Index
13 Staatsvertragsdurchführung, KriegsfolgenNorm
B-VG Art144 Abs1 / BescheidLeitsatz
Zurückweisung der Beschwerde gegen die Ablehnung von Zahlungen ausdem Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus mangelsBescheidqualität der angefochtenen Entscheidung des Antragskomitees;Erbringung von Leistungen des Fonds im Wege derPrivatwirtschaftsverwaltungSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Aufgrund der Behauptungen der Beschwerdeführer und der vonrömisch eins. 1. Aufgrund der Behauptungen der Beschwerdeführer und der von
ihnen vorgelegten Unterlagen stellt sich der vom Verfassungsgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt wie folgt dar:
Die Beschwerdeführer, alle Staatsangehörige der Vereinigten Staaten von Amerika, sind Erben von Aktionären der CEPI (Compagnie Europeenne de Participations Industrielles). Diese war eine Holdinggesellschaft mit Sitz in Monaco, die aus Beteiligungen an verschiedenen Industrieunternehmen bestand. Die CEPI hielt u.a. eine Beteiligung an der STEG (privilegierte Österreich-ungarische Staatseisenbahngesellschaft). Im Jahr 1938 wurde der CEPI ein besonders ungünstiger Aktientausch gegen STEG-Aktien dadurch aufgezwungen, dass die Unternehmensorgane aus politischen oder rassischen Gründen ausgetauscht wurden und die neu eingesetzten Organe dann diesen ungünstigen Tausch zulasten der bisherigen Eigentümer beschlossen. Die Beschwerdeführer beauftragten einen Wirtschaftsprüfer mit der Erstellung eines Gutachtens, wie hoch ihr Vermögensverlust seit der Erzwingung des Aktientausches 1938 bis zur Auflösung der CEPI 1971 zu bemessen sei. Das Gutachten des Wirtschaftsprüfers ergibt Vermögensnachteile für alle drei Beschwerdeführer in Höhe von insgesamt € 9,682.945,--.
2. Mit Entscheidung vom 14. Dezember 2005 hat das Antragskomitee beim Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus (in der Folge: Antragskomitee) die Forderung im Forderungsverfahren abgelehnt, ins Billigkeitsverfahren überstellt und auch dort abgelehnt, da es sich um keinen Vermögensentzug iSd Entschädigungsfondsgesetzes handle. Am 7. April 2006 stellten die Beschwerdeführer einen Antrag auf neuerliche Entscheidung; das Antragskomitee sah sich in seiner zweiten Entscheidung vom 4. April 2007 nicht veranlasst, von seiner früheren Entscheidung Abstand zu nehmen. Dies wurde begründet wie folgt:
"Das Antragskomitee hat die genannten Anträge sorgfältig überprüft. Dennoch sieht sich das Antragskomitee nicht veranlasst von seiner früheren Entscheidung Abstand zu nehmen, da einerseits die Existenz einer Vereinigung, die das Antragskomitee gerechtfertigterweise als Rechtsnachfolger der CEPI anerkennen könnte, nicht nachgewiesen wurde und andererseits in keiner Weise belegt werden konnte, dass die früheren Aktionäre der CEPI entweder allein oder gemeinschaftlich ermächtigt worden seien, Forderungen im Namen der Aktiengesellschaft zu betreiben."
3. Gegen diese von den Antragstellern und nunmehrigen Beschwerdeführern als Bescheid einer Verwaltungsbehörde gewertete Entscheidung richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Aufhebung des Bescheides begehrt und angeregt wird, hinsichtlich des Entschädigungsfondsgesetzes ein Gesetzesprüfungsverfahren, hinsichtlich des Washingtoner Abkommens ein Verfahren zur Prüfung von Staatsverträgen einzuleiten und diese als rechtswidrig aufzuheben.
4. Das Antragskomitee gab mit Schreiben vom 31. August 2007 eine Stellungnahme ab. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst erstattete ebenfalls eine Äußerung.
