Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E.Huber, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr.Robert Siemer und Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Erwin B*****, vertreten durch Dr.Helfried Krainz und Dr.Bernhard Aschauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 183.672,- sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25.September 1992, GZ 4 R 141/92-38, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17.Jänner 1992, GZ 31 Cg 320/89-33, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung des Beklagten zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die klagende Partei begehrt vom Beklagten S 183.672,- sA als restlichen Werklohn für die Lieferung und Montage der Isolierung seines Tiefkühllagers und einer Rampenverladung und brachte dazu vor, gegenüber dem in ihrem Kostenvoranschlag angeführten Gesamtbetrag sei durch nachträglich vereinbarte weitere Leistungen sowie einen im Kostenvoranschlag enthaltenen Rechenfehler - bei einigen Positionen sei irrtümlich nur die Länge und Breite statt richtig zweimal Länge und zweimal Breite berücksichtigt und solcherart ein Betrag von S 142.081,21 nicht verrechnet worden - eine Erhöhung des Werklohnes in diesem Ausmaß eingetreten. Vereinbarungsgemäß habe die Abrechnung auf Grund eines nach der einschlägigen Ö-Norm zu erstellenden Aufmaßes erfolgen sollen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil er den ursprünglich vereinbarten und auch den auf Grund nachträglicher Auftragserweiterungen der klagenden Partei zustehenden Werklohn bezahlt und deren Kalkulationsirrtum eine beträchtliche Überschreitung des Kostenvoranschlages bewirkt habe, die ihm nicht rechtzeitig im Sinne des § 1170a Abs 2 ABGB angezeigt worden sei, sodaß kein Anspruch auf Abgeltung bestehe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt. Es stellte fest:
Auf Grund einer Anfrage des eine Großschlächterei und einen Fleischhandel betreibenden Beklagten legte ihm die klagende Partei für die Lieferung und Montage der Isolierung seines Tiefkühllagers nach Bekanntgabe der Innenmaße des Baukörpers das Angebot vom 14.10.1988 Beilage./A. Es beruhte auf Innenabmessungen der Isolierschale von 15,2 x 6,3 x 5,6 m (Länge/Breite/Höhe) und gliederte den Leistungsumfang in 32 Positionen, die jeweils eine Leistungsbeschreibung sowie je nach Art der Leistung Cirkaangaben der Länge, der Fläche oder der Stückzahl und die Einheitspreise enthielten. Von einigen Ausnahmen abgesehen waren auch die Preise aus Einheitspreis und Maß bzw. Stück bei den einzelnen Positionen angegeben. Unter dem Punkt "Konditionen" enthielt das Angebot den Passus, daß die "Verrechnung auf Grund einer gemeinsam durchgeführten Aufmaßermittlung gemäß den Bestimmungen der Ö-Norm B 2260 erfolgt".
