Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Ignaz Gattringer und Dr.Alfred Hoppi als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Werner Sch*****, Bankangestellter, ***** vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei *****bank *****, vertreten durch Dr.Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wegen Kündigungsanfechtung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.Jänner 1993, GZ 7 Ra 3/93-11, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. November 1992, GZ 23 Cga 145/92-8, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Beklagte hat das Dienstverhältnis des bei ihr als Geschäftsleiter beschäftigten Klägers mit Schreiben vom 17.März 1992 zum 30.9.1992 gekündigt. Der Betriebsrat hatte der Kündigung nicht zugestimmt. Noch im März 1992 setzte sich der Kläger mit Rechtsanwalt Dr.***** in Verbindung, der die Beklagte mit Schreiben vom 25.3.1992 um Angabe der Kündigungsgründe ersuchte. Der Kläger beauftragte seinen Rechtsanwalt nicht, die Kündigung anzufechten. Der Kläger war in der Folge im April, Juni und Juli im Ausland; zu dieser Zeit befand er sich nicht in ärztlicher Behandlung und nahm auch keine Medikamente. Erst als seine Bewerbungsschreiben bei zahlreichen Unternehmen keinen Erfolg hatten, brachte er die Kündigungsanfechtungsklage ein und verband damit den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Anfechtungsfrist des § 105 Abs 4 ArbVG.
Aufgrund seiner psychischen Erkrankung nach Erhalt des Kündigungsschreibens sei er nicht in der Lage gewesen, die Kündigungsanfechtung einzuleiten. Dies sei ein unabwendbares Ereignis.
Das Erstgericht wies den Antrag ab.
Eine Erkrankung bilde nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund, wenn sie plötzlich auftrete und daher für eine Stellvertretung nicht mehr gesorgt werden könne. Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Zugehens der Kündigung nicht in ärztlicher Behandlung gestanden, habe keine Medikamente genommen und sich in gutem gesundheitlichen Zustand befunden. Selbst wenn eine Krankheit als bescheinigt anzunehmen wäre, habe der Kläger durch Aufsuchen eines Rechtsanwaltes noch im März 1992 rechtzeitig für eine entsprechende Stellvertretung gesorgt und hätte von diesem über eine Kündigungsanfechtung aufgeklärt werden müssen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Kläger sei nicht, wie er behaupte, psychosebedingt untätig geblieben, sondern habe nach Erhalt des Kündigungsschreibens beim Obmann der Beklagten wegen einer Rücknahme der Kündigung vorgesprochen und sich, weil dies erfolglos war, mit einem Rechtsanwalt in Verbindung gesetzt. Eine unerwartet aufgetretene Psychose, die ihn an einer rechtzeitigen Anfechtungsklage gehindert hätte, sei daher nicht anzunehmen, zumal sich der Kläger auch in der Folge nicht in ärztliche Behandlung begab, sondern zwecks Sprachstudien ins Ausland reiste. Möglicherweise habe der Kläger nicht an eine Kündigungsanfechtung gedacht und deshalb die Frist nicht wahrgenommen.
Dagegen richtet sich der rechtzeitige, auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Klägers aus dem Rekursgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens.
Die Gründe, warum eine Kündigungsanfechtung unterblieb, hätten durch Vernehmung des Dr.***** und durch Klärung des Gesundheitszustandes des Klägers durch Einholung eines psychologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens erhoben werden müssen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Der Rekursgrund der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt nicht vor (§ 48 ASGG iVm § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO, der kraft Größenschlusses im Rekursverfahren anzuwenden ist).
Selbst wenn sich der Kläger nach Zustellung der Kündigung in einem unvorhergesehenen Zustand einer Psychose befunden hätte, so wäre dies nur dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn diese Störung der psychischen Funktionen zur Fristversäumnis geführt hätte. Eine Erkrankung bildet nämlich nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund, wenn sie die Bestellung eines Vertreters oder eine Prozeßhandlung unmöglich macht (Fasching II 729; EvBl 1972/44 = RZ 1971, 175).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor: Der Kläger hat aufgrund der Kündigung vom 17.3.1992 ein oder zwei Tage später mit dem Obmann der Beklagten gesprochen, um eine Rücknahme der Kündigung zu erwirken. Nachdem diese Vorsprache ergebnislos war, setzte er sich mit Rechtsanwalt Dr.***** in Verbindung, schilderte seinen Fall und gab ihm das Kündigungsschreiben mit zwei Durchschriften seiner Schreiben vom 18. und 20.3.1993 an die Beklagte. Bereits am 25.3.1992 forderte Dr.***** die Beklagte auf, den Grund der Kündigung bekanntzugeben.
Der Kläger hat sich daher trotz der behaupteten Krankheit sofort gegen die Kündigung gewendet und zweckentsprechende Maßnahmen ergriffen, so daß er kein Ereignis bescheinigen konnte, das ihn daran gehindert hätte, die Kündigung gemäß § 105 Abs 3 ArbVG rechtzeitig anzufechten.
Das Unterlassen eines Auftrages zur Kündigungsanfechtung an den Rechtsanwalt ist kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis, weil die Gelegenheit zur Vornahme dieser Rechtshandlung gegeben war.
Der Revisionsrekurs ist daher nicht berechtigt.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 521 a ZPO ist die Revisionsrekursbeantwortung der Beklagten zurückzuweisen.
Anmerkung
E32376European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00057.93.0331.000Dokumentnummer
JJT_19930331_OGH0002_009OBA00057_9300000_000