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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
DVG 1984 §13 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma, Dr. Pfiel und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde der B in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 27. September 2004, Zl. 11 2002/3-I/11/00, betreffend Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 180 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin schloss ihr 1981 begonnenes Studium der Betriebswirtschaftslehre durch Ablegung der 2. Diplomprüfung am 15. April 1988 erfolgreich ab. Am 25. Mai 1988 wurde ihr der akademische Grad Magister der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften verliehen.
Im Jahre 1982 begann die Beschwerdeführerin ein Studium der Rechtswissenschaften.
Die Beschwerdeführerin wurde mit Wirksamkeit vom 28. Dezember 1989 als VB I/a in die Finanzverwaltung aufgenommen und dem Finanzamt für den 4., 5. und 10. Wiener Gemeindebezirk zur Dienstleistung zugewiesen. Sie war dort nach Beendigung der praktischen Ausbildung in der Folge in der Veranlagungsabteilung als Referentin tätig. Nach erfolgreichem Abschluss des Fachkurses für den gehobenen Dienst wurde die Beschwerdeführerin mit Wirksamkeit vom 11. Jänner 1993 zur (damaligen) Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland versetzt, wo sie bis 31. Dezember 2002 als Rechtsmittelreferentin eines Berufungssenates für Abgabensachen tätig war.
Mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 1993 wurde die Beschwerdeführerin auf die Planstelle einer Kommissärin (Dienstklasse III, Verwendungsgruppe A) ernannt.
Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 14. September 1993 wurde gemäß § 12 des Gehaltsgesetzes 1956 (GehG) als Vorrückungsstichtag für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis der 9. Dezember 1987 festgesetzt. Hiebei wurde die Zeit des betriebswirtschaftlichen Studiums vom 11. September 1981 bis 30. Juni 1985 (das sind 3 Jahre, 9 Monate und 20 Tage) gemäß § 12 Abs. 2 Z. 8 GehG zur Gänze dem Tag der Anstellung vorangesetzt und gemäß § 12 Abs. 7 iVm § 12a Abs. 4 GehG als Überstellungsverlust in Abzug gebracht.
In gleicher Weise war dieses Studium bereits bei der Berechnung des für das vorangegangene Vertragsbedienstetenverhältnis maßgebenden Vorrückungsstichtages (9. Dezember 1987) berücksichtigt worden, wobei das abgeschlossene Studium ein Anstellungserfordernis darstellte.
Mit Wirkung vom 29. Juni 1998 wurde der Beschwerdeführerin auf Grund des erfolgreichen Abschlusses ihres im Jahre 1982 begonnenen Studiums der Rechtswissenschaften der akademische Grad einer Magistra der Rechtswissenschaften verliehen.
Mit Eingabe vom 1. März 2000 beantragte die Beschwerdeführerin die Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages unter gänzlicher Berücksichtigung der Zeiten ihres Studiums der Rechtswissenschaften gemäß § 12 Abs. 3 GehG. Begründend führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass diese Zeiten zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 14. September 1993, mit dem der Vorrückungsstichtag festgesetzt worden sei, nicht berücksichtigt hätten werden können, da das Studium der Rechtswissenschaften zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Der Abschluss des vor dem Tag der Aufnahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis begonnenen Studiums sei im Juni 1998 erfolgt. Es gäbe daher Zeiträume, in denen es bei der Anrechnung des Zweitstudiums zu keiner mehrfachen Berücksichtigung desselben Zeitraums komme. Das Studium der Rechtswissenschaften sei für die erfolgreiche Verwendung als Berichterstatterin in einem Berufungssenat, Rechtsmittel- und Fachreferentin für Einkommensteuer, unzweifelhaft von besonderer Bedeutung, sodass die Voraussetzungen für eine Anrechnung der Studienzeiten im Sinne des § 12 Abs. 3 GehG gegeben seien.
Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2003 wurde die Beschwerdeführerin zum sonstigen hauptberuflichen Mitglied des Unabhängigen Finanzsenates ernannt.
Mit Bescheid vom 27. September 2004 wies die belangte Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG den Antrag der Beschwerdeführerin vom 1. März 2000 wegen entschiedener Sache zurück.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass Anbringen von Beteiligten, die die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehrten, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen seien, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer aufsichtsbehördlichen Maßnahme finde. Gemäß § 12 Abs. 9 GehG sei der Vorrückungsstichtag mit Bescheid festzustellen. Inhalt des Spruches dieses Bescheides bilde einzig und allein die datumsmäßige Festlegung dieses gemäß § 8 Abs. 1 GehG für die Vorrückung maßgebenden Stichtages. Hingegen seien die einzelnen vor dem Einstellungstag liegenden Zeiträume nur Bemessungselemente und keine rechtlich selbständigen Absprüche. Demnach schließe es die Rechtskraft eines Bescheides über den Vorrückungsstichtag aus, dass nachträglich eine bisher nur zur Hälfte dem Anstellungstag vorangesetzte Zeit in Anwendung des § 12 Abs. 3 GehG zur Gänze berücksichtigt werde. Mit einer solchen Maßnahme würde in eine rechtskräftige Entscheidung eingegriffen, bestünden diese Zeiten doch nicht selbständig. Diese könnten vielmehr nur durch entsprechende Änderung des Vorrückungsstichtages Wirksamkeit erlangen. Die Dienstbehörde habe daher einen nach rechtskräftiger Feststellung des Vorrückungsstichtages gestellten Antrag auf Vollanrechnung einer bisher nur zur Hälfte berücksichtigten Zeit mit Rücksicht darauf, dass ein solcher Antrag auf Abänderung eines rechtskräftig gewordenen Bescheides hinauslaufe, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, sofern er nicht zum Anlass für eine aufsichtsbehördliche Maßnahme genommen werde. Da der Antrag der Beschwerdeführerin vom 1. März 2000 keinen Anlass für eine aufsichtsbehördliche Maßnahme biete, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde erhob die Beschwerdeführerin als rechtskundige Bedienstete des Bundes im Sinne des § 24 Abs. 2 Z. 2 VwGG Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages verletzt. Der angefochtene Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig und leide darüber hinaus an einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Bescheid sei zum einen mangelhaft begründet. Zum anderen liege keine entschiedene Sache vor.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlichrechtlichen Dienst-, Ruhe- oder Versorgungsverhältnisses zum Bund, den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden ist nach § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren in Dienstangelegenheiten (Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 - DVG) das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit den im DVG enthaltenen Abweichungen anzuwenden.
