TE OGH 1993/4/15 15Os10/93

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Veröffentlicht am 15.04.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.April 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Mag.Strieder und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kirschbichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ruzhdi A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Ruzhdi A***** und Saban G***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Kreis-(nunmehr Landes-)gericht Wiener Neustadt vom 24.November 1992, GZ 9 b Vr 786/92-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kodek, der Angeklagten Ruzhdi A***** und Saban G***** sowie der Verteidiger Dr.Vallender und Dr.Csoklich, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Ruzhdi A***** und Saban G***** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurden Ruzhdi A*****, Kemalj R***** und Saban G***** auf Grund des Wahrspruches der Geschworenen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB, R***** überdies des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 2 WaffG schuldig erkannt.

Darnach haben die drei Angeklagten am 6.Juli 1992 in Traiskirchen im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem noch auszuforschenden Mittäter mit Gewalt gegen Personen und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe dem Hristo T***** fremde bewegliche Sachen, nämlich eine schwarze Geldbörse mit Bargeld im Betrag von 11.300 S und 100 DM, Kleidungsstücke und eine Sporttasche mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem G***** den Plamen B***** niederrang, sich auf ihn setzte und ihm den Mund zuhielt, während einer der Angeklagten mit einem Holzprügel auf dessen Kopf schlug, A***** den T***** am linken Oberarm packte, ihm mit der Faust ins Gesicht schlug, er und der noch auszuforschende Mittäter mit zwei Holzprügeln auf T***** einschlugen und einer der beiden ihm ein Messer vorhielt.

Die Geschworenen hatten die auf Raub lautenden Hauptfragen I, II und V hinsichtlich R***** und G***** stimmeneinhellig, hinsichtlich A***** im Stimmenverhältnis 7 : 1 bejaht; die Hauptfragen III (wegen versuchter schwerer Nötigung) hinsichtlich R***** und VI (wegen gefährlicher Drohung) hinsichtlich G***** wurden im Stimmenverhältnis 7 : 1 verneint, sodaß insoweit ein Freispruch erging.

Die vom Angeklagten R***** gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wurde bereits mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 11.März 1993, 15 Os 10/93-7, in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagten A***** und G***** bekämpfen den Schuldspruch wegen schweren Raubes mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden; A***** macht die Gründe der Z 5 und 10 a, G***** jene der Z 6, 9 und 10 a des § 345 Abs. 1 StPO geltend.

In der Verfahrensrüge (Z 5) reklamiert der Angeklagte A***** eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte durch die Abweisung seiner Beweisanträge

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auf Durchführung eines Lokalaugenscheines am Tatort zum Nachweis dafür, daß es den beiden Tatopfern auf Grund der Lichtverhältnisse (zur Tatzeit) unmöglich war, die Täter zu erkennen (S 529/I),

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auf Anfrage an die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik Wien zur Klärung der Witterungsverhältnisse zur Tatzeit und des Zeitpunktes, zu dem die Dämmerung einsetzte (S 529/I) sowie

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auf Vornahme eines Ortsaugenscheines im Lager Traiskirchen zum Beweise dafür, "daß dem Erstangeklagten die Möglichkeit gegeben wird, im Lagergebäude das Zimmer zu zeigen, wo er übernachtet hat, da es angeblich in diesem Lager die Zimmer a + b gibt, wo er die Nacht vom

              5.              auf den 6.7. verbracht hat" (S 539 f/I);

dies jedoch zu Unrecht.

Auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens war (von Anfang an) davon auszugehen, daß der Überfall zur Nachtzeit in einer unbeleuchteten Hütte erfolgte; die Morgendämmerung hatte noch nicht eingesetzt (Zeuge B*****, S 469/I). Nach allgemeiner Lebenserfahrung herrscht aber auch zur Nachtzeit vor allem im Monat Juli (Tatzeit 6. Juli) nicht vollkommene Finsternis, die jede Wahrnehmungsmöglichkeit ausschließt, sodaß die Aussage der Zeugen, sie hätten die Angeklagten silhouettenhaft beim Einsteigen durch das Fenster, somit aus relativer Helligkeit in die Dunkelheit der Hütte, wahrnehmen können, durchaus plausibel ist, ohne daß es diesbezüglich der angestrebten Beweisaufnahmen bedurfte. Bedenkt man überdies den im Zwischenerkenntnis zutreffend hervorgehobenen entscheidenden Umstand, daß die Angeklagten den Zeugen bereits bekannt waren, sie von ihnen also zur Tatzeit wiedererkannt wurden, was für den vierten Täter nicht zutraf, den die Zeugen auch nicht bezeichneten, und daß daher auch die Stimmen (Zeuge B*****, S 465/I) ein Erkennungsmittel waren, so zeigt sich, daß die beiden erstangeführten Beweisbegehren zu einer besseren Aufklärung des Sachverhaltes nicht geeignet waren, zumal die menschliche Fähigkeit des Sehens bei Dunkelheit individuell verschieden ist.

