Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber Dr.Monika Angelberger und Dr.Wolfgang Dorner in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz H*****, vertreten durch Dr.Johannes Grund und Dr.Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, wegen Ausgleichszulage zur Alterspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.Juli 1992, GZ 12 Rs 52/92-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 26.Februar 1992, GZ 4 Cgs 33/91-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Soweit sich die Revision gegen den Kostenpunkt richtet, wird sie zurückgewiesen.
Im übrigen wird der Revision Folge gegeben. Das angefochtene Urteil und die dadurch abgeänderten Teile des erstgerichtlichen Urteils, und zwar Abs 1, mit dem die Beklagte schuldig erkannt wurde, dem Kläger ab 1.1.1991 zur Pension eine monatliche Ausgleichszulage von 733,60 S zu zahlen, und Abs 3 (Entscheidung über die Kosten erster Instanz) werden aufgehoben.
Insoweit wird die Sozialrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Berufungsbeantwortung und der Revision sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger bezieht von der Beklagten seit 1.7.1987 eine Alterspension, die seit Februar 1990 4.249,80 S, seit 1.7.1990 4.292,30 S und ab 1.1.1991 4.506,90 S betrug. Die Nettopension seiner (im gemeinsamen Haushalt lebenden) Ehegattin betrug ab diesen Anfangsterminen 2.394,60 S, 2.493,40 S und 2.539,50 S. Der Kläger und seine Ehegattin waren je zur Hälfte Eigentümer der (landwirtschaftlichen) Liegenschaft EZ 50 KG H***** deren Einheitswert 1979 20.000 S betrug und die sie mit Übergabsvertrag vom 15.10.1986 ihren Kindern Walter und Christine Maria H***** übergaben. Ihre ihnen je zur Hälfte gehörenden, 1979 m2 große Liegenschaft EZ 398 KG W***** hatten sie bereits mit Schenkungsvertrag vom 27.3.1984 ihren Kindern Franz Josef und Maria Elisabeth H***** geschenkt. Die Baubewilligung für das auf dieser Liegenschaft errichtete Haus, das auch nach der Schenkung zur Gänze vermietet blieb, wurde mit Bescheid vom 21.7.1967, jene für den Erweiterungsbau etwa drei Jahre später erteilt. 1980 betrugen die Mieteinkünfte dieses Hauses 47.112 S, die Ausgaben (ohne AfA) 22.017 S. Daraus errechnete das Erstgericht für dieses Jahr eine 1990 auflösbare Mietzinsreserve von 25.095 S (monatlich 2.091,25 S). Weil 1981 wegen der Errichtung einer flüssigkeitsdichten Senkgrube, die rund 104.000 S kostete, ein Mietzinsabzug von 43.333 S entstand, nahm das Erstgericht für 1991 keine Mieteinkünfte aus der Auflösung von Mietzinsreserven an. 1983 und 1984 betrugen die Mieteinnahmen nach Abzug des Erhaltungsaufwandes 16.078 S und 26.081 S; 1990 und 1991 machten sie einschließlich der Umsatzsteuer 92.810 S und 98.124 S aus. Daraus errechnete das Erstgericht unter anteiliger Aufteilung der erwähnten Senkgrubenerrichtung auf zehn Jahre nach Abzug von 10 % Betriebskosten, 10 % Erhaltungskosten und der Kosten einer Dachreparatur im Jahre 1990 von 8.797 S für 1990 eine 2000 aufzulösende Mietzinsreserve von 54.566 S, für 1991 eine 2001 aufzulösende Mietzinsreserve von 78.500 S. Aus der Vermietung des Hauses ergaben sich wegen der Mietzinszahlung Schwierigkeiten mit den Mietern, die in einigen Fällen zu Delogierungen führten.
Mit Bescheid vom 14.3.1990 entschied die Beklagte, daß dem Kläger ab 1.2.1990 die Ausgleichszulage nicht gebühre, weil sein Gesamteinkommen den Richtsatz übersteige.
