Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag.Karl Dirschmied (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ali E*****, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.September 1992, GZ 31 Rs 111/92-48, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 18.Februar 1992, GZ 32 Cgs 280/88-44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Im zweiten Rechtsgang verurteilte das Erstgericht die Beklagte, dem am 10.12.1942 geborenen Kläger ab 1.5.1988 eine Invaliditätspension in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der überwiegend im angelernten Beruf eines Maurers tätig gewesene Kläger gelte als invalid iS des § 255 Abs 1 ASVG, weil seine Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken sei.
Gegen die Leistungszuerkennung für die Zeit vom 1.5. bis 31.10.1988 und ab dem 1.4.1989 erhob die Beklagte Berufung, in der sie zwar nur den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung benannte, inhaltlich aber auch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (Nichtdurchführung der von der Beklagten beantragten Prüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers durch die Wiener Maurerinnung) rügte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Es verneinte den behaupteten Verfahrensmangel und teilte die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes durch das Erstgericht.
Gegen das Urteil der zweiten Instanz richtet sich die nicht beantwortete Revision der Beklagten wegen des benannten Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache, unter dem auch wieder die Unterlassung der Überprüfung durch die Maurerinnung gerügt wird, mit den Anträgen, das angefochtene Urteil durch Abweisung des Klagebegehrens für die Zeit vom 1.5. bis 31.10.1988 sowie ab dem 1.4.1989 abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige Revision ist nicht berechtigt.
Die inhaltlich geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 leg cit). Nach stRsp des erkennenden Senates können in der Berufung behauptete, vom Berufungsgericht aber verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht neuerlich in der Revision gerügt werden (zuletzt SSV-NF 5/116 mwN uva).
Die rechtliche Beurteilung der der angefochtenen Entscheidung nach § 498 Abs 1 ZPO zu Grunde gelegten, durch die geltend gemachten Berufungsgründe nicht berührten Ergebnisse der erstgerichtlichen Verhandlung und Beweisführung durch das Berufungsgericht entspricht der stRsp des erkennenden Senates zum angelernten Beruf iS des § 255 Abs 1 und 2 ASVG. Danach müssen die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zwar den in einem Lehrberuf erworbenen an Umfang und Qualität entsprechen, doch sind nicht alle Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich, die nach den Ausbildungsvorschriften zum Berufsbild eines Lehrberufes zählen und daher einem Lehrling während der Lehrzeit zu vermitteln sind. Es kommt vielmehr darauf an, daß ein angelernter Arbeiter über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die üblicherweise von ausgelernten Facharbeitern des jeweiligen Berufes in dessen auf dem Arbeitsmarkt gefragten Varianten (also in der Berufsgruppe) unter Berücksichtigung einer betriebsüblichen Einschulungszeit verlangt werden. Hingegen reicht es nicht aus, wenn sich die Kenntnisse und Fähigkeiten auf ein oder mehrere Teilgebiet(e) eines Berufes erstrecken, der von ausgelernten Facharbeitern allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht wird (SSV-NF 5/117 und 122, 6/69 jeweils mwN uva). Dabei gehört die Feststellung der vom Versicherten erworbenen beruflichen Kentnisse und Fähigkeiten zur Tatfrage, die Beurteilung, ob er in einem angelernten Beruf tätig war, zur rechtlichen Beurteilung (SSV-NF 4/80 mwN).
Die Rechtsrüge ist im wesentlichen nicht gesetzgemäß ausgeführt, weil sie größtenteils nicht von der Entscheidungsgrundlage der Vorinstanzen ausgeht. Danach werden die vom Kläger ab 1973 bei einer Baufirma verrichteten, beispielsweise aufgezählten Tätigkeiten nicht nur üblicherweise im und außerhalb des Fertigteilbaubereiches von gelernten Maurern ausgeübt, sondern reichen auch üblicherweise für die Ausübung des Maurerberufes aus. Es gibt für einen Maurer keine verwandten Berufe, in denen er nicht längerdauernder Kälte und Nässe ausgesetzt ist.
Auf die erstmals in der Revision behauptete, der letztgenannten Feststellung widerstreitende Verweisungsmöglichkeit auf die Tätigkeit eines Verkaufsfachmannes in "Do-it-yourself-Märkten" bzw Baumärkten war auch deshalb nicht näher einzugehen, weil es sich dabei um eine gegen das nach § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwendende Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO verstoßende neue tatsächliche Behauptung handelt.
Daher war der Revision nicht Folge zu geben.
Anmerkung
E32263European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:010OBS00047.93.0318.000Dokumentnummer
JJT_19930318_OGH0002_010OBS00047_9300000_000