TE OGH 1993/3/17 9ObA22/93(9ObA23/93)

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Veröffentlicht am 17.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Othmar Roniger und Wilhelm Hackl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H*****P*****, Angestellter, *****vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei *****ÖAF - ***** AG, *****vertreten durch Dr. Rainer Brachtel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.9.1992, GZ 5 Ra 181/91-50, womit infolge Berufung beider Parteien das Teilurteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 11.4.1991, GZ 42 Cga 97/90-28, abgeändert wurde, sowie infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck, GZ 5 Nc 107/92-56, mit dem die Ablehnung des erkennenden Senates als nicht gerechtfertigt erachtet wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Antrag der beklagten Partei, den Streitwert des Revisionsverfahrens mit S 100.000 festzusetzen, wird zurückgewiesen.

Weder dem Rekurs noch der Revision wird Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.094 (darin S 849 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1.November 1965 als Kundendienstmechaniker bei der A*****Fahrzeugvertriebs Gesellschaft mbH angestellt. Nach Eröffnung des Reparaturwerks Innsbruck wurde der Kläger zum Leiter des Ersatzteillagers bestellt und mit ihm ein mit 11.5.1970 datierter Anstellungsvertrag abgeschlossen, nach dem er ein monatliches Bruttogehalt von S 3.900 und eine Ortszulage von S 1.250 (vierzehnmal pro Jahr) bezog. Für seine Tätigkeit als Lagerleiter wurde ihm zusätzlich eine Umsatzbeteiligung von 1 %, mindestens aber S 1.500 pro Monat zuerkannt. Entsprechend dieser Vereinbarung erhielt der Kläger ab Mai 1970 die darin angeführten Bezüge, wobei die Provision zunächst jeweils in Höhe des Mindestbetrages von S 1.500 ausgezahlt wurde.

Mitte des Jahres 1970 wurde die *****Gesellschaft mbH rückwirkend mit 1. Jänner 1970 in die ÖAF-AG eingebracht (Verschmelzung mit Übernahme aller Aktiven und Passiven). Diese übermittelte dem Kläger einen mit 10. August 1970 datierten Dienstvertrag, in dem auf die Fusion Bezug genommen und festgehalten ist, daß der Kläger ab 1.Jänner 1970 Dienstnehmer der Österreichischen Automobilfabriks-AG ist. Sein Arbeitsverhältnis werde mit allen Rechten und Pflichten übernommen. Für seine Tätigkeit erhalte der Kläger ein monatliches Bruttogehalt von S 5.150. Seine Einstufung erfolge nach dem Kollektivvertrag für Industrieangestellte vom 30.Jänner 1970 unter Anrechnung eines Verwendungsgruppenjahres ab 1.Mai 1970 in die Verwendungsgruppe IV. Der Kläger unterfertigte diesen Dienstvertrag. Im Jahre 1971 erwarb die ÖAF-AG Aktien der G*****& S***** AG. Seither trägt die Beklagte ihre nunmehrige Unternehmensbezeichnung.

Ab Jänner 1971 wurde der Kläger auf Basis eines monatlichen Grundgehaltes von S 7.100 abgerechnet. Dieser Betrag setzte sich aus dem ursprünglichen Grundgehalt von S 3.900, der Ortszulage von S 1.250, einer Erhöhung des Grundgehalts von S 450 und der einbezogenen Provision von S 1.500 zusammen. Ortszulage und Provision waren dabei nicht mehr gesondert ausgewiesen. Der Kläger forderte über Jahre hindurch weder Rechnungslegung über die im Lager erzielten Umsätze, noch erhob er bis Jänner 1987 Anspruch auf allfällige ausstehende Provisionen.

Mit seiner am 30.April 1990 eingebrachten Klage begehrt er unter anderem die Zahlung von S 504.030 sA an ausstehenden Provisionen und die Feststellung, daß ihm zusätzlich zum Entgelt eine Umsatzprovision von 1 % des von der Beklagten im Lager der Zweigniederlassung Innsbruck erzielten Materialumsatzes zustehe. Er sei jeweils mit allen Rechten und Pflichten übernommen worden, so daß er aufgrund der Vereinbarung vom Jahre 1970 auch einen Anspruch auf die Umsatzprovision habe.