II. Dem Antrag und der Entscheidung des Antragskomitees liegt folgende Rechtslage zugrunde:römisch II. Dem Antrag und der Entscheidung des Antragskomitees liegt folgende Rechtslage zugrunde:
Im Zuge von Verhandlungen über Fragen der Restitution von bzw. der Entschädigung für Vermögen, das während der nationalsozialistischen Herrschaft arisiert oder sonst enteignet oder geraubt wurde, wurde ein Regierungsübereinkommen zwischen den Regierungen Österreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika abgeschlossen (im Folgenden: Washingtoner Abkommen). Zur Umsetzung des Washingtoner Abkommens, BGBl. III 121/2001, wurde das Entschädigungsfondsgesetz, BGBl. I 40/2001 idF BGBl. I 20/2007 (im Folgenden: EFG), erlassen. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 17.415/2004 im Detail zur Schiedsinstanz für Naturalrestitution ausgeführt hat, besteht nach §7 EFG kein Rechtsanspruch auf Leistungen, wobei sich diese Bestimmung offensichtlich nur auf Leistungen nach dem ersten Teil des EFG bezieht. Im Zuge von Verhandlungen über Fragen der Restitution von bzw. der Entschädigung für Vermögen, das während der nationalsozialistischen Herrschaft arisiert oder sonst enteignet oder geraubt wurde, wurde ein Regierungsübereinkommen zwischen den Regierungen Österreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika abgeschlossen (im Folgenden: Washingtoner Abkommen). Zur Umsetzung des Washingtoner Abkommens, Bundesgesetzblatt Teil 3, 121 aus 2001,, wurde das Entschädigungsfondsgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, 40 aus 2001, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 20 aus 2007, (im Folgenden: EFG), erlassen. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 17.415/2004 im Detail zur Schiedsinstanz für Naturalrestitution ausgeführt hat, besteht nach §7 EFG kein Rechtsanspruch auf Leistungen, wobei sich diese Bestimmung offensichtlich nur auf Leistungen nach dem ersten Teil des EFG bezieht.
§1 EFG regelt die Einrichtung und die Ziele des Fonds und hat folgenden Wortlaut:
"§1. (1) Zur umfassenden Lösung offener Fragen der Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus für Verluste und Schäden, die als Folge von oder im Zusammenhang mit Ereignissen auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich während der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind, wird der Allgemeine Entschädigungsfonds (kurz: Fonds) eingerichtet.
§7 normiert allgemeine Voraussetzungen für Leistungen und insbesondere, dass auf diese kein Rechtsanspruch besteht. §7 hat folgenden Wortlaut:
"§7. Die Leistungen werden für die endgültige Abgeltung von Verlusten oder Schäden zuerkannt, die als Folge von oder im Zusammenhang mit Ereignissen auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich während der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind. Auf diese Leistungen besteht kein Rechtsanspruch."
§42 normiert, dass völkerrechtliche Verträge unberührt bleiben und ein Rechtsanspruch auf Leistungen daher nicht bestehe. '42 hat folgenden Wortlaut:
"§42. Völkerrechtliche Abkommen, die sich mit den Folgen der Zeit des Nationalsozialismus oder des Zweiten Weltkrieges befassen, insbesondere der Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, BGBl. Nr. 152/1955, sowie der Notenwechsel von 1959 zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Österreich betreffend die Regelung gewisser Ansprüche nach Art26 des österreichischen Staatsvertrages, werden durch dieses Bundesgesetz nicht berührt. Ein Rechtsanspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz besteht daher nicht." "§42. Völkerrechtliche Abkommen, die sich mit den Folgen der Zeit des Nationalsozialismus oder des Zweiten Weltkrieges befassen, insbesondere der Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, Bundesgesetzblatt Nr. 152 aus 1955,, sowie der Notenwechsel von 1959 zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Österreich betreffend die Regelung gewisser Ansprüche nach Art26 des österreichischen Staatsvertrages, werden durch dieses Bundesgesetz nicht berührt. Ein Rechtsanspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz besteht daher nicht."
III. 1. Nach Art144 Abs1 erster Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof "über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden". Bei Prüfung der Prozessvoraussetzungen hat der Verfassungsgerichtshof daher zu beurteilen, ob die von den Beschwerdeführern angefochtene Entscheidung des Antragskomitees ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde ist.römisch III. 1. Nach Art144 Abs1 erster Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof "über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden". Bei Prüfung der Prozessvoraussetzungen hat der Verfassungsgerichtshof daher zu beurteilen, ob die von den Beschwerdeführern angefochtene Entscheidung des Antragskomitees ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde ist.