In der dagegen rechtzeitig erhobenen, auf Zahlung einer Ausgleichszulage zur Pension von 633,50 S ab 1.2.1990 gerichteten Klage behauptete der Kläger, daß er ab diesem Tag Anspruch auf eine Ausgleichszulage in dieser Höhe habe. Dabei handle es sich um den Unterschied zwischen der Summe aus seiner monatlichen Bruttopension von 4.249,80 S, der monatlichen Bruttopension seiner Ehegattin von 2.468,70 S und dem fiktiven Einkommen aus einer aufgegebenen Landwirtschaft mit 24.000 S Einheitswert von monatlich 432 S einerseits und dem Richtsatz für (im gemeinsamen Haushalt lebende) Ehegatten von 7.784 S andererseits. Bei dieser Berechnung unterlief dem Kläger insofern ein Rechtsirrtum, als bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage nach § 149 Abs 2 GSVG nicht das Brutto-, sondern das Nettoeinkommen der im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin zu berücksichtigen ist. Das Klagebegehren wurde daher trotz des darin angeführten bestimmten Geldbetrages vom Erstgericht - offenbar unter Bedachtnahme auf § 82 ASGG - als nicht (nur) auf diesen Betrag, der vom Kläger übrigens nur für das Jahr 1990, in dem die Klage eingebracht wurde, errechnet worden war, sondern auf eine Ausgleichszulage im für den Kläger günstigsten gesetzlichen Ausmaß ab 1.2.1990 verstanden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie wendete ein, neben der in der Klage richtig angeführten monatlichen Pension des Klägers seien die monatliche Nettopension seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin von 2.394,60 S, ein monatliches Einkommen aus der 1986 übergebenen landwirtschaftlichen Liegenschaft EZ 50 KG H***** nach § 149 Abs 7 GSVG von 742 S sowie monatliche Mieteinnahmen von 5.000 S zu berücksichtigen, die der Kläger und seine Ehegattin aus dem 1984 verschenkten Haus erzielt hätten und ohne die Schenkung weiterhin erzielen könnten.
Darauf replizierte der Kläger, das Haus sei verschenkt worden, weil er die Verwaltung des etwa 20 km von seinem Wohnhaus entfernten, alten und ständig reparaturbedürftigen Hauses, dessen vier Mieter nicht immer die Mietzinse zahlten, weshalb er sogar die Gerichte habe beanspruchen müssen, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr habe durchführen können. Deshalb sei die Schenkung gerechtfertigt, eine Anrechnung von Mietzinsen jedoch nicht.
Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze ab. Es stellte damals ua fest, daß der Kläger und seine Ehegattin, bevor sie das Miethaus verschenkten, monatliche Mieteinnahmen von durchschnittlich 5.000 S erzielten. Davon zahlten sie die Grund- und Gemeindesteuer, während die auf das Haus entfallenden Versicherungsleistungen und die Müllabfuhr von den Mietern bezahlt wurden. Wegen der Mietzinszahlungen gab es teilweise Schwierigkeiten mit den Mietern, die in einigen Fällen zu Delogierungen führten. Nach der Übergabe des verschenkten Hauses blieben die Mieter und die Mieteinnahmen in etwa gleich. Im Zuge der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht damals aus, daß dem Kläger mit Bescheid der beklagten Partei vom 10.2.1983 ab 1.1.1983 eine vorzeitige Alterspension zuerkannt, zugleich aber ausgesprochen wurde, daß ihm keine Ausgleichszulage gebühre, ua deshalb, weil er monatliche Mieteinnahmen von 5.000 S erziele. Nachdem er die Liegenschaft EZ 398 KG Weinberg mit Schenkungsvertrag vom 27.3.1984 seinen Kindern geschenkt hatte, beantragte er am 26.11.1984 die Ausgleichszulage. Als Hauptgrund der Hausübergabe führte er die demnächst anfallenden Reparaturen an, und daß er auch der Verwaltung nicht mehr gewachsen sei. Die Beklagte lehnte die beantragte Ausgleichszulage mit Bescheid vom 24.1.1985 ab, weil auf eine realisierbare Leistung verzichtet worden sei. Der weitere Antrag des Klägers vom 26.7.1988 auf Ausgleichszulage wurde mit Bescheid der Beklagten vom 16.8.1988 abgelehnt. Das Erstgericht vertrat im ersten Rechtsgang die Rechtsansicht, daß die Mieteinnahmen als Einkommen zu berücksichtigen seien, weil es sich dabei um realisierbare Einnahmen handle.