Die Beklagte beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Mit dem Kläger sei anläßlich der Fusion - wie mit anderen Arbeitnehmern auch -, ein neuer Dienstvertrag abgeschlossen worden. In diesen neuen Verträgen seien keine Provisionsvereinbarungen mehr enthalten gewesen; Provisionen seien nur Fahrzeugverkäufern gewährt worden. Der Kläger sei einverstanden gewesen, daß die ursprünglich vereinbarten Provisionen ab 1.Jänner 1971 mit dem Betrag von S 1.500 abgegolten und in das Monatsgrundgehalt einbezogen wurden. Damit sei der neben dem Gehalt bestehende Provisionsanspruch des Klägers weggefallen. Der Kläger habe die auf dieser Grundlage erstellten monatlichen Gehaltsabrechnungen durch 16 Jahre hindurch nie beanstandet und nie behauptet, daß ihm noch ein Provisionsanspruch zustehe.

Im übrigen wird hinsichtlich des Vorbringens der Parteien auf die eingehende Darstellung des Berufungsgerichtes verwiesen.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf das Feststellungsbegehren ein (S 119) und gab mit Teilurteil diesem Begehren dahin Folge, daß es feststellte, daß dem Kläger zusätzlich zum Entgelt eine Provision von 1 % des gesamten im Lager der Zweigniederlassung Innsbruck erzielten Materialumsatzes zustehe, wobei aber ein Betrag von S 1.500 monatlich einschließlich der darauf entfallenden kollektivvertraglichen Erhöhungen anzurechnen sei. Das Mehrbegehren auf Feststellung eines Provisionsanspruches ohne jegliche Anrechnung wies es ab.

Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Weder der Serviceleiter noch ein anderer Mitarbeiter der ÖAF-AG teilte dem Kläger mit, daß die Provision in das Grundgehalt einbezogen wird. Auch eine solche Vereinbarung kam nicht zustande. Der Kläger ging vorerst davon aus, daß die ihm zustehende Provision im ausgezahlten Betrag enthalten sei. Erst im Jänner 1987 wurde der Kläger anläßlich einer Aufforderung der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten auf den Anstellungsvertrag vom 11. Mai 1970 und die darin enthaltene Regelung über die Umsatzbeteiligung aufmerksam.

Mangels einer vertragsändernden Vereinbarung stehe dem Kläger daher ein Anspruch auf die Umsatzprovision zu. Der Kläger müsse sich jedoch den nach der Vereinbarung vom 10. August 1970 in das Grundgehalt aufgenommenen Provisionsbetrag von S 1.500 einschließlich der darauf entfallenden prozentuellen Erhöhungen der Ist-Gehälter einrechnen lassen, da er nicht annehmen konnte, daß im Jahre 1971 ausschließlich das Grundgehalt erhöht worden und die Provision völlig weggefallen sei.

Das Berufungsgericht änderte das Teilurteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Feststellungsbegehren des Klägers zur Gänze abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteige und traf nach Beweiswiederholung und Beweisergänzung folgende Feststellungen:

Der Serviceleiter G*****vereinbarte im Zuge der Vereinheitlichung des Lohnsystems, die wegen der Fusionierung erfolgen sollte, mit dem Kläger vor Jahresbeginn 1971, daß die dem Kläger zustehende Mindestprovision ab 1971 in sein Grundgehalt einbezogen werde. Entsprechend dieser Vereinbarung der Einbeziehung der Umsatzprovision in das Gesamtgehalt wurde die Provision, die etwa im November 1970 S

1.666 betragen hatte, ab Jänner 1971 nicht mehr abgerechnet und auch nicht mehr ausgezahlt. Der Kläger konnte demnach nur mehr davon ausgehen, daß er in Hinkunft lediglich diesen Bezug erhalte. In den folgenden Gehaltsabrechnungen, die der Kläger von der Beklagten erhielt, war eine "Umsatzprovision" nicht mehr ausgewiesen. Das Gehalt des Klägers betrug im Jahre 1971 S 7.100 brutto monatlich. Gegen diese Gehaltsabrechnung erhob der Kläger bis zum Jahre 1987 keinen Einwand.

Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, daß die Beklagte die von ihr behauptete Einbeziehungsvereinbarung bewiesen habe. Demnach sei der ursprüngliche Anspruch des Klägers auf Umsatzprovision durch eine zulässige Änderungsvereinbarung zwischen den Streitteilen im Jahre 1970 abbedungen worden. Seither habe der Kläger nur mehr Anspruch auf das Grundgehalt und allfällige weitere Prämien, die aber nicht Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Feststellungsbegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Zugleich stellte der Kläger einen Ablehnungsantrag, in dem er sämtliche Richter des erkennenden Senates des Berufungsgerichtes als befangen im Sinne des § 19 JN ablehnte.

Das Oberlandesgericht Innsbruck gab dem Ablehnungsantrag mit Beschluß vom 26.November 1992 keine Folge.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Ablehnungsantrag Folge gegeben werde.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Weder der an sich zulässige (§ 24 Abs 2 JN; 9 Ob A 277/92) Rekurs noch die Revision sind berechtigt.

Zum Rekurs:

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger begründete die nachträgliche Ablehnung des gesamten erkennenden Senates des Berufungsgerichtes im wesentlichen damit, daß dieser die Beklagte entgegen § 482 Abs 2 ZPO aufgefordert habe, weitere Beweismittel vorzulegen und die vorgelegten Urkunden bei der Beweiswürdigung auch berücksichtigt habe. Dieses Vorgehen habe den Kläger in unsachlicher Weise benachteiligt, da es ihm aufgrund des Neuerungsverbotes verwehrt gewesen sei, dazu ein Vorbringen zu erstatten und seinerseits Beweismittel vorzulegen. Dadurch sei der Grundsatz des rechtlichen Gehörs schwerstens verletzt worden, so daß der Verdacht berechtigt sei, daß der erkennende Senat gegen den Kläger negativ eingestellt gewesen sei.

Das Oberlandesgericht Innsbruck vertrat dazu die Rechtsauffassung, daß die Äußerung einer bestimmten Rechtsansicht kein Grund sei, die Unbefangenheit des Gerichtes in Zweifel zu ziehen. Nur bei schwerwiegenden Verstößen gegen Verfahrensgrundsätze, welche die Objektivität der Richter mit Grund bezweifeln ließen, werde sich die Ablehnung im allgemeinen als berechtigt erweisen. Derartige Verfahrensverstöße seien aber nicht gegeben.

Diesen Ausführungen ist beizupflichten. Nach der Aktenlage äußerte das Berufungsgericht in der Verhandlung vom 22.Oktober 1991 im Sinne des § 488 Abs 4 ZPO Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Es faßte den Beschluß auf Beweiswiederholung und regte in Ergänzung des Beweisverfahrens gegenüber beiden Parteien an, die vom Kläger in seiner Aussage selbst angeführten laufenden Gehaltszettel (S 153) und die von einem Zeugen erwähnten, an den Kläger ergangenen Mitteilungen über Ist-Lohnerhöhungen (S 145) zur "Abrundung der Beweiswürdigung" vorzulegen. Entgegen den Behauptungen im Ablehnungsantrag erging die "Einladung" zur Urkundenvorlage sohin nicht nur an die Beklagte, sondern auch an den Kläger, so daß dieser schon dadurch an der Vorlage entsprechender Urkunden nicht gehindert gewesen wäre. Soweit die Beklagte die Urkunden Beilagen 7 bis 31 (Gehaltszettel, Dienstzettel über das jeweilige Gehalt des Klägers vom 1.September 1973 bis 1.November 1991, zwei Anträge auf Gehaltserhöhung) in der erstreckten Berufungsverhandlung vom 22. Jänner 1992 ohne neues Vorbringen vorlegte, konnte sich der Kläger, auch wenn er selbst nicht zu einer solchen Vorlage bereit gewesen wäre, zumindest darauf einstellen und sich zu den Beweismitteln ohne Einschränkung äußern. Er gab auch dementsprechende Erklärungen ab (S 377). Es kann daher keine Rede davon sein, daß das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf ein faires Verfahren im Sinne des Art 6 Abs 1 MRK dadurch verletzt hätte, daß es sein rechtliche Gehör in unzulässiger Weise beschnitt. Weder dem Ablehnungsantrag noch dem Rekurs ist im übrigen zu entnehmen, welches weitere Vorbringen der Kläger noch hätte erstatten oder welche "Gegenbeweismittel" er noch hätte vorlegen können oder wollen.