Das Angebot wurde von Ing.S*****, einem Angestellten der klagenden
Partei, erstellt. Dieser legte seinen Berechnungen irrtümlich in den
Positionen 1.1.3 elastische Dichtbahnen, 1.4.1 BIR Wandelemente,
1.4.3 Eckanschlüsse und 1.4.4 Bodenschienen, nur den halben Umfang
anstelle des vollen Umfanges zugrunde. Wäre der Fehler nicht
unterlaufen so hätte der Angebotspreis S 627.314,56 und nicht wie im
Angebot S 480.648,52 zuzüglich Umsatzsteuer gelautet. Der Beklagte,
der die Bauführung selbst leitete, holte auch ein Offert eines
Konkurrenten der klagenden Partei ein. Dieser - die B*****
Gesellschaft mbH - führte in seinem Angebot vom 14.10.1988 Beilage./1
insgesamt 315 m2 Wandelemente und 45 m Bodenschienen an. Im Angebot
der klagenden Partei waren diese Positionen mit ca. 138,58 m2 und
22,30 Laufmeter angegeben. Der Beklagte ließ beide Anbote von seinem
Bekannten Ing.H***** prüfen. Dieser meinte zu ihm, das Angebot der
klagenden Partei sei exakter, er würde dieses annehmen. Da der
Beklagte in der Folge eine Vergrößerung der Raumhöhe auf 5,80 m
wünschte wurden bei einer Besprechung am 18.11.1988 entsprechende
Abänderungen vorgenommen, worauf der Lieferumfang nun S 548.543,64
zuzüglich Umsatzsteuer und unter Berücksichtigung eines Nachlasses
usw. sowie 20 % Umsatzsteuer insgesamt S 613.004,40 betrug. Bei
dieser Besprechung wies Ing.S***** den Beklagten darauf hin, daß nach
den tatsächlichen Maßen abgerechnet werden würde, womit der Beklagte
einverstanden war. Sodann kam es noch zu weiteren Maßänderungen und
zusätzlichen Bestellungen. Bei der Aufmaßermittlung nach den
tatsächlichen Maßen ergab sich schließlich ein Nettopreis von S
751.222,32 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer. Diese Aufstellung schickte
die klagende Partei dem Beklagten zusammen mit einer Rechnung vom
10.10.1989 über S 751.222,32. Der Beklagte unterfertigte die
Aufmaßaufstellung nicht. Mit Rechnung vom 28.4.1989 stellte die
klagende Partei dem Beklagten die gerundete Differenz zwischen dem
von ihr ermittelten Werklohn (S 901.466,78) und der Zahlung des
Beklagten (S 613.004,40) mit S 288.642,- in Rechnung. Der Beklagte
zahlte ihr hierauf nur noch S 104.790,- für die Raumerhöhung. Auf
Grund des nach der Ö-Norm B 2260 Punkt 4.3 ermittelten Ausmaßes der
zur Herstellung der Isolierung notwendigen Leistungen und der
bestellten und montierten Stückanzahl der Geräte errechnet sich der
Werklohn zu den vereinbarten Einheitspreisen mit S 751.307,29 plus 20
% Umsatzsteuer = S 150.261,45, somit S 901.568,74.
In seiner Beweiswürdigung verwies das Erstgericht darauf, daß die Glaubwürdigkeit der Aussage des Zeugen Ing.S*****, wonach der Beklagte am 18.11.1988 einverstanden gewesen sei, daß die Abrechnung nach den tatsächlichen Maßen zu erfolgen habe, durch einen Teilzahlungen "von der provisorischen Auftragssumme" betreffenden Passus in der Auftragsbestätigung, die auch vom Beklagten unterschrieben wurde, unterstrichen werde.
