TE OGH 1993/3/4 8Ob542/91

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Veröffentlicht am 04.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E.Huber, Dr.Graf, Dr.Rohrer und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf J*****, vertreten durch Dr.Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Erna A*****, und 2. Christine W*****, beide vertreten durch Dr.Christoph Raabe, Rechtsanwalt in Wien, und der den beklagten Parteien beigetretenen Nebenintervenientin V***** Gemeinnützige Wohn- und Siedlungs-Genossenschaft regGenmbH, ***** vertreten durch Dr.Rudolf Fuchs, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 126.347,42 sA, infolge der Rekurse der beklagten Parteien und der Nebenintervenientin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 8.November 1990, GZ 41 R 764/90-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 13.Juni 1990, GZ 8 C 1733/88f-29, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Maria W***** war bis zu ihrem Ableben am 16.7.1986 Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG M***** mit dem Grundstück ***** Baufläche (Haus) B*****gasse 65. Ihr Nachlaß wurde mit Einantwortungsurkunde vom 25.3.1987 ihren aufgrund des Gesetzes unbedingt erbserklärten 3 Töchtern (Helene E***** und den beiden Beklagten) zu je einem Drittel eingeantwortet; aufgrund eines Erbenübereinkommens fiel die genannte Liegenschaft den beiden Beklagten (der Erstbeklagten zu 3/5, der Zweitbeklagten zu 2/5) zu, die sie mit Kaufvertrag vom 9., 15. und 21.7.1987 an Josef G***** veräußerten; als Stichtag für den Übergang der Pflichten und Lasten wurde der 1.7.1987 festgelegt.

Am 6.5.1983 mietete der Kläger von (der durch die Hausverwaltung der Erstbeklagten vertretenen) Maria W***** die Wohnung(en) top. 10/11 im Haus B*****gasse 65 zu einem Hauptmietzins von monatlich S 1.110,-- zuzüglich Betriebskosten; ihm wurde ein Weitergaberecht innerhalb von 5 Jahren ab Vertragsbeginn eingeräumt. Dem Vertrag lag zugrunde, daß im Haus mit der Entscheidung des Magistratischen Bezirksamtes für den

12. Bezirk vom 11.12.1979 eine Mietzinserhöhung gemäß §§ 7,28 Abs.3 MietG für die Zeit vom 1.1.1980 bis 30.6.1989 auf S 20,20 und für die Zeit vom 1.7.1989 bis 31.12.1989 auf S 6,-- je Friedenskrone zur Abdeckung eines für die Instandsetzung des Hauses notwendigen Erfordernisses (inclusive eines Hauptmietzinspassivums) von S 796.337,23 vorgenommen wurde. Danach konnte während der Laufzeit der Mietzinserhöhung keine nennenswerte Mietzinsreserve entstehen.

Im Oktober 1983 begann die Nebenintervenientin als Eigentümerin des Nachbargrundstückes EZ ***** KG M*****, B*****gasse 67, mit der Errichtung eines Neubaues, der an die Feuermauer des Hauses B*****gasse 65 angebaut werden sollte. Infolge dieser Bauführung senkte sich die Feuermauer ab und es entstanden am Haus B*****gasse 65 umfangreiche Schäden, nämlich: Setzungsrisse im Bereich der Feuermauer, Putzrisse an Decken und Wänden, Absenkung von Fußböden, Undichtheiten von Kaminen, Beeinträchtigungen beim Öffnen und Schließen von Türen und Fenstern; die an die Feuermauer grenzende Mietwohnung des Klägers wurde besonders in Mitleidenschaft gezogen. Die Nebenintervenientin bestritt zwar nie die Kausalität zwischen der von ihr vorgenommenen Bauführung und den im Nachbarhaus aufgetretenen Schäden; trotz Einholung von Privatgutachten kam es aber zu keiner Einigung über die Höhe des Ersatzes. Maria W***** erhob am 21.3.1986 beim Landesgericht für ZRS Wien zu 33 Cg 74/86 gegen die (nunmehrige) Nebenintervenientin eine Klage auf Zahlung von Schadenersatz (in Höhe von zuletzt S 386.600,-- sA) und Feststellung der Haftung der (dortigen) beklagten Partei für zukünftig entstehende Schäden aus ihrer Bauführung. Nach Vorliegen des vom gerichtlich bestellten Sachverständigen erstellten Gutachtens, in dem der Sanierungsaufwand für das gesamte Haus B*****gasse 65 mit S 386.600,--, darin die auf die Wohnung des Klägers entfallenden Sanierungskosten mit S 72.402,64 (jeweils netto) und die Sanierungszeit für letztgenannte Wohnung mit 5 Tagen, während der die Wohnung völlig unbenützbar wäre, angegeben wurden, verglichen die (dortigen) Prozeßparteien ihren Streit über das Zahlungsbegehren (einschließlich Verfahrenskosten) mit S 510.000,--; dieser Betrag wurde in zwei Teilbeträgen am 17.3.1987 und am 2.4.1987 an den Rechtsvertreter der dort klagenden Partei bezahlt. Der über das Feststellungsbegehren fortgesetzte Prozeß wurde mittlerweile bis zur Beendigung des vorliegenden Rechtsstreites unterbrochen.

