TE OGH 1993/2/24 9ObA308/92

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Veröffentlicht am 24.02.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Dafert und AR Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arbeiterbetriebsrat der S***** GesmbH, ***** vertreten durch *****, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich in Linz, dieser vertreten durch *****, Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei S***** GesmbH, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwälte *****, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert 51.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.September 1992, GZ 13 Ra 47/92-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 28.Jänner 1992, GZ 26 Cga 133/91-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.348,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 724,80 S Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt im Rahmen ihrer Berechtigung zur Personenbeförderung auch einen konzessionierten Linienverkehr, in dem mehr als drei Arbeitnehmer eingesetzt sind. Bei der Einteilung der Einsatzzeit im Linienverkehr sind auch unbezahlte Pausen vorgesehen. Seit Einführung eines Turnusdienstes im Linienverkehr im September 1984 gibt es drei Turnusdienste. Im A-Dienst ist von Montag bis Freitag eine Pause von einer Stunde vorgesehen, am Samstag eine Pause von einer Stunde und 40 Minuten; im B-Dienst ist von Montag bis Freitag eine Pause von zwei Stunden und 40 Minuten vorgesehen, an Samstagen keine Pause. Im C-Dienst ist von Montag bis Freitag eine Pause von einer Stunde vorgesehen, an Samstagen eine Pause von einer Stunde und 10 Minuten. Von diesen Pausen werden im A-Dienst von Montag bis Freitag täglich eine Stunde nicht bezahlt, am Samstag eine Stunde 20 Minuten; im B-Dienst wird von Montag bis Freitag eine Pause von täglich einer Stunde und 30 Minuten nicht bezahlt; im C-Dienst wird von Montag bis Samstag täglich eine Stunde Pause nicht bezahlt. Auf die im Linienverkehr beschäftigten Dienstnehmer der beklagten Partei ist der Bundeskollektivvertrag für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben anzuwenden.

Dieser Kollektivvertrag (im folgenden: KV) enthält unter anderem folgende Regelungen:

"........III. Arbeitszeit

2. Fahrpersonal:

a) Die regelmäßige Arbeitszeit innerhalb einer Arbeitswoche beträgt ausschließlich der Pausen 40 Stunden. Über diese festgesetzte Arbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistungen werden als Überstunden entlohnt.

b) Eine Überschreitung dieser Arbeitszeit ist ohne behördliche Genehmigung zulässig, wenn die tägliche Einsatzzeit bei Besetzung des Fahrzeuges mit einem Lenker höchstens 14 Stunden und bei Besetzung mit zwei Lenkern höchstens 17 Stunden umfaßt.

c) Die reine Arbeitszeit am Lenkrad beträgt 8 Stunden täglich. Zweimal pro Woche darf gemäß § 14 Abs 2 Arbeitszeitgesetz die Lenkzeit auf 9 Stunden ausgedehnt werden. Nach vier Stunden ununterbrochener Lenkzeit ist eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde einzuhalten oder bei Besetzung des Fahrzeuges mit zwei Lenkern ein Fahrerwechsel vorzunehmen.

d) Als Einsatzzeit gilt die Zeit zwischen zwei Ruhezeiten. Sie beinhaltet den effektiven Dienst am Steuer, die Vor- und Abschlußarbeiten, Steh-, Warte- und Umkehrszeiten sowie die täglichen unbezahlten Essenspausen (im Ausmaß von insgesamt höchstens eineinhalb Stunden pro Tag).

e) Zwischen zwei Einsatzzeiten ist eine ununterbrochene Ruhezeit von zehn Stunden einzuhalten.

IV. Stehzeiten (Wartezeiten)

1. Fahrplanmäßig konzessionierter periodischer Personentransport:

a) Die sich auf Grund des Fahrplans ergebenden Stehzeiten (Umkehrzeiten) der Wagenlenker und des sonstigen Fahrpersonals bis einschließlich sechs Stunden täglich, werden wie volle Arbeitszeiten entlohnt, wobei sich der Lenker vom Fahrzeug entfernen kann.

b) Die über sechs Stunden hinausgehenden Stehzeiten werden täglich zusammengerechnet und nach Abzug einer Pause von einer Stunde als bloßer Anwesenheitsdienst mit 50 % des normalen Arbeitslohnes vergütet, auch wenn sich der Lenker vom Fahrzeug entfernen kann.