Rechtlich folgerte das Erstgericht aus seinen Feststellungen, daß der endgültige Gesamtpreis des Werkes von den Parteien nach dem zu seiner Herstellung tatsächlich erforderlichen Leistungsumfang vereinbart worden sei. Durch diese Vereinbarung habe die klagende Partei ihr Unternehmerrisiko der Kalkulation des Umfanges der Leistungen auf den Besteller überwälzt. Diese Vereinbarung schließe die Anwendung der Regeln des § 1170a ABGB aus.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es erklärte die Revision nicht für zulässig und führte in den Entscheidungsgründen aus:
Auf die Bekämpfung der erstgerichtlichen Feststellung über die
Vereinbarung der Errechnung nach den tatsächlichen Aufmaßen, welcher
Feststellung nach der Behauptung des Berufungswerbers die Angabe in
seiner Parteienvernehmung entgegenstünde, sei aus rechtlichen
Gründen nicht einzugehen. Das Erstgericht habe den im Angebot unter
dem Punkt "Konditionen" enthaltenen Passus, daß die Verrechnung auf
Grund einer gemeinsam durchgeführten Aufmaßerrechnung gemäß den
Bestimmungen der Ö-Norm B 2260 erfolge, dahin beurteilt, daß damit
der endgültige Gesamtpreis des Werkes nach dem zu seiner Herstellung
notwendigen tatsächlichen Leistungsumfang vereinbart und mit dieser
Vereinbarung das Unternehmerrisiko der Kalkulation des Umfangs der
Leistungen auf den Besteller abgewälzt worden sei. Dieser Ansicht
könne nicht gefolgt werden. Die Vereinbarung, daß die Verrechnung
auf Grund einer gemeinsam durchgeführten Aufmaßermittlung gemäß den
Bestimmungen des Ö-Norm B 2260 erfolgen werde, könne nur so
verstanden werden, daß der Beklagte wohl auf die im Kostenvoranschlag
angeführten Preise vertrauen dürfe, daß sich aber gewisse
geringfügige Maßänderungen - wie sie bei einer Anfertigung nach Maß
vorkämen - infolge konkreter Messungen ergeben könnten. Nur insoweit
seien Preisänderungen gegenüber dem Kostenvoranschlag zu
akzeptieren. Keinesfalls könne die Vereinbarung so verstanden
werden, daß auch Fehler in der Kalkulation mit dieser Vereinbarung
gedeckt seien. Gerade im vorliegenden Fall hätte möglicherweise der
Beklagte den Auftrag nicht an die klagende Partei erteilt, weil sie
bei fehlerfreier Kalkulation nicht billiger als das Konkurrenzangebot
der Fa.B***** gewesen wäre. Der Sinn und Zweck, durch einen
Kostenvoranschlag einen Kostenvergleich zwischen mehreren Anbietern
zu ermöglichen, wäre mit einer derartigen Vereinbarung zunichte
gemacht. Die Preisdifferenz bei den Positionen mit fehlerhafter
Preisangabe im Kostenvoranschlag betrage über S 140.000,- zuzüglich
Umsatzsteuer. Für den Fall einer beträchtlichen Überschreitung des
Kostenvoranschlages sehe § 1170a Abs 2 ABGB eine unverzügliche
Anzeigepflicht vor, widrigenfalls der Unternehmer jeden Anspruch
wegen der Mehrarbeit verliere. Auf eine rechtzeitige Anzeige berufe
sich die klagende Partei gar nicht. Lägen die Ursachen der
Überschreitung des Kostenvoranschlages nicht in der Sphäre des
Bestellers - wie im vorliegenden Fall - gelte die Bestimmung des §
1170a Abs 2 ABGB uneingeschränkt. Es sei nämlich grundsätzlich davon
auszugehen, daß jeder Geschäftspartner das Risiko richtiger
Kalkulation selbst trage. Die klagende Partei berufe sich in eventu
auch auf die Irrtumsanfechtung und habe zum Beweise dafür, daß dem
Beklagten der Kalkulationsirrtum hätte auffallen müssen, die
Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt und die
Vertragsanpassung begehrt. Auch dieser Rechtsgrund versage aber.
