TE OGH 1993/3/17 9ObA29/93

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Othmar Roniger und Wilhelm Hackl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I*****S*****, Angestellte, *****vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei *****VersicherungsAG, *****vertreten durch Dr. Josef Bock, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 17.000 brutto zuzüglich S 3.493 netto sA und Feststellung (Streitwert S 31.000), im Revisionsverfahren S 17.000 brutto sA und Feststellung (Streitwert S 31.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.8.1992, GZ 31 Ra 71/92-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10.9.1991, GZ 4 Cga 1023/89-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird zum Teil Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die in der Abweisung des Feststellungsbegehrens bestätigt werden, werden hinsichtlich des noch strittigen Leistungsbegehrens dahin abgeändert, daß sie diesbezüglich zu lauten haben:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 17.000 brutto samt 4 % Zinsen aus S 500 brutto vom 1.8.-31.8.1988, aus S 1.000 brutto vom 1.9.-30.9.1988, aus S 1.500 brutto vom 1.10.-31.10.1988, aus S 2.000 brutto vom 1.11.-30.11.1988, aus S

2.500 brutto vom 1.12.-31.12.1988, aus S 3.000 brutto vom 1.1.-31.1.1989, aus S 3.500 brutto vom 1.2.-28.2.1989, aus S 4.000 brutto vom 1.3.-31.3.1989, aus S 4.500 brutto vom 1.4.-30.4.1989, aus S 5.000 brutto vom 1.5.-31.5.1989, aus S 5.500 brutto vom 1.6.-30.6.1989, aus S 6.000 brutto vom 1.7.-31.7.1989, aus S 6.500 brutto vom 1.8.-31.8.1989, aus S 7.000 brutto vom 1.9.-30.9.1989, aus S 7.500 brutto vom 1.10.-31.10.1989, aus S 8.000 brutto vom 1.11.-30.11.1989, aus S 8.500 brutto vom 1.12.-31.12.1989, aus S 9.000 brutto vom 1.1.-31.1.1990, aus S 9.500 brutto vom 1.2.-28.2.1990, aus S 10.000 brutto vom 1.3.-31.3.1990, aus S 10.500 brutto vom 1.4.-30.4.1990, aus S 11.000 brutto vom 1.5.-31.5.1990, aus S 11.500 brutto vom 1.6.-30.6.1990, aus S 12.000 brutto vom 1.7.-31.7.1990, aus S 12.500 brutto vom 1.8.-31.8.1990, aus S 13.000 brutto vom 1.9.-30.9.1990, aus S 13.500 brutto vom 1.10.-31.10.1990, aus S 14.000 brutto vom 1.11.-30.11.1990, aus S 14.500 brutto vom 1.12.-31.12.1990, aus S 15.000 brutto vom 1.1.-31.1.1991, aus S

15.500 brutto vom 1.2.-28.2.1991, aus S 16.000 brutto vom 1.3.-31.3.1991, aus S 16.500 brutto vom 1.4.-30.4.1991 und aus S 17.000 brutto seit 1.5.1991 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.094,88 (darin S 1.164,48 Umsatzsteuer und S 108 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 1.207,68 (darin S 201,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 1.207,68 (darin S 201,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Hingegen ist die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei S

1.250 an anteiligen Pauschalgebühren binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist seit 16. Juli 1979 bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. Sie war zuletzt als sogenannte Schadensreferentin tätig und bezog eine Referentenzulage von S 500 brutto pro Monat. Mit Verfügung der Beklagten vom 7. Juni 1988 wurde sie von der Zentrale in die Landesdirektion Wien versetzt und dem Vorsitzenden des Betriebsrates als Sekretärin zur Verfügung gestellt.

Mit der vorliegenden Klage begehrte sie letztlich S 17.000 brutto sA an bereits entgangener Referentenzulage und die Feststellung, daß sie nicht verpflichtet sei, eine andere Tätigkeit bei der Beklagten auszuführen als jene einer Schadensreferentin in der UH-Schadenabteilung der Zentrale. Die Beklagte habe sie von vornherein ausschließlich als Schadensreferentin eingestellt; sie sei von Anfang an nur in dieser Funktion tätig gewesen. Andere Arbeiten habe sie nie verrichtet. Obwohl der Betriebsrat der verschlechternden Versetzung zugestimmt habe, sei die Versetzung nicht zulässig, da sie arbeitsvertrags- und sittenwidrig erfolgt sei. Die neue Tätigkeit sei ihr nicht zuzumuten, da sie ihrer Ausbildung nicht entspreche und sie keine Maschinschreibkenntnisse habe.

