Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei F*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 900.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 17. September 1992, GZ 2 R 61/92-7, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 24.April 1992, GZ 10 Cg 62/92-2, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung - unter Einschluß des nicht in Beschwerde gezogenen abweisenden Teils des angefochtenen Beschlusses - insgesamt wie folgt zu lauten hat:
"Der Antrag der klagenden Partei, zur Sicherung ihres Anspruches auf Unterlassung urheberrechts- und/oder wettbewerbswidriger Handlungen der Beklagten zu gebieten, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, eine Fernsehprogrammzeitschrift herzustellen und zu vertreiben bzw herstellen und vertreiben zu lassen, deren Layout in wesentlichen Teilen dem Layout der "Fernseh- und Radiowoche", der Programmzeitschrift der Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier", nachempfunden ist und damit in das geistige Eigentum und alleinige Nutzungsrecht der klagenden Partei am genannten Layout eingreift; in eventu deren Layout in wesentlichen Teilen unmittelbar dem Layout der "Fernseh- und Radiowoche" entnommen wurde; in eventu deren Layout in wesentlichen Teilen, insbesondere hinsichtlich der Rubriken "Videothek" sowie der Anordnung der Programme der Kabelgesellschaften dem Layout der "Fernseh- und Radiowoche" nachempfunden ist und damit in das geistige Eigentum und alleinige Nutzungsrecht der Klägerin am genannten Layout eingreift; in eventu deren Layout in wesentlichen Teilen, insbesondere hinsichtlich der Rubriken "Videothek" sowie der Anordnung der Programme der Kabelgesellschaften, dem Layout der "Fernseh- und Radiowoche" entnommen wurde, wird abgewiesen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S
36.945 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 6.157,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Medieninhaberin, Herausgeberin und Verlegerin der Programmzeitschrift "Fernseh- und Radiowoche", die seit 1988 den jeweiligen Freitag-Ausgaben der Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier" beigelegt ist. Die Beklagte ist Medieninhaberin der Tageszeitung "täglich Alles".
Der Nummer 6 der Zeitung "täglich Alles" war das Fernsehprogramm für die Zeit vom 11. bis 17.4.1992 beigelegt, das in seiner Ausgestaltung teilweise mit der "Fernseh- und Radiowoche" der Klägerin für den gleichen Zeitraum übereinstimmte.
A. Auf Seite 60 der "Fernseh- und Radiowoche" (Beilage C) war folgende "Videothek" abgedruckt:
Auf Seite 2 des "Fernsehprogramms" der Beklagten fand sich folgende "Videothek":
B. Beide Programmbeilagen brachten "Filmtips". Seite 52 der Beilage C sah so aus:
Die Beklagte brachte auf Seite 2 und 3 folgende "Filmtips":
C. Auf Seite 57 der "Fernseh- und Radiowoche" war ua nachstehende "Vorschau" auf das Programm der folgenden Woche abgedruckt:
Seite 3 des "Fernsehprogramms" enthielt (ua) folgende "Vorschau": D. Das Programm vom 11.4.1992 (FS 1 und FS 2) war bei der Klägerin wie folgt dargestellt (S. 6):
Die Beklagte brachte auf Seite 4 ihrer Progammbeilage dasselbe Programm wie folgt:
E. Das Auslandsprogramm für den 11.April 1992 brachte die Klägerin in folgender Weise (S. 8/9):
Das gleiche Programm sah bei der Beklagten so aus (Seiten 6/7):
Die Programmbeilagen anderer Zeitungen - so etwa das "Schaufenster" der "Presse" haben ein wesentlich anderes Aussehen. Das gilt auch für das Fernsehprogramm der Wochenzeitung "Die ganze Woche".
