TE OGH 1993/3/25 8Ob574/92

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Veröffentlicht am 25.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Gunther Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Edgar Huber, Dr. Birgit Jelinek, Dr. Ronald Rohrer und Dr. Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmuth M. M*****-Stiftung, ***** vertreten durch Dr. Hans G.Mondel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Helmut P*****, ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwilligung in die Ausfolgung eines Sparbuches (Streitwert S 1,309.674,71 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16.3.1992, GZ 14 R 238/91-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31.7.1991, GZ 2 Cg 191/89-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.256,20 (einschließlich S 3.542,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Stiftung, die ihren Sitz in L*****hat, ist Rechtsnachfolgerin der am 28.1.1984 verstorbenen, sehr begütert gewesenen Elfriede M*****. In den Jahren 1981 bis 1983 hat der nun beklagte Rechtsanwalt Frau M***** rechtsfreundlich vertreten. Er erhielt von ihr eine "Generalvollmacht mit Substitutionsbefugnis" und es war insbesondere seine Aufgabe, ihr - großteils von ihrem verstorbenen Mann Dr. Helmuth M***** ererbtes - Vermögen zu verwalten. Im Rahmen dieser Aufgabe verfaßte er 1982 und 1983 verschiedene "unwiderrufliche" Widmungserklärungen zur Errichtung von Stiftungen, die ihren Sitz in L*****bzw in W*****haben sollten; es kam jedoch in der Folge nur zur Gründung der noch zu erwähnenden W*****Stiftung.

In diesem Zusammenhang verfügte er ua für die unter dem Namen "Helmuth M. und Ellie M*****Gedächtnisstiftung für internationales Gesellschaftsrecht" zu errichtende Stiftung mit dem beabsichtigten Sitz in V*****die Überweisung von Sfr 150.000 und Sfr 2.000 Gründungssteuer auf ein Konto der "Stiftung für vergleichende Erforschung der freien Berufe" mit dem Sitz in V*****, die er mit der Gründung der vorgenannten Stiftung beauftragte.

In der mit 31.3.1983 datierten Stiftungserklärung verpflichtete sich nun der Beklagte unwiderruflich, die Ellie & Helmuth M. M*****-Stiftung, der ein Vermögen von S 1,000.000 gewidmet sein sollte, mit Sitz in W*****zu errichten. Diese Stiftung wurde in der Folge als einzige der geplanten Stiftungen errichtet. Allerdings legte der Beklagte erst am 10.5.1989 die Stiftungserklärung der W*****Stiftungsbehörde vor, die die Errichtung am 3.7.1989 für zulässig erklärte.

Am ***** widerrief Elfriede M***** sämtliche dem Beklagten erteilte Vollmachten und forderte ihn auf, sämtliche übernommene Unterlagen, die in seinem Besitz befindlichen Vermögenswerte, insbesondere den Betrag von Sfr 152.000, herauszugeben und eine detaillierte Abrechnung zu legen. Am gleichen Tag widerrief sie auch ihre früheren letztwilligen Verfügungen, insbesondere die vom 8.4.1982, in der sie erklärt hatte, die Ellie & Helmuth M. M*****-Stiftung zu errichten und zur Universalerbin ihres gesamten Vermögens einzusetzen, und in der sie weiters verfügt hatte, daß diese Stiftung, wenn sie zum Zeitpunkt ihres Todes noch nicht rechtsfähig sein sollte, unverzüglich zu gründen sei und der Beklagte als Testamentsvollstrecker und Stiftungskurator zu fungieren habe. Kurze Zeit später setzte sie die klagende Stiftung als ihre Universalerbin ein; dieser wurde dann auch rechtskräftig eingeantwortet.

Kurze Zeit nach dem 5.5.1983 veranlaßte die "Stiftung für vergleichende Erforschung der freien Berufe" die Überweisung von Sfr 152.000, samt den zwischenzeitig abgereiften Zinsen insgesamt Sfr 154.552,33, auf ein Konto eines österreichischen Kreditinstituts. Am 21.6.1983 wurden S 1,306.065,10 dem bei diesem Kreditinstitut unterhaltenen Kanzleikonto des Beklagten gutgeschrieben, der diesen Betrag auf ein Anderkonto mit der Bezeichnung "Stiftung/Elfriede M*****" übertrug. Am 8.8.1983 eröffnete der Beklagte bei diesem Kreditinstitut ein Inhabersparbuch mit einer Einlage von S 1,309.676,61.

Mit dem am 2.12.1983 beim BG Innere Stadt Wien eingelangten Erlagsantrag beantragte der Beklagte als Erleger, den Erlag dieses Inhabersparbuchs gemäß § 1425 ABGB bzw § 19 RAO zugunsten folgender Antragsgegner bei Gericht anzunehmen: 1) "Stiftung für die vergleichende Erforschung der freien Berufe", 2) Elfriede M***** und

3) er selbst. Zur Antragsbegründung führte er an: Er habe Sfr 150.000 als Stiftungskapital zuzüglich Sfr 2.000 für Gründungsgebühren samt Zinsen erhalten; zur "formellen Gründung" der vorgesehenen Stiftung sei es nicht gekommen. Elfriede M***** sei jedoch an ihren Stifterwillen unwiderruflich gebunden; es werde zu klären sein, ob der Erstantragsgegnerin oder der Zweitantragsgegnerin der "Anspruch auf Auszahlung des Hinterlegungsbetrages" zustehe; im letzteren Fall sei zu klären, ob diese seine, des Beklagten, Honorarforderung bereits erfüllt habe und damit sein gesetzliches Pfandrecht gemäß § 19 Abs 4 RAO erloschen sei.

