Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei E***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Fritz Schuler, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagten Parteien und Gegnerinnen der gefährdeten Partei 1.
"D*****gesellschaft mbH & Co KG, 2. "D*****gesellschaft mbH, beide ***** beide vertreten durch Dr.Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000) infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 15.Dezember 1992, GZ 2 R 325/92-7, womit infolge Rekurses der Klägerin der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 28. September 1992, GZ 3 Cg 381/92f-3, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Medieninhaberin der Wochenzeitung "Wann & Wo". Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der Wochenzeitung "Das Kleine Blatt"; die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.
Auf Seite 26 der Ausgabe des "Kleinen Blattes" vom 6.8.1992 ist folgende Anzeige veröffentlicht:
Nach den Medienanalysen "Optima 1990/91" und "Optima 1991/92" hatte das "Kleine Blatt" im Erhebungszeitraum Juni 1990 bis Mai 1991 170.000 Leser; die Zeitschrift "Wann & Wo" 198.000 Leser; im Erhebungszeitraum Juni 1991 bis Mai 1992 wurde das "Kleine Blatt" von 189.000 Personen gelesen, die Zeitschrift "Wann & Wo" von 211.000 Personen. Andere Zeitungen, darunter die auch am Sonntag erscheinende Tageszeitung "Neue Vorarlberger Tageszeitung", hatten im Vergleichszeitraum Leser verloren.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung im geschäftlichen Verkehr Behauptungen des Inhalts "Es gibt Zeitungen,
die trotz Sonntagsausgaben ... laufend Leser verlieren. Und es gibt
'Das Kleine Blatt' ... mit neuem Reichweiten-Rekord" zu untersagen.
Die in das Urteilsbegehren aufgenommenen Ankündigungen seien sittenwidrig, unwahr und zur Irreführung geeignet. Die Wochenzeitung "Wann & Wo" verliere nicht laufend Leser; sie habe mehr Leser als das "Kleine Blatt". Die Behauptung der Beklagten, einen Reichweitenrekord zu halten, sei unzulässige Alleinstellungswerbung (ON 1).
Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Es gebe Zeitungen, die trotz Sonntagsausgaben oder Großauflagen Leser verlieren. Die Behauptung "Mit neuem Reichweitenrekord" beziehe sich für jedermann erkennbar auf das "Kleine Blatt"; mit ihr werde die Reichweite des "Kleinen Blattes" nicht mit der einer anderen Zeitung verglichen (ON 2).
Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Es fehle jeder Hinweis darauf, daß die Wochenzeitung "Wann & Wo" mit der Behauptung gemeint sei, es gebe Zeitungen, die trotz Sonntagsausgaben oder Großauflagen Leser verlieren. Andere Zeitungen, wie zB die "Neue Vorarlberger Tageszeitung", welche ebenfalls am Sonntag erscheine und fallweise Großauflagen habe, hätten tatsächlich Leser verloren. Die Behauptung, das "Kleine Blatt" habe einen neuen Reichweitenrekord erreicht, sei richtig. Aus den Einschaltungen ergebe sich hinreichend klar, daß damit kein "Rekord" gegenüber anderen Wochenzeitungen behauptet werde.
Infolge Rekurses der Klägerin änderte das Erstgericht den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß es die einstweilige Verfügung hinsichtlich der Behauptung "Und es gibt 'Das Kleine Blatt' - mit neuem Reichweitenrekord!" erließ; im übrigen bestätigte es die abweisende Entscheidung des Erstgerichtes. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Zeitung "Wann & Wo" sei durch die Werbeeinschaltung weder erkennbar betroffen noch wenigstens mitbetroffen. In Vorarlberg gebe es zumindest eine Tageszeitung, die auch am Sonntag erscheine und Leser verliere. Die Behauptung, das "Kleine Blatt" habe einen neuen Reichweitenrekord aufgestellt, sei zur Irreführung geeignet. Mit "Rekord" werde eine Best- oder Höchstleistung bezeichnet; mit ihr sei stets ein Vergleich mit anderen Ergebnissen verbunden. Dieser Vergleich könne sich auf eigene Leistungen oder auf Leistungen anderer beziehen. Welcher der beiden Vergleichsmaßstäbe gemeint ist, könne nur dem Zusammenhang entnommen werden. In der Werbeeinschaltung sei nicht klargestellt, ob sich die Behauptung auf eigene oder auf fremde Leistungen bezieht. Aus dem Zusammenhang sei eher auf einen Vergleich mit den Leistungen anderer zu schließen. Die beanstandete Behauptung sei daher eine unwahre und irreführende Alleinstellungswerbung.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsmittelwerber behaupten, daß in der beanstandeten Einschaltung ein Reichweitenrekord "für" das "Kleine Blatt" in Anspruch genommen werde; damit werde in aller Deutlichkeit klargestellt, daß sich der Reichweitenrekord auf die bisherige Reichweite des "Kleinen Blattes" beziehe. Das gelte selbst dann, wenn von der ungünstigsten Auslegung ausgegangen werde.