Aber auch der dritte Beweisantrag verfiel zu Recht der Ablehnung, weil sich der Erstangeklagte bis zuletzt auf eine Nächtigung zur Tatzeit im Zimmer 49 und nicht in den Zimmern 49 a und 49 b berufen hat (S 415 und 539/I). Im übrigen hätte sich an der Beweislage nichts Entscheidendes geändert, wenn er anläßlich des Lokalaugenscheines nunmehr neu die Nächtigung in einem anderen Zimmer behauptet hätte, weil die Zugänglichkeit eines Zimmers noch nichts darüber aussagt, ob und wann sich darin tatsächlich jemand aufgehalten hat.

Der Angeklagte G***** rügt die Fragestellung an die Geschworenen (Z 6), weil keine Eventualfrage nach einfachem Raub "oder einem anderen Delikt" gemäß § 314 StPO gestellt wurde, welche Bestimmung sohin verletzt worden sei.

Soweit die Rüge eine Eventualfrage nach einem nicht näher bezeichneten anderen Delikt vermißt, ist sie mangels jeglicher Substantiierung einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich (Mayerhofer-Rieder, StPO3, E 8 a zu § 345 Z 6). Soweit aber die (angebliche) Möglichkeit, es seien keine Waffen bei der Raubtat verwendet worden, als eine die Stellung einer Eventualfrage nach § 142 Abs. 1 StGB indizierende Tatsache angeführt wird, so ist dieses Begehren schon vom Ansatz her verfehlt (vgl. EvBl. 1989/126 = NRsp 1989/137): § 143 Fall 2 StGB normiert, bezogen auf den Grundtatbestand des § 142 Abs. 1 StGB, einen im Gesetz namentlich angeführten Erschwerungsgrund, der entweder zum Gegenstand einer uneigentlichen Zusatzfrage zu machen oder auch (wie vorliegend) in die Hauptfrage aufgenommen werden kann. Für den (hier gegebenen) letzteren Fall stand aber den Geschworenen die Möglichkeit der Bejahung der Hauptfrage mit einer entsprechenden Einschränkung (§ 330 Abs. 2 StPO) offen, worauf sie in der allgemeinen Rechtsbelehrung und im Formblatt über die Fragen an die Geschworenen (StPOForm.Prot.15) ausdrücklich hingewiesen wurden (S 557/I). Durch eine solche Einschränkung hätten die Geschworenen allfällige - in der Hauptverhandlung indes gar nicht hervorgekommene - Zweifel an der Verwendung von Waffen (zwei Holzprügel, wie sie am Tatort vorgefunden wurden und ein beim Angeklagten R***** sichergestelltes Messer) berücksichtigen können. Der ebenfalls herangezogene Umstand, daß der Zeuge B***** nicht niedergerungen worden, sondern auf seiner Schlafstelle liegengeblieben sei und dort - was die Rüge verschweigt - festgehalten und mißhandelt wurde, ist ohne rechtliche Relevanz.

Die vom Angeklagten G***** weiters behauptete Widersprüchlichkeit des Wahrspruchs (Z 9) liegt gleichfalls nicht vor. Wenn es auch zutrifft, daß die Geschworenen die Mittäterschaft des Erstangeklagten in den die Angeklagten R***** und G***** betreffenden Hauptfragen II und V einstimmig, dessen Täterschaft selbst aber in der Hauptfrage I nur im Stimmenverhältnis 7 : 1 bejaht haben, so begründet dies noch keinen Widerspruch in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes. Der Widerspruch muß sich nämlich aus der Vergleichung der Antworten der Geschworenen insgesamt auf die einzelnen Fragen ergeben, darf aber nicht aus der Vergleichung der Zahl der Stimmen hergeleitet werden, die diesen Antworten zugrunde liegen (Mayerhofer-Rieder StPO3, E 22 zu § 332).