Mit Beschluß vom 7.2.1991 gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers Folge, hob das im ersten Rechtsgang ergangene erstgerichtliche Urteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf. Es vertrat die Rechtsansicht, daß der Verzicht des Klägers (und seiner Ehegattin) auf die realisierbaren Mieteinnahmen aus dem verschenkten Haus gegenüber der beklagten Partei wirkungslos sei, weil von einer unzumutbaren Belastung des Klägers durch die Liegenschaftsverwaltung keine Rede sein könne. Mietzinseinnahmen, die in die Mietzinsreserve iS des § 20 Abs 2 MRG fielen, seien erst dann als Einkünfte iS des § 149 Abs 3 GSVG zu werten, wenn sie nicht mehr zur Deckung der Kosten von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten zu verwenden seien. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß das Mietobjekt nicht unter § 20 MRG falle. Aber auch bei Objekten, die hinsichtlich der Zinsbestimmung nicht dem MRG unterlägen, sei zu beachten, daß der Vermieter nach § 1096 ABGB verpflichtet sei, den Mietegegenstand auf eigene Kosten in brauchbarem Zustand zu erhalten, weshalb ihm, gerade wenn er nur ein sehr geringes laufendes Einkommen habe, zugebilligt werden müsse, die erforderlichen Reserven zur Erhaltung des Hauses, allenfalls analog den gesetzlichen Mietzinsreserven, zurückzulegen. Da das Erstgericht von den derzeit erzielbaren, nicht aber von den frei werdenden Mietzinsreserven ausgegangen sei, und nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden könne, ob und in welchem Ausmaß solche Reserven frei geworden seien, sei eine Verfahrensergänzung erforderlich.
Im fortgesetzten Verfahren brachte der Kläger vor, daß die Mieteinnahmen zuletzt Ende 1981 maximal 2.155 S betragen hätten. Durch den Ausfall der Mieter im Frühjahr und Oktober 1982 sei nur mehr ein Mieter verblieben, der monatlich 717,50 S bezahlt habe. Dieser Mieter sei im Sommer 1985 ausgezogen. Danach sei nichts mehr vermietet worden.
Im zweiten Rechtsgang (Schluß der Verhandlung 12.12.1991) erkannte das Erstgericht die beklagte Partei schuldig, dem Kläger zur Pension ab 1.1.1991 eine monatliche Ausgleichszulage von 733,60 S zu zahlen (Punkt 1) und binnen vierzehn Tagen die (gesamten bis dahin verzeichneten) Prozeßkosten zu ersetzen (Punkt 3), wies aber das Mehrbegehren auf eine Ausgleichszulage auch für die Zeit vom 1.2. bis 31.12.1990 ab (Punkt 2).
Ausgehend von einem Einheitswert der übergebenen landwirtschaftlichen Liegenschaft von 20.000 S, der sich um den Aufwertungsfaktor von 5 % bezogen auf das Jahr 1983 auf 21.000 S erhöhe, betrage das monatliche pauschale Ausgedinge iS des § 149 Abs 7 GSVG ab 1.2.1990 742 S, ab 1.7.1990 762 S und ab 1.1.1991 820 S.
