TE OGH 1993/4/2 8Ob528/93

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Veröffentlicht am 02.04.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Edgar Huber, Dr. Anton Schwarz, Dr. Ronald Rohrer und Dr. Ilse Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Alexandra W*****, infolge Revisionsrekurses der Bezirkshauptmannschaft I***** als Unterhaltssachwalter gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 19. Jänner 1993, GZ 1 b R 14/93-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 4. Dezember 1992, GZ P 138/92-8, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden hinsichtlich der Unterhaltsbemessung dahin abgeändert, daß der Vater Reinhold W***** ab 1.10.1992 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 6.000,-- für seine Tochter Alexandra zu zahlen hat und das Mehrbegehren von S 1.000,-- monatlich abgewiesen wird.

Text

Begründung:

Die nun 16-jährige Alexandra W***** wohnt bei ihrer Mutter. Ihr Vater ist auf Grund eines Unterhaltsvergleiches vom 15.3.1977 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 1.300,-- verpflichtet.

Das Erstgericht gab dem Antrag des Unterhaltssachwalters auf Erhöhung der Beiträge teilweise statt und erhöhte diese ab 1.10.1992 auf S 2.884,-- monatlich; das darüber hinausgehende Begehren von S 4.116,-- monatlich wies es ab. Das Erstgericht stellte fest, daß die Minderjährige seit 1.9.1992 eine Lehre als Einzelhandelskaufmann absolviert und S 3.847,66 netto im Monatsschnitt verdient. Das als Bemessungsgrundlage heranzuziehende Einkommen des Vaters, der als Versicherungsangestellter beschäftigt ist, beträgt S 39.063,79 netto monatlich.

Das Rekursgericht wies den vom Vater erhobenen Rekurs zurück und gab dem Rekurs des Unterhaltssachwalters teilweise Folge: es erhöhte die Unterhaltsbeiträge auf S 4.000,-- monatlich und wies das Mehrbegehren von S 3.000,-- monatlich ab. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei, weil eine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ab wann Selbsterhaltungsfähigkeit bei gehobenen Lebensverhältnissen anzunehmen und in welcher Weise das eigene Einkommen des Kindes bei solchen Verhältnissen anzurechnen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den abweisenden Teil des Beschlusses erhobene Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ist zulässig und teilweise berechtigt.

Das Kind hat neben dem Betreuungsanspruch gegen die Mutter einen Anspruch auf Geldunterhalt gegen den Vater, an dessen gehobenen wirtschaftlichen Verhältnissen es angemessen teilhaben soll. Wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, stünde der minderjährigen Alexandra, hätte sie überhaupt kein Eigeneinkommen, ein Geldunterhaltanspruch gegen ihren Vater in Höhe von etwa S 8.600,-- monatlich zu. Dieser Betrag entspricht der von der Rechtsprechung zur Ermittlung der den Lebensverhältnissen des Geldunterhaltspflichtigen entsprechenden Unterhaltsleistung angewandten Prozentsatzmethode, wonach einem Kind im Alter der Minderjährigen 22 % des Einkommens des Geldunterhaltspflichtigen, den keine weiteren Sorgepflichten treffen, zusteht. Gegen die Höhe dieses Geldunterhaltes bestehen weder unter dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Vaters, dessen Einkommen mindestens das Doppelte des österreichischen Durchschnittseinkommens erreicht, noch unter dem Gesichtspunkt Bedenken, daß keine aus pädagogischen Gründen unvertretbare Überalimentierung eintreten soll.

Eigenes Einkommen des mangels voller Selbsterhaltungsfähigkeit weiterhin unterhaltsberechtigten Kindes darf nach den Grundgedanken der Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 26.8.1992, 1 Ob 560/92, inzwischen veröffentlicht in EvBl 1993/12, S. 61, nicht einseitig zur Verminderung des Geldunterhaltes um das gesamte Eigeneinkommen des Kindes führen, sondern nur insoweit, als es der verhältnismäßigen Aufteilung des eigenen Einkommens des Kindes auf Geldunterhalt und Betreuungsleistungen des anderen Elternteiles entspricht.

Die Vorgangsweise des Rekursgerichtes, von dem nach der Prozentsatzmethode ermittelten Betrag das Eigeneinkommen der Minderjährigen zur Gänze - und sogar noch mehr - abzuziehen, steht damit in Widerspruch.

In der Entscheidung des verstärkten Senates wurde der für die verhältnismäßige Aufteilung des Eigeneinkommens des Kindes benötigte Wert der Betreuungsleistungen mit der Differenz zwischen dem sogenannten Durchschnittsbedarf und dem im Fall einfacher Verhältnisse mit dem Richtsatz für die Ausgleichszulage iSd § 293 Abs 1 lit a sublit bb und lit b ASVG anzunehmenden Erfordernis an Geld zur Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit angenommen. Dadurch sollte eine Objektivierung der genannten verhältnismäßigen Aufteilung des Eigeneinkommens des Kindes auf die Leistungen beider Elternteile erreicht werden.

Da Betreuungsleistungen ihrer Natur nach im allgemeinen nach Art und Umfang Kindern einer bestimmten Altersgruppe unabhängig von den durch Geldunterhalt zu befriedigenden Bedürfnissen in gleicher Weise erbracht werden, stellt die Differenz zwischen dem jeweiligen Durchschnittsbedarf und dem genannten ASVG-Richtsatz in allen Fällen eine geeignete Verhältniszahl zur Aufteilung des Eigeneinkommens des Kindes bei der Unterhaltsbemessung (nicht Unterhaltsberechnung!) dar.

Da sich bei Anwendung dieser Grundsätze der Wert der Betreuungsleistung (= Richtsatz: S 7.583,-- bzw für 1993: S 8.167,-- minus Durchschnittsbedarf: S 3.850,--) mit S 3.733,-- bzw S 4.317,-- ergibt, beträgt das Verhältnis von Geldunterhalt (S 8.600,--) zum Wert der Betreuungsleistungen etwa 2 : 1. Daraus folgt, daß sich die Verpflichtung des geldunterhaltspflichtigen Vaters um 2/3 des eigenen Einkommens des Kindes, also um S 2.600,-- auf S 6.000,-- vermindert.

Der im vorliegenden Fall vom Vater zu leistende Unterhaltsbeitrag war daher in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen mit S 6.000,-- monatlich festzusetzen.

Anmerkung

E31297

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0080OB00528.93.0402.000

Dokumentnummer

JJT_19930402_OGH0002_0080OB00528_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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