Mit Beschluß vom 20.1.1984 wurde dieser Erlag gemäß § 1425 ABGB "wegen unklarer Rechtslage" zu Gericht angenommen.

Über das Vermögen der Erstantragsgegnerin wurde in der Folge der Konkurs eröffnet und das L*****Konkursgericht genehmigte die Anerkennung des Aussonderungsrechtes der klagenden Partei an dem hinterlegten Sparbuch.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Stiftung als Rechtsnachfolgerin der verstorbenen Elfriede M***** die Verurteilung des Beklagten in die Einwilligung zur Ausfolgung des gerichtlich erlegten Sparbuches. Sie berief sich darauf, daß Elfriede M*****am 5.5.1983 sämtliche dem Beklagten erteilte Vollmachten widerrufen habe, der Beklagte jedoch dessen ungeachtet ihrer Aufforderung zur Herausgabe des Betrages von Sfr 152.000 nicht nachgekommen sei, sondern vielmehr das Geld auf das strittige Inhabersparbuch angelegt habe. Auf ein ihm nach § 19 Abs 4 RAO an diesem Geldbetrag angeblich zustehendes gesetzliches Pfandrecht könne sich der Beklagte nicht berufen, weil zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beklagte den in Rede stehenden Geldbetrag empfangen habe, das Vollmachtsverhältnis zu Elfriede M***** bereits aufgelöst gewesen sei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, wendete mangelnde Passivlegitimation ein und brachte im wesentlichen vor, er habe entsprechend den ihm von Elfriede M***** erteilten Aufträgen ua die Ellie & Helmuth M. M*****-Stiftung in W*****errichten sollen und habe als Fiduziar von Elfriede M***** am 31.3.1983 unwiderruflich die Stiftungserklärung abgegeben. An der Durchführung der Stiftung sei er in der Folge von Elfriede M***** durch Jahre gehindert worden. Den gerichtlichen Erlag des Sparbuchs habe er als Fiduziar der Ellie & Helmuth M. M*****-Stiftung in W*****vorgenommen; diese Stiftung sei in der Folge auch errichtet worden. Spätestens seit diesem Zeitpunkt habe er somit in dieser Erlagssache und somit auch zur klagenden Partei keine direkte Rechtsbeziehung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und führte zur Begründung seiner Entscheidung an:

Der Beklagte sei schon deshalb passiv legitimiert, weil er als Treuhänder - und nicht der Treugeber - Dritten gegenüber aktiv und passiv legitimiert sei; überdies habe er die angebliche Treugeberin im Erlagsverfahren nie namhaft gemacht.

Der Ausfolgungsanspruch sei gerechtfertigt: Elfriede M***** sei zum Widerruf der Stiftungserklärungen berechtigt gewesen und habe sie auch wirksam widerrufen. Gemäß § 4 Abs 3 BStFG müssen die Stiftungserklärung "unwiderruflich gegenüber der Stiftungsbehörde" abgegeben werden. Ob eine Stiftung unter Lebenden bis zum Einlangen der Stiftungserklärung bei der Stiftungsbehörde, bis zur bescheidmäßigen Genehmigung (Stammer, Handbuch des österreichischen Stiftungs- und Fondswesens, 69) oder bis zur Rechtskraft dieses Bescheides (Schauer in Csoklich-Müller, Die Stiftung als Unternehmer, 40) widerruflich sei, könne dahingestellt bleiben, weil die Stiftungserklärung der einzig schließlich errichteten Stiftung, nämlich der Ellie & Helmuth M. M*****-Stiftung mit Sitz in W*****, der Stiftungsbehörde erst sechs Jahre (!) nach dem Widerruf der Stiftungserklärung durch Ellie M*****zugegangen sei. Stiftungen von Todes wegen könnten bis zum Tod widerrufen werden. Nach Liechtenstein'schem Recht (Art 559 Z 1 Liechtenstein'sches ZGB) könnten Stiftungen unter Lebenden so lange widerrufen werden, als die Stiftung noch nicht ins Öffentlichkeitsregister eingetragen worden sei; dies sei nie geschehen. Elfriede M***** habe daher am 5.5.1983 alle beabsichtigten Stiftungen wirksam widerrufen können. Die übrigen mit der Errichtung verbundenen Fragen spielten infolge des wirksamen Widerrufs keine Rolle.

Auf eine Unwiderrufbarkeit des Treuhandverhältnisses zu Elfriede M***** könne sich der Beklagte nicht berufen, weil mit dem wirksamen Widerruf des Stiftungswillens die Grundlage für seine weitere Tätigkeit weggefallen sei.

