33/39) vertretenen Ansicht zum Ergebnis gelangt, es handle sich hiebei um eine Obliegenheit. Das Revisionsgericht hat aber in derselben Entscheidung auch ausgeführt, daß dies nicht auch für die Neuwertversicherung gelte; denn bei dieser begründe die Wiederherstellungsklausel nach nahezu einhelliger Meinung (anderer Ansicht sei allein Fenyves, VR 1972, 117 ff) eine Risikoabgrenzung. Der erkennende Senat hält diese Ansicht entgegen der Anmerkung (Punkt 4) Jaborneggs zur oben angeführten Entscheidung in VR 1987, 61 ff aufrecht. Er folgt damit insbesonder Prölss-Martin, VersVG25, 626, die in der Wiederherstellungsklausel bei der Neuwertversicherung eine Anspruchsvorausetzung deshalb sehen, weil der über den Zeitwert hinausgehende Teil des Schadens (vgl. Punkt IV der Sonderbedingungen) erst durch die Wiederherstellung (bzw. deren Sicherstellung) innerhalb von 3 Jahren entsteht, Wusssow, Feuerversicherung2, 622, und Martin, Sachversicherungsrecht3, 1350.

Daran, daß die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung der Trocknungsanlage gesichert ist (Punkt IV, 1.Absatz, der Sonderbedingungen), bestehen nach dem festgestellten Sachverhalt keine Zweifel. Die Frage, ob den Klägern an der verzögerten Wiederherstellung ein grobes Verschulden anzulasten ist, kann mit Rücksicht auf die oben dargelegte Qualifizierung der Wiederherstellungsklausel im Rahmen der Neuwertversicherung als Anspruchsvoraussetzung (und nicht als Obliegenheit im Sinne des § 6 Abs 3 VersVG) auf sich beruhen.

Da der Zeitwert der technischen Betriebseinrichtung der Trocknungsanlage entgegen den Behauptungen der beklagten Partei nicht niedriger ist als 40 % des Neuwerts, sondern nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen 42 % beträgt, gilt nicht dieser Wert im Sinne des Punktes II der Sonderbedingungen als Ersatzwert. Die Kläger haben vielmehr Anspruch auf Entschädigung nach Punkt IV der Sonderbedingungen. Danach erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teils der Entschädigung (aber) nur insoweit, als dieser Teil zusammen mit der Zeitwertentschädigung den Wiederherstellungsaufwand nicht übersteigt und in dem Umfang, in dem die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung an der bisherigen Stelle (Abs.5: an anderer Stelle innerhalb Österreichs, wenn die Wiederherstellung an der bisherigen Stelle - wie hier - behördlich verboten ist) gesichert ist. Nach diesem strengen Text kommt es darauf an, in welchem Umfang der Wiederherstellungsaufwand die Entschädigung verbraucht (Martin aaO, 1362); maßgebend ist demnach der tatsächliche Aufwand (Prölss-Martin aaO 627 unten). Der Versicherer kann danach einen Abzug vornehmen, wenn die Wiederbeschaffung weniger gekostet hat (VersR 1985, 1152, zitiert in Martin aaO).

Geht man deshalb auch davon aus, daß die Kläger Anspruch auf den Neuwert haben - das wären bei einem Versicherungswert von S 877.100,-- und einer Versicherungssumme von S 700.000,--, also bei nur 80 %iger Deckung, maximal S 630.680,-- - können sie doch einen Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teils im Sinne des Punktes IV der Sonderbedingungen nur insoweit erwerben, "als dieser Teil zusammen mit der Zeitwertentschädigung den Wiederherstellungsaufwand nicht übersteigt".

Ob aber die Kläger einen die bereits geleistete Zeitwertentschädigung für die technische Betriebseinrichtung der Trocknungsanlage von S 348.450,-- übersteigenden Aufwand für die Wiederherstellung der zerstörten Anlage gehabt haben, kann noch nicht abschließend beurteilt werden.