Die Mutter des Klägers wandte sich in dessen Namen mit Schreiben vom 27.8.1985 an die Erstbeklagte (bzw. deren Hausverwaltung), wies darin auf die massiven Schäden und Beeinträchtigungen in der Wohnung des Klägers hin und kündigte ein Schreiben der von ihr kontaktierten "Konsumentenberatung" an. Mit Brief vom 3.9.1985 teilte der Verein für Konsumenteninformation der Hausverwaltung der Erstbeklagten unter anderem mit, daß der Kläger sich an ihn gewandt und von ihm entsprechende - im Schreiben näher dargelegte - Rechtsbelehrung erhalten habe, und forderte die Hausverwaltung auf, ua mit dem Kläger eine gütliche Regelung über die Reparatur der Wohnung und die finanzielle Seite (Mietzinsreduktion, Ersatz für die Mieter) anzustreben. Der Kläger machte allerdings gegen die Vermieter (die Beklagten) nie Mietzinsminderungsansprüche geltend, sondern zahlte nach wie vor den vereinbarten Mietzins; er stellte aber immer wieder das Begehren auf Behebung der in seiner Wohnung aufgetretenen Schäden. Sein Rechtsvertreter erklärte mit Schreiben vom 18.2.1987 gegenüber der Hausverwaltung der Erstbeklagten unter Hinweis darauf, "daß das Bestandobjekt trotz der eingeräumten jahrelangen Frist zur Instandsetzung dem bedungenen Gebrauch nicht entspricht", die sofortige Auflösung des Mietvertrages, forderte überdies Schadenersatz in Höhe von S 357.153,42 und stellte die Räumung des Bestandobjektes mit der Ankündigung in Aussicht, er werde mangels Verfügbarkeit eines Ersatzobjektes seine Fahrnisse (für den Fall der Zustimmung der Hausverwaltung) zur Vermeidung höherer Lagerungskosten vorerst in der Wohnung belassen, dafür aber weder Mietzins noch Benützungsentgelt zahlen. Die Hausverwaltung der Erstbeklagten bezeichnete im Antwortschreiben vom 3.3.1987 den Vertragsrücktritt des Klägers als ungerechtfertigt und lehnte die geltend gemachten Schadenersatzforderungen und Vorschläge ab; sie verwies auf die Schuldlosigkeit der Vermieterseite an den eingetretenen Schäden und bot dem Kläger die Abtretung ihrer Ersatzansprüche gegen die Nebenintervenientin an.

