TE OGH 1993/3/9 5Ob121/92

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Veröffentlicht am 09.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Claudia M*****, Büroangestellte, ***** vertreten durch Dr.Herwig Ernst, Rechtsanwalt in Korneuburg, wider die beklagte Partei Eva P*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Richard Schwach, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen S 100.000,- s.A., infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 4.Mai 1992, GZ 17 R 92/92-13, womit aus Anlaß des Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg vom 26.Feber 1992, GZ 16 Cg 3/92-8, das bisherige Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges an das Bezirksgericht Korneuburg überwiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt die Zahlung von S 100.000,- Zug um Zug gegen Übergabe diverser Einrichtungsgegenstände mit der Begründung, sie habe am 25.6.1991 diesen Betrag der Beklagten (als Vormieterin der Wohnung Korneuburg, *****) für Möbel und Investitionsablöse übergeben. Die übernommenen Möbel und praktisch wertlosen Investitionen rechtfertigten jedoch keineswegs die Zahlung eines über S 30.000,- liegenden Betrages. Es werde daher Verletzung über die Hälfte geltend gemacht (Klage ON 1).

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendete unter anderem ein, die von der Klägerin übernommenen Investitionen würden den Wert von S 50.000,- übersteigen.

Das Erstgericht bewilligte mit Beschluß vom 26.2.1992 der Klägerin die Verfahrenshilfe (ON 8).

Das Rekursgericht hob aus Anlaß des von der Beklagten gegen den Beschluß ON 8 erhobenen Rekurses das bisherige Verfahren als nichtig auf, überwies die Klage wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges an das Bezirksgericht Korneuburg (zur Entscheidung im Verfahren außer Streitsachen) und hob die Kosten des nichtigen Verfahrens gegenseitig auf. Aus der für das Gericht bindenden Klagserzählung ergebe sich, daß in dem eingeklagten Betrag eine nicht dem wahren Wert der tatsächlichen übernommenen Investitionen entsprechende Ablöse enthalten sei. Daraus und aus dem Vorbringen der Beklagten ergebe sich, daß eine Streitigkeit über eine verbotene Ablöse im Sinne des § 27 MRG vorliege. Eine solche Streitigkeit sei gemäß § 37 Abs 1 Z 14 MRG idF BGBl 1991/68 im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, ihn aufzuheben und dem Rekursgericht die Sachentscheidung über ihren Rekurs gegen den Beschluß ON 8 aufzutragen.

Die Klägerin begehrt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

a) Zur Zulässigkeit:

Der Beschluß des Rekursgerichtes erging im streitigen Verfahren. Die

Zulässigkeit seiner Anfechtung richtet sich daher nach den

Vorschriften der ZPO,  wenngleich in dem angefochtenen Beschluß  die

Zulässigkeit des streitigen Verfahrens verneint und demgemäß die

Überweisung in das Verfahren außer Streitsachen ausgesprochen wurde

(vgl.  EvBl 1991/85 mwN).  Für solche Beschlüsse wurde schon vor der

Wertgrenzennovelle 1989 in berichtigender Auslegung des § 528 Abs 2 ZPO in der damaligen Fassung die Anfechtbarkeit im Sinne des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO in der damaligen Fassung ausgesprochen (SZ 59/28). Diese Rechtsansicht wurde auch nach der Neufassung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO und des § 528 ZPO durch die WGN 1989 für Beschlüsse des Berufungsgerichtes betreffend die Überweisung der Klage in das Verfahren außer Streitsachen aufrechterhalten und insbesondere auch damit begründet, daß das Gericht zweiter Instanz gleichsam als erste Instanz abschließend über die Zurückweisung - und die ihr gleichzusetzende Überweisung - entscheide (EvBl 1991/62).

In der hier zu entscheidenden Rechtssache erging der angefochtene Beschluß allerdings in einem Rekursverfahren. Nach dem Wortlaut des § 528 Abs 2 ZPO idF vor der WGN 1989 war der Revisionsrekurs gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 ZPO in der damals geltenden Fassung gegeben waren (erhebliche Rechtsfrage; Wert des Streitgegenstandes über S 300.000,-). Zur Vermeidung eines Wertungswiderspruches (andere Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Anfechtbarkeit eines berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses als für einen rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß) sah sich die Rechtsprechung daher zu einer berichtigenden Auslegung des § 528 ZPO im Sinne einer Gleichbehandlung mit § 519 Abs 1 Z 2 ZPO (in der damals geltenden Fassung) veranlaßt (SZ 59/28).

Auch nach der derzeit geltenden Regelung wäre nach dem Wortlaut des § 528 Abs 1 und 2 Z 1 und 2 ZPO die Zulässigkeit des Revisionsrekurses vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und einem Streitwert bestimmter, wenn auch geringerer Höhe als seinerzeit abhängig. Die in SZ 59/28 für eine berichtigende Auslegung des § 528 ZPO angeführten Gründe sind daher nach Meinung des erkennenden Senates weiterhin gegeben. Der hier zu beurteilende Beschluß des Rekursgerichtes ist daher ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und ohne Rücksicht auf den Streitwert anfechtbar, wie das Rekursgericht zutreffend ausführte.

