Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.März 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kirschbichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Sylvia S***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2, 130, erster und vierter Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Kreis-(nunmehr Landes-)gerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 4.November 1992, GZ 8 Vr 794/92-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, der Angeklagten und des Verteidigers Dr.Essenther, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem bekämpften, auch einen unangefochten gebliebenen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Sylvia S***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2, 130, erster und vierter Fall, StGB schuldig erkannt.
Darnach hat sie fremde bewegliche Sachen nachgenannten Personen mit dem Vorsaz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie die Diebstähle teilweise durch Einbruch in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar
I. im Februar und März 1992 in St.Peter am Hart
a) der Antonia H***** zwei Halsketten samt Anhänger, ein Damenarmband, einen Anhänger, zwei Ohrringe sowie vier Damenringe im Gesamtwert von ca. 10.000 S,
b) der Claudia H***** einen vergoldeten Damenring mit Brillantsplitter im Wert von ca. 350 S sowie zwei Bilder in unbekanntem Wert;
II. im Juni und Juli 1992
1. der Evelyne K***** (zu b) richtig allerdings: Betreibern von Geldausgabeautomaten - s. Leukauf-Steininger Komm.3 § 127 RN 47 a, 47
c)
a) in Braunau in zahlreichen Zugriffen ein mit Diamanten und Smaragden besetztes Platin-Kollier, zwei Goldketten samt Anhänger, eine silberne Taschenuhr, ein goldenes Gliederarmband, eine Modebrosche und ein Schreibset im Gesamtwert von ca. 103.500 S,
b) in Braunau und Mattighofen in 14 Zugriffen Bargeld im Betrag von (insgesamt) 70.000 S durch Behebung von einem (richtig: mehreren) Bankomaten mittels einer entfremdeten Bankomatkarte;
2. dem Marco K*****
a) in mehreren Zugriffen 29 Gold- und Silbermünzen im Wert von ca. 23.300 S aus dessen Bettkästchen mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel,
b) eine Sparbüchse mit ca. 2.500 S Bargeld;
3. dem N. K***** eine Herrenarmbanduhr in unbekanntem Wert.
Die Angeklagte bekämpft mit ihrer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit. a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde lediglich den Schuldspruch laut Punkt II.2. des Urteilssatzes sowie die Annahme der Qualifikation des § 129 Z 2 StGB im Schuldspruchfaktum II.2.a und jene der Qualifikation des Diebstahls (insgesamt) nach § 128 Abs. 1 Z 4 StGB.
Unbegründet ist der in der Mängelrüge (Z 5) erhobene Vorwurf einer Aktenwidrigkeit in bezug auf den in Ansehung der Diebstähle zum Nachteil des Marco K***** (Punkt II.2. des Schuldspruchs) festgestellten Tatzeitraum (Juni und Juli 1992), welche die Beschwerdeführerin darin erblickt, daß der Zeugin Evelyne K***** das Fehlen von Münzen und der Sparbüchse "sehr bald" nach Beginn des - von der Angeklagten Anfang Mai 1992 angetretenen (S 27, 35) - Beschäftigungsverhältnisses aufgefallen sei (S 76).
Damit wird jedoch keine Aktenwidrigkeit im Sinne des geltendgemachten Nichtigkeitsgrundes dargetan, weil eine solche nur darin bestehen könnte, daß im Urteil der Inhalt einer Urkunde oder einer Aussage unrichtig wiedergegeben wird (Mayerhofer-Rieder, StPO3 § 281 Z 5 E 185), was indes von der Beschwerde gar nicht behauptet wird.
Es wird damit aber auch kein sonstiger formaler Begründungsmangel in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO zur Darstellung gebracht, denn der Aussage der genannten Zeugin läßt sich nicht entnehmen, daß sie den von ihr verwendeten unbestimmten Zeitbegriff ("sehr bald nach ...") ausschließlich auf den Monat Mai 1992 bezogen hätte. Dazu kommt, daß die Angeklagte selbst in ihren Vernehmungen vor der Gendarmerie und in der Hauptverhandlung angegeben hat, im Mai 1992 bei der Familie K***** nichts gestohlen, sondern Diebstähle - wie letztlich im Urteil angenommen - nur im Juni und Juli 1992 verübt zu haben (S 35, 78).
Abgesehen davon betreffen die Begehungszeiten der in Rede stehenden diebischen Angriffe gar keine für deren rechtliche Beurteilung entscheidende Tatsache im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO (Mayerhofer-Rieder aaO § 281 Z 5 E 26 ua).
