Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Richard T*****, und der minderjährigen Elisabeth T*****, beide vertreten durch die Mutter Dr.Christine T*****, wegen pflegschaftsbehördlicher Genehmigung des unterhaltsrechtlichen Teiles eines Scheidungsfolgenvergleiches, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr.Günter T*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 30.Junli 1992, GZ 18 R 502/92-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 9.Juli 1992, GZ 3 P 119/91-35, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Eltern der am ***** geborenen Kinder wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 29.April 1991, AZ 3 Sch 22/91, gemäß § 55 a EheG im Einvernehmen geschieden. Von den im zuvor abgeschlossenen, umfangreichen Scheidungsfolgenvergleich (im folgenden auch nur Vergleich) enthaltenen Vergleichspunkten bedurften unter anderem die, die Kinder auch betreffenden Punkte 1. (Übertragung der Obsorge an die Mutter ua), 3.
"Unterhaltsbemessungsgrundlage" mit den Subpunkten a) bis f) und 5. "Kindesunterhalt" mit den Subpunkten a) bis c) der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung. Die Übertragung der Obsorge ist seit 4.Dezember 1991 rechtskräftig genehmigt (ON 10).
Das Erstgericht hat mit Beschluß vom 29.Mai 1992 Punkt 5b. des Vergleiches, worin sich der Vater zur Leistung monatlicher Unterhaltszahlungen von 4.930 S bzw 4.860 S an seine beiden Kinder verpflichtet hatte, rechtskräftig pflegschaftsgerichtlich genehmigt, Punkt 5a. über die von den Eltern vereinbarte Berechnung der Unterhaltsbemessungsgrundlage jedoch nicht genehmigt, weil der Unterhalt jeweils "individuell" zu bemessen und eine Bemessung nach Prozeßpunkten im Gesetz nicht vorgesehen sei. Über Rekurs des Vaters, der am 11.November 1991 auch einen Unterhaltsherabsetzungsantrag gestellt hatte, trug das Rekursgericht mit Beschluß vom 9.April 1992 der ersten Instanz auf, zunächst darüber zu entscheiden, ob die im Punkt 3. vereinbarte Art der Berechnung der Unterhaltsbemessungsgrundlage pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen sei oder nicht.
Mit Beschluß vom 9.Juli 1992 hat dann das Erstgericht Punkt 3. des Vergleiches wegen des nach seiner Auffassung nicht dem Kindeswohl entsprechenden Inhalts (Einschränkung der Umstandsklausel durch eine in Punkt 5a. auf Dauer vereinbarte fixe Quote, keine Feststellung der Unterhaltsbemessungsgrundlage im Scheidungsverfahren durch einen gerichtlich beeideten Buchsachverständigen, faktische Unterbringung der Anwendung der sogenannten Anspannungstheorie ua) nicht genehmigt.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz, weil es zwar nicht die vom Erstgericht angenommenen, aber andere Passagen von Punkt 3. über die Rückzahlung etwaiger Unterhaltsüberzahlungen und die Berücksichtigung von Sonderausgaben als dem Kindeswohl widersprechend ansah. Wegen der inhaltlichen Verknüpfung der Bestimmungen komme eine teilweise Genehmigung nicht in Betracht, sodaß Punkt 3. des Vergleiches insgesamt nicht zu genehmigen sei. Die zweite Instanz ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit einer teilweisen Genehmigung eines pflegschaftsgerichtlichen Vergleiches schon sehr lange zurückliege (GlUNF 1319; GlU 8037).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters ist nicht zulässig.
Zu den Voraussetzungen der Scheidung der Ehe im Einvernehmen nach § 55 a Abs 2 EheG gehört unter anderem der Abschluß einer schriftlichen Vereinbarung der Ehegatten über die Unterhaltspflicht hinsichtlich ihrer gemeinsamen (nicht selbsterhaltungsfähigen minderjährigen) Kinder. Es muß eine Unterhaltsvereinbarung des Kindes, vertreten durch einen Elternteil vorliegen, nicht ein sogenannter Entlastungsvertrag, eine bloße Regelung zwischen den Ehegatten darüber, wer die Unterhaltslast im Innenverhältnis zu tragen hat (RZ 1991/64; Pichler in Rummel2, Rz 5 und 5b zu § 55 a EheG mwN und Probleme des Unterhalts in ÖA 1987, 91; Fenyves, Unterhalts- und vermögensrechtliche Vereinbarungen bei Auflösung der Ehe aus zivilrechtlicher Hinsicht in Ruppe, Handbuch der Familienverträge2 852 f mwN in FN 96).
Würde man unterstellen, daß die Regelung des Kindesunterhalts im vorliegenden Scheidungsfolgenvergleich kein Vertrag mit den Kindern, sondern nur einer der Eltern untereinander ist, wären die Rechte der Kinder nicht berührt. Ein solcher Vergleich bedürfte keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung (Pichler, Probleme des Unterhalts in ÖA 1987, 91) und der Vater wäre durch die Verweigerung einer solchen (überflüssigen) Genehmigung nicht beschwert.
Aus dem Inhalt und der Textierung des hier zu beurteilenden Vergleiches geht aber mit ausreichender Deutlichkeit hervor, daß der Vater gegenüber seinen Kindern eine Verpflichtung übernommen hatte und die Mutter beim Abschluß der Unterhaltsvereinbarung mit dem Vater, soweit sie die beiden Kinder betraf, diese vertrat. Daß dies dem Parteiwillen der Eltern entsprach, ergibt sich nicht zuletzt auch daraus, daß bereits durch Punkt 1. des Vergleiches die - in der Folge pflegschaftsbehördlich genehmigte - Obsorge (§ 177 ABGB) der Mutter zukommen sollte. Dem Offenlegungsgrundsatz, der der Evidenz der Rechtsverhältnisse dient (Koziol-Welser, Grundriß9 I 163), wurde ausreichend Genüge getan.