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches begehrt die Klägerin, der Beklagten zu gebieten, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, eine Fernsehprogrammzeitschrift herzustellen und zu vertreiben bzw herstellen und vertreiben zu lassen, deren Layout in wesentlichen Teilen dem Layout der "Fernseh- und Radiowoche", der Programmzeitschrift der Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier", nachempfunden ist und damit in das geistige Eigentum und alleinige Nutzungsrecht der Klägerin am genannten Layout eingreift;
in eventu deren Layout in wesentlichen Teilen unmittelbar dem Layout der "Fernseh- und Radiowoche" entnommen wurde;
in eventu, deren Layout in wesentlichen Teilen, insbesondere hinsichtlich der Rubriken "Videothek" sowie der Anordnung der Programme der Kabelgesellschaften, dem Layout der "Fernseh- und Radiowoche" nachempfunden ist und damit in das geistige Eigentum und alleinige Nutzungsrecht der klagenden Partei am genannten Layout eingreift;
in eventu deren Layout in wesentlichen Teilen, insbesondere hinsichtlich der Rubriken "Videothek" sowie der Anordnung der Programme der Kabelgesellschaften, dem Layout der "Fernseh- und Radiowoche" entnommen wurde.
Die Beklagte weiche ohne Not von der von ihr selbst - als Medieninhaberin der "Ganzen Woche" - kreierten Fernsehprogrammgestaltung ab und übernehme die Gestaltung der "Fernseh- und Radiowoche" in so gut wie jedem denkmöglichen Detail. Die Entwicklung des Layouts der "Fernseh- und Radiowoche" in der derzeitigen Form sei - in zeitlicher und finanzieller Hinsicht - ausgesprochen aufwendig gewesen. Dieses Layout habe in Österreich große Verkehrsbekanntheit erlangt; es genieße als Werk der bildenden Kunst Urheberrechtsschutz. Da es von Arbeitnehmern der Klägerin in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen geschaffen worden sei, stehe das Urheberrecht der Klägerin zu. Die Beklagte habe sich überdies ein fremdes Arbeitsergebnis unter sittenwidrigen Umständen unmittelbar angeeignet. Es liege eine bewußte und skrupellose Nachahmung vor; die Beklagte habe nicht im Rahmen des Möglichen vom Produkt der Klägerin Abstand gehalten. Sie mache der Klägerin mit deren mühevoll entwickelter Leistung Konkurrenz, indem sie durch das Kopieren des auf dem Markt bestens eingeführten Layouts der Klägerin an die Publikumserwartung in bezug auf eine Fernsehprogrammzeitschrift anknüpfe. Dazu komme, daß die Beklagte ihre Zeitung unter den Gestehungskosten anbiete und dabei ihre Verluste dadurch minimiere, daß sie die kostspielige Leistung eines Konkurrenten glatt übernimmt.
Der Erstrichter gebot der Beklagten, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, eine Fernsehprogrammzeitschrift herzustellen und zu vertreiben bzw herstellen und vertreiben zu lassen, deren Layout in wesentlichen Teilen, insbesondere hinsichtlich der Rubriken "Videothek" sowie der Anordnung der Programme der Kabelgesellschaften, dem Layout der "Fernseh- und Radiowoche", der Programmzeitschrift der Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier" nachempfunden ist. Er nahm noch als bescheinigt an, daß die Entwicklung des Layouts der "Fernseh- und Radiowoche" für die Klägerin in zeitlicher und finanzieller Hinsicht aufwendig war und sie darauf viel Mühe aufgewendet hat sowie daß es schon zu Verwechslungen der beiden Erzeugnisse gekommen ist. Rechtlich bejahte der Erstrichter einen Verstoß gegen § 1 UWG: Zwar gebe es keine unbegrenzte Zahl anderer Gestaltungsmöglichkeiten für eine Programmzeitschrift, doch bestünden ausreichend abweichende Schemata für ein solches Produkt. Es müsse davon ausgegangen werden, daß die Beklagte die Programmzeitschrift der Klägerin bewußt in den festgestellten Teilen nachgeahmt und auf diese Weise die Gefahr von Verwechslungen mit dem Erzeugnis der Klägerin hervorgerufen hat. Daß eine andere Gestaltung zumutbar gewesen wäre, liege auf der Hand, wenn auch festzuhalten sei, daß die Programmzeitschrift der Klägerin sehr zweckmäßig und übersichtlich gestaltet sei und in dieser offensichtlich benützerfreundlichen Leistung der Klägerin die Ursache für die Nachahmung durch die Beklagte liege. Das berechtige die Beklagte aber nicht, eine Reihe wesentlicher Merkmale des Erzeugnisses der Klägerin in derart drastischer Art und Weise zu übernehmen. Da es die Beklagte in sittenwidriger Weise versäumt habe, einen zumutbaren Abstand zur Programmzeitschrift der Klägerin einzuhalten, habe sie gegen § 1 UWG verstoßen. Auch die Heranziehung des Urheberrechtsschutzes sei gerechtfertigt, weil die "Fernseh- und Radiowoche" der Klägerin als Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes anzusehen sei.