Der Kläger räumte seine Mietwohnung erst am 18.1.1988 und übergab sie dem neuen Eigentümer Josef G*****. Bei einer am 22.1.1988 unter Beteiligung der Vertreterin der Beklagten sowie der Erstbeklagten und einer Angestellten des neuen Eigentümers erfolgten Besichtigung der vom Kläger geräumten Mietwohnung wurden verschiedene Schäden festgestellt und in Farblichtbildern festgehalten. Der neue Liegenschaftseigentümer bestätigte mit Schreiben vom 21.11.1988, er habe den Verkäufern (den Beklagten) für den Fall der ordnungsgemäßen Räumung der klägerischen Wohnung eine Ablösezahlung von S 50.000,-- zugesichert, jedoch bei der Übergabe dieser Wohnung umfangreiche Schäden festgestellt, deren Sanierung S 102.500,-- erfordert habe. Mit Schreiben vom 7.12.1988 trat Josef G***** alle ihm gegen den Kläger gemäß § 1111 ABGB zustehenden Ansprüche an die Beklagten ab. Der Kläger hatte bei der Räumung der Wohnung eine metallene Wohnungseingangstüre hinterlassen, deren Einbau ohne Zustimmung der Vermieterinnen und ohne Veranlassung durch die Bauführung der Nebenintervenientin erfolgt war.

Mit Klage vom 1.4.1987 begehrte der Kläger von den Beklagten Schadenersatz in Höhe von (zuletzt) S 126.347,42 für folgende "frustrierten" Aufwendungen, die bei sofortiger oder doch alsbaldiger Schadensbehebung vermeidbar gewesen wären, nämlich:

1. frustrierte Anschlußgebühr für eine

Elektroheizung                 S 16.995,42

2. Tapezierung                 S  7.000,--

3. Malerei und Anstrich        S  2.000,--

4. Eingangstüre (wegen der Schäden aus Stahl-

blech)                         S  5.000,--

5. Heizkosten für 4 Wintersaisonen (zur Vermei-

dung von Frostbildung) je S 10.000,--

                               S 40.000,--

6. Fahrtkosten für 17 Wochen pro Jahr durch

4 Jahre, weil der Kläger in den Wintermonaten

bei seinen Eltern in Tullnerbach wohnte (pro

Woche 220 km a S 3,70)         S 55.352,--

zusammen                       S 126.347,52.

Das Verschulden der Beklagten liege darin, daß sie über drei Jahre hindurch trotz ständiger Zusage den bedungenen Gebrauch des Bestandobjektes nicht gewährten, obwohl ihnen die Kosten für Malerei, Anstrich und Tapezierung bereits (von der Nebenintervenientin) ersetzt worden seien.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein: Es treffe sie an den am gesamten Haus und am Mietobjekt des Klägers eingetretenen Schäden kein Verschulden, sie hätten im Gegenteil alles versucht, die Schadensbehebung wirtschaftlich zu ermöglichen. Für das Haus sei im Zeitpunkt des Schadenseintritts keine Mietzinsreserve vorhanden gewesen; von der Nebenintervenientin sei erst im Zuge eines Prozesses im März/April 1987 Zahlung erreicht worden. Zwar sei ihnen von der Baubehörde bereits am 19.6.1985 der Auftrag zur Behebung der Schäden erteilt worden, die Frist zur Durchführung dieser Arbeiten sei aber - mit einer Ausnahme - bis 6.9.1987 verlängert worden. Die Hausverwaltung habe dem Kläger keineswegs wiederholt die sofortige Sanierung seiner Wohnung zugesagt, sondern die Sanierung des gesamten Hauses von der zumindest teilweisen Zustandebringung der dazu erforderlichen Mittel (seitens der Nebenintervenientin) abhängig gemacht. Im übrigen seien die Schäden an der Mietwohnung des Klägers nicht derart schwer gewesen, daß eine sofortige Vertragsauflösung berechtigt gewesen wäre. Der Kläger hätte die Wohnung eingeschränkt mit gewissen Vorkehrungen gegen die schadensbedingten Witterungseinwirkungen benützen können, er habe dies tatsächlich auch getan. Der Kläger habe seiner Verpflichtung zur Schadensminderung nicht entsprochen; die Aufwendungen für Heizkosten und Fahrtkosten seien überhöht und nicht zweckmäßig. Den Klageforderungen wurden folgende Gegenforderungen aufrechnungsweise entgegengehalten: Wegen nicht gehöriger Räumung des Mietobjektes ein Betrag an Mietzins bzw. Benützungsentgelt vom Februar bis einschließlich Juli 1987 in Höhe von S 10.315,30; für nach der tatsächlichen Räumung vorhandene Wohnungsschäden, die ihnen vom nunmehrigen Liegenschaftseigentümer abgetreten worden seien, S 80.000,--; eine entgangene Ablösezahlung seitens des nunmehrigen Liegenschaftseigentümers wegen nicht ordnungsgemäßer Räumung der klägerischen Wohnung von S 50.000,--. Gegen den Anspruch des Klägers auf Ersatz von Heizungskosten und Fahrtkosten für länger als 3 Jahre von der Klageeinbringung zurückliegende Zeiträume (also vor dem 1.4.1984) wurde Verjährung eingewendet.