Stehzeiten unter zwanzig Minuten sind als volle Arbeitszeit zu werten. ......."

Der klagende Betriebsrat begehrt die Feststellung, daß sämtliche Pausen, insbesondere auch die Essenspausen der Busfahrer der Beklagten, die im fahrplanmäßig konzessionierten periodischen Personentransport eingesetzt sind, im Ausmaß bis zu sechs Stunden pro Arbeitstag wie volle Arbeitsstunden zu entlohnen seien.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Beklagte habe unbezahlte Pausen bis zu dem nach dem Kollektivvertrag zulässigen Höchstausmaß von 1 1/2 Stunden während der Stehzeit eingeplant.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im Hinblick auf die Regelung des Abschnitts III Z 2 lit d KV ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Abschnitt III Z 2 lit d KV zähle nicht nur die Zeiten auf, die als Einsatzzeiten gelten, sondern normiere darüber hinaus, daß die täglichen unbezahlten Essenspausen nicht länger als 1 1/2 Stunden sein dürften. Abschnitt IV beziehe sich nach seiner Überschrift "Stehzeiten (Wartezeiten)" nur auf diese und die ebenfalls angeführten Umkehrzeiten, nicht aber auf die unbezahlten Essenspausen. Lediglich soweit die Arbeitspausen 1 1/2 Stunden überschritten, seien sie als Stehzeiten bis zum Ausmaß von sechs Stunden täglich zu honorieren.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das AZG enthält in den §§ 2, 11 und 12 eine Definition des Begriffes der Arbeitszeit und eine allgemeine Regelung der Ruhepausen und Ruhezeiten. In den Sonderbestimmungen der §§ 13 ff AZG für Lenker und Beifahrer wird innerhalb der Arbeitszeit zwischen Lenkzeiten, Zeiten für sonstige Arbeitsleistungen und Zeiten der Arbeitsbereitschaft differenziert (§ 14 AZG) und in § 15 AZG für die Lenkzeit eine von der allgemeinen Pausenregelung des § 11 AZG abweichende Regelung getroffen. In § 16 AZG wird ergänzend zu der Regelung des § 12 AZG über die Ruhezeiten auch noch ein Höchstmaß an - nicht nur Arbeitszeiten - umfassenden Einsatzzeiten zwischen zwei Ruhepausen normiert. Auf Arbeitsverhältnisse der im Kraftfahrlinienverkehr eingesetzten Arbeitnehmer sind gemäß § 33 Abs 2 AZG die §§ 15 und 16 AZG mangels Erlassung der in den §§ 15 Abs 4 und 16 Abs 7 AZG genannten Verordnungen nicht wirksam geworden. Da es im vorliegenden Feststellungsverfahren nur um solche Arbeitnehmer geht, sind für sie die allgemeinen Regelungen der §§ 11 und 12 AZG anzuwenden. Dies hindert jedoch entgegen der Ansicht des Revisionswerbers die Kollektivvertragsparteien nicht, für die im Kraftfahrlinienverkehr beschäftigten Arbeitnehmer günstigere Arbeitszeitregelungen zu treffen und sich hiebei an den noch nicht wirksam gewordenen gesetzlichen Vorschriften zu orientieren.

Die zugunsten der Arbeitnehmer von der allgemeinen Pausenregelung des § 11 AZG abweichende Regelung des § 15 Abs 1 AZG - nicht aber die weitergehende Pausenregelung nach Abs 3 dieser Gesetzesstelle - wurde in Abschnitt III Z 2 lit c KV auch für die im Kraftfahrliniendienst beschäftigten Arbeitnehmer übernommen; weiters wurde mit Abschnitt III Z 2 lit d Abs 1 KV die Einsatzzeit ähnlich wie in § 16 Abs 1 AZG definiert und in Abschnitt III Z 2 lit b KV entsprechend der den Kollektivvertragsparteien mit § 5 Abs 1 Satz 1 AZG erteilten Ermächtigung die Überschreitung der Wochenarbeitszeit von 40 Stunden zugelassen, dies aber - zugunsten der Arbeitnehmer - von der an den gemäß § 16 Abs 2 und 3 AZG zulässigen Regelungen orientierten Voraussetzung der Einhaltung bestimmter täglicher Höchsteinsatzzeiten abhängig gemacht.

