TE OGH 1993/4/15 10ObS64/93

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Veröffentlicht am 15.04.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Werne Jeitschko (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Schleifer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Friedrich N*****, Pensionist, *****vertreten durch Dr. Günther Pullmann, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, wegen Leistungen aus der Unfallversicherung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. Feber 1993 , GZ 12 Rs 6/93-11, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 10. November 1992 , GZ 25 Cgs 148/92-7 , bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Kläger erlitt am 27.3.1984 einen Verkehrsunfall, bei dem er sich eine Gehirnerschütterung, eine Brustkorbprellung, eine Hüftgelenksluxation links mit Abbruch des hinteren Randes der Hüftpfanne sowie Hautabschürfungen an beiden Kniegelenken und am rechten Unterschenkel zuzog. Am 20.3.1985 wurde er stationär im Rehabilitationszentrum Stollhof der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt aufgenommen, wo er am 21.3.1985 in der Sozialberatung vorsprach. Dort schilderte er die Umstände, die zum Unfall führten und ersuchte, den Wegunfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Über diese Vorsprache wurde eine Niederschrift angefertigt, die der Kläger selbst unterschrieb. Am 16.4.1985 erfolgte eine weitere Niederschrift mit dem Kläger im Büro der Landesstelle Linz der beklagten Partei. Der Kläger stellte Rentenansprüche aus seinem Unfall und beantragte die Erteilung eines klagefähigen Bescheides.

Nach Durchführung weiterer Erhebungen erließ die Beklagte am 5.6.1985 einen Bescheid, mit dem sie den Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus Anlaß des angeführten Unfalls ablehnte