Die der Beklagten beigetretene Nebenintervenientin schloß sich deren Vorbringen an und beantragte ebenfalls die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren aus folgenden rechtlichen Erwägungen ab: Die beklagten Parteien (bzw. deren Rechtsvorgängerin) treffe an den in der Wohnung des Klägers aufgetretenen Schäden kein Verschulden, ihnen sei vielmehr die Beweisführung für ihr fehlendes Verschulden gemäß § 1298 ABGB gelungen. Eine Mangelhaftigkeit des Bestandobjektes könne für sich allein eine Verpflichtung des Bestandgebers zum Schadenersatz nicht begründen. Zwar sei der Vermieter gemäß § 1096 Abs.1 ABGB ohne Rücksicht auf ein Verschulden verpflichtet, das Bestandobjekt auf eigene Kosten in brauchbarem Zustand zu erhalten; die Erhaltungspflicht sei jedoch auf die in den §§ 3 und 4 MRG genannten Arbeiten beschränkt, deren Durchführung dem Vermieter auch nur dann zumutbar sei, wenn die im § 3 MRG vorgesehene Finanzierung gesichert sei. Da im vorliegenden Fall wegen der vorangehenden Mietzinserhöhung keine Mietzinsreserve vorhanden gewesen sei und die weitere Erhöhung des Mietzinses rechtlich nicht durchsetzbar gewesen wäre, seien die Beklagten auf die mittels Schadenersatzklage gegen die schadensverursachende Nebenintervenientin zu erwirkende finanzielle Deckung angewiesen gewesen. Alle diese Umstände seien auch dem Kläger bekannt gewesen. Trotz Kenntnis der aus § 1096 ABGB folgenden Zinsbefreiung habe er stets den vollen Mietzins bezahlt. Die Schadenersatzforderungen des Klägers scheiterten am fehlenden Verschulden der beklagten Parteien. Aus dem Titel "Investitionsersatz" denkbare Ansprüche könnten nicht gegen die Beklagten, sondern nur gegen den im Zeitpunkt der Räumung der Wohnung aktuellen Vermieter (neuen Liegenschaftseigentümer) erhoben werden.

Das Gericht zweiter Instanz hob infolge Berufung des Klägers das Urteil des Erstgerichtes im Umfang des Ausspruchs über S 126.347,42 sA auf (die Teilabweisung des restlichen Klagebegehrens war unangefochten geblieben) und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es vertrat auf der Grundlage der erstinstanzlichen Feststellungen folgende Rechtsansichten:

Im vorliegenden Fall sei wegen der Festlegung des Klägers auf diesen Rechtsgrund allein zu beurteilen, ob die Beklagten dem Kläger schadenersatzpflichtig seien. Dies sei im Grunde zu bejahen: Bei der Verletzung der den Vermieter gemäß § 1096 ABGB treffenden Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung des Bestandobjektes hafte der Bestandgeber über die Zinsbefreiung hinaus für jeden durch die Vernachlässigung dieser Pflicht zur Gebrauchsgewährung verursachten Schaden; hinsichtlich des Verschuldens gelte stets Umkehr der Beweislast. Entgegen der Rechtsauffassung des Erstgerichtes komme es nicht darauf an, ob die Beklagten an der Beschädigung des Mietobjektes ein Verschulden treffe, sondern ob es ihnen gelungen sei, den Entlastungsbeweis dafür zu erbringen, daß sie an der Instandsetzung der Bestandsache ohne ihr Verschulden gehindert gewesen seien. In den Fällen, in denen die Aufbringung der Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung des Bestandobjektes durch den Vermieter, sei es auch durch Schadenersatzansprüche gegen Dritte (wie hier) an sich denkbar sei, habe der Gesetzgeber den Vermieter von seiner vertraglichen Verpflichtung nach § 1096 ABGB nicht entlasten wollen. Dies ließen auch die Bestimmungen des MRG erkennen, die im § 3 Abs.1 ausdrücklich auf § 1096 ABGB verwiesen. Es könne nach den Feststellungen des Erstgerichtes über Art und Umfang der Schäden nicht zweifelhaft sein, daß die im gegenständlichen Objekt aufgetretenen Schäden der Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs.2 Z 1 und 2 MRG unterliegen. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Finanzierung der Erhaltungsarbeiten (entweder in einem Verfahren nach § 18 MRG oder durch Schadenersatzleistung des dritten Schädigers) reiche der Einwand der Beklagten, die Wiederherstellungskosten fänden in den Mietzinseingängen keine Deckung, für die Dartuung mangelnden Verschuldens an der Wiederherstellung nicht aus. Dazu komme noch, daß die Schäden bereits 1983/1984 eingetreten und dennoch bis zur Rücktrittserklärung des Klägers im Februar 1987 nicht behoben worden seien. Die Beklagten treffe daher die grundsätzliche Haftung für die dem Kläger aus der Verletzung der Wiederherstellungspflicht nach § 1096 ABGB entstandenen Schäden.

Allerdings sei zu prüfen, ob die vom Kläger begehrten Beträge für Tapezierung, Malerei und Anstrich, für die Arbeiten an der Eingangstüre und die Anschlußgebühr für eine Elektroheizung überhaupt ersatzfähige Aufwendungen darstellten. Da der Kläger die Gültigkeit des Vertrages (für die Zeit seiner Aufwendungen) behaupte, habe er nur die Möglichkeit gehabt, entweder Erfüllung und Schadenersatz wegen der Verspätung zu begehren oder unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag zu erklären. Im vorliegenden Fall sei das Bestandverhältnis bereits ins Erfüllungsstadium getreten, sodaß für den Kläger als Bestandnehmer, wenn das Bestandobjekt ohne sein Verschulden in einen zum bedungenen Gebrauch ungeeigneten Zustand geraten sei, neben dem Begehren auf Erfüllung die Möglichkeit des Vertragsrücktritts gemäß § 1117 ABGB bestehe. Von dieser Möglichkeit habe der Kläger durch die am 18.2.1987 erfolgte Rücktrittserklärung Gebrauch gemacht; diese Erklärung sei mit Zugang an den Bestandgeber wirksam geworden. Aus der weiteren Erklärung des Klägers, mangels Verfügbarkeit eines Ersatzobjektes werde er - die Zustimmung der Hausverwaltung vorausgesetzt - seine Fahrnisse im Mietobjekt belassen, sei objektiv keine Rücknahme dieser Auflösungserklärung abzuleiten. An der Berechtigung dieses Vertragsrücktrittes gemäß § 1117 ABGB könne auch angesichts der vorliegenden Feststellungen über die Mängel der Mietwohnung des Klägers kein Zweifel bestehen. Im Falle ordnungsgemäßer Vertragserfüllung hätte der Kläger weder den behaupteten Heizkosten- noch den behaupteten Fahrtkostenmehraufwand gehabt. Die dafür geforderten Ersatzbeträge bestünden daher dem Grunde nach zu Recht. Für die Ermittlung der Höhe des Schadenersatzes sei im vorliegenden Fall von Bedeutung, in welchem Verhältnis aufgrund der festgestellten Gebrauchsbeeinträchtigung des Bestandobjektes nach den Grundsätzen des § 1096 ABGB eine Zinsbefreiung (-minderung) eingetreten sei, weil nach diesem Verhältnis der Bestandgeber seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt habe. Im Ausmaß der vom Bestandgeber allerdings erbrachten Leistung sei ein Ersatzanspruch des Klägers nicht gerechtfertigt, weil er in diesem Umfang auch die geschuldete Gegenleistung erhalten habe. Im Fall der Erweislichkeit eines vom Kläger berechtigterweise geforderten Schadenersatzes werde auf die von den Beklagten erhobenen Gegenforderungen einzugehen sein.