Die Beklagte beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Die Klägerin sei nicht als Schadensreferentin aufgenommen worden, sondern als Angestellte. Später habe sie dann tatsächlich die Tätigkeit einer Schadensreferentin ausgeübt. Seit dem Jahre 1986 oder 1987 habe es aber mit ihr immer wieder Probleme gegeben, die schließlich zu einer negativen Dienstbeschreibung geführt hätten. Es sei auch zu einem Disziplinarverfahren gegen sie gekommen. Ihre Versetzung in das Sekretariat des Vorsitzenden des Betriebsrats sei sohin aus betrieblichen Gründen erfolgt, wobei die neue Tätigkeit der alten angemessen sei. Die Landesdirektion Wien sei immerhin für 700 Arbeitnehmer zuständig.

Das Erstgericht wies die für das Revisionsverfahren noch wesentlichen Begehren auf Zahlung der Referentenzulage und Feststellung ab. Es traf folgende Feststellungen:

Die Klägerin bewarb sich im Juni 1979 bei der Beklagten. Der für die Personalaufnahme zuständige Angestellte führte mit ihr ein Einstellungsgespräch, in dem er ihr mitteilte, daß sie in die Schadensabteilung komme. Diese Abteilung suchte nämlich gerade eine Ersatzkraft für den Kundenempfang, die Auskunft und die Kartei. Die Klägerin erhielt keine Zusage einer bestimmten Verwendung und insbesondere nicht einer Verwendung als Schadensreferentin. Sie begann ihre Tätigkeit am 16. Juli 1979 zunächst auf drei Monate befristet in der sogenannten UH-Abteilung in der Zentrale der Beklagten. Dort entschied sich der zuständige Abteilungsleiter dafür, die Klägerin als Schadensreferentin auszubilden. Eine derartige Ausbildung dauert mindestens ein Jahr.

Mit 16. Oktober 1979 wurde das befristete Dienstverhältnis der Klägerin unbefristet fortgesetzt. Die Klägerin erhielt einen Dienstzettel, nach dem sie ihr Dienstverhältnis am 16. Juli 1979 als "Angestellte" begonnen habe. Sie könne gemäß § 5 Abs 7 des Kollektivvertrags für Angestellte der Versicherungsunternehmungen, Innendienst (kurz Kollektivvertrag), gegen die Art ihrer Einstellung oder die Einstufung binnen 14 Tagen bei der Direktion Einspruch erheben. Unterbleibe der Einspruch, sei der Inhalt des Dienstzettels gültig. Im übrigen finde auf das Dienstverhältnis der jeweilige Kollektivvertrag Anwendung. Die Klägerin beklagte sich zwar beim Vorsitzenden des Betriebsrats darüber, daß sie nicht als "Schadensreferentin" aufgenommen worden sei, sie erhob jedoch gegen die Art ihrer Einstellung keinen Einspruch.

Nach etwa einem bis eineinhalb Jahren Ausbildung erhielt die Klägerin eine Referentenzulage. Diese wird den Angestellten üblicherweise solange gewährt, als sie selbständig Schadensfälle bearbeiten. Die Klägerin war in der Folge als Schadensreferentin in der Abteilung UH tätig. Der Abteilungsleiter verfaßte am 10. September 1987 eine Dienstbeurteilung, in der er festhielt, daß sich in letzter Zeit die Beschwerden über die Klägerin häuften, wonach diese ihr Wissen Kollegen und Kunden gegenüber "allzu dozierend" verwende. Sie ordne sich nicht mehr in die Arbeitsgemeinschaft ein; es fehle ihr offensichtlich der Wille zur Weiterbildung. Am 15. September 1987 leitete der Vorstand der Beklagten gegen die Klägerin ein Disziplinarverfahren ein und verfügte zugleich ihre Suspendierung. Das Disziplinarverfahren endete am 20. Mai 1988 mit der Verhängung der Disziplinarstrafe des Aufschubs der Vorrückung um ein Jahr. Das Disziplinarerkenntnis wurde rechtskräftig.

