TE OGH 1993/3/10 13Os34/93

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Veröffentlicht am 10.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.März 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Massauer, Dr.Markel und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr.Franz Heribert P***** wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (aF), AZ 37 Vr 3.300/86 des Landesgerichtes Innsbruck, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 22. Dezember 1992, AZ 7 Bs 490/92 (= ON 49 der Strafakten), nach Anhörung des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, in öffentlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 22.Dezember 1992, AZ 7 Bs 490/92 (= ON 49 der Strafakten), ist das Gesetz in der Bestimmung des § 1 Abs. 1 (iVm § 108 Abs. 2) StGB verletzt.

Dieser Beschluß wird aufgehoben. Gemäß dem § 292 StPO wird in der Sache selbst erkannt:

Der Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Dr.Franz Heribert P***** wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 9.Jänner 1987 (rechtskräftig seit 18.März 1987), GZ 37 Vr 3.300/86-18, des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (aF) schuldig erkannt und zu einer für eine Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt. Er hatte in der Absicht, der Republik Österreich in ihrem Recht auf Zulassung von Personen zur Rechtsanwaltsprüfung einen Schaden zuzufügen, Beamte durch Täuschung über Tatsachen zu seiner Zulassung zur Prüfung zu verleiten versucht, indem er am 21.Juli 1986 ein Gesuch an das Präsidium des Oberlandesgerichtes Innsbruck um Zulassung zur Prüfung unter Vorlage von vier Bestätigungen oberösterreichischer Rechtsanwälte über Praxiszeiten vorlegte, die bereits mit Bescheid der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer mangels seiner Vertrauenswürdigkeit als gegenstandslos erklärt worden waren bzw. indem er es unterließ, auf diesen Bescheid hinzuweisen.

Mit Beschluß vom 25.April 1989 wies das Landesgericht Innsbruck den Antrag des Verurteilten auf endgültige Strafnachsicht im Hinblick auf ein gegen ihn anhängiges neues Strafverfahren zunächst zurück (S 113), sprach aber mit Beschluß vom 24.November 1992, GZ 37 Vr 3.300/86-44, die endgültige Strafnachsicht mit der Begründung dann doch aus, daß die urteilsgegenständliche Täuschung seit dem Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 am 1.März 1988 nicht mehr gerichtlich strafbar ist. In Stattgebung der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob das Oberlandesgericht Innsbruck mit Entscheidung vom 22.Dezember 1992, AZ 7 Bs 490/92 (= ON 49), den angefochtenen Beschluß auf, wobei es die Auffassung vertrat, daß - anders als in dem der im angefochtenen Beschluß zitierten Entscheidung (JBl. 1989, 123) zugrunde gelegenen Fall, bei dem es um den nachträglichen Ausspruch einer Strafe ging (§ 13 Abs. 2 JGG 1961) - hier eine bereits festgesetzte Strafe bloß vorläufig nicht vollzogen worden ist, weshalb die inzwischen eingetretene Gesetzesänderung einem allfälligen (späteren) Widerruf der bedingten Strafnachsicht nicht entgegenstehe (S 154).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck steht - wie der Generalprokurator in seiner deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Seit dem Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 am 1. März 1988 ist eine Täuschung, die zur Schädigung eines Hoheitsrechtes führt, nicht mehr gerichtlich strafbar (§ 108 Abs. 2 StGB nF). Dem Gesetzlichkeitsprinzip (§ 1 StGB) zufolge darf ab diesem Zeitpunkt wegen eines solchen aus dem Rechtsbestand ausgeschiedenen Deliktes weder eine Verurteilung erfolgen noch eine Unrechtssanktion (Strafe oder vorbeugende Maßnahme) verhängt werden (ÖJZ-LSK 1979/166; JBl. 1989/123). Zur Verhängung einer Strafe im Sinne des § 1 Abs. 1 StGB gehören aber auch alle den Täter beschwerenden richterlichen Beschlüsse im Zusammenhang mit einer bedingten Strafnachsicht oder bedingten Entlassung, sohin alle Maßnahmen, die entweder sofort zu einer (bis dahin nicht angeordneten) Vollstreckung der Strafe führen oder doch künftig eine derartige Entscheidung ermöglichen. Solche Anordnungen dürfen mithin nur dann getroffen werden, wenn die verfahrensgegenständliche Tat noch unter eine gesetzliche Strafdrohung fällt (JBl. 1991, 325). Nach dem Inkrafttreten des § 108 Abs. 2 StGB idF BGBl. 1987/605 hätte demnach ein Widerruf der bedingten Strafnachsicht keinesfalls mehr erfolgen können. Solcherart lagen aber die Voraussetzungen für eine Endgültigerklärung der bedingten Strafnachsicht vor (§ 48 Abs. 3 StPO).

Die sohin gesetzwidrige und den Verurteilten belastende Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck war daher zu kassieren und zugleich der ihr zugrundeliegenden Beschwerde der Staatsanwaltschaft ein Erfolg zu versagen (§ 292, letzter Satz, StPO).

Anmerkung

E34363

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00034.9300006.0310.000

Dokumentnummer

JJT_19930310_OGH0002_0130OS00034_9300006_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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