Wie der Rekurswerber in seiner Revision selbst einräumt, ist das Berufungsgericht gemäß § 488 Abs 1 ZPO im Rahmen der Beweiswiederholung auch zu einer Beweisergänzung (vgl RZ 1991/79) berechtigt; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich diese neuen Beweise aus dem Ergebnis der Beweiswiederholung ableiten lassen (vgl SZ 7/206; SZ 19/278). So berief sich etwa der Zeuge Dr. Peter Z*****auf die Gehalts- und Dienstzettel, aus denen die Gehaltsentwicklung des Klägers nachvollziehbar sei (S 377 ff). Der Zeuge DDr. Wilhelm T*****wies darauf hin, daß der Kläger durch etwa 16 Jahre unbeanstandet jährlich 14 Gehaltsabrechnungen erhalten habe (S 391 ff). Auch der Kläger sagte aus, daß ihm Dienstzettel nach der Art der Beilagen 10 und 11 ausgefolgt worden seien; er hielt seine Aussage vor dem Erstgericht, er habe monatliche Gehaltszettel bekommen, in denen das Gehalt aufgeschlüsselt gewesen sei (S 153), ausdrücklich aufrecht (S 399 ff). Schon daraus ergibt sich ein unmittelbarer Zusammenhang der vorgelegten Urkunden mit den Ergebnissen der Beweiswiederholung. Insoferne dienten die vorgelegten Urkunden tatsächlich nur zur "Abrundung" der Beweiswürdigung. Überraschende neue Erkenntnisse waren ihnen nicht zu entnehmen. Soweit das Berufungsgericht die Beweisergänzung aber für zulässig hielt, wäre es dem Kläger daher auch verfahrensrechtlich freigestanden, ohne "Einladung" entsprechendes Vorbringen zu erstatten (vgl RZ 1989/106 - Verlesung von Verwaltungsakten), da für diesen Teil des Verfahrens das Neuerungsverbot nicht gilt.

Der Vorwurf, der erkennende Senat des Berufungsgerichtes habe sich in unsachlicher Weise zum Nachteil des Klägers so schwerwiegende Verfahrensverstöße zuschulden kommen lassen, daß seine Unbefangenheit zu bezweifeln sei (vgl RZ 1989/110), erweist sich sohin zur Gänze als ungerechtfertigt.

Zur Revision:

Die aus dem Grunde der Befangenheit des erkennenden Senates des Berufungsgerichtes im Sinne des § 19 Z 2 JN geltend gemachte Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO liegt nicht vor. Der Kläger verkennt auch in diesem Zusammenhang, daß es bei der vom Berufungsgericht im Rahmen der Beweiswiederholung vorgenommenen Beweisergänzung nicht um die Wertung von Parteienverhalten im Sinne des § 482 ZPO geht - neues Vorbringen wurde von der Beklagten nicht erstattet -, sondern um die Befugnis und die Pflicht des Berufungsgerichtes, die in erster Instanz gepflogene Verhandlung soweit zu ergänzen wie es dies für erforderlich hält. Da dem Ablehnungsantrag nicht entsprochen wurde, erübrigt sich eine weitere Erörterung dieses angeblichen Nichtigkeitsgrundes. Daß dem Kläger durch die Beweisergänzung das Recht auf beiderseitiges Gehör nicht beschnitten wurde, ist bereits bei Erledigung des Rekurses gesagt worden.