Ein Verzicht auf die Geltendmachung zustehender realisierbarer Einkünfte sei nur dann beachtlich, wenn er in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erfüllung der Leistung durch den Verpflichteten begründet sei. Daher seien die aus dem verschenkten Miethaus erzielbaren Mietzinseinnahmen grundsätzlich als Einkommen des Klägers und seiner Ehegattin zu werten. Durch die Möglichkeit der Auflösung der Mietzinsreserve 1980 im Jahre 1990 ergebe sich ein monatlich anzurechnender Betrag von 2.091,25 S. Die Pension des Klägers zuzüglich seines sonstigen Nettoeinkommens und des Nettoeinkommens seiner Ehegattin habe daher vom 1.2. bis 31.12.1990 den für ihn geltenden Richtsatz überstiegen, weshalb das Mehrbegehren abzuweisen sei. Hingegen hätten der Kläger und seine Ehegattin 1991 einen Mietzinsabgang erwirtschaftet, so daß sich für dieses Jahr keine Mietzinseinnahmen aus der Auflösung von Mietzinsreserven ergäben. Seit 1.1.1991 betrage der Unterschied zwischen der Pension des Klägers, der Pension seiner Ehegattin und dem fiktiven Ausgedinge nach § 149 Abs 7 GSVG einerseits und dem Richtsatz andererseits monatlich 733,60 S, so daß die beklagte Partei ab diesem Zeitpunkt zur Zahlung einer Ausgleichszulage in dieser Höhe zu verurteilen war.
Der Kläger ließ den sein Mehrbegehren abweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils (Punkt 2) unbekämpft. Gegen den stattgebenden Teil (Punkt 1) und die Kostenentscheidung (Punkt 3) erhob die Beklagte Berufung, in der sie Nichtigkeit, hilfsweise unrichtige Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machte.
Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung mit Beschluß und gab der Berufung (im übrigen) mit Urteil Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die Klage zur Gänze abwies und daß der Kläger seine Verfahrenskosten selbst zu tragen habe.
Nach der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes habe das Erstgericht die freigewordenen Mietzinsreserven zeitlich unzutreffend zugeordnet. Die Kosten von Erhaltungsarbeiten seien primär aus den Mietzinsreserven zu bestreiten, die in den vorangegangenen zehn Jahren erzielt worden seien. Die laufenden Mieteinnahmen aus dem Jahr, in dem der Erhaltungsaufwand getätigt worden sei, seien erst in zweiter Linie heranzuziehen. Nach den Feststellungen konnten 1980 Mietzinsreserven von 25.095 S gebildet werden, während 1981 ein Mietzinsabgang erwirtschaftet wurde. 1991 seien daher die Mietzinsreserven aus dem Jahre 1980 frei geworden, jedoch sei das Betriebsergebnis des Jahres 1981 nicht für das Jahr 1991 maßgebend. Deshalb sei für das letztgenannte Jahr ein fiktives Einkommen von 25.095 S oder monatlich 2.091,30 S anzurechnen. Weil die Pension des Klägers zuzüglich der Pension seiner Ehegattin und des genannten Mieteinkommens bereits den Richtsatz überschritten, gebühre dem Kläger für das Jahr 1991 keine Ausgleichszulage, so daß auf die Anrechnung des pauschalierten Ausgedinges und die allfällige Verfassungswidrigkeit des § 149 Abs 7 GSVG nicht mehr näher einzugehen sei.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die unbeantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) und im Kostenpunkt mit den Anträgen, das angefochtene Urteil durch Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern oder es allenfalls aufzuheben, jedenfalls aber die beklagte Partei zum Ersatz aller Kosten zu verpflichten.
a) Soweit sich die Revision gegen die im Berufungsurteil enthaltene Entscheidung über den Kostenpunkt richtet, ist sie als unzulässig zurückzuweisen, weil solche Entscheidungen auch in einer Sozialrechtssache nicht bekämpft werden können (zuletzt SSV-NF 5/37 mwN).
b) Im übrigen ist die Revision iS des Aufhebungsantrages berechtigt.