Es sei auch die Ansicht des Berufungswerbers, die Stiftung mit Sitz in W*****sei nun einmal errichtet und das in Rede stehende Sparbuch gehöre damit zum Stiftungsvermögen, unrichtig: Ein gutgläubiger Erwerb des Sparbuches scheide aus, weil sich die Stiftung das Wissen ihres Stiftungskurators (des Beklagten) zurechnen lassen müsse; der Beklagte sei somit zur Einwilligung in die Ausfolgung des Sparbuches an die klagende Stiftung als Gesamtrechtsnachfolgerin nach Elfriede M*****verpflichtet.

Auf ein ihm nach § 19 RAO zustehendes Recht habe sich der Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht berufen und könne dies aus den schon vom Erstgericht aufgezeigten Gründen auch gar nicht mehr.

Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Frage der Widerrufbarkeit einer Stiftungserklärung höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht ausgeführten Grund zwar zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsrüge des Beklagten richtet sich im wesentlichen nur gegen den vom Berufungsgericht angenommenen wirksamen Widerruf der Stiftungserklärung: Nach § 4 Abs 3 BStFG müsse die Stiftungserklärung unwiderruflich gegenüber der Stiftungsbehörde abgegeben werden. Hieraus folge, daß die Stiftungserklärung unwiderruflich sei und daß bereits mit der Stiftungserklärung eine sofortige Bindung des Stifters durch Fehlen der freien Widerruflichkeit eintrete. Elfriede M***** sei daher an die von ihr einmal abgegebene Stiftungserklärung gebunden (und er als ihr Treuhänder um so mehr) und habe diese nicht mehr wirksam widerrufen können.

Die Genehmigung der Stiftungserklärung wirke nach hA auf den Zeitpunkt der Stiftungserklärung zurück; die Ellie & Helmuth M. M*****-Stiftung habe deshalb rückwirkend mit 31.3.1983 Rechtspersönlichkeit erlangt und ab diesem Zeitpunkt Eigentum am Stiftungsvermögen und daher auch an dem strittigen, damals auf einem Konto und nunmehr im Sparbuch erliegenden Stiftungsvermögen erwerben können.

Diesen Rechtsausführungen kann nicht gefolgt werden.

Das Berufungsgericht hat zutreffend und ausführlich dargelegt, daß Stiftungserklärungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt widerrufen werden können. § 4 Abs 3 BStFG (BGBl 1975/11), wonach bei einer Stiftung, die zu Lebzeiten des Stifters errichtet werden soll, die Stiftungserklärung unwiderruflich gegenüber der Stiftungsbehörde abgegeben werden und mit der gerichtlich oder notariell beglaubigten Unterschrift des Stifters versehen sein muß, klärt zwar nicht eindeutig, ob und bis zu welchem Zeitpunkt Stiftungserklärungen widerrufen werden können; es ist aber den überzeugenden Argumenten Schauers aaO zu folgen, daß teleologische Gründe gegen eine sofortige Bindung durch die Stiftungserklärung sprechen: der gegenüber der Schenkung geringere Übereilungsschutz soll durch die Möglichkeit des Widerrufs aufgewogen werden, und daraus folgt, daß der Widerruf jedenfalls bis zur Abgabe der Stiftungserklärung gegenüber der Stiftungsbehörde wirksam möglich ist. Da Elfriede M***** ihre Stiftungserklärungen bereits am 5.5.1983 widerrief, die Stiftungserklärung betreffend die Ellie & Helmuth M. M*****-Stiftung aber erst am 10.5.1989 (!) der Stiftungsbehörde in W*****zugegangen ist, liegt ein wirksamer Widerruf vor; es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Widerruf auch noch zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich bis zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Stiftung (Stammer aaO) oder bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses (Schauer aaO) zulässig ist.

Die bereits der Ellie & Helmuth M. M*****-Stiftung gewidmeten Vermögenswerte sind daher der Erbin nach Elfriede M***** herauszugeben, weil jeder Rechtsgrund, sie zu behalten, mit dem Widerruf der Stiftungserklärung weggefallen ist.

Abgesehen davon, daß der nunmehr auf dem strittigen Sparbuch erliegende Geldbetrag offensichtlich ursprünglich nicht für die in W*****errichtete M*****-Stiftung, sondern für eine in L*****zu errichtende Stiftung bestimmt war, ist daher der Beklagte schon deshalb verpflichtet, der Ausfolgung des strittigen Sparbuchs zuzustimmen, weil er hierauf jedenfalls seit 5.5.1983 weder als angeblicher Treuhänder der Ellie & Helmuth M. M*****-Stiftung noch persönlich einen Rechtsanspruch hat.

Wie immer man die Frage der rückwirkenden Erlangung der Rechtspersönlichkeit der Stiftung auch beantwortet, scheidet ein gutgläubiger Erwerb schon deshalb aus, weil sich diese jedenfalls die Schlechtgläubigkeit ihres Treuhänders bzw Stiftungskurators zurechnen lassen muß.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E30935

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0080OB00574.92.0325.000

Dokumentnummer

JJT_19930325_OGH0002_0080OB00574_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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