Das Fehlen einer entsprechenden Regelung im Verfahren außer Streitsachen (§§ 14 ff AußStrG) und die Verneinung einer analogen Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO auf im Verfahren außer Streitsachen ergangene Beschlüsse des Rekursgerichtes (RZ 1991, 123/34), mit denen - wenn auch nur aus Anlaß eines Rekurses - der Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben und der diesem zugrundeliegende Antrag einer Partei zurückgewiesen wurde, hat wegen der jeweils abschließenden Regelung des Rechtsmittelverfahrens in den betreffenden Verfahrensgesetzen (ZPO und AußStrG) hier keine andere Beurteilung dieses Problems zur Folge.

b) Zur Sachentscheidung:

Der Oberste Gerichtshof beschäftigte sich in der in EvBl 1975/297 veröffentlichten Entscheidung mit der Frage, ob in einem Inzidenzstreit (dort wie hier: Entscheidung über die Bewilligung der Verfahrenshilfe) eine außerhalb des Gegenstandes des Rekursverfahrens wahrgenommene Nichtigkeit, nämlich eine solche des Hauptverfahrens, beachtet werden könnte, und verneinte dies nach ausführlicher Auseinandersetzung mit Lehre und Rechtsprechung im wesentlichen mit folgender Begründung, die auch der erkennende Senat für überzeugend erachtet.

Jedes Rechtsmittel ist nur auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gerichtet. Im Falle einer Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache hat das Rechtsmittelgericht zunächst zu prüfen, ob die prozessualen Voraussetzungen für die Prüfung der Sachentscheidung selbst gegeben sind; dies wäre nicht der Fall, wenn das Urteil oder das diesem vorangegangene Verfahren an einer Nichtigkeit litte. Wie jedoch die Wahrnehmung einer die Hauptsache betreffenden Nichtigkeit ein in der Hauptsache selbst ergriffenes zulässiges Rechtsmittel voraussetzt, kann im Falle eines Zwischenstreites nur ein diesen Zwischenstreit betreffender Nichtigkeitsgrund wahrgenommen werden, nicht aber ein Nichtigkeitsgrund, der den Zwischenstreit selbst nicht, sondern nur das Verfahren in der Hauptsache betrifft. Die Hauptsache betreffen allerdings auch die Fortsetzung des Verfahrens über die Hauptsache betreffende Inzidenzstreite (EvBl 1975/297; SZ 59/28:

Unterbrechungsbeschluß).

Entscheidungen über die Bewilligung der Verfahrenshilfe betreffen weder die Hauptsache noch sind sie auf den Fortgang des Verfahrens von unmittelbaren Einfluß (§ 73 Abs 1 ZPO). Daran ändern auch die Regelungen der §§ 73 Abs 2, 464 Abs 3, 505 Abs 2 und 521 Abs 3 ZPO betreffend den Beginn des Fristenlaufes im Falle eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe nichts, weil durch diese Bestimmungen lediglich an die Tatsache der Entscheidung (welchen Inhaltes immer) über die Verfahrenshilfe der Beginn des Fristenlaufes geknüpft wird:

Der Fortgang des Verfahrens selbst ist unabhängig vom Inhalt der Entscheidung über die Bewilligung der Verfahrenshilfe.

Richtigerweise hätte daher das Rekursgericht einen die Hauptsache betreffenden Nichtigkeitsgrund im Rahmen der Entscheidung über einen Rekurs betreffend die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht wahrnehmen dürfen. Dies hat die ersatzlose Aufhebung des nur die Wahrnehmung eines solchen Nichtigkeitsgrundes betreffenden Beschlusses des Rekursgerichtes zur Folge. Damit befindet sich das Verfahren wieder in jenem Stadium, in dem es sich beim Rekursgericht vor Fassung des nunmehr aufgehobenen Beschlusses befand. Das Rekursgericht wird daher über das ihm vorgelegte Rechtsmittel, über

das es noch nicht entschied, zu befinden haben, ohne daß ihm dies

vom Obersten Gerichtshof spruchmäßig aufgetragen werden könnte. Der Oberste Gerichtshof entscheidet nämlich nicht über ein Rechtsmittel im Zwischenstreit betreffend die Bewilligung der Verfahrenshilfe und wäre wegen der umfassenden Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs 2 Z 4 ZPO niemals zu einer solchen Entscheidung berufen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO. Der Oberste Gerichtshof traf keine Entscheidung über einen vom Ausgang der Hauptsache unabhängigen Gegenstand (zB Zwischenstreit im Sinne des § 40 a ZPO), sondern beseitigte ersatzlos eine vom Rekursgericht in Überschreitung seiner funktionellen Zuständigkeit getroffene Entscheidung betreffend das Verfahren in der Hauptsache.

Anmerkung

E34656

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0050OB00121.92.0309.000

Dokumentnummer

JJT_19930309_OGH0002_0050OB00121_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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