Aus den Bestimmungen über die Ausgleichszulage ergibt sich, daß bei der Feststellung des Anspruches auf diese Leistung grundsätzlich nur tatsächlich bezogenes Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten und seines mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners zu berücksichtigen ist. Dies erfordert der Zweck dieser Zusatzleistung, die zusammen mit der Pension, dem aus übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommen und den gemäß § 151 GSVG zu berücksichtigenden Beträgen das Existenzminimum des Pensionsberechtigten (und des mit ihm zusammenlebenden Ehepartners) sichern soll (Martinek, Zur Ausgleichszulage, VersRdSch 1956, 229; Tomandl, Grundriß des österr. Sozialrechts4 Rz 193; Schrammel bzw Teschner in Tomandl, SV-System
5. ErgLfg 132 bzw 413; Grillberger, österreichisches Sozialrecht 77; Schrammel, Probleme der Ausgleichszulage ZAS 1992, 9; SSV-NF 1/60, 62 ua).
Der erkennende Senat hat - in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien als bis 31.12.1986 letzter Instanz in Leistungsstreitsachen - wiederholt ausgesprochen (SSV-NF 1/60, 3/118, 131, 149, 4/47), daß - ganz allgemein - Ansprüche mit Einkommenscharakter, die einem Pensionsberechtigten auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage zustehen, bei der Prüfung des Anspruches auf Ausgleichszulage grundsätzlich wie tatsächliches Einkommen zu berücksichtigen seien. Ein Verzicht auf die Geltendmachung zustehender Einkünfte sei nur dann beachtlich, wenn er in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erfüllung der Leistung durch den Verpflichteten begründet sei. In Fällen, in denen sich der Pensionsbezieher darauf berufe, daß vertragliche oder gesetzliche Ansprüche nicht realisierbar wären, seien daher die genauen Vermögens- und Einkommensverhältnisse des zur Erbringung der fraglichen Leistung Verpflichteten zu prüfen. Nur wenn diese Person außerstande sei, ihrer Verpflichtung nachzukommen, sei die Durchsetzung des Anspruches tatsächlich unmöglich oder zumindest unzumutbar. Daß ein Verzicht auf realisierbares Einkommen nicht zu einer Erhöhung der Ausgleichszulage um jene Beträge führen dürfe, auf die verzichtet worden sei, sei zur Abwehr mißbräuchlicher Inanspruchnahme öffentlicher Mittel notwendig; der subsidiäre, sozialhilfeähnliche Charakter der Ausgleichszulage verbiete es im allgemeinen zu berücksichtigen, daß der Berechtigte von sich aus auf realisierbare Leistungen verzichte.
Diese Rechtsprechung wurde zuletzt im schon zit Aufsatz Schrammels in ZAS 1992, 9 [13] kritisiert. Schrammel ist insoweit beizupflichten, daß die von der bisherigen Judikatur vertretene Rechtsmeinung, ein Verzicht des Pensionsberechtigten auf realisierbare Ansprüche sei ausgleichszulagenrechtlich nur dann beachtlich, wenn er in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erfüllung der Leistung durch den Verpflichteten begründet sei, bei Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des erkennenden Senates zu anderen Fragen des Ausgleichszulagenrechtes grundsätzlich auf Ansprüche mit Einkommenscharakter beschränkt werden muß, auf die der Berechtigte in rechtsmißbräuchlicher Weise verzichtet hat, um dadurch die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ausgleichszulage zu schaffen.
Ein Ausgleichszulagenbezieher darf sein Recht, auf bei der Feststellung seines Anspruches auf Ausgleichszulage zu berücksichtigende Einkünfte in Geld oder Geldeswert zu verzichten, zwar immer ausüben. Ein solcher Verzicht ist aber bei der Feststellung der Ausgleichszulage dann nicht zu berücksichtigen, wenn er offenbar den Zweck hatte, den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen.
Wer nämlich in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zufügt, ist nach § 1295 Abs 2 ABGB dafür verantwortlich, falls dies in Ausübung eines Rechtes geschah, jedoch nur dann wenn die Ausübung des Rechtes offenbar den Zweck hatte, den anderen zu schädigen, er also sein Recht auf Verzicht in schikanöser Weise mißbracht.