Die Beklagten haben - nach einem Hinweis auf Zeitungen, die gefördert werden, und auf solche, die laufend Leser verlieren - in der beanstandeten Einschaltung behauptet, daß es das "Kleine Blatt" mit "neuem Reichweitenrekord" gebe. Daß sie an anderer Stelle einen neuen Reichweitenrekord "für" das "Kleine Blatt" in Anspruch genommen hat, vermag daran nichts zu ändern, daß auch die erste von der Klägerin beanstandete Einschaltung der Entscheidung zugrunde zu legen ist.
Die Beklagten haben mit der genannten Werbeaussage eine Spitzenstellung für das "Kleine Blatt" behauptet. Wer eine Spitzenstellung für sich in Anspruch nimmt, bringt damit zugleich die Überlegenheit seines Unternehmens oder seiner Erzeugnisse gegenüber allen anderen Branchenangehörigen zum Ausdruck (ÖBl 1991, 74; ÖBl 1977, 166; ÖBl 1975, 146; ÖBl 1975, 57). Alleinstellungswerbung ist daher in erster Linie nach § 2 UWG zu beurteilen; sie ist
wettbewerbsrechtlich nur dann zu beanstanden, wenn die ernstlich und
objektiv nachprüfbar behaupteten Umstände nicht den Tatsachen
entsprechen oder die Ankündigung sonst zur Irreführung geeignet ist (ÖBl 1991, 74; ÖBl 1991, 80; ÖBl 1990, 113 ua).
Unstrittig ist, daß das "Kleine Blatt" weniger Leser als "Wann & Wo" hat. Die beanstandete Werbeaussage ist daher zur Irreführung geeignet, wenn sie als Behauptung eines Reichweitenrekordes gegenüber anderen Publikationen zu verstehen ist.
Die Rechtsmittelwerber verkennen nicht, daß der Werbende bei mehrdeutigen Ankündigungen die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muß (stRsp ÖBl 1991, 74 mwN). Maßgeblich ist die Verkehrsauffassung, nämlich der Eindruck, der sich bei auch nur flüchtigem Lesen für den Durchschnittsinteressenten ergibt (WBl 1991, 397; WBl 1991, 203; ÖBl 1974, 117).
Die Beurteilung der Wirkung einer Ankündigung auf die angesprochenen Verkehrskreise ist nach ständiger Rechtsprechung eine Rechtsfrage, soweit dazu - wie hier - die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen (WBl 1991, 203; ÖBl 1990, 170 und 176 uva). Die Beklagten nehmen für ihre Zeitung einen "Reichweitenrekord" in Anspruch. Unter einem "Rekord" versteht man eine Höchstleistung, also etwas, das es in dieser Größe, in diesem Ausmaß oä bisher noch nicht gegeben hat (s. Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Band 5, 351). Einen "Reichweitenrekord" stellt somit auf, wer die bisher meisten Leser hat. Die Werbeaussage der Beklagten kann daher jedenfalls auch dahin verstanden werden, daß die Reichweite ihrer Zeitung die von Konkurrenzerzeugnissen übertrifft; es wird damit nicht bloß behauptet, die Zeitung habe ihre bisher weiteste Verbreitung erreicht. Das gilt im übrigen auch dann, soweit ein Reichweitenrekord "für" das "Kleine Blatt" in Anspruch genommen wird. Auch in diesem Fall bedeutet "Rekord" jedenfalls auch eine Spitzenstellung gegenüber anderen; mit der Aussage "für" das "Kleine Blatt" wird nur erläutert, welche Druckschrift die Spitzenstellung erreicht hat.
Der Revisionrekurs mußte somit erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO.
Anmerkung
E30810European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0040OB00014.93.0309.000Dokumentnummer
JJT_19930309_OGH0002_0040OB00014_9300000_000