Bei der Beurteilung, ob der Irrtum dem Beklagten offenbar habe
auffallen müssen (§ 871 Abs 1 ABGB), seien folgende Umstände
maßgebend: anläßlich der mündlichen Auftragserteilung seien
Ing.S***** und der Beklagte das Angebot Punkt für Punkt durchgegangen
und dabei habe Ing.S***** die im Angebot unterlaufenen Fehler nicht
entdeckt, Ing.S***** habe dem Beklagten auch nicht dargelegt, wie
sich die einzelnen Maße errechneten. Die klagende Partei sei jeden
Beweis dafür schuldig geblieben, daß dem Beklagten der Fehler
auffallen hätte müssen. Auch das vom Kläger beantragte
Sachverständigengutachten biete hiefür keine Grundlage. Allein
anhand der Gegenüberstellung der Kostenvoranschläge der klagenden
Partei und der Fa.B***** könne der Fehler vom Beklagten nicht
aufgedeckt werden. Die Anbote seien verschieden aufgebaut,
insbesondere enthalte das Angebot B***** die Ausmaße und Preise
nicht detailliert sondern in Gesamtsummen. Somit könne keine Rede
davon sein, daß der Beklagte den Irrtum der klagenden Partei bei der
im Verkehr üblichen, nach Treu und Glauben vorausgesetzten
Aufmerksamkeit bemerken oder wenigstens Verdacht auf das Vorliegen
eines Irrtums hätte schöpfen müssen. Aber selbst dann, wenn der
Besteller aus den Umständen vermuten könne, daß es zu einer
Preisüberschreitung komme, dürfe er bis zur Verständigung im
Gegenteil davon ausgehen, daß sich der Unternehmer an den
Kostenvoranschlag gebunden fühle. Die Voraussetzungen für eine
Irrtumsanfechtung lägen somit nicht vor.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt die klagende Partei außerordentliche Revision mit dem Abänderungsantrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Revisionswerberin bringt vor, die Abweisung ihres auf
nachträglich vereinbarte Mehrleistungen bezogenen, mit ihrem
"Berechnungsirrtum" in keinem Zusammenhang stehenden Teilbetrages von
S 41.598,80 durch das Berufungsgericht sei überhaupt völlig
begründungslos erfolgt. Die Revision sei aber auch deswegen
zulässig, weil Fragen der Anwendung der Ö-Norm B 2260 und der
Irrtumsanfechtung im Zusammenhang mit einem Kostenvoranschlag nach §
1170a ABGB zu beurteilen seien. Bei dieser Gesetzesstelle handle es
sich um eine dispositive Norm, die durch den im Angebot enthaltenen
Hinweis auf die Aufmaßabrechnung nach Ö-Norm B 2260 und die
diesbezügliche, vom Erstgericht festgestellte
Verrechnungsvereinbarung zwischen Ing.S***** und dem Beklagten
abbedungen worden sei. Bei Unterwerfung unter diese
Berechnungsmethode habe sich der Beklagte bewußt sein müssen, daß
der Kostenvoranschlag möglicherweise zu hoch oder zu niedrig sein
könne. Die solcherart abbedungene Bestimmung des § 1170a ABGB
verdränge im übrigen auch nicht die Irrtumsanfechtungsvoraussetzungen
des § 871 ABGB. Hier unterschieden sich die beiden eingeholten
Angebote so stark, daß der der klagenden Partei unterlaufene
Rechenfehler dem Beklagten jedenfalls hätte auffallen müssen, sodaß
ihm - offenbar sogar grobe - Fahrlässigkeit zur Last falle. Nicht
gelte dies für die klagende Partei, da ihr eine
Vergleichsmöglichkeit gefehlt habe. Ing.S***** habe daher höchstens
leicht fahrlässig gehandelt. Das Geschäft sollte auf der Grundlage
der Maßeinheiten kalkuliert werden. Der Fehler liege bei der
Maßabrechnung und nicht bei einem - zu Lasten der klagenden Partei
gehenden - Preisfehler. Durch vertragliche Festlegung der
Kalkulationsgrundlage als Multiplikation von Preis und Maßeinheit
sei das Geschäft auf Basis dieser Kalkulation erfolgt. Sie betreffe
daher nicht allein die Sphäre der klagenden Partei und der
solcherart beachtliche Kalkulationsirrtum führe zur Anpassung des
Vertrages im Sinne des Klagebegehrens. Das Verfahren sei auch
mangelhaft, da der noch offene Betrag von S 183.672,- sich, wie
bereits ausgeführt, teilweise auf zusätzliche Leistungen beziehe,
das Berufungsgericht den diesbezüglichen Betrag aber nicht errechnet
sondern das gesamte Klagebegehren abgewiesen habe. Tatsächlich
hätten die zusätzlichen Arbeiten S 146.380,80 betragen, wovon der
Beklagte nur S 104.790,- bezahlt habe, sodaß insoweit ein
Differenzbetrag von S 41.590,80 offen sei, welchen Betrag das
Erstgericht auch ausdrücklich in seinen Beweisbeschluß aufgenommen
habe. Sein Zuspruch sei vom Beklagten in der Berufung auch gar nicht
konkret bekämpft worden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil den entscheidungswesentlichen Rechtsfragen zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt; sie ist auch gerechtfertigt.