Da zur Frage der Ersatzfähigkeit von frustrierten Aufwendungen bei gültigem Vertragsabschluß gesicherte Rechtsprechung fehle, sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen.

Die gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß gerichteten Rekurse der Beklagten sowie der Nebenintervenientin sind zwar zulässig, sie sind aber sachlich nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Mittelpunkt des vorliegenden Verfahrens steht die Frage, ob im Falle eines durch Baumaßnahmen des Grundnachbarn herbeigeführten schwerwiegenden Schadens am Bestandobjekt der dadurch geschädigte Eigentümer als "Bestandgeber" seinen Bestandnehmern nicht bloß verschuldensunabhängig für die Erhaltung des bedungenen oder dem Standard entsprechenden Gebrauches gemäß § 1096 ABGB bzw. § 3 MRG mit der Rechtsfolge der Zinsbefreiung bzw. -minderung, sondern auch schadenersatzrechtlich und daher verschuldensabhängig für die Folgen der Unterlassung der ehestmöglichen Instandsetzung des Mietobjektes und der Gewährung des Gebrauches der Bestandsache haftet. Nur solche Schadenersatzansprüche sind hier Gegenstand des Verfahrens.

Grundsätzlich ist der von der zweiten Instanz geäußerten Rechtsauffassung zuzustimmen, daß eine schadenersatzrechtliche Haftung des Vermieters im Falle der Säumigkeit mit der Erfüllung seiner gegenüber den Mietern bestehenden Erhaltungspflicht in Frage kommt. Im vorliegenden Fall bedarf es aber - im fortgesetzten Verfahren - noch näherer Erörterung und weiterer Feststellungen darüber, zu welchem Zeitpunkt die Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Bestandgeber mit der Erfüllung ihrer gesetzlichen Erhaltungspflicht in Verzug gerieten, weil ihnen nach der ganzen Sachlage, insbesondere nach dem grundsätzlichen Ersatzpflichtanerkenntnis der Nebenintervenientin, die Prozeßführung gegen die Nebenintervenientin und die (wegen des grundsätzlichen Haftungsanerkenntnisses) offenbar risikolose Aufnahme eines die erforderlichen Instandsetzungsarbeiten deckenden Kredites möglich war. Am erforderlichen ausreichenden Vorbringen des Klägers mangelte es im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht der Nebenintervenientin nicht, behauptete doch der Kläger, er habe ständig die Sanierung der Mietwohnung gegenüber den Vermietern urgiert, diese hätten allerdings trotz teilweisen Ersatzes durch die Nebenintervenientin als Schädigerin, die Sanierung bis zuletzt demnach nicht durchgeführt. Urgenzen des Klägers, der ab Eintritt der Schäden in seiner Mietwohnung jahrelang die Sanierung begehrte, sind jedenfalls festgestellt. Dem Vermieter ist dabei allerdings zuzugeben, daß er seine Erhaltungspflichten nicht auf einzelne Mietobjekte allein, sondern auf das gesamte beschädigte Objekt ausdehnt, sodaß für die Abklärung der für die Beschaffung entsprechender Kreditmittel maßgeblichen Umstände die eheste Einholung sachkundigen Rates nötig ist. Jedenfalls kann aber nicht von vorneherein gesagt werde, daß die Beklagten schon ab dem Zeitpunkt der Beschädigungen des Mietobjektes schadenersatzrechtlich haften könnten; in dem von ihrem schuldhaften Verhalten nicht betroffenen Zeitraum muß der Mieter mit den - hier allerdings nicht genutzten - Möglichkeiten der Zinsbefreiung (-minderung) das Auslangen finden.

