Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Parteien 1. Hans T***** Gesellschaft mbH, 2. T*****gesellschaft mbH & Co KG, 3. Ernestine T*****, 4. Ing.Hans T*****, 5. Hans T*****, *****, alle vertreten durch Dr.Wieland Schmid-Schmidsfelden, Rechtsanwalt in Wien, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei W***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Maximilian Eiselsberg und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Verbotes der Inanspruchnahme von Bankgarantien (Streitwert S 11,620.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 8. Oktober 1992, GZ 46 R 995, 1069 bis 1071/92-42, womit der Rekurs der Gegnerin der gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 29.Dezember 1991, GZ GZ 8 C 3859/91d-2, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1. Die Revisionsrekursbeantwortung der gefährdeten Parteien wird zurückgewiesen.
2. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß, welcher in seinen übrigen Punkten als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird in Punkt 1 aufgehoben; dem Rekursgericht wird insoweit eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Kosten des Provisorialverfahrens.
Text
Begründung:
Mit einstweiliger Verfügung vom 29.12.1991, ON 2, verbot das Erstgericht zur Sicherung des Anspruches der Gefährdeten auf Unterlassung der Inanspruchnahme einer bestimmten Bankgarantie der Gegnerin der Gefährdeten ab sofort, diese Garantie in Anspruch zu nehmen, abzurufen oder einzuziehen oder Zahlungen aus dieser Garantie in Empfang zu nehmen (Punkt 1); der aus der Garantie verpflichteten Bank verbot es, Zahlungen an die Gegnerin der Gefährdeten und/oder Dritte zu leisten (Punkt 2).
Gegen diese einstweilige Verfügung erhob die Gegnerin der Gefährdeten fristgerecht (am 21.1.1992) im selben Schriftsatz Widerspruch und - für den Fall, daß ihrem Widerspruch nicht Folge gegeben würde - Rekurs (ON 5).
In der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom 10.4.1992 verkündete das Erstgericht den Beschluß auf Zurückweisung dieses Widerspruches (ON 9); am 8.8.1992 faßte es sodann - nach einer Fristsetzung gemäß § 91 Abs 1 GOG durch das Landesgericht für ZRS Wien (ON 21) - einen schriftlichen Beschluß gleichen Inhaltes (ON 24). Dieser Beschluß ist in Rechtskraft erwachsen.
Am 1.7.1992 hatte die Gegnerin der Gefährdeten die Aufhebung der einstweiligen Verfügung begehrt (ON 15). Die zuletzt über diesen Aufhebungsantrag ergangene Entscheidung des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 11.1.1993, ON 61, ist noch nicht rechtskräftig.
Mit Punkt 1 des Beschlusses vom 8.10.1992, ON 42, wies das Rekursgericht den Rekurs der Gegnerin der Gefährdeten gegen die einstweilige Verfügung zurück und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Bedingte Prozeßhandlungen seien - von den im Gesetz geregelten Ausnahmen abgesehen - unzulässig. Da der Rekurs ein bedingtes Rechtsmittel sei, müsse er zurückgewiesen werden. Der gegenteiligen Auffassung des OLG Wien in EFSlg 30.160 schließe sich das Rekursgericht nicht an.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der "außerordentliche Revisionsrekurs" der Gegner der Gefährdeten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
Die Gefährdeten beantragen, dieses Rechtsmittel "abzuweisen", weil es mangels erheblicher Rechtsfrage und eines Rechtsschutzinteresses der Gegnerin unzulässig sei (ON 51).
I. Die Rechtsmittelbeantwortung ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 402 Abs 1 EO ist § 521 a ZPO dann sinngemäß anzuwenden, wenn das Verfahren ua einen Rekurs gegen den Beschluß über einen Sicherungsantrag zum Gegenstand hat. Diese Bestimmung wurde mit der ZVN 1983 aus der Erwägung eingeführt, daß die Erlassung einer einstweiligen Verfügung (oder die Abweisung des Sicherungsantrages) teilweise einer Endentscheidung schon sehr nahe komme und es daher aus den zu § 521 a ZPO aufgezeigten Gründen sachgerecht erscheine, für diese Fälle einen zweiseitigen Rekurs vorzusehen (669 BlgNR 15. GP zu § 402 EO). Eine Ausnahme davon gilt allerdings dann, wenn das Verfahren in erster Instanz einseitig geblieben ist (RZ 1990/19). Im vorliegenden Fall hat aber das Rekursgericht keine Sachentscheidung gefällt, sondern den Rekurs ohne inhaltliche Prüfung aus formellen Gründen zurückgewiesen. Weist ein Berufungsgericht die Berufung zurück, dann ist dagegen nach § 519 Abs 1 ZPO der Rekurs zulässig, welcher - anders als der Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluß nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO (§ 521 a Abs 1 Z 2 ZPO) - einseitig ist. Nichts anderes kann aber für einen Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß eines Rekursgerichtes gelten.
