TE OGH 1993/2/19 15Os19/93

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Veröffentlicht am 19.02.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Feber 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch und Dr.Schindler als weitere Richter, in Gegenwart des Richters Dr.Steinmayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Engelbert T***** u.e.a. wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 12 Vr 1158/91 des Landesgerichtes St.Pölten über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 14.Jänner 1993, AZ 23 Ns 1, 2/93 und 23 Bs 4/93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Engelbert T***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Engelbert T***** wurde am 9.März 1992 auf Grund eines Haftbefehls des Landesgerichtes St.Pölten festgenommen; seit dem 10.März 1992 befindet er sich nunmehr aus dem Haftgrund des § 180 Abs. 2 Z 3 lit. a, b und c StPO in Untersuchungshaft.

Ihm wird in der (nunmehr rechtswirksamen) Anklageschrift vom 13. November 1992 angelastet, nachstehende strafbare Handlungen begangen zu haben:

1. das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB dadurch, daß er in der Nacht zum 25. November 1991 in St.Pölten durch Einbruch der Firma H***** GesmbH einen Standtresor noch nicht festgestellten Wertes und einen Geldbetrag von 134.000 S stahl,

2. das Verbrechen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 "und 12" StGB dadurch, daß er zwischen 1987 und 1992 in Obergrafendorf und anderen Orten teils allein, teils unter Beteiligung der Anita P***** Kreditinstitute, Lieferfirmen und eine Versicherungsgesellschaft um ca. 2,9 Mill. S schädigte,

3. die Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1, Abs. 3 (§ 81 Z 1) StGB und der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Z 1) StGB dadurch, daß er am 7.Dezember 1991 in St.Pölten im alkoholisierten Zustand einen Verkehrsunfall mit Personenschaden und -gefährdung verschuldete sowie

4. das Vergehen nach § 36 Abs. 1 Z 1 WaffG dadurch, daß er von Anfang August 1991 bis 6.September 1991 in Wien und anderen Orten unbefugt eine Faustfeuerwaffe besaß und führte.

Mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 4.September 1992 war die zulässige Dauer der über Engelbert T***** verhängten Untersuchungshaft auf zehn Monate verlängert worden.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Angeklagten gegen einen seine Enthaftung ablehnenden Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes St.Pölten nicht Folge gegeben und zugleich ausgesprochen, daß die Untersuchungshaft bis zu einem Jahr dauern dürfe.

Der dagegen fristgerecht erhobenen Grundrechtsbeschwerde, die sich gegen die Annahme eines dringenden Tatverdachtes und des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr wendet und eine unangemessene Dauer der bisherigen Untersuchungshaft sowie eine Verletzung des Art. 5 Abs. 3 MRK behauptet, ist nicht begründet.

Zunächst remonstriert der Beschwerdeführer dagegen, daß das Oberlandesgericht den dringenden Tatverdacht "mit der nunmehr rechtskräftigen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft St.Pölten" begründet habe; eine Anklageschrift sei kein Beweismittel. Dabei übersieht der Angeklagte, daß der Gerichtshof zweiter Instanz den Tatverdacht nicht allein auf die Tatsache der erhobenen Anklage gründete, sondern auf die "in der Anklageschrift angeführten Umstände", mithin auf die Ergebnisse des Vorverfahrens, die in der Anklageschrift ihren Niederschlag gefunden haben. Diese in der Begründung der 17 Seiten umfassenden Anklageschrift dargelegten Umstände, die im übrigen Akteninhalt Deckung finden, sind aber durchaus geeignet, die Annahme eines dringenden Tatverdachtes dahin, daß der Beschwerdeführer die ihm angelasteten strafbaren Handlungen begangen habe, zu begründen.

Unberechtigt ist auch der Einwand, das Oberlandesgericht habe den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nur mit den Vorstrafen des Angeklagten begründet. Denn der Gerichtshof zweiter Instanz hat diesen Haftgrund nicht bloß "mit den Vorstrafen", sondern damit begründet, daß der bisher achtmal wegen auf gleicher schädlicher Neigung beruhender Taten abgeurteilte Beschwerdeführer rasch, massiv und wiederholt neuerlich straffällig wurde. Diese Umstände lassen aber im Verein mit dem zu Recht bestehenden dringenden Tatverdacht in bezug auf die verfahrensgegenständlichen strafbaren Handlungen die Befürchtung berechtigt erscheinen, der Angeklagte werde auf freiem Fuße ungeachtet des nunmehrigen Strafverfahrens zumindest eine strafbare Handlung gegen das Rechtsgut fremdes Vermögen begehen, womit wegen der insgesamt fünf Vorstrafen des Beschwerdeführers wegen strafbarer Handlungen gegen dieses Rechtsgut jedenfalls der Haftgrund des § 180 Abs. 2 Z 3 lit. c StPO gegeben ist.

Der (überwiegend nicht geständige) Angeklagte mußte im Verlaufe dieses Verfahrens sechsmal vom Untersuchungsrichter zum Teil sehr eingehend zur Sache vernommen werden. Schon daraus in Verbindung mit den angesichts der Mehrzahl von Fakten erforderlichen weiteren Untersuchungshandlungen erhellt der besondere Umfang der gegenständlichen Voruntersuchung. Dazu kommt, daß die Staatsanwaltschaft schon im November 1992 die Anklageschrift eingebracht hat und die Hauptverhandlung bereits für den 3.März 1993 anberaumt wurde. Demgemäß ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist (oder auf Haftentlassung während des Verfahrens) im Sinn des Art. 5 Abs. 3 MRK gewährleistet. Angesichts der Strafdrohung des § 147 Abs. 3 StGB in Verbindung mit den Vorstrafen des Angeklagten wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen, die im Falle eines Schuldspruches wegen Diebstahls und (oder) Betrugs als Erschwerungsgrund zu werten sein werden, kann von einer offenbar unangemessenen Dauer der bisherigen Untersuchungshaft im Verhältnis zur zu erwartenden Strafe gleichfalls keine Rede sein (§ 193 Abs. 2 StPO).

Aber auch dadurch, daß das Oberlandesgericht den angefochtenen Beschluß erst am 14.Jänner 1993 faßte, wurde der Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt. Denn § 193 Abs. 4 StPO räumt dem Gerichtshof zweiter Instanz die Befugnis ein, innerhalb der dort normierten Grenzen die zulässige Dauer der Untersuchungshaft nach den Erfordernissen des Einzelfalles zunächst kürzer, sodann aber nötigenfalls auch länger zu bestimmen. Der bekämpfte Ausspruch, daß die Untersuchungshaft über den Beschwerdeführer nunmehr (nicht bloß 10 Monate, sondern) 12 Monate dauern darf, war - auch unter Berücksichtigung der Äußerung des Beschwerdeführers vom 17,.Feber 1993 - sachlich begründet, womit aber das Oberlandesgericht von seinem Ermessen innerhalb der Grenzen des § 193 Abs. 4 StPO gesetzmäßig Gebraucht gemacht hat.

Durch den angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien hat somit eine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit des Beschwerdeführers nicht stattgefunden (§ 2 Abs. 1 iVm § 7 GRBG); die Beschwerde war daher abzuweisen.

Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG ein Ausspruch über den Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.

Anmerkung

E30430

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0150OS00019.9300011.0219.000

Dokumentnummer

JJT_19930219_OGH0002_0150OS00019_9300011_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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