Da der zuständige Abteilungsleiter erklärt hatte, daß die Zusammenarbeit der Klägerin mit Kollegen und Vorgesetzten auch schon in der Vergangenheit problembeladen gewesen sei, ordnete der Personalchef ihre Versetzung an. Mit Schreiben vom 7. Juni 1988 wurde ihr zur Kenntnis gebracht, daß sie mit Wirkung vom 9. Juni 1988 von der Zentrale in die Landesdirektion Wien versetzt und dort dem Vorsitzenden des Betriebsrats als Sekretärin zur Verfügung gestellt werde. Da dadurch die Voraussetzungen für die Weitergewährung der "kleinen Schadensreferentenzulage" nicht mehr gegeben seien, werde diese mit Wirkung vom 1. Juli 1988 eingestellt. Der Betriebsrat der Zentrale stimmte dieser Versetzung mit Schreiben vom 13. Juni 1988 zu. Er ersuchte darin, wie im Gespräch vereinbart, der Klägerin, wenn die Voraussetzungen gegeben seien, die Schreibzulage zu gewähren, und ihr die Kosten für einen Maschinschreibkurs zu ersetzen.

Die Versetzung erfolgte nicht als Disziplinarmaßnahme, aber im Zusammenhang mit den im Disziplinarverfahren erhobenen Vorwürfen und den der Klägerin zur Last gelegten Handlungen, die eine weitere Zusammenarbeit mit ihr in der Schadensabteilung unmöglich machten. Die Personalabteilung hielt eine weitere Tätigkeit der Klägerin in dieser Abteilung für nicht mehr zumutbar. Die Klägerin widersprach der Versetzung, da diese dienstvertragswidrig sei, eine Verminderung ihres Einkommens bewirke; die neue Tätigkeit könne ihr im übrigen nicht zugemutet werden.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Beklagte gar keine Versetzung der Klägerin im technischen Sinn vorgenommen habe, da die Direktion gemäß § 6 Abs 1 des Kollektivvertrags ohnehin berechtigt sei, den Angestellten andere Arbeiten zuzuweisen. Bei der Tätigkeit einer Sekretärin des Vorsitzenden des Betriebsrats handle es sich um eine Arbeit, die der Klägerin nach ihrer bisherigen Beschäftigung billigerweise zugemutet werden könne. Da der Klägerin sohin mit Zustimmung des Betriebsrats ein anderer Arbeitsplatz zugewiesen worden sei, stehe ihr gemäß § 6 Abs 2 des Kollektivvertrags die Referentenzulage nicht mehr zu.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, daß der Wert des Feststellungsbegehrens den Betrag von S 50.000 nicht übersteige und daß die Revision nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß die Versetzung der Klägerin im Rahmen ihres Arbeitsvertrages zulässig gewesen sei, da ihr erwiesenermaßen keine bestimmte Verwendung zugesichert worden sei. Sie habe auch einzelvertraglich keine Besserstellung genossen, so daß die kollektivvertraglichen Bestimmungen zur Anwendung kämen, wonach ihr keine Referentenzulage mehr zustehe. Sie sei auch nicht schikanös versetzt worden, sondern aufgrund der problembeladenen Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Kollegen. Bei ihrer nunmehrigen Tätigkeit als Sekretärin des Vorsitzenden des Betriebsrats der Landesdirektion Wien handle es sich um eine Arbeit, die ihr nach ihrer bisherigen Tätigkeit billigerweise zugemutet werden könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der im Berufungsverfahren maßgebliche Streitwert betraf das Leistungsbegehren in Höhe von S 17.000 brutto und S 2.615 netto sA sowie das Feststellungsbegehren, das von der Klägerin im Sinne des § 56 Abs 2 JN mit S 31.000 bewertet worden ist. Der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, würde sohin den Betrag von S 50.000 übersteigen. Abgesehen davon, daß der von der Klägerin begehrte Nettobetrag an Fahrtkostenersatz während des Disziplinarverfahrens nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang mit den anderen Klagebegehren steht (§ 55 Abs 1 JN), ist das Berufungsgericht bei seinem Ausspruch gemäß § 45 Abs 1 Z 1 ASGG jedoch nicht an die in der Klage vorgenommene (freie) Bewertung gebunden (vgl Arb 8825). Es hätte aber, da sich das Bruttobegehren auf Zahlung der Referentenzulage ebenso auf die arbeitsvertragswidrige Versetzung gründet wie das Feststellungsbegehren, für die Revisionszulässigkeit aussprechen müssen, ob der Wert des Feststellungsbegehrens zusammen mit diesem Leistungsbegehren S 50.000 übersteigt. Die Nachholung dieses unvollständigen Ausspruches im Wege der Urteilsberichtigung gemäß § 419 ZPO durch das Berufungsgericht kann aber unterbleiben, da schon die Bewertung des Feststellungsbegehrens allein gegen die nach § 45 Abs 2 ASGG iVm § 500 Abs 3 ZPO vorgeschriebene sinngemäße Anwendung des § 58 JN verstieß (vgl Kuderna, ASGG § 45 Erl 1).