Mit Recht wirft die Revision dem Berufungsgericht vor, der den

Klägern von ihm zuerkannte, über den Zeitwert hinausgehende

Wiederaufbauaufwand sei nach den Feststellungen des Erstgerichtes

ziffernmäßig nicht nachvollziehbar. Da die beklagte Partei ihr

jeweiliges Vorbringen zur Höhe der allenfalls zu bezahlenden

Neuwertentschädigung stets unter Aufrechterhaltung ihrer früher

vorgebrachten Einwendungen erstattet hat (vgl. AS 193), können ihre

Berechnungen, was den Klägern im Fall der Erfüllung der

Wiederaufbauklausel über die bezahlte Zeitwertentschädigung hinaus an

Entschädigung noch zustehe, entgegen der Ansicht des

Berufungsgerichtes nicht als Zugeständnis im Sinne des § 266 ZPO gewertet werden. Einerseits wurden damit keine Prozeßbehauptungen der Kläger als richtig zugestanden, andererseits stehen die Berechnungen im Widerspruch zur aufrecht erhaltenen Einwendung, den Klägern stehe überhaupt kein über den Zeitwert hinausgehender Aufwand mehr zu.

Das Erstgericht kam im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis, daß von den nach seinen Feststellungen von den Klägern angeschafften Gegenständen bzw. erbrachten Leistungen nur ein Teil im Wert von S 285.362,93 dem Wiederaufbau einer Anlage gleich jener durch das Feuer vernichteten entspreche, der weitere Teil dagegen Verbesserungen und Änderungen bzw. dem hier nicht zu beurteilenden Wiederaufbau der Gebäude diene. Dies stellt allerdings keine rechtliche Beurteilung, sondern eine Tatsachenfeststellung dar. In ihrer Berufung haben die Kläger gerügt, daß verschiedene Anschaffungen und Leistungen entgegen diesen Feststellungen der Wiederherstellung der technischen Anlage in ihrem bisherigen Umfang dienten. Die Rüge, daß die Montagekosten für den Zusammenbau unberücksichtigt geblieben seien, wurde zwar durch die vom Berufungsgericht nach Beweisergänzung getroffene Feststellung gegenstandslos. Nicht Stellung genommen hat dagegen das Berufungsgericht zum Vorbringen in der Berufung, die Anschaffung eines bloßen Brückenwaagenmeßkopfes sei unmöglich bzw. unwirtschaftlich, der Unterteil der Brückenwaage sei zu Unrecht als Teil der Trocknungsanlage anerkannt worden, die Zulieferung einzelner Geräte sei bei der Berechnung des Erstgerichtes zu Unrecht unberücksichtigt geblieben, eine Reihe von im einzelnen aufgezählten Gegenständen sei zwar nicht namensgleich mit den Bestandteilen, die verbrannt seien, hätten aber deren Funktion zu erfüllen und dienten daher der Wiederherstellung der ursprünglichen Anlage (AS 303 f und 305 f); da in dem vom Erstgericht eingeholten Sachverständigengutachten unerörtert geblieben sei, ob ein Teil der von den Klägern zur Wiedererrichtung der Anlage angeschafften Gegenstände zu einer verbesserten bzw. vergrößerten Anlage führe, habe sich das Erstgericht in Verkennung technischer Ausdrücke ihm nicht zustehende Sachverständigenkenntnisse angemaßt.

Da sich die zweite Instanz mit diesem Teil der Berufung der Kläger nicht auseinandergesetzt hat, ist sein Verfahren mangelhaft geblieben.

Das Begehren der Kläger war weder im Zeitpunkt der Klagserhebung (17.3.1988), noch in jenem der Klageausdehnung (14.9.1989) verjährt. Gemäß § 12 Abs.1 VersVG ist für den Beginn der (zweijährigen) Verjährungszeit der Schluß des Jahres maßgebend, in dem die Leistung verlangt werden kann. Die Verjährung setzt sohin voraus, daß der Versicherungsanspruch fällig ist, d.h., daß der Berechtigte die Leistung des Versicherers einzufordern vermag; entscheidend ist der Zeitpunkt, in dem die Erhebungen beendet sind oder bei korrektem Vorgehen beendet gewesen wären (Prölss/Martin aaO 161; SZ 48/121). Dies aber war keinesfalls noch im Jahr 1986 der Fall.

Das Berufungsgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren nach Ergänzung der Sachverständigengutachten festzustellen haben, inwieweit die von den Klägern angeschafften Gegenstände dem Wiederaufbau einer Anlage dienen, die der verbrannten entspricht, und wird all das an Aufwendungen und Leistungen auszuscheiden haben, was darüber hinausgeht; es wird weiters zu erheben haben, inwieweit weitere Zulieferungskosten der Kläger zu Unrecht unberücksichtigt geblieben sind. Erst danach kann beurteilt werden, welche über die bezahlte Zeitwertentschädigung hinausgehende Wiederaufbaukosten den Klägern noch zustehen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E33187

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0070OB00028.92.0217.000

Dokumentnummer

JJT_19930217_OGH0002_0070OB00028_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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