Das Rekursgericht "bestätigte" den Beschluß des Erstrichters "mit der Maßgabe", daß es dem Beklagten gebot, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, eine Fernsehprogrammzeitschrift herzustellen und zu vertreiben bzw herstellen und vertreiben zu lassen, deren Layout in wesentlichen Teilen, insbesondere hinsichtlich der Rubriken "Videothek" sowie der Anordnung der Programme der Kabelgesellschaften, dem Layout der "Fernseh- und Radiowoche" laut Klagedauerbeilage C, der Programmzeitschrift der Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier" nachgemacht ist. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Entgegen der Meinung der Beklagten bestehe zwischen den Streitteilen sehr wohl ein Wettbewerbsverhältnis. Als Medieninhaberin, Herausgeberin und Verlegerin der "Fernseh- und Radiowoche" trage die Klägerin das wirtschaftliche Risiko ihrer Publikation. Mittelbar seien sowohl Zeitungs- als auch Inseratenkunden Kunden der Klägerin; es treffe daher nicht zu, daß sich die Kundenkreise der Streitteile nicht überschnitten. Die beanstandeten Wettbewerbshandlungen der Beklagten seien geeignet, den Absatz der Klägerin zu beeinträchtigen. Die im Rekurs aufgestellte Behauptung, die Klägerin habe das Fernsehprogramm der Beklagten nachgemacht, müsse im Hinblick auf das Neuerungsverbot unbeachtet bleiben. Soweit die Beklagte Unterschiede zwischen den Programmzeitschriften aufzeige, welche die Verwechslungsgefahr beseitigen sollen, sei sie darauf zu verweisen, daß das Nachahmen eines fremden Erzeugnisses nicht nur dann sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist, wenn die Gefahr von Verwechslungen besteht. Die vermeidbare Herkunftstäuschung sei nur einer der Fälle, welche die Übernahme einer fremden Leistung wettbewerbswidrig erscheinen lassen. Vermeidbare Herkunftstäuschung liege auch schon dann vor, wenn die Übereinstimmung zwischen den beiden Erzeugnissen geeignet ist, zu der irrigen Annahme zu führen, daß zwischen den Unternehmen besondere wirtschaftliche oder organisatorische Beziehungen bestünden. Das treffe hier durchaus zu. Daß es bei der von der Klägerin beanstandeten Gestaltung der Gliederung nach Sendern und Beginnzeiten Ausweichmöglichkeiten gibt, könne auch die Beklagte nicht leugnen. Da schon wegen dieses Wettbewerbsverstoßes der Unterlassungsanspruch gerechtfertigt sei, könne die Frage, ob das Layout der Klägerin die für ein Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes erforderliche Originalität aufweist, offen bleiben.
Zu Recht beanstande aber die Beklagte, daß das Unterlassungsgebot zu unbestimmt sei. Das Rekursgericht habe das Unterlassungsgebot daher insofern verdeutlicht, als es durch den Hinweis auf die Programmzeitschrift der Klägerin als "Klagedauerbeilage C" klargestellt habe, welches Layout geschützt ist; die Befürchtung der Beklagten, Adressat eines Unterlassungsgebotes nach Art einer "dynamischen Verweisung" zu sein, sei damit ausgeräumt. Das Rekursgericht habe weiters den Begriff "nachempfunden" durch "nachgemacht" ersetzt; damit sei klargestellt, daß eine entfernte Ähnlichkeit nicht genügt, sondern daß nur dann ein Verstoß gegen das Unterlassungsgebot vorliege, wenn das Layout der Beklagten mit dem der Klägerin in wesentlichen Teilen übereinstimmt. Diese Modifikation des Unterlassungsgebotes entspreche dem von der Klägerin bescheinigten Sachverhalt und bedeute gegenüber dem ursprünglich Begehrten ein Minus.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der "außerordentliche" Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag abgewiesen wird.
Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihn zu "verwerfen".
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionrekurs ist zulässig:
Der Beklagten ist darin zuzustimmen, daß das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes in Wahrheit nicht voll bestätigt hat. Eine Bestätigung mit einer "Maßgabe" liegt nur dann vor, wenn die Neufassung des Spruches allein der Verdeutlichung der Entscheidung des Erstgerichtes dient, deren Rechtskraftwirkung dabei aber nicht berührt wird (RZ 1972, 185; MietSlg 30.769); andernfalls bedeutet eine solche "Bestätigung" in Wahrheit eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses (JBl 1961, 278). Das trifft hier zu, weil das vom Rekursgericht erlassene Verbot des "Nachmachens" enger ist als das vom Erstgericht im Sinne des Sicherungsantrages ausgesprochene Verbot des "Nachempfindens". Durch die Bezugnahme des angefochtenen Beschlusses auf die "Klagedauerbeilage C" geht das Verbot auch weniger weit als das vom Erstrichter erlassene Verbot des Nachempfindens des "Layouts" der "Fernseh- und Radiowoche" schlechthin. Hat aber das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes teilweise abgeändert, dann ist der Revisionsrekurs nicht jedenfalls unzulässig gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO. Da der Entscheidungsgegenstand nach dem Ausspruch des Rekursgerichtes S 50.000 übersteigt, hätte es demnach des weiteren Ausspruches bedurft, ob der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist (§ 500 Abs 2 Z 3, § 526 Abs 3 ZPO). Ein Ergänzungsauftrag an das Rekursgericht wäre aber - weil nur für die Zuständigkeit zur Zustellung der Rechtsmittelschrift an die Beklagte von Bedeutung - ein überflüssiger Formalismus. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iS des § 528 Abs 1 ZPO ist nämlich, wie auch immer der Ausspruch des Rekursgerichtes gelautet hätte, schon deshalb zu bejahen, weil ein gleichartiger Sachverhalt noch nicht Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes war.
Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Der Beklagten ist darin zuzustimmen, daß sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf einen Urheberrechtsschutz berufen kann. Zunächst ist festzuhalten, daß es einen originären Erwerb von Urheberrechten durch juristische Personen nicht gibt, als Urheber im Sinne des § 10 UrhG vielmehr immer nur eine physische Person in Betracht kommt (ÖBl 1992, 81; ÖBl 1992, 184). Wie weit der Klägerin Werknutzungsrechte (§§ 24, 26 ff UrhG) an einem von ihren Mitarbeitern geschaffenen Werk zustehen, bedarf keiner Erörterung, weil das Layout der "Fernseh- und Radiowoche" kein Werk der bildenden Künste im Sinne der §§ 1, 3 Abs 1 UrhG ist. Zwar können unter die "Werke der bildenden Künste" im Sinne des § 3 Abs 1 UrhG grundsätzlich auch solche fallen, deren Ausdrucksmittel die Graphik - und sei es auch nur die sogenannte "Gebrauchsgraphik" - ist (ÖBl 1992, 81; ÖBl 1992, 181 je mwN). Das Schaffensergebis muß aber objektiv als Kunst interpretierbar sein (M.Walter in MR 1989, 99 und MR 1991, 24; ÖBl 1992, 81; ÖBl 1992, 181); es muß eine eigentümliche geistige Schöpfung (§ 1 Abs 1 UrhG) sein. Die individuelle eigenartige Leistung muß sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abheben (SZ 58/201; ÖBl 1990, 88; ÖBl 1992, 181). Das trifft aber auf die Gestaltung der "Fernseh- und Radiowoche" keinesfalls zu.
Zu prüfen bleibt daher, ob der Klägerin ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG zusteht:
Nach der Meinung der Beklagten stehe sie in keinem Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin, weil sich diese nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteilige, sondern ihre Fernsehbeilagen ausschließlich dem "Kurier" und der "Neuen Kronen-Zeitung" zu festen Preisen liefere und auch - entgegen der Behauptung der Klägerin - nicht an den Erlösen von Inseraten beteiligt sei. Dem kann nicht gefolgt werden.