Die obersten Verwaltungsorgane des Bundes sind nach § 2 Abs. 2 DVG idF der Novelle BGBl. I Nr. 119/2002 (Deregulierungsgesetz - öffentlicher Dienst 2002) für die Dienstrechtsangelegenheiten der der Zentralstelle angehörigen Beamten als Dienstbehörde in erster Instanz zuständig. Die den obersten Verwaltungsorganen nachgeordneten, vom jeweiligen Bundesminister durch Verordnung bezeichneten Dienststellen, die nach ihrer Organisation und personellen Besetzung zur Durchführung der Dienstrechtsangelegenheiten geeignet sind, sind innerhalb ihres Wirkungsbereiches als Dienstbehörden erster Instanz zuständig. In zweiter Instanz sind die obersten Verwaltungsorgane innerhalb ihres Wirkungsbereiches als oberste Dienstbehörde zuständig.
Nach § 1 Z. 9 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Regelung der Zuständigkeiten in Dienstrechtsangelegenheiten der Beamten und Vertragsbediensteten des Finanzressorts (Dienstrechtsverfahrens- und Personalstellenverordnung - BMF 2004 - DVPV-BMF 2004, BGBl. II Nr. 171) ist eine nachgeordnete Dienststelle gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz DVG der Unabhängige Finanzsenat.
Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Nach § 13 Abs. 1 DVG ist in Dienstrechtsangelegenheiten eine Aufhebung oder Abänderung von rechtskräftigen Bescheiden von Amts wegen auch dann zulässig, wenn die Partei wusste oder wissen musste, dass der Bescheid gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt.
Gemäß § 13 Abs. 2 DVG ist zur Aufhebung und Abänderung gemäß Abs. 1 und gemäß § 68 Abs. 2 AVG sowie zur Nichtigerklärung gemäß § 68 Abs. 4 AVG die oberste Dienstbehörde jenes Ressorts zuständig, dessen Personalstand der Bedienstete, auf den sich das Verfahren bezieht,
1. im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides im Sinne des § 68 AVG oder
2. im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienststand oder Dienstverhältnis
angehört hat. Hat eine nachgeordnete Dienstbehörde einen Bescheid erlassen und gehört der betreffende Bedienstete weiterhin dem Personalstand dieser nachgeordneten Dienstbehörde an, kann auch sie diesen Bescheid gemäß § 68 Abs. 2 AVG - ausgenommen in den Fällen des Abs. 1 - abändern oder aufheben.
Mit ihrem Begehren auf Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages macht die Beschwerdeführerin nicht die Ausübung eines in die Zuständigkeit der belangten Behörde fallenden Rechts auf Abänderung des Bescheides vom 14. September 1993 gemäß § 13 Abs. 2 DVG geltend.
§ 13 Abs. 2 DVG umfasst mit seinen Verweisen auf § 13 Abs. 1 sowie auf § 68 Abs. 2 und § 68 Abs. 4 AVG die Aufhebung und Abänderung rechtskräftiger Bescheide von Amts wegen. Nur in diesen Fällen ist die oberste Dienstbehörde jenes Ressorts, dessen Personalstand der Bedienstete, auf den sich das Verfahren bezieht, unter den im § 13 Abs. 2 DVG näher angeführten Voraussetzungen angehört hat, zuständig.
Demgegenüber liegt hier ein Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages vor, weshalb sich die Zuständigkeit nicht nach § 13 Abs. 2 DVG, sondern seit dem Inkrafttreten der DVPV-BMF 2004 am 1. Mai 2004 nach dieser Verordnung richtet.
Dies verkennend hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.
Die Unzuständigkeit der belangten Behörde führt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch dann, wenn sie von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht wurde, zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides (vgl. u.v.a. schon die hg. Erkenntnisse vom 25. Mai 1966, VwSlg. Nr. 6.936/A, vom 10. Oktober 1973, Zl. 665, 677/73, und vom 2. Dezember 1976, VwSlg. Nr. 9.191/A).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die Abweisung des Mehrbegehrens der Beschwerdeführerin ergibt sich aus § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG, wonach ein Schriftsatzaufwand nur dann gebührt, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war.
Wien, am 24. Februar 2006
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004120205.X00Im RIS seit
12.04.2006