Soweit die Einsatzzeit nicht Arbeitszeit im Sinne des § 14 Abs 1 AZG (Lenkzeit, Zeiten für sonstige Arbeitsleistungen und Zeiten der Arbeitsbereitschaft) umfaßt und auf Ruhepausen nach § 11 AZG oder diesen gleichzuhaltende Lenkpausen (siehe Cerny, Arbeitszeitrecht2, 116 f; Grillberger AZG 101) entfällt, steht dafür nach dem Gesetz keine Entlohnung zu (siehe 4 Ob 66/83; Grillberger aaO 35), und zwar mangels Festlegung auch eines zulässigen Höchstausmaßes auch dann, wenn sie über das in § 11 AZG bestimmte Mindestausmaß hinausgehen. Da für die im Liniendienst eingesetzten Arbeitnehmer die allgemeinen Regelungen über die Ruhepausen gelten - § 15 Abs 3 AZG ist mangels Erlassung einer entsprechenden Verordnung für diesen Personenkreis nicht wirksam geworden - ist davon auszugehen, daß weder durch Gesetz (§ 15 Abs 3 AZG) noch durch Verordnung im Sinne des § 21 AZG (aber auch nicht durch KV) eine von § 11 AZG abweichende Pausenregelung getroffen wurde, sodaß die von Cerny (aaO 117) geforderte und von Grillberger (aaO 101) abgelehnte analoge Anwendung des § 21 AZG im vorliegenden Fall jedenfalls nicht in Frage kommt, und daher Lenk- und Ruhepausen, auch soweit sie das in § 11 AZG bzw. in Abschnitt III Z 2 lit c KV vorgesehene Mindestausmaß von einer halben Stunde überschreiten, nicht als Arbeitszeit zu honorieren sind.

Zugunsten der Arbeitnehmer bestimmt daher Abschnitt III Z 2 lit d KV, daß die täglichen unbezahlten Lenk- und Ruhepausen (hier zusammenfassend bezeichnet als "Essenspausen") ein Höchstausmaß von 1 1/2 Stunden nicht überschreiten dürfen und enthält Abschnitt IV KV eine detaillierte Regelung über die Honorierung von Zeiten, die nicht für das Lenken des Fahrzeuges ("effektiver Dienst am Steuer") oder für sonstige Arbeitsleistungen ("Vor- und Abschlußarbeiten") aufgewendet wurden (und nicht auf die "Essenspausen" entfallen). Die in Abschnitt III Z 2 lit d KV als "Steh-, Warte- und Umkehrszeiten" bezeichneten, sowohl Zeiten der Arbeitsbereitschaft als auch über das Ausmaß von 1 1/2 Stunden hinausgehende Lenk- und Ruhepausen umfassenden Zeiten sind gemäß Abschnitt IV Z 1 lit a KV bis einschließlich sechs Stunden wie volle Arbeitszeiten zu entlohnen. Offenbar um die Arbeitnehmer hinsichtlich dieser Zeiten geringerer Inanspruchnahme nicht gegenüber Zeiten der vollen Arbeitsleistung besser zu stellen, wurde in Anlehnung an die Bestimmung des § 11 Abs 1 AZG nach sechs Stunden der wie volle Arbeitszeit honorierten Steh-, Umkehr- oder Wartezeiten eine (weitere) unbezahlte Pause von einer Stunde vorgesehen.

Diese gemäß § 6 und 7 ABGB (siehe Strasser Arbeitsrecht3 II 145) vorgenommene, sowohl am Wortlaut als auch an der erkennbaren Absicht des Normgebers orientierte Auslegung des Kollektivvertrages führt entgegen der Ansicht des Revisionswerbers zu einem ausgewogenen, die Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigenden Ergebnis, insbesondere wenn man darauf Bedacht nimmt, daß ohne eine solche Regelung auch übermäßig lange Ruhe- und Lenkpausen nicht zu honorieren wären.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO; der Kostenbemessung war gemäß § 4 RATG iVm § 56 Abs 2 JN der vom Kläger in der Klage genannte Wert des Streitgegenstandes von 51.000 S zu Grunde zu legen.

Anmerkung

E32172

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00308.92.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19930224_OGH0002_009OBA00308_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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