Dem Gericht zweiter Instanz ist auch darin beizupflichten, daß die beklagten Vermieter gemäß § 1298 ABGB die Behauptungs- und Beweislast fehlenden Verschuldens an der Verhinderung ihrer Erhaltungspflicht trifft, und daß ihnen nach den bisher vorliegenden Verfahrensergebnissen dieser Beweis nicht gelungen ist. In diesem Zusammenhang sind die Beklagten zwar nicht auf die ihnen in der berufungsgerichtlichen Entscheidung angelastete Unterlassung eines Mietzinserhöhungsantrages gemäß §§ 18, 19 MRG zu verweisen, weil hier ohnedies feststeht und für sie jederzeit klar war, daß die Nebenintervenientin für die durch ihre Bauführung verursachten Schäden am Haus der Beklagten dem Grunde nach - anerkanntermaßen - haftet. Gerade diese Rechtslage führte aber nicht zu einer Entlastung der Beklagten von ihrer vertraglichen und gesetzlichen Erhaltungspflicht im Sinne des § 1096 ABGB und des § 3 MRG, sodaß sie gemäß § 1298 ABGB den Beweis zu erbringen gehabt hätten, an der Erfüllung dieser Pflicht ohne ihr Verschulden verhindert gewesen zu sein (vgl. MietSlg. 39/11 ua). Bloß durch den Hinweis auf die fehlende Mietzinsreserve wegen der für das Mietobjekt bereits bis Ende 1989 (im Rahmen allgemeiner Erhaltungsarbeiten) durchgeführter Mietzinserhöhung konnten sie diesen Beweis bei der gegebenen Sachlage allerdings nicht erbringen.

Dem Berufungsgericht ist auch in der Beurteilung zu folgen, daß der Kläger wegen der von den Beklagten nachhaltig unbehobenen Untauglichkeit des Mietobjektes zum bedungenen Gebrauch im Sinne des § 1117 ABGB berechtigt vom Mietvertrag zurückgetreten ist; nach der dargestellten Sachlage muß verneint werden, daß dies für die Beklagten überraschend oder gar grundlos (wie sie in ihrem Rechtsmittel behaupten) erfolgt ist.

Es handelt sich bei den verbliebenen Ersatzansprüchen des Klägers aber auch nicht um - im Hinblick auf das Bestehen des Bestandvertrages - frustrierte Aufwendungen im Sinne der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung SZ 53/173 (= JBl. 1981, 537), sondern um den Ersatz der zur Abwehr, Begrenzung oder Verhinderung der schweren Schäden am Mietobjekt aufgewendeten Kosten (Heizmehrkosten incl. Anschlußgebühr der Elektroheizung, Fahrtmehrkosten, Malerei, Tapezierung und Befestigung der Eingangstüre), die dem Kläger wegen der eingeschränkten Verfügbarkeit und Gebrauchsmöglichkeit des Mietobjektes - nach seinen Behauptungen - erwachsen seien. Den Rechtsmittelwerbern ist allerdings zuzugeben, daß der Kläger bei der Ermittlung dieser Auslagen sich seine Pflicht zur Schadensminderung entgegenhalten lassen muß, die unter Umständen (falls eine gesonderte Schadensbehebung überhaupt möglich war) eine Schadensbehebung (nach entsprechender Aufforderung und Androhung) auf eigene Kosten oder etwa - nach entsprechender Ankündigung und nach Fristsetzung zur Mängelbehebung - die Bestandnahme eines vergleichbaren Bestandobjektes anstelle des jahrelangen Zuwartens und der Aufwendung erheblicher Kosten hätte geboten erscheinen lassen. Über diese Umstände werden im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien Erörterungen vorzunehmen und entsprechende Feststellungen zu treffen sein.

Sollten danach berechtigte Schadenersatzforderungen des Klägers bestehen, wird einerseits der Verjährungseinwand der Beklagten zu behandeln und andererseits auf die eingewendeten, das verbliebene Klagebegehren übersteigenden Gegenforderungen der Beklagten einzugehen sein.

Im Ergebnis erweisen sich daher die Rekurse der Beklagten sowie der Nebenintervenientin als nicht berechtigt, wenngleich sie zu einer weiteren rechtlichen Klärung der Streitsache beigetragen haben, sodaß gemäß § 52 Abs.1 ZPO ein Rekurskostenvorbehalt auszusprechen war.

Anmerkung

E31303

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0080OB00542.91.0304.000

Dokumentnummer

JJT_19930304_OGH0002_0080OB00542_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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