Es ist unbestritten, daß diese Bestimmung über die Verantwortlichkeit für sittenwidriges Verhalten einschließlich Rechtsmißbrauch auch außerhalb des Schadenersatzrechtes anzuwenden ist, sofern es um die Schadensvermeidung geht. Das Schikaneverbot gilt auch im öffentlichen Recht; es wohnt der gesamten Rechtsordnung inne (Reischauer in Rummel2 Rz 63 zu § 1295 mit RspN). Dabei sind zwei Problemkreise zu unterscheiden: die sittenwidrige absichtliche Schädigung in Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit und der Rechtsmißbrauch, also das Handeln in (formaler) Ausübung eines von der Rechtsordnung ausdrücklich eingeräumten Rechtes (Reischauer aaO Rz 54 zu § 1295; Schwimann/Harrer, ABGB V § 1295 Rz 103, 105, 123; Rummel, Wettbewerb durch Umweltschutz? Rz 1993, 34 [38]). Im vorliegenden Fall geht es darum, ob der Kläger sein ihm von der Rechtsordnung (§ 1444 ABGB) eingeräumtes Recht auf Verzicht offenbar zu dem Zweck ausgeübt hat, den beklagten Versicherungsträger bzw den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen, ob ihm also Rechtsmißbrauch vorzuwerfen ist.
IS der neueren Lehre und Rechtsprechung liegt ein solcher Rechtsmißbrauch nicht erst dann vor, wenn die Absicht des Ausgleichszulagenbeziehers, den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen, der einzige Grund des Verzichtes ist, sondern schon dann, wenn das unlautere Motiv des Verzichtes die lauteren Motive eindeutig überwiegt, also so augenscheinlich im Vordergrund steht, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (Reischauer aaO Rz 58f zu § 1295 mRspN), demnach zwischen den vom Verzichtenden (vorsätzlich) verfolgten und den beeinträchtigten Interessen des Trägers der Ausgleichszulage ein krasses (und zu mißbilligendes) Mißverhältnis besteht (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts9 I 466 mwN). Durch die Wortfolge "offenbar den Zweck hatte" wollte der Gesetzgeber der 3. TN verhindern, daß durch die Einschränkung auf die Schädigungsabsicht als einziges bedeutsames Motiv für die Ersatzpflicht dem Ersatzanspruch "so ziemlich die praktische Bedeutung genommen werde. Denn es wird sich wohl immer bei Ausübung eines Rechts, auch wenn sie offenbar nur den Schaden eines anderen bezweckt, irgendein Nebenzweck behaupten lassen, wenn schon kein anderer, so die ideelle Befriedigung am Rechtsgenusse oder die Rücksicht darauf, grundsätzlich sich an seinem Rechte nichts zu vergeben." (Mat zur 3. TN 45). Das unlautere Motiv muß das (die) lautere(n) Motiv(e) eindeutig überwiegen.
Der erkennende Senat kommt daher iS dieser Ausführungen unter Bedachtnahme auf Prähauser, ZAS 1971, 107, Binder, Probleme der pensionsversicherungsrechtlichen Ausgleichszulage ZAS 1981, 89 und jüngst Schrammel, ZAS 1992, 13 zur Auffassung, daß ein Pensionsberechtigter ausgleichszulagenrechtlich grundsätzlich auf Ansprüche mit Einkommenscharakter verzichten darf. Ein solcher Verzicht ist jedoch bei der Feststellung der Ausgleichszulage dann unbeachtlich, wenn er offenbar den Zweck hatte, den Träger der Ausgleichszulage iS der obigen Ausführungen zu schädigen (§ 1295 Abs 2 ABGB).
Ob Rechtsmißbrauch vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalles zu klärende Rechtsfrage (Reischauer aaO Rz 62 zu § 1295).
Nach § 87 Abs 1 ASGG hat das Gericht sämtliche für diese Beurteilung notwendig erscheinenden Beweise von Amts wegen aufzunehmen.