In ihren Tatsachenrügen (Z 10 a) bringen die Angeklagten A***** und G***** im wesentlichen übereinstimmend vor, aus dem Akteninhalt ergäben sich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen. Die beiden Belastungszeugen hätten vor der Gendarmerie über ihren Aufenthalt an den Tagen vor dem Überfall (angeblich in Innsbruck), über den Tatort (indem sie zunächst eine andere, unversperrte Hütte als Ort ihrer Nächtigung und des Überfalls angaben), B***** auch über die Höhe des von ihm besessenen (vor den Tätern durch Verstecken geretteten) Geldbetrages (3.000 S statt 10.000 S) falsche Angaben gemacht, wodurch ihre Glaubwürdigkeit wesentlich erschüttert sei; ihre Angaben seien auch in der Hauptverhandlung über Einzelheiten ihrer Wahrnehmungen widersprüchlich gewesen.

Die ins Treffen geführten Unklarheiten und Widersprüche wurden noch vor der Gendarmerie aufgeklärt und in der Hauptverhandlung erörtert. Daß die Geschworenen ungeachtet dieser zunächst bestandenen Unklarheiten und Widersprüche, die indes nicht den Tathergang betroffen haben, den Zeugen dennoch Glauben schenkten und daher ihren Bekundungen über die Täterschaft der Beschwerdeführer folgten, stellt einen Akt der Beweiswürdigung dar, die ausschließlich den Geschworenen zugewiesen und damit einer Revidierung im Rechtsmittelverfahren entzogen ist (EvBl. 1988/116 ua). Die dagegen vorgebrachten Einwände sind nicht geeignet, nach allgemein menschlicher Erfahrung, sohin intersubjektiv, erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit dieser Würdigung aufkommen zu lassen, und zwar aus den bereits bei der Erörterung der Verfahrensrüge des Angeklagten A***** angeführten Erwägungen auch nicht im Hinblick auf die schlechten Sichtverhältnisse am Tatort zur Tatzeit. Von einer "schmalen Erkenntnisgrundlage" kann nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen entgegen der Meinung des Angeklagten G***** keine Rede sein, sodaß auch in dieser Beziehung zu zweifeln kein Anlaß besteht; dies in Ansehung des von den Geschworenen als nicht erbracht beurteilten Alibis dieses Angeklagten auch deshalb, weil die Bekundungen der Zeugin Gerlinde H***** und die von ihr wiederholten Angaben des Ismet S***** (nach wie vor) gegen dieses Alibi sprechen.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über beide Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB jeweils eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren. Es wertete als erschwerend bei beiden Angeklagten die leichte Verletzung des Hristo T*****, bei G***** überdies die einschlägige ausländische Vorverurteilung, als mildernd hingegen bei beiden Angeklagten die teilweise Schadensgutmachung und bei A***** zusätzlich die Unbescholtenheit.

Mit ihren Berufungen begehren die beiden Angeklagten eine Strafherabsetzung unter Anwendung des § 41 StGB.

Auch den Berufungen kommt Berechtigung nicht zu.

Vorweg ist festzuhalten, daß das Geschworenengericht die besonderen Strafzumessungsgründe in Ansehung beider Berufungswerber richtig und vollständig angeführt hat.

Dem Angeklagten A***** kommt der von ihm reklamierte Milderungsgrund des § 34 Z 17 StGB nicht zugute, denn der Umstand, daß der Angeklagte die Untersuchung nicht erschwert hat, ist kein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung.

Somit vermochte der Berufungswerber A***** keinen Umstand aufzuzeigen, der ihm zusätzlich als mildernd zugute, gehalten werden könnte.

Der Angeklagte G***** beschränkt sich in seiner Berufung nur darauf, die vom Erstgericht verhängte Strafe als weit überhöht zu bezeichnen, ohne die bezüglich seiner Person festgestellten Strafzumessungsgründe in Zweifel zu ziehen.

Voraussetzung für die von beiden Berufungswerbern angestrebte Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung ist ua ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den straferschwerenden Umständen. Dabei kommt es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Strafbemessungsgründe an (Leukauf-Steininger, Komm.3, § 41 RN 5).

Nach Lage des Falles überwiegen die Milderungsgründe ihrem Gewicht nach weder die bei G***** gegebenen Erschwerungsgründe noch den bei A***** festgestellten Erschwerungsgrund in beträchtlichem Ausmaß, sodaß das Geschworenengericht zu Recht von § 41 StGB nicht Gebrauch gemacht hat.

Da die Tatrichter über die beiden Berufungswerber jeweils die im Gesetz vorgesehene Mindeststrafe verhängt haben und eine Strafherabsetzung die Anwendung des § 41 StGB zur Voraussetzung hätte, war auch den Berufungen ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E33334

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0150OS00010.9300016.0415.000

Dokumentnummer

JJT_19930415_OGH0002_0150OS00010_9300016_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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