TE OGH 1993/3/2 13Os26/93

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Veröffentlicht am 02.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.März 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer und Dr.Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kirschbichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter S***** und andere wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 und Abs 2 SGG, AZ 16 Vr 460/92 des Kreisgerichtes Leoben, über die Grundrechtsbeschwerde des Manfred G***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 26.Jänner 1993, AZ 11 Bs 11/93 (= ON 323 der Strafakten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Manfred G***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Im Rahmen des oben bezeichneten Strafverfahrens wird gegen Manfred G***** die Voruntersuchung wegen des Verdachtes des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 und Abs 2 SGG geführt, wobei ihm zur Last gelegt wird, in der Zeit von 1987 bis 1992 in Innsbruck und Kapfenberg den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich mindestens 6,5 kg Haschisch, gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt zu haben. Der Beschuldigte wird seit dem 27.August 1992 aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß dem § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO in Untersuchungshaft angehalten.

Einen von ihm festgestellten Enthaftungsantrag hat die Ratskammer des Kreisgerichtes Leoben am 7.Jänner 1993 abgelehnt. Seiner dagegen erhobenen Beschwerde hat das Oberlandesgericht Graz mit Beschluß vom 26. Jänner 1993, AZ 11 Bs 11/93 (= ON 323 der Strafakten), nicht Folge gegeben und die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem bezeichneten Haftgrund angeordnet.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluß richtet sich die vorliegende Grundrechtsbeschwerde des Manfred G*****, in der er den dringenden Tatverdacht und das Vorliegen von Haftgründen bestreitet, Unverhältnismäßigkeit der bisherigen Haftdauer behauptet und darin zudem im Zusammenhang mit der "schleppenden Vorgangsweise des Untersuchungsrichters" einen Verstoß gegen Art 5 (Abs 3) und Art 6 (Abs 1) MRK erblickt.

Zu diesen Beschwerdeeinwänden hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Zum Tatverdacht

Die Dringlichkeit des Tatverdachtes hat das Oberlandesgericht Graz damit begründet, daß Manfred G***** bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch Beamte des LGK für Steiermark vom 26.August 1992 ein ausführliches und umfassendes Geständnis abgelegt und auf dieses auch bei seiner ersten gerichtlichen Vernehmung zur Sache anläßlich der Verhängung der Untersuchungshaft verwiesen habe. Der spätere Widerruf dieses Geständnisses ändere daran nichts, zumal Manfred G***** auch von seinem Mitbeschuldigten Wolfgang G***** belastet worden sei.

Dementgegen vermag der Beschwerdeführer keine Verfahrensergebnisse aufzuzeigen, die den nach der Aktenlage vom Oberlandesgericht mit Recht angenommenen dringenden Tatverdacht erschüttern könnten. Auch die in seinem Schreiben an den Untersuchungsrichter vom 4.Oktober 1992 angeführten Gründe für den Widerruf seines Geständnisses sind dazu nicht angetan. Der Einwand aber, daß der Tatverdacht wegen der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft und der behaupteten Verfahrensverzögerungen zu verneinen sei, ist an sich verfehlt, weil diese Umstände keine Kriterien für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Tatverdachtes sind.

Zum Haftgrund

Da von allem Anfang an nur der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß dem § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO angenommen worden ist, gehen die Beschwerdeeinwendungen gegen die übrigen Haftgründe am Beschwerdegegenstand vorbei. Der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr aber ist nach den zitierten Gesetzesbestimmungen dann anzunehmen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde auf freiem Fuße ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung (lit a) mit schweren Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung mit schweren Folgen, oder (lit b) mit nicht bloß leichten Folgen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung, wenn er entweder wegen einer solchen strafbaren Handlung bereits verurteilt worden ist oder wenn ihm nunmehr (wie hier) wiederholte oder fortgesetzte Handlungen angelastet werden.