Der Streitgegenstand des Feststellungsbegehrens besteht zwar nicht in einem Geldbetrag; er umfaßt aber auch die Entgeltschmälerung, welche die Klägerin dadurch erleidet, daß ihr die bisher bezogene Referentenzulage aufgrund der als vertragswidrig bekämpften Versetzung nicht mehr gewährt wird. Insoferne bietet sich wie bei der Feststellung des aufrechten Bestandes eines Arbeitsverhältnisses die sinngemäße Anwendung des § 58 Abs 2 JN iVm § 58 Abs 1 JN an (vgl Arb 9408). Bei unbestimmter Dauer der durch die Versetzung verursachten Entgeltschmälerung ist demnach auf das Zehnfache des entgehenden Jahresentgelts abzustellen, so daß sich für das Feststellungsbegehren allein ein Streitwert von S 60.000 ergibt. Da das Berufungsgericht gegen die sinngemäße Anwendung der genannten Bewertungsvorschriften verstieß, gilt seine unrichtige Bewertung als nicht beigesetzt; die Revision der Klägerin ist als ordentliche Revision zu behandeln (Kuderna aaO; RZ 1992/1 uva).

Die Revision ist zum Teil berechtigt.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die als Dauermaßnahme beabsichtigte Einreihung der Klägerin auf einen anderen Arbeitsplatz als verschlechternde Versetzung im Sinne des § 101 ArbVG anzusehen ist, da sie mit einer Verschlechterung der Entgelt- und der sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden ist. Die Klägerin verlor dadurch nicht nur ihre Referentenzulage (vgl Arb 9838; WBl 1989, 126), sondern auch ihre relativ selbständige Position als Schadensreferentin (vgl Strasser in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 II 331; Arb 9404, 10.472, 10.500 ua). Derartige Versetzungen sind gemäß § 101 ArbVG zustimmungspflichtig. Die Beklagte wäre sohin verpflichtet gewesen, den Betriebsrat von der geplanten Versetzung der Klägerin so zeitgerecht zu informieren, daß dieser von seinem Beratungsrecht Gebrauch hätte machen können. Die festgestellte nachträgliche schriftliche Zustimmung des Betriebsrats zur bereits vollzogenen Versetzung war demnach unwirksam (Strasser 332; derselbe MKK ArbVG2 § 101 Anm 8 und 19, womit die ältere Meinung in Floretta-Strasser, Hdkomm z ArbVG § 101 Erl 3.1 aufgegeben wurde; Dusak, Änderungen im Bereich der personellen Mitbestimmung, ZAS 1986, 198 ff, 199; Trost, Ausgewählte Strukturprobleme der Mitwirkung nach der ArbVG-Novelle 1986, DRdA 1989, 1 ff, 3 f; auch Cerny ArbVG8 § 101 Erl 6; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 223; Arb 6947; DRdA 1981, 409 ua).

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kann diese Unwirksamkeit der Zustimmungserklärung aber nicht mehr von Amts wegen aufgegriffen werden, da sich die stets qualifiziert vertretene Klägerin auf diesen betriebsverfassungsrechtlichen Mangel in erster Instanz nicht berufen hat. Es kann somit auch dahingestellt bleiben, inwieweit eine solche Zustimmung allenfalls bereits in dem vom Betriebsrat erwähnten Gespräch erteilt wurde oder ob sich der Betriebsrat bei seiner Zustimmung in einer Kollision mit eigenen Interessen befand, da die Klägerin von einer (wirksamen) Zustimmung des Betriebsrats ausging und die Versetzung nach ihrem Tatsachenvorbringen lediglich aus dienstvertraglichen Gründen bekämpfte.