Den weiteren Ausführungen der Mängelrüge zuwider ist aber auch das zu Punkt II.2.a des Schuldspruchs festgestellte Öffnen des versperrten Bettkästchens mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel (§ 129 Z 2 StGB) formal mängelfrei begründet. Denn das Erstgericht stützte sich bei dieser Urteilsfeststellung auf die als glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin Evelyne K***** über die Gepflogenheit ihres Sohnes, seine Münzen in einem versperrten "Bettkästchen" zu verwahren (S 76), wobei es auch die von der Zeugin eingeräumte Möglichkeit einer einmaligen ungesicherten Verwahrung der Münzen berücksichtigte, jedoch aus der Möglichkeit eines von der Angeklagten bei dieser Gelegenheit verübten (ersten) Diebstahls durchaus denkfolgerichtig ableitete, daß der Knabe danach um so sorgfältiger auf ein jeweiliges Versperrthalten seiner Münzsammlung bedacht gewesen sein mußte (US 6 f). In den Entscheidungsgründen kommt auch klar zum Ausdruck, auf Grund welcher Erwägungen das Schöffengericht die leugnende Verantwortung der Angeklagten als widerlegt erachtete. Die bekämpfte Urteilsfeststellung beruht demnach keineswegs - wie dies die Beschwerdeführerin einwendet - auf einer willkürlichen Annahme, sondern auf denkrichtigen Überlegungen des Erstgerichtes. Soweit die Beschwerde diese Folgerungen für nicht überzeugend hält und aus den vorliegenden Beweisergebnissen für die Beschwerdeführerin günstigere Schlüsse zu ziehen trachtet, zieht sie bloß in unbeachtlicher Weise nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes in Zweifel.
Auch mit dem gegen den Schuldspruch Punkt II.2.b - Diebstahl einer Sparbüchse mit ca. 2.500 S Bargeld - gerichteten Beschwerdevorbringen vermag die Beschwerdeführerin formale Begründungsmängel (Z 5) nicht aufzuzeigen. Sie versucht bloß - erneut nach Art einer Schuldberufung - durch Hervorheben einiger Details aus den Verfahrensergebnissen Argumente für die Richtigkeit ihrer diesen Diebstahl bestreitenden Verantwortung zu gewinnen und daraus abzuleiten, das Erstgericht habe ihre Täterschaft ohne ausreichende Beweisgrundlage angenommen. Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand einer unzureichenden Befragung der Zeugin Evelyne K***** und der unterbliebenen Vernehmung des Marco K***** stellt sich der Sache nach als Verfahrensrüge (Z 4) dar, zu deren Geltendmachung die Beschwerdeführerin aber nicht legitimiert ist, weil von ihr in der Hauptverhandlung Anträge auf ergänzende Vernehmung der Evelyne K***** und auf Vernehmung des Marco K***** gar nicht gestellt wurden. Im übrigen übersieht die Beschwerde, daß für das Erstgericht im Hinblick auf die für glaubwürdig beurteilten Bekundungen der Zeugin Evelyne K*****, die eine durchaus tragfähige Grundlage für den bekämpften Schuldspruch darstellten, kein Anlaß bestand, weitere Beweise über deren Verläßlichkeit aufzunehmen. Nicht zielführend ist schließlich angesichts der rechtlichen Unerheblichkeit des Tatzeitpunktes die Beschwerdebehauptung, daß nach den Angaben der genannten Zeugin der Diebstahl der Sparbüchse bereits im Mai 1992 erfolgt sei.
In Ausführung der Rechts- und Subsumtionsrügen (Z 9 lit. a und 10) weicht die Beschwerdeführerin weitgehend von den Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Urteils ab. Zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes ist jedoch das Festhalten an der Gesamtheit der Urteilsannahmen und deren Vergleich mit dem darauf angewendeten Strafgesetz erforderlich. Dagegen verstößt die Beschwerdeführerin, indem sie die Feststellungen im Ersturteil über ihre Täterschaft (bezüglich des Sparbüchsendiebstahles) und über das Vorliegen eines Sperrverhältnisses (US 7) übergeht und Sachverhaltselemente zu ihren Gunsten verändert. Insoweit sind demnach die Rechts- und Subsumtionsrügen nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.