Da ein iS des § 1295 Abs 2 ABGB rechtsmißbräuchlicher Verzicht des Versicherten oder Pensionisten auf Ansprüche mit Einkommenscharakter den Anspruch auf Ausgleichszulage ganz oder teilweise vernichtet, hat der Versicherungsträger, der sich auf einen solchen Rechtsmißbrauch beruft, nach der auch in Sozialrechtssachen geltenden Grundregel, daß jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen beweisen muß (Fasching, ZPR2 Rz 882, 2315/2; SSV-NF 1/48, 4/40, 50, 148, 150 jeweils mwN), die objektive Beweislast für die Umstände zu tragen, aus denen sich ein eindeutiges Überwiegen der unlauteren Motive des Verzichtenden ergibt (ähnlich Reischauer aaO Rz 59 u 62 zu § 1295).
Der in der Regel nicht strittige Verzicht des Versicherten oder Pensionisten auf Ansprüche mit Einkommenscharakter ergibt noch keinen Beweis des ersten Anscheins (Prima-Facie-Beweis) für ein unlauteres Motiv des Verzichtes oder für ein eindeutiges Überwiegen solcher Motive, weil die typische formelhafte Verknüpfung fehlt (Fasching, ZPR2 Rz 810, 894, 896 mwN; SSV-NF 4/50 mwN).
Ergeben sich im Verfahren konkrete Anhaltspunkte dafür, daß der Versicherte oder Pensionist offenbar verzichtet hat, um die Leistungslast vom persönlich haftenden Schuldner auf die öffentliche Hand abzuwälzen, also rechtsmißbräuchlich gehandelt hat (Binder in ZAS 1981, 94), dann sind damit Hilfstatsachen bewiesen, aus denen unter Zuhilfenahme der Erfahrung auf die Hauptsache geschlossen werden kann (mittelbarer Beweis oder Indizienbeweis; Fasching aaO). Konkrete Anhaltspunkte für einen offenbaren Rechtsmißbrauch könnten etwa der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Verzicht und der beabsichtigten Inanspruchnahme der Ausgleichszulage (sa Binder aaO) oder der Umstand sein, daß für den Verzicht anscheinend keine allgemein verständlichen lauteren Motive vorlagen.
Solche Indizien wird der Träger der Pensionsversicherung in der Regel
schom mit den ihm im Verfahren in Leistungssachen zur Verfügung
stehenden gesetzlichen Möglichkeiten feststellen können. Er kann nach
dem gemäß § 194 Abs 1 GSVG auch hinsichtlich des Verfahrens zur
Durchführung dieses Bundesgesetzes geltenden § 358 Abs 1 ASVG
Parteien, sonstige Beteiligte und Auskunftspersonen zur Feststellung
des Sachverhaltes vernehmen oder, wenn diese Personen der Ladung
keine Folge leisten oder die Aussage verweigern, das örtlich
zuständige Bezirksgericht um ihre Vernehmung ersuchen. Nach § 154
GSVG kann der Versicherungsträger - nach § 297 ASVG der Träger der
Pensionsversicherung -, wenn nicht schon unter Berücksichtigung des
ihm bekannten Nettoeinkommens der anzuwendende Richtsatz
überschritten wird, zur Feststellung der Ausgleichszulage die
Verwaltungshilfe des zuständigen Trägers der Sozialhilfe in Anspruch
nehmen, der insbesondere um die Ermittlung von Sachbezügen ersucht
werden kann. Der Ausgleichzulagenbezieher ist nach § 155 GSVG (§ 298
ASVG) verpflichtet, jede Änderung des Nettoeinkommens ... dem
Versicherungsträger gemäß § 20 GSVG (bzw § 40 ASVG) anzuzeigen (Abs
1), der jeden Ausgleichszulagenbezieher innerhalb von jeweils drei
Jahren mindestens einmal zu einer Meldung seines Nettoeinkommens und
seiner Unterhaltsansprüche ... zu verhalten hat (Abs 2). Die Träger
der Sozialhilfe haben bezüglich aller Bezieher einer Ausgleichszulage, die sich gewöhnlich in ihrem Zuständigkeitsbereich aufhalten, ihnen bekannt gewordene Änderungen des Nettoeinkommens ... dem Versicherungsträger mitzuteilen (Abs 3).