Auch der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist nicht gegeben. Das Berufungsgericht hatte schon deshalb kein Teilurteil zu fällen, da es über den gesamten Umfang des Teilurteils des Erstgerichts entschied. Insofern hielt es sich im Rahmen der zulässigen Berufungsanträge; die teilweise Zurückweisung der Berufung der Beklagten erfolgte nur soweit, als die Berufungswerberin unter Aufhebung der Beschränkung auf das Feststellungsbegehren auch die gänzliche Abweisung der übrigen Klagebegehren beantragte, obwohl das Erstgericht über diese Klagebegehren noch nicht entschieden hatte. Daraus folgt auch die unterschiedliche Bewertung der jeweiligen Erfolge der Berufungswerber durch das Berufungsgericht, das hinsichtlich der Bewertung des Feststellungsbegehrens ohne Neufestsetzung ohnehin von der vom Kläger vorgenommenen Bewertung (§ 56 Abs 2 JN) von S 100.000 (S 3) ausging. Da die Beklagte die Bewertung des Feststellungsbegehrens durch den Kläger nicht im Sinne des § 7 RATG bemängelt hatte und es dementsprechend zu keiner Streitwertfestsetzung kam, ist die höhere Bewertung des Streitgegenstandes in der Revision des Klägers ohne Bedeutung.

Erachtet das Berufungsgericht den Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung für berechtigt, hat es in der mündlichen Berufungsverhandlung die Beweise entweder unmittelbar oder mittelbar (§ 281a ZPO) zu wiederholen. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ist die Berufung der Beklagten in der Bekämpfung der erstgerichtlichen Feststellungen nicht "völlig wirr" und unklar; vielmehr führte die Beklagte darin ausführlich aus, aus welchen Gründen sie die Feststellung bekämpfe, daß sie die Vereinbarung über die Einbeziehung der Provision in das Grundgehalt nicht habe erweisen können (S 237 ff). Die Beklagte begehrte die Feststellung der Einbeziehungsvereinbarung und führte dazu auch verschiedene Beweismittel ins Treffen. Da das Berufungsgericht Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes hatte, war es aufgrund dieser Berufungsausführungen berechtigt und verpflichtet, die Beweise zu wiederholen.

Ein allfälliger Verstoß gegen das Neuerungsverbot kann, da dadurch keine Erörterung unterblieben ist, sondern die Entscheidungsgrundlage im Gegenteil sogar verbreitert wurde, keinem der Revisionsgründe unterstellt werden und bleibt daher unbeachtlich (vgl Fasching, ZPR2 Rz 1733 mwH; stRsp in GMA ZPO14 § 503 E 49). Im übrigen wird dazu auf die Ausführungen zur Zulässigkeit einer Beweisergänzung im Sinne des § 488 Abs 1 ZPO verwiesen.

Abgesehen davon, daß Urkunden, deren Echtheit und Richtigkeit nicht bestritten ist, auch ohne förmlichen Beweisbeschluß berücksichtigt werden dürfen, hat der Kläger die diesbezügliche Unterlassung eines Beweisbeschlusses nicht gerügt (§ 196 ZPO), so daß er daraus keine Mangelhaftigkeit ableiten kann.

Richtig ist, daß die Aussage des Zeugen Stefan P*****im Berufungsverfahren verlesen wurde, obwohl sich der Kläger dagegen aussprach (S 325). Dieser Zeuge mußte in erster Instanz im Rechtshilfeweg vernommen werden (S 95 ff), da er krankheitshalber nicht zum Erstgericht zureisen konnte (S 77a und 81). Die Beweisaufnahme durch das Erstgericht erfolgte somit nur mittelbar, so daß es entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers keinen unmittelbaren persönlichen Eindruck von diesem Zeugen gewinnen konnte. § 281a ZPO billigt der Partei lediglich das Recht zu, die Beweisaufnahme auf jene Weise zu verlangen, wie sie im erstgerichtlichen Verfahren erfolgt ist. Daher können schon vom Erstgericht nur mittelbar (im Rechtshilfeweg) aufgenommene Beweise jedenfalls durch Verlesung der Beweisaufnahmeprotokolle wiederholt werden (vgl Fasching ZPR2 Rz 1807). Auf eine Erweiterung der Entscheidungsbasis durch das Berufungsgericht hatte der Kläger, abgesehen davon, daß er die Einvernahme dieses Zeugen durch das Berufungsgericht gar nicht beantragte, keinen Anspruch (RZ 1990/20 mwH).