Das Berufungsgericht hat das restlichen Werklohn betreffende Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, diese Forderung stehe der klagenden Partei nicht zu, denn sie habe die durch ihren Kalkulationsirrtum eingetretene beträchtliche Überschreitung des erstatteten Kostenvoranschlages dem Beklagten nicht angezeigt und daher gemäß § 1170 a Abs 2 ABGB jeden Anspruch aus ihrer Mehrleistung
verloren. Dabei wird zunächst übersehen, daß sich die erhobene Klageforderung nicht allein auf die Überschreitung des Kostenvoranschlages, sondern teilweise auf von den Parteien zusätzlich vereinbarte, außerhalb desselben liegende Leistungen bezieht. Das Erstgericht hatte diesbezüglich Feststellungen über die gegenüber dem Kostenvoranschlag vereinbarte Vergrößerung der Isolierschale und die dadurch sowie durch weitere Bestellungen gegebenen Änderungen des Leistungsumfanges getroffen und diese Mehrleistungen in die Gesamterrechnung des Werklohnes einbezogen.
Auf Grund der Bekämpfung des erstgerichtlichen Zuspruches der gesamten Klageforderung durch den Beklagten mußte das Berufungsgericht auch die Berechtigung dieses mit dem Kalkulationsirrtum der klagenden Partei nicht in Zusammenhang stehenden Teilbegehrens überprüfen, es hat diese Überprüfung aber offenbar versehentlich gänzlich unterlassen. Seine insoweit begründungslos gebliebene Abänderung des erstgerichtlichen Urteiles im Sinne der diesbezüglichen Klageabweisung stellt einen Verstoß gegen tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes dar, der auf Grund der Rüge der Revisionswerberin wahrzunehmen ist. In diesem Umfang war daher das berufungsgerichtliche Urteil aufzuheben und dem Berufungsgericht die gesetzmäßige Entscheidung über die Berufung des Beklagten aufzutragen.
Aber auch die die Abweisung des übrigen Klagebegehrens betreffende Rüge des Revisionswerbers, das Berufungsgericht habe entscheidungswesentliche erstgerichtliche Feststellungen begründungslos übergangen, ist zutreffend und muß im Interesse der Rechtssicherheit gemäß § 502 Abs 1 ZPO wahrgenommen werden:
Das Erstgericht stellte fest (S. 4 des Urteiles = AS 131),
Ing.S***** habe im Zuge der Vertragsverhandlungen am 18.11.1988 den
Beklagten darauf hingewiesen, daß die Abrechnung nach den
tatsächlichen Maßen erfolgen werde, und der Beklagte sei damit
einverstanden gewesen, und es begründete in seiner Beweiswürdigung
(S. 6 des Urteiles = AS 135) ausdrücklich die Glaubwürdigkeit der
diesbezüglichen Aussage des Ing.S*****. Demgemäß legte es in seiner
rechtlichen Beurteilung die Vereinbarung der Ermittlung des
Werklohnes nach der Ö-Norm 2260 zugrunde, ohne diese Vereinbarung
allein auf den diesbezüglichen Urkundeninhalt zu stützen. Damit war
es dem Berufungsgericht aber verwehrt, den Urkundeninhalt allein zum
Gegenstand der rechtlichen Beurteilung zu machen, vielmehr mußte es
auf Grund der vom Beklagten erhobenen Beweisrüge diese ausdrückliche
erstgerichtliche Feststellung einer zwischen den Streitteilen
mündlich getroffenen Vereinbarung über die Verrechnung des Werklohnes nach den tatsächlichen Maßen überprüfen.