Aus diesen Erwägungen war die Rechtsmittelbeantwortung zurückzuweisen.
II. Der "außerordentliche Revisionsrekurs" ist zulässig. Da sich die angefochtene Entscheidung nicht auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stützen kann, und daher die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 528 Abs 1 (§§ 78, 402 Abs 4 EO) vorliegt, braucht diesmal nicht auf die Frage eingegangen zu werden, ob nicht der Rekurs gegen die Zurückweisung eines Rechtsmittels durch das Rekursgericht gleich dem Rekurs nach § 519 Abs 1 ZPO in jedem Fall - unabhängig von der Höhe des Entscheidungsgegenstandes und dem Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage - zulässig ist (vgl dazu Böhm, Vollrekurs zur Abwehr drohender Rechtsschutzverweigerung, ecolex 1992, 689 f; hingegen ÖBl 1984, 50; SZ 57/5; SZ 57/42 ua).
Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Nach ganz herrschender Auffassung steht dem Gegner der Gefährdeten das Recht zu, gegen die einstweilige Verfügung sowohl Rekurs als auch Widerspruch zu erheben (SZ 43/81; Heller-Berger-Stix 2878 f). Nach der Rechtsprechung ist dann, wenn der Gegner von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch macht, in der Regel zuerst der Rekurs und dann der Widerspruch zu erledigen (SZ 43/81; JBl 1973, 322; EFSlg 23.483, 39.518 ua).
Im vorliegenden Fall hat die Gegnerin der Gefährdeten in erster Linie einen Widerspruch erhoben und erklärt, daß sie den Rekurs für den Fall der Erfolglosigkeit ihres Widerspruches erhebe. Sie hat damit ihren Willen zum Ausdruck gebracht, daß - entgegen der sonst zu gewärtigenden Vorgangsweise - zunächst über den Widerspruch entschieden werden möge. Diese Erklärung mache entgegen der Meinung des Rekursgerichtes das Rechtsmittel keinesfalls unzulässig. Die Rechtsmittelwerberin hat damit das zum Ausdruck gebracht, was sich bei Einhaltung der beantragten Reihenfolge ohnehin aus dem Gesetz ergibt. Würde nämlich infolge Widerspruches die einstweilige Verfügung aufgehoben, dann wäre ihrem Rekurs das Rechtsschutzinteresse, die Beschwer, entzogen (SZ 38/93).
Auch wenn man in der von der Gegnerin der Gefährdeten gebrauchten Wendung - entgegen SZ 38/93 - eine Bedingung für das Rechtsmittel sehen wollte, könnte das zu keinem anderen Ergebnis führen. Innerprozessuale Bedingungen sind nämlich dann zulässig, wenn bereits der Verfahrensabschnitt, für den die Prozeßhandlung wirken soll, eingeleitet ist und diese Bedingung an in diesem Verfahrensabschnitt eintretende innerprozessuale Tatsachen oder Vorgänge geknüpft ist (Fasching, LB2 Rz 758; EvBl 1974/289; 8 Ob 503/90 ua). Da die Erledigung des - zugleich erhobenen - Widerspruches eine innerprozessuale Tatsache ist, liegt eine zulässige bedingte Prozeßhandlung vor (Fasching aaO Rz 1689).
In SZ 38/93 hat der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen, daß eine beklagte Partei gegen ein Versäumungsurteil einen Wiedereinsetzungsantrag stellen und für den Fall der Nichtstattgebung dieses Antrages Berufung erheben kann. Das muß aus den gleichen Erwägungen auch für das Verhältnis von Widerspruch und Rekurs gelten (zutreffend OLG Wien EFSlg 30.160).
In Stattgebung des Rekurses war daher der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme von dem herangezogenen Zurückweisungsgrund aufzutragen. Da die einstweilige Verfügung derzeit noch nicht rechtskräftig aufgehoben ist, braucht auch nicht auf die Frage eingegangen zu werden, ob damit die Beschwer der Beklagten in jedem Fall beseitigt wäre.
Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, § 52 ZPO.
Anmerkung
E30844European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0040OB00509.93.0223.000Dokumentnummer
JJT_19930223_OGH0002_0040OB00509_9300000_000