Im angefochtenen Beschluß wird dazu zunächst ausgeführt, daß dem Beschwerdeführer auf Grund seines Eingeständnisses eine latente Neigung zum Konsum von Rauschgift zu unterstellen sei. Dieser Umstand sowie die Tatsache, daß er nach der Verdachtslage über mehrere Jahre hindurch in einer Mehrzahl von Angriffen mit Suchtgift gehandelt habe und er daher auch über sehr gute Kontakte zur Suchtgiftszene verfügen dürfte, rechtfertige die Annahme der Tatbegehungsgefahr im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmungen.

Dem ist noch hinzuzufügen, daß es sich bei Suchtanfälligen regelmäßig um Personen mit labiler Gemütsbeschaffenheit handelt, die an sie - häufig mit gewissem Nachdruck - gerichteten Ansinnen zur Begehung einschlägiger Straftaten unter der Verlockung eines finanziellen Vorteils und gleichzeitigen Aussichten auf Erlangung von Suchtgift für den eigenen Bedarf selten widerstehen können. Der Beschwerdeführer gibt in seinem Geständnis selbst zu, von anderen "in die Suchtgiftaktivitäten mehr oder weniger hineingezogen" worden zu sein. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse (nach Verlust seines Arbeitsplatzes) bieten daher unter diesem Aspekt - ungeachtet seiner Unbescholtenheit - gleichfalls einen konkreten Anhaltspunkt für die haftbegründende Befürchtung der Begehung strafbarer Handlungen zumindest mit nicht bloß leichten Folgen. Durch gelindere Mittel kann der Haftzweck nach Lage des besonderen Falles nicht erreicht werden (§ 180 Abs 4 und Abs 5 StPO).

Zur Unverhältnismäßigkeit

Das Verbrechen nach dem § 12 Abs 1 und Abs 2 SGG ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht. Mit Rücksicht auf die die große Menge des § 12 Abs 1 SGG (bei Annahme eines Durchschnittsgehalts an THC) erheblich überschreitende verfahrensgegenständliche Suchtgiftmenge war trotz der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Beschlußfassung noch nicht zu befürchten, daß die bis dahin gerechnete Haftdauer von fünf Monaten im Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe offenbar unangemessen gewesen wäre (§ 193 Abs 2 StPO).

Zu den Einwänden nach der MRK

Eine lange Dauer der Untersuchungshaft in Verbindung mit einer Verzögerung der Voruntersuchung kann zwar dem Anspruch einer in Haft gehaltenen Person auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist (Art 5 Abs 3 MRK) und darauf, daß ihre Sache innerhalb einer solchen Frist in billiger Weise öffentlich vor Gericht gehört werde (Art 6 Abs 1 MRK), zuwiderlaufen. Als Abhilfe gegen derartige Verzögerungen ist aber zunächst ausschließlich die Beschwerde an die Ratskammer vorgesehen (§ 113 StPO; vgl. JAB 852 BlgNR XVIII. GP, 5), ein Rechtsbehelf, der allerdings im vorliegenden Fall noch nicht genützt wurde. Eine Prüfung, ob durch die behauptete "schleppende Vorgangsweise des Untersuchungsrichters" der Beschwerdeführer im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt wurde, ist daher mangels Erschöpfung des Instanzenzuges im Rahmen dieses Grundrechtsbeschwerdeverfahrens gar nicht möglich. Im übrigen kann aus Verzögerungen dieser Art eine Grundrechtsverletzung erst dann abgeleitet werden, wenn sie zu einer Unverhältnismäßigkeit der Haft führen, was aber hier - wie zuvor ausgesprochen - noch nicht der Fall war.

Somit ergibt sich, daß durch den in Beschwerde gezogenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz in keinem der Beschwerdepunkte eine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit in Ansehung des Beschuldigten Manfred G***** stattgefunden hat.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Da dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten nur in einem stattgebenden Erkenntnis aufzuerlegen ist (§ 8 GRBG), hatte eine Kostenentscheidung zu entfallen.

Anmerkung

E34355 13D00263

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00026.9300007.0302.000

Dokumentnummer

JJT_19930302_OGH0002_0130OS00026_9300007_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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