Bei Erweislichkeit einer derartigen mündlichen Vereinbarung käme dem schon früher gelegten schriftlichen Kostenvoranschlag hinsichtlich der darin enthaltenen Maße keine Bedeutung zu, denn die Parteien konnten selbstverständlich auch vom Inhalt eines Kostenvoranschlages und insbesondere von der Gültigkeit seiner Maßangaben einverständlich jederzeit abrücken. Ungeachtet des in ihrem schriftlichen Angebot enthaltenen Kalkulationsirrtumes stünde der klagenden Partei diesfalls somit der Werklohn entsprechend der vereinbarten Errechnung
nach den tatsächlichen Maßen zu.
Das Berufungsgericht, das seiner rechtlichen Beurteilung ausschließlich den schriftlichen Kostenvoranschlag zugrundelegte, wird daher diese vom Beklagten in seiner Berufung ausdrücklich
bekämpfte Feststellung einer mündlichen Vereinbarung zu überprüfen
und sodann neuerlich über den erhobenen Anspruch zu entscheiden
haben.
Die Verneinung des Abschlusses einer derartigen Vereinbarung hätte allerdings entgegen den Revisionsausführungen der klagenden Partei die Abweisung des diesbezüglichen Klagebegehrens im Sinne der berufungsgerichtlichen Rechtsansicht zur Folge:
Der im schriftlichen, vom Beklagten akzeptierten Kostenvoranschlag
unter "Konditionen" enthaltene Hinweis, daß die Verrechnung "auf
Grund einer gemeinsam durchgeführten Ausmaßerrechnung gemäß den
Bestimmungen der Ö-Norm B 2260 erfolgt", kann bei Auslegung nach der
redlichen Verkehrsauffassung keinesfalls bedeuten, daß dadurch die im
Rahmen des § 1170 a Abs 2 ABGB normierten Verpflichtungen des
Unternehmers einverständlich abbedungen worden seien, denn dadurch
würde ein solcher "Voranschlag ohne Gewährleistung" seinen
wesentlichen Sinn verlieren. Die vorgenannte Ö-Norm enthält auf
mehreren Textseiten Angaben über die erforderliche Beschaffenheit der
verwendeten Isoliermaterialien und die Art und Weise der Ausführung
von Isolierarbeiten und unter Punkt: "4. Ausmaß und Verrechnung"
Angaben, wie bei einer Verrechnung nach Längenausmaß das Maß an den
einzelnen Teilen und wie bei Raumisolierungen das Flächenausmaß zu
errechnen ist. Auf die Regelung des § 1170 a Abs 2 ABGB hat diese
Norm keinerlei Bezug. Ein Hinweis auf sie im Kostenvoranschlag
besagt grundsätzlich nichts anderes, als daß auch die bei der
praktischen Werkausführung im allgemeinen unvermeidbar auftretenden,
jedoch mehr oder weniger geringfügigen Abweichungen von den im
Kostenvoranschlag zugrundegelegten Ausmaßen berücksichtigt werden
sollen. Grundsätzlich bleibt daher auch ein auf die in der genannten
Ö-Norm angeführte Art der Errechnung der Maße usw. hinweisender
Kostenvoranschlag in seiner rechtlichen Wirkung voll aufrecht. Ein
unverbindlicher Kostenvoranschlag des Unternehmers dient der
grundsätzlichen Orientierung des Bestellers über die in etwa zu
erwartenden Kosten; unbeträchtliche Kostenüberschreitungen muß der
Besteller auch ohne vorherige Anzeige akzeptieren (siehe Krejci in
Rummel ABGB2 Rz 11, 21 zu § 1170 a und die dort zitierte
Rechtsprechung; JBl 1983, 150). Wenn sich aber eine beträchtliche
Überschreitung als unvermeidlich erweist, hat der Unternehmer dem
Besteller dies gemäß § 1170 a Abs 2 ABGB unverzüglich anzuzeigen,
widrigenfalls er jeden Anspruch wegen der Mehrarbeit verliert.