Mit dem Einwand, die der Beschwerdeführerin angelasteten Diebstähle hätten - weil die einzelnen gestohlenen Sachen jeweils nicht den im § 128 Abs. 1 Z 4 StGB normierten Wert erreichten (richtig: überstiegen) - nicht dieser Qualifikation unterstellt werden dürfen, wird die Subsumtionsrüge zwar gesetzmäßig ausgeführt, indes die Rechtslage verkannt:
Gemäß § 29 StGB sind alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Diebstähle, mögen sie auch verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung insoweit zu einer Einheit zusammengefaßt, als die Werte der gestohlenen Sachen (auch) aus mehreren verschiedenen Diebstählen ohne Rücksicht auf die jeweilige Begehungsform zusammenzurechnen sind (Leukauf-Steininger Komm.3 § 29 RN 4, § 128 RN 33). Ein Täter, der mehrere diebische Angriffe unternommen hat, verantwortet daher stets nur das (eine) Delikt des Diebstahls. Eine bestimmte Qualifikation muß keineswegs bei jedem einzelnen diebischen Angriff gegeben sein, es genügt vielmehr, wenn sich - so wie im vorliegenden Fall - die Wertqualifikation nach § 128 Abs. 1 Z 4 StGB aus der Summierung der Werte der insgesamt gestohlenen Sachen ergibt. Der Beschwerdeführerin wurde demnach der strafsatzändernde Umstand des § 128 Abs. 1 Z 4 StGB frei von Rechtsirrtum zugerechnet.
Nur am Rande sei deshalb vermerkt, daß die Prämisse der Beschwerdeführerin, keine der gestohlenen Sachen habe einen Wert von mehr als 25.000 S, nach der Aktenlage gar nicht zutrifft: Das gestohlene mit Diamanten und Smaragden besetzte Platin-Kollier repräsentiert allein einen Wert von etwa 80.000 S (S 7).
Aus den angeführten Grunden war daher die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagte nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe, wobei es gemäß § 43 a Abs. 3 StGB einen Teil der Strafe in der Dauer von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.
Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die mehreren einschlägigen Vorstrafen, die mehrfache Qualifikation "der Diebstähle" (gemeint: des Verbrechens des Diebstahls) und einen außerordentlich raschen Rückfall nach einer einschlägigen Verurteilung durch das Bezirksgericht Braunau vom 4.Mai 1992, als mildernd dagegen ein "größtenteils" abgelegtes reumütiges Geständnis und eine teilweise objektive Schadensgutmachung (durch Zustandebringung von Diebsbeute anläßlich der sicherheitsbehördlichen Erhebungen).
Der eine Herabsetzung der Strafdauer (auf "rund zehn Monate") und die bedingte Nachsicht der gesamten Strafe (nach § 43 Abs. 1 StGB) anstrebenden Berufung der Angeklagten kommt gleichfalls keine Berechtigung zu.
Das Schöffengericht verhängte ohnedies eine an der Untergrenze des (von einem bis zu zehn Jahren reichenden) gesetzlichen Strafrahmens gelegene Freiheitsstrafe. Inwiefern alle Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung nach § 41 StGB (und damit für das begehrte Unterschreiten der gesetzlichen Strafuntergrenze) gegeben sein sollten, wird in der Berufung nicht dargetan. In der Tat ist schon die dafür erforderliche begründete Aussicht auf künftiges Wohlverhalten nicht gegeben. Angesichts einer in rascher Folge jeweils unter Ausnützung der Stellung einer Reinigungskraft wiederholten gleichartigen Delinquenz (Diebstahl am 23.März 1992, deshalb Verurteilung am 4.Mai 1992 durch das Bezirksgericht Braunau zum AZ U 112/92, sowie Diebstähle im Februar und März 1992 bei der Familie H*****, Vernehmung der Angeklagten hiezu am 2.Mai 1992, und sodann im Juni und Juli 1992 Diebstähle bei der Familie K*****) verbietet sich geradezu eine derartige Annahme.
Eben diese gehäufte, durch abgeführte und zu erwartende Strafverfahren nicht zu hemmende Delinquenz läßt aber auch die Annahme nicht zu, die bloße Androhung der (gesamten) Freiheitsstrafe werde genügen, um die Angeklagte von weiteren - vor allem gleichartigen - strafbaren Handlungen abzuhalten. Es kann vielmehr vorliegend aus spezialpräventiven Erwägungen nicht mehr die ganze Strafe bedingt nachgesehen werden.
Auch der Berufung war somit ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E34924European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0150OS00156.9200014.0311.000Dokumentnummer
JJT_19930311_OGH0002_0150OS00156_9200014_000