Widersprüche gegen die Protokollierung einer Zeugenaussage wären im Sinne des § 212 Abs 2 ZPO geltend zu machen (§ 498 Abs 2 ZPO); der Kläger beschränkte sich aber lediglich auf eine Rüge der Protokollierung (S 395). Im übrigen hat der Zeuge DDr. Wilhelm T*****kein "Sachverständigengutachten" abgegeben oder der Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes vorgegriffen, sondern lediglich eine seiner persönlichen Erfahrung entsprechende tatsächliche Überzeugung bekundet (S 393).

Schließlich ist auch die Rechtsrüge nicht berechtigt. Den Feststellungen des Berufungsgerichtes ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß eine Vereinbarung darüber zustandekam, daß die vormalige Umsatzprovision zur Gänze in das Gesamtgehalt des Klägers einbezogen wurde; diese Einbeziehung sollte in Höhe der bisher bezogenen Mindestprovision erfolgen. Das Berufungsgericht hielt dazu ausdrücklich fest, daß die Beklagte die von ihr behauptete Einbeziehungsvereinbarung bewiesen habe (S 516); der Kläger habe aufgrund der festgestellten Vereinbarung nur mehr davon ausgehen können, daß er in Hinkunft den Gesamtbezug und nichts anderes erhalten werde. Ob der Kläger diese Einbeziehungsvereinbarung in der Folge "vergessen" habe, sei ohne Bedeutung (S 517).

Auch mit ihrem weiteren Einwand, der Serviceleiter hätte mit ihm gar keine vertragsändernde Vereinbarung treffen können, übersieht der Revisionswerber die entgegenstehenden Verfahrensergebnisse und Feststellungen. So bekundete der Kläger vor dem Berufungsgericht selbst, daß er sich immer nur an den Serviceleiter gewendet habe; mit den anderen Leuten der Personalabteilung habe er nichts zu tun gehabt. G*****in Innsbruck habe er nicht als Vorgesetzten anerkannt (S 405). Das Berufungsgericht führte diesbezüglich aus, daß es im Sinne der Aussage des Zeugen DDr. T*****, wonach er die einzelnen Bereichsleiter ersucht habe, Vereinbarungen mit den Dienstnehmern im Sinne der einheitlichen Richtlinien zu treffen (S 397), durchaus der Lebenserfahrung entspreche, daß ein zuständiger Mitarbeiter damit beauftragt werde, entsprechende Vereinbarungen mit den neuen Dienstnehmern des fusionierten Unternehmens zu führen und darüber Vollzugsmeldung erstatte. Gebe es keine Beanstandungen, könne man davon ausgehen, daß es bezüglich der behaupteten Vereinbarung seine Richtigkeit habe und die Vereinbarung tatsächlich getroffen worden sei (S 512 f). In diesem Sinne waren Fragen einer mangelnden Befugnis des Serviceleiters, solche Vereinbarungen zu treffen, nicht Gegenstand des Verfahrens erster Instanz. Aber selbst wenn der Serviceleiter nicht im Auftrag der Beklagten gehandelt haben sollte, sondern nur Bote der rechtsgeschäftlichen Erklärung des Klägers gewesen wäre, ändert dies nichts daran, daß die Erklärung der Beklagten zugekommen ist und diese das Anbot angenommen hat. Es ist nämlich unbestritten, daß die Beklagte das Entgelt des Klägers ab Jänner 1971 über viele Jahre hinaus allein auf der Basis des monatlichen Grundgehaltes abgerechnet hat.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO begründet.

Anmerkung

E32050

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00022.93.0317.000

Dokumentnummer

JJT_19930317_OGH0002_009OBA00022_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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