Hier ist es durch den Kalkulationsirrtum der klagenden Partei, die in
einigen Positionen nur den halben statt des vollen Maßumfanges
zugrundelegte, zu einer Überschreitung des auf rund S 480.000,-
lautenden Kostenvoranschlages um mehr als S 140.000,- gekommen, die
also rund 30 % beträgt und daher jedenfalls als beträchtlich im
Sinne des § 1170 a Abs 2 ABGB zu werten ist (vgl Krejci aaO Rz 14).
Mangels rechtzeitiger Aufdeckung und demgemäßer Anzeige an den
Beklagten hätte die klagende Partei ihren diesbzüglichen Anspruch
wegen der Mehrarbeit daher im Sinne der letztgenannten Gesetzesstelle
verloren.
Zwar kann ein Kalkulationsirrtum als Erklärungsirrtum vom Irrenden
gemäß § 871 ABGB geltend gemacht werden; ein solcher
Erklärungsirrtum liegt hier auf Grund der detailliert offengelegten
Kalkulationsunterlagen des Kostenvoranschlages und dem offenbaren
Einvernehmen, daß das Geschäft auf der Basis dieser Kalkulation
erfolge, zweifellos auch vor (RZ 1987/21 S.93; 7 Ob 554/89; JBl 1974,
144 und 1957, 268; 1 Ob 606/88; Rummel in Rummel ABGB2 Rz 12 zu §
871; Krejci aaO Rz 27). Im Sinne der berufungsgerichtlichen
Ausführungen sind jedoch die Voraussetzungen für eine
Unverbindlichkeit der irrigen Erklärung der klagenden Partei nicht
gegeben, denn ihr Irrtum wurde weder rechtzeitig aufgeklärt noch vom
Beklagten veranlaßt und es kann auch nicht gesagt werden, daß er
diesem aus den Umständen offenbar auffallen mußte. Das
Berufungsgericht verwies zutreffend darauf, daß die beiden dem
Beklagten vorliegenden Kostenvoranschläge völlig verschiedene
Darstellungen enthalten, sodaß ein unmittelbarer Vergleich der
Einzelpositionen, insbesondere auch der vom Irrtum der klagenden
Partei betroffenen, nicht möglich war. Der Umstand, daß sie um
rund 30 % differierten, ist noch kein jedenfalls ("mußte")
auffallendes Indiz für einen bloßen Rechenfehler, zumal die
Preisbildung im Geschäfts- und Wirtschaftsleben von manigfaltigen
Faktoren abhängig und oft äußerst komplexer Natur ist und ganz
allgemein Abweichungen auch dieses Ausmaßes der Erfahrung durchaus
nicht widersprechen. Die Annahme, der Berechnungsfehler sei bei
Anwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt für den Beklagten erkennbar
gewesen oder dieser hätte jedenfalls Verdacht schöpfen müssen (vgl.
Rummel aaO Rz 16 zu § 871 mwN; 1 Ob 606/88), ist daher nicht
zwingend.
Die im Sinne des § 872 ABGB angestrebte Vertragsanpassung (vgl hiezu
Rummel aaO Rz 5, 7 zu § 872) würde - selbst wenn die übrigen
Voraussetzungen vorlägen - allein schon daran scheitern, daß der
Irrtum nicht, wie von dieser Gesetzesstelle vorausgesetzt, vom
Beklagten veranlaßt wurde und ihm, wie dargelegt, auch nicht
offenbar auffallen mußte (vgl. Rummel aaO Rz 3, 4 zu § 872; JBl
1974, 144; 7 Ob 554/89).
Der Revision war jedoch aus den oben dargelegten Gründen Folge zu
geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E30920European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0080OB00521.93.0218.000Dokumentnummer
JJT_19930218_OGH0002_0080OB00521_9300000_000