Auf diese Weise kann der Versicherungsträger schon in seinem Leistungsverfahren über die Feststellung oder Neufestsetzung der Ausgleichszulage auch in Rechtsbeziehungen zwischen dem Pensionsberechtigten und dritten Personen wenigstens soweit Einblick erlangen, daß er ausreichende Indizien für einen dem Verzicht zugrundeliegenden offenbaren Rechtsmißbrauch feststellen kann.
In letzter Konsequenz werden schließlich im gerichtlichen Verfahren auf Grund amtswegiger Beweisaufnahmen iS des § 87 ASGG auch die den Rechtsverzicht rechtfertigenden Motive festzustellen sein.
Im vorliegenden Fall kommt es daher in erster Linie darauf an, in welcher Absicht der Kläger und seine mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegattin, deren gesamtes Nettoeinkommen nach § 149 Abs 2 GSVG bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage unter Bedachtnahme auf § 151 Abs 4 leg cit zu berücksichtigen ist, die ihnen je zur Hälfte gehörende Liegenschaft EZ 398 KG W***** dem damals zur Gänze vermieteten Haus ihren Kindern Franz Josef und Maria Elisabeth H***** geschenkt und damit auf Einkünfte aus Vermietung verzichtet haben.
Diese dem Revisionsgericht entscheidungswesentliche Frage, die zwischen den Parteien - wie sich aus der dargestellten Vorgeschichte dieses Prozesses ergibt - seit dem Schenkungsvertrag strittig ist, wurde von den Parteien zwar im ersten Rechtsgang erörtert, doch wurden darüber keine ausreichenden Feststellungen getroffen, weil die Vorinstanzen von einer vom Obersten Gerichtshof nunmehr aufgegebenen Rechtsansicht ausgingen. Die Klärung der Frage, ob der Verzicht des Klägers und seiner Ehegattin auf die Mietzinseinnahmen überhaupt bei der Feststellung der Ausgleichszulage zu beachten ist, hat der Lösung der Frage vorauszugehen, ob und in welchem Ausmaß im Jahre 1991 tatsächlich Einkünfte aus der Vermietung des vom Kläger und seiner Ehegattin verschenkten Miethauses erzielt wurden.
Wegen dieser wesentlichen Feststellungsmängel, insbesondere aber auch deshalb, weil die Parteien nicht mit der Rechtsansicht zu den Auswirkungen eines Verzichtes auf bei der Ausgleichszulage zu berücksichtigende Einkünfte überrascht werden dürfen und der Beklagten Gelegenheit geboten werden muß, einen rechtsmißbräuchlichen Verzicht des Klägers und seiner Ehegattin zu behaupten und zu beweisen, war der Revision im Umfang ihrer Zulässigkeit Folge zu geben; das Urteil des Berufungsgerichtes war zur Gänze, das erstgerichtliche Urteil nur in seinen von der zweiten Instanz abgeänderten Teilen aufzuheben und die Sozialrechtssache insoweit zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§§ 496, 499, 503 Z 4, 510, 511 und 513 ZPO).
Die Zulässigkeit der Berücksichtigung des Einkommens des Klägers und seiner Ehegattin aus der 1986 übergebenen landwirtschaftlichen Liegenschaft nach § 149 Abs 7 GSVG war zwischen den Parteien in den Vorinstanzen nicht strittig. Deshalb hat der Oberste Gerichtshof diese Gesetzesstelle im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Es war daher beim Verfassungsgerichtshof kein Aufhebungsantrag iS des Art 89 Abs 2 B-VG zu stellen.
Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten der Berufungsbeantwortung und der Revision beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Anmerkung
E32286European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:010OBS00233.92.0330.000Dokumentnummer
JJT_19930330_OGH0002_010OBS00233_9200000_000