2. Die Beschwerdeführer werten die Entscheidung als Bescheid iSd Art144 B-VG und begründen dies wie folgt:
"Nach dem Willen der Vertragspartner im so genannten 'Washingtoner Abkommen' BGBl 2001 III/121, das dem EFG zu Grunde liegt, sowie nach dem Willen des Gesetzgebers des EFG sollte das Antragskomitee eine unabhängige Behörde erster und letzter Instanz sein. Um aber trotzdem einen Rechtsschutz zu gewähren, wurde ein 'Antrag auf neuerliche Entscheidung' als remonstratives Rechtsmittel normiert. Welches Rechtsmittel auch zeigt, dass das Antragskomitee erste und letzte Instanz ist.
In VfSlg 17415 hat die Bundesregierung die Ansicht vertreten, die Schiedsinstanz für Naturalrestitution gemäß §23 EFG, welche sich aus einem Vertreter Österreichs, einem Vertreter der USA und einem von diesen beiden Mitgliedern gemeinsam bestellten Vorsitzenden zusammensetzt, sei entweder ein innerstaatliches Organ sui generis oder eine zwischenstaatliche Einrichtung. Man darf annehmen, dass die Bundesregierung dies auch für das im gegenständlichen Fall zuständige Antragskomitee (§4 EFG) behauptet hätte bzw behaupten wird, sodass eine Auseinandersetzung mit dieser Frage notwendig ist.
Ausgangspunkt hiezu ist die Geschlossenheit des Rechtsquellensystems als Voraussetzung des im rechtsstaatlichen Prinzip verankerten Rechtsschutzes durch die Höchstgerichte OGH, VwGH und VfGH.
In diesem Sinne hat der Verfassungsgerichtshof zur Geschlossenheit des Rechtsquellensystems in seiner Entscheidung zum Emissionszertifikategesetz (G138/05 ua) ausgesprochen:
'§13 Abs4 EZG verstößt in seinem zweiten Satz mit der Einrichtung einer - wie gezeigt - funktionell und organisatorisch gemischten Rechtsquelle gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Geschlossenheit des Rechtsquellensystems (vgl. VfSlg 13.780/1994 und 17.394/2004). Danach ist für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer Rechtsquellen vorausgesetzt, dass diese nicht nur in einem demokratischen Erzeugungszusammenhang stehen, also von demokratisch gewählten oder zumindest verantwortlichen Organen geschaffen werden, sondern dass sie darüber hinaus der rechtsstaatlich gebotenen Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht entbehren.' '§13 Abs4 EZG verstößt in seinem zweiten Satz mit der Einrichtung einer - wie gezeigt - funktionell und organisatorisch gemischten Rechtsquelle gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Geschlossenheit des Rechtsquellensystems vergleiche VfSlg 13.780/1994 und 17.394/2004). Danach ist für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer Rechtsquellen vorausgesetzt, dass diese nicht nur in einem demokratischen Erzeugungszusammenhang stehen, also von demokratisch gewählten oder zumindest verantwortlichen Organen geschaffen werden, sondern dass sie darüber hinaus der rechtsstaatlich gebotenen Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht entbehren.'
Werden innerstaatliche Organe geschaffen, deren Entscheidungen nicht der Kontrolle durch die Höchstgerichte OGH, VwGH und VfGH unterliegen, so müssen sie vom Gesetzgeber mit der Qualität dieser Gerichtshöfe ausgestattet werden. Gleiches muss aus Rechtsschutzgründen für zwischenstaatliche Organe gelten, weshalb Österreich nur solche Verträge abschließen darf, deren Organe diese Rechtsschutzqualität gewährleisten.
Dem gegenüber ist die Unabhängigkeit des Antragskomitees nur einfachgesetzlich gewährleistet (§4 Abs1 EFG), das zu Grunde liegende Washingtoner Abkommen nicht einmal gemäß Art50 B-VG genehmigt. Unabsetzbarkeit und Weisungsfreiheit sind überhaupt nicht - geschweige denn bundesverfassungsgesetzlich - normiert.