Die Unterhaltsvereinbarung, (auch) in Ansehung der Kinder, erfolgte hier, der Praxis folgend, in der Form eines bei der Scheidungstagsatzung protokollierten gerichtlichen Vergleichs und bedurfte nach herrschender Rechtsprechung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung nach § 154 Abs 3 ABGB (EFSlg 59.721; 4 Ob 1505/91 uva; Schlemmer in Schwimann, Rz 21 zu § 154 ABGB; Schlemmer/Schwimann in Schwimann, Rz 86 zu § 140 ABGB mwN; Stabentheiner, Scheidungsvergleich und pflegschaftsgerichtliche Genehmigung in RZ 1991, 250 ff mwN in FN 2; aA Pichler aaO, Rz 13 zu §§ 154, 154 a ABGB der eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nur bei einem Abgehen von den in der Rechtsprechung üblichen Sätzen für erforderlich hält; kritisch auch Fenyves aaO, 852; vgl auch Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Vereinbarungen bei einvernehmlicher Scheidung in JBl 1992, 409 ff, 410 mwN in FN 4). Diese pflegschaftsgerichtliche Genehmigung ändert den Inhalt des Vertrages nicht, sie ergänzt nur die fehlende volle Verpflichtungsfähigkeit des Minderjährigen oder der für ihn handelnden Personen (EFSlg 59.719, 33.556 ua). Der Pflegschaftsrichter ist bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften nicht Partei und schließt weder statt des gesetzlichen Vertreters Verträge noch gibt er Zustimmungserklärungen ab ect, sondern hat nur gewisse, bereits abgeschlossene Rechtsgeschäfte zu ihrer Wirksamkeit zu genehmigen (EvBl 1971/33; SZ 29/81; 3 Ob 108, 109/86; Feil, Verfahren außer Streitsachen 537). Nachherrschender Auffassung kann daher das aufsichtsführende Gericht den zur Genemigung vorgelegten Vertrag (Vergleich) nur entweder genehmigen oder die Genehmigung versagen, aber keine Vertragsänderungen vornehmen (EvBl 1972/244 = EFSlg 17.839; 1 Ob 30/92; 1 Ob 17/92, auch mit Ausführungen zum allgemeinen Sprachgebrauch des Wortes "Genehmigungen"; Pichler aaO, Rz 16 mwN; Knell, Das Verfahren außer Streitsachen 292; Feil aaO 537 f). Ob hier Vergleichspunkt 3. seinem Inhalt und Zusammenhang nach mit den übrigen relevanten Punkten eine einheitliche und unteilbare Vereinbarung mit beiderseitigen Rechten und Pflichten darstellt (vgl 5 Ob 526/88, insoweit nicht veröffentlicht in EFSlg 57.607 ff,
57.805) und eine Genehmigung von Punkt 3. des Vergleiches durch die Vorinstanzen mangels Teilbarkeit der Gesamtregelung eine unzulässige Vertragsänderung bedeutet hätte, muß hier nicht untersucht werden.
Ob im vorliegenden Fall ein Kollisionskurator für die Minderjährigen die Unterhaltsvereinbarung mit dem Vater hätte treffen müssen wie dies von einem Teil des Schrifttums (Fenyves aaO, 853; Ferrari-Hofmann-Wellenhof aaO, 410; Verschraegen, Einverständliche Scheidung, 520) gefordert wird, muß angesichts der nachstehenden Erwägungen gleichfalls nicht abschließend geprüft werden.
Der Vater ist iS des § 9 AußStrG nicht rechtsmittellegitimiert. Im Verfahren außer Streitsachen ist die Partei- und Beteiligtenstellung und damit das Rechtsmittelrecht (auch an die dritte Instanz) nur solchen Personen zuzubilligen, deren rechtlich geschützte Interessen durch die bekämpfte Entscheidung beeinträchtigt wurden (SZ 50/41; 1 Ob 622/91 uva). Vorliegend wurde die Obsorgezuteilung an die Mutter bereits vor dem Einbringen des Revisionsrekurses des Vaters rechtskräftig pflegschaftsbehördlich genehmigt. Die Interessen der Kinder hat daher die Mutter und das Pflegschaftsgericht wahrzunehmen. In Ansehung seiner eigenen Interessen kommt aber dem Vater als Vertragspartner seiner Kinder im Verfahren zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung von Verträgen Minderjähriger oder Pflegebefohlener keine Beteiligtenstellung zu (EvBl 1972/244; 1 Ob 622/91 ua). Der Vertragspartner des Minderjährigen oder Pflegebefohlenen kann im pflegschaftsbehördlichen Verfahren weder die Genehmigung noch deren Versagung erwirken, weil dieses Verfahren ausschließlich im Interesse der Minderjährigen bzw Pflegebefohlenen durchzuführen ist, das Pflegschaftsgericht bei der Entscheidung über die Vertragsgenehmigung allein deren Interessen zu berücksichtigen hat (EvBl 1972/244 ua) und der Vertragspartner schon naturgemäß nicht zur Wahrung der Interessen des Minderjährigen oder Pflegebefohlenen berufen ist. Das Verfahren zur Erwirkung der Genehmigung stellt einen internen Vorgang des Pflegschaftsverfahrens ohne Beteiligung des Vertragspartners, hier des Vaters, dar (2 Ob 528/92; 8 Ob 632/90; EFSlg 52.553 f; JBl 1970, 94 = EvBl 1969/346).
Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.
Anmerkung
E34027European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0010OB00602.92.0322.000Dokumentnummer
JJT_19930322_OGH0002_0010OB00602_9200000_000