Für die dienstvertragliche Beurteilung der Versetzung ist aber nicht entscheidend, ob die Versetzung verschlechternd iSd § 101 ArbVG ist, sondern ob sie durch den Inhalt des Dienstvertrages gedeckt ist (Arb 10.472). Aus der bloßen Tatsache einer längeren Verwendung des Arbeitnehmers an einem bestimmten Arbeitsplatz kann nämlich noch nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß sich sein Aufgabenkreis nunmehr auf diese Arbeiten beschränkt hätte (vgl Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 128). Der Annahme einer stillschweigenden Vertragsänderung steht diesbezüglich die mangelnde Schlüssigkeit entgegen (Arb 8451 ua).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde die Klägerin als Angestellte der Beklagten aufgenommen und sie erhielt keine Zusage einer besonderen Verwendung. Sie war zwar nach ihrer Einschulung als Schadensreferentin tätig, unterliegt aber hinsichtlich der Dienstzuweisung gemäß § 6 Abs 1 des Kollektivvertrages dem Direktionsrecht der Beklagten, das im Interesse der Aufrechterhaltung eines geregelten Dienstbetriebs nicht zu eng begrenzt werden darf. Dieses Direktionsrecht ist gemäß § 6 Abs 3 des Kollektivvertrags allerdings dadurch beschränkt, daß der Angestellte nicht verpflichtet ist, Arbeiten zu verrichten, die ihm nach seiner bisherigen Betätigung billigerweise nicht zugemutet werden können. Insofern verstieß die Versetzung aber schon dadurch gegen den Dienstvertrag, als die Klägerin ohne ihr Einverständnis aus dem unmittelbaren Unternehmensbereich entfernt und iSd § 72 ArbVG der Belegschaftsvertretung als Sekretärin zur Verfügung gestellt wurde. Daraus können sich nicht nur spezifische Nachteile im Hinblick auf ihre dienstvertraglich vorgesehene Angestelltenlaufbahn bei der Beklagten ergeben; vielmehr wurde auch eine Art der Einreihung auf einen anderen Dienstposten vorgenommen, die zufolge ihres degradierungsähnlichen Charakters (9 Ob A 91/92) auch nicht der Vorschrift des § 6 Abs 3 des Kollektivvertrags entspricht.

Aus der dienst- und kollektivvertraglichen Unzulässigkeit der konkreten Versetzung folgt aber nicht, daß die Klägerin einen Anspruch darauf hätte, in Hinkunft keine andere Tätigkeit ausüben zu müssen, als jene einer Schadensreferentin in der UH-Schadensabteilung der Zentrale. Ihre Entfernung vom bisherigen Arbeitsplatz war nicht sittenwidrig sondern betriebsbedingt, zumal Vorgesetzten und Mitarbeitern eine weitere Zusammenarbeit mit ihr nicht mehr zumutbar war. Die Klägerin hat im Rahmen des § 6 Abs 3 des Kollektivvertrags nur Anspruch auf Verwendung in der gleichen Verwendungsgruppe und zu den gleichen Gehaltsbedingungen. Das Feststellungsbegehren ist daher abzuweisen. Da allerdings die konkrete Versetzung dienst- und kollektivvertragswidrig erfolgte, hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz der ihr durch die rechtswidrige Maßnahme entgangenen Zulage. Insoweit kann sich die Beklagte, da sie selbst kollektivvertragswidrig vorgegangen ist, nicht auf § 6 Abs 2 des Kollektivvertrags berufen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO begründet. Die Klägerin war in allen Instanzen insgesamt jeweils rund zu einem Drittel erfolgreich. Der Beklagten stehen daher ein Drittel ihrer Verfahrenskosten zu. Der Klägerin sind jedoch die Pauschalkosten mit jenem Teil zuzusprechen, der dem Ausmaß ihres Obsiegens entspricht. Dabei ist aber beachtlich, daß die Bemessungsgrundlage für das Feststellungsbegehren gemäß § 16 Z 1 lit a GGG nur S 6.000 beträgt und Verfahren in Arbeitsrechtssachen bis zu einem Streitwert von S 15.000 gebührenfrei sind.

Anmerkung

E32051

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00029.93.0317.000

Dokumentnummer

JJT_19930317_OGH0002_009OBA00029_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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