Im Übrigen normiert das EFG für das Antragskomitee auch keine Anfechtungsverpflichtung, wie sie gemäß Art89 und 140 B-VG den in zweiter Instanz zur Entscheidung zuständigen Gerichten und dem - regelmäßig in Fünfersenaten entscheidenden - OGH auferlegt ist.
...
Da die Qualifikation des Antragskomitees als innerstaatliches Organ sui generis mit der ihm eigenen individuellen Rechtsquelle 'Entscheidung des Antragskomitees' die Gewährleistung eines dem OGH, VwGH und VfGH vergleichbaren Rechtsschutzes unterlaufen würde, kann das Antragskomitee nur als Verwaltungsbehörde und können seine Entscheidungen nur als Bescheide qualifiziert werden, die der Kontrolle durch die beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unterliegen.
Für die Qualifikation als innerstaatliches Organ spricht in materieller Hinsicht insbesondere, dass nichts zwischen Österreich und den USA zu entscheiden ist.
Qualifiziert man das Antragskomitee aber als zwischenstaatliches Organ, so wurde das Washingtoner Abkommen nicht einmal nach Art50 B-VG genehmigt, geschweige denn als 'verfassungsändernd' bezeichnet. Damit liegt kein Vertrag vor, der in formeller Hinsicht die oben erwähnte, erforderliche Rechtsschutzqualität gewährleisten könnte. Der VfGH hätte also in Bezug auf das Washingtoner Abkommen gegebenenfalls nach Art140a B-VG vorzugehen.
Erwähnt sei noch, dass das Washingtoner Abkommen in Anhang A Punkt 2 vorsieht, das in Aussicht genommene Gesetz, das spätere EFG, durch eine Vorlage der Bundesregierung einzubringen. Statt dessen wurde es - vertragswidrig - durch einen Selbständigen Antrag gemäß §27 Abs1 GeoGNR eingebracht (476 BlgNR 21. GP, 1). Wobei eine Regierungsvorlage zumeist mit einer besseren legistischen Qualität einhergeht (vom Washingtoner Abkommen beabsichtigt?)."
IV. Die Beschwerde ist nicht zulässig.römisch IV. Die Beschwerde ist nicht zulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist unter Bescheid iSd Art144 B-VG jede Erledigung einer Verwaltungsbehörde zu verstehen, womit ein individuelles Rechtsverhältnis gestaltet oder festgestellt wird, ob sie nun in Form eines Bescheides nach §56 AVG ergeht oder nicht (VfSlg. 4986/1965, 11.590/1987, 11.932/1988, 13.723/1994, 15.245/1998 uva.).
Gemäß §1 Abs3 EFG werden die Leistungen des Fonds "im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung" erbracht. Daraus ergibt sich, dass nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung entsprechend der Absicht des Gesetzgebers "Entscheidungen" des Antragskomitees keine (hoheitlichen) Bescheide sind. Rückstellungsansprüche auf Vermögen, das unrechtmäßig entzogen wurde, und Entschädigungen für erlittene Vermögensnachteile wären daher vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen (gewesen). Nichts deutet darauf hin, dass mit dem EFG ein zusätzlicher (öffentlich-rechtlicher) Rechtstitel für die Geltendmachung von Restitutionsansprüchen geschaffen werden sollte.
Dies wird im Übrigen auch durch die Entstehungsgeschichte des EFG bestätigt (vgl. hiezu auch die Erkenntnisse VfSlg. 17.415/2004 und 17.752/2006). Dies wird im Übrigen auch durch die Entstehungsgeschichte des EFG bestätigt vergleiche hiezu auch die Erkenntnisse VfSlg. 17.415/2004 und 17.752/2006).
V. Da die angefochtene Entscheidung kein Bescheid ist, war dierömisch fünf. Da die angefochtene Entscheidung kein Bescheid ist, war die
Beschwerde zurückzuweisen. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Rückstellung, Bescheidbegriff, Privatwirtschaftsverwaltung, GerichtZuständigkeit - Abgrenzung von VerwaltungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2008:B821.2007Zuletzt aktualisiert am
18.08.2010