Die Klägerin - eine Gesellschaft mbH - ist nicht Dienstnehmerin der Medieninhaber von "Kurier" und "Neuer Kronen-Zeitung", sondern Unternehmerin. Selbst wenn sie die Fernsehbeilage nur gegen ein fixes Entgelt liefern sollte, ohne an den Erlösen der in der "Fernseh- und Radiowoche" veröffentlichten Inserate oder des Verkaufs der Tageszeitungen unmittelbar beteiligt zu sein - Feststellungen dazu fehlen -, würde sie doch eine selbständige Tätigkeit ausüben. Ein Selbständiger bleibt auch dann Unternehmer im Sinne des § 14 UWG, wenn er nur in einem fixen Werkvertragsverhältnis zu einem oder wenigen Kunden steht; auch in diesem Fall trägt er ein Unternehmerrisiko. Das wirtschaftliche Schicksal auch der Klägerin ist vom Erfolg derjenigen Tageszeitungen abhängig, denen die "Fernseh- und Radiowoche" beiliegt. Im übrigen wäre aber eine eigene Beeinträchtigung der Klägerin keine Voraussetzung für ihre Aktivlegitimation (ÖBl 1976, 82; ÖBl 1983, 107). Daß die von den Streitteilen vertriebenen Waren und Leistungen - Programmbeilagen - ihrer Art nach miteinander in Konkurrenz treten (SZ 54/77; ÖBl 1986, 43), bedarf keiner näheren Begründung.
Grundsätzlich ist das Nachahmen eines fremden Produktes, das keinen Sonderschutz - etwa nach dem Markenschutzgesetz, dem Urheberrechtsgesetz oder als Unternehmenskennzeichen - genießt, an sich nicht wettbewerbswidrig (ÖBl 1991, 213 uva); aus der gesetzlichen Anerkennung besonderer ausschließlicher Rechte für technische und nichttechnische geistige Schöpfungen folgt ja zwingend, daß die wirtschaftliche Betätigung des einzelnen außerhalb der geschützten Sonderbereiche frei sein soll. An diese sowohl im Interesse der Mitbewerber als auch im Interesse der Allgemeinheit getroffene Entscheidung ist die wettbewerbsrechtliche Beurteilung gebunden (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 557 f Rz 439 zu § 1 dUWG). Jeder muß daher die Ergebnisse seiner Arbeit, mag er sie mit noch so viel Mühe und Kosten erreicht haben, der Allgemeinheit im Interesse des Fortschritts zur Verfügung stellen, soweit kein Sonderrechtsschutz besteht. Sein Vorteil im Wettbewerb liegt in dem natürlichen Vorsprung, den er vor seinen Mitbewerbern dadurch gewinnt, daß sie ihn erst wieder durch eine nachahmende Leistung ausgleichen müssen, was keineswegs immer so einfach ist und oftmals ebenfalls Mühe und Kosten erfordert (Baumbach-Hefermehl aaO 585 Rz 495). Ein Verstoß gegen § 1 UWG ist aber (nur) dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt (Baumbach-Hefermehl aaO 558 f Rz 440; ÖBl 1991, 213 uva).
Ein Fall der sittenwidrigen Nachmachung einer fremden Leistung ist die "vermeidbare Herkunftstäuschung" (Schönherr in ÖBl 1980, 70; Baumbach-Hefermehl aaO 563 ff Rz 450 ff; ÖBl 1991, 209; ÖBl 1991, 213 uva). Diese setzt nicht nur ein bewußtes Nachahmen und die Zumutbarkeit einer andersartigen Gestaltung voraus, sondern auch die Herbeiführung der Gefahr von Verwechslungen. Das trifft aber hier nicht zu, weil die beiden Programmzeitschriften in verschiedene Tageszeitungen eingebettet sind und schon daraus für das Publikum ihre unterschiedliche Herkunft erkennbar ist. Im Hinblick auf das breitesten Bevölkerungsschichten durchaus bekannte Wettbewerbsverhältnis zwischen den Medieninhabern von "Kurier" und Neuer Kronen-Zeitung" einerseits und von "Ganzer Woche" sowie "täglich Alles" andererseits kann auch nur ein ganz geringfügiger und daher unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise zu der Ansicht gelangen, die Medieninhaber dieser beiden Zeitungen stünden in wirtschaftlichem oder organisatorischem Zusammenhang. Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes ist daher auch die Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn (Hohenecker-Friedl, 50; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht 2 II 157; ÖBl 1980, 45; ÖBl 1980, 77 uva) zu verneinen. Daß es - nach den Bescheinigungsannahmen des Erstgerichtes - tatsächlich zu Verwechslungen gekommen ist - die Klägerin hatte eine einzige Anfrage eines Lesers bescheinigt, ob nun die "Neue Kronen-Zeitung" mit "täglich Alles" zusammenarbeite (Beilage H) - ist nicht entscheidend (ÖBl 1977, 12; ÖBl 1979, 45 ua); vielmehr ist die Rechtsfrage (ÖBl 1983, 45 uva) zu beantworten, ob einem durchschnittlichen Kunden ein Irrtum droht. Das ist aber nach dem oben Gesagten zu verneinen.
Auch andere Gründe, deretwegen das Verhalten der Beklagten sittenwidrig wäre, sind nicht zu sehen:
Der Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, daß sie sich zu Zwecken des Wettbewerbes das fertige Arbeitsergebnis der Klägerin, das eine schutzwürdige Eigenart aufweist und nur unter Aufwand von Mühe und Kosten erreichbar war, mittels eines Vervielfältigungsverfahrens unter Ersparung eigener Kosten angeeignet und es ohne jede eigene Verbesserung oder Zutat in unveränderter Form auf den Markt gebracht hätte, nur die Klägerin um die Früchte ihrer Arbeit zu bringen (Baumbach-Hefermehl aaO 586 Rz 498; ÖBl 1991, 217 mwN). Die Beklagte hat zwar zweifellos die Programmzeitschrift der Klägerin als Vorbild herangezogen, diese aber - was schon im Hinblick auf das gleichzeitige Erscheinen der beiden Druckwerke wohl kaum möglich gewesen wäre - keineswegs bloß abgelichtet; ihre Programmbeilage weicht vielmehr von derjenigen der Klägerin in vielen Einzelheiten ab. So stimmen etwa die Aufschriften auf den unter der Rubrik "Videothek" abgedruckten Etiketten nicht überein; unter den "Filmtips" werden ganz verschiedene Filme besprochen; die "Vorschau" der Beklagten hat ein ganz anderes Aussehen als die der Klägerin usw. Auch die Inlands- und Auslandsprogrammseiten unterscheiden sich in vielen Punkten.
Es kann aber auch nicht gesagt werden, daß die Beklagte das ungeschützte Arbeitsergebnis der Klägerin nicht bloß als Anregung zu eigenem Schaffen benützt, sondern es ohne zwingendem Grund in identischer oder nahezu identischer Form nachgemacht hätte, um die Mitbewerberin in unbilliger Weise um die Früchte ihrer Arbeit zu bringen und sie zu schädigen (Baumbach-Hefermehl aaO 589 f Rz 506). Daß ein irgendwie ins Gewicht fallender Teil des Publikums gerade deshalb, weil die Programmbeilage der Beklagten der "Fernseh- und Radiowoche" derjenigen der Klägerin in den angeführten Punkten ähnlich ist, in Zukunft am Freitag "täglich Alles" statt des "Kuriers" oder der "Neuen Kronen-Zeitung" kaufen würde, kann nicht angenommen werden; bei dieser Sachlage konnte dann aber die Beklagte die Klägerin auch nicht um die Früchte ihrer Arbeit bringen und sie auf diese Weise schädigen.
Auch der Fall, daß ein Mitbewerber das Produkt des Konkurrenten in allen Einzelheiten nachahmt und in einer billigeren Ausführung auf den Markt bringt, um sodann mit der schlechten und billigen Ware die teure Ware des Konkurrenten vom Markt zu verdrängen (SZ 27/337; ÖBl 1972, 92 ua), liegt hier nicht vor, ist doch ein qualitativer Unterschied zwischen den Programmbeilagen der Streitteile nicht zu sehen.
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und in Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen der Sicherungsantrag zur Gänze abzuweisen.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50, 52 ZPO, § 78 Abs 2, § 402 Abs 4 EO.
Anmerkung
E31220European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0040OB00106.92.0223.000Dokumentnummer
JJT_19930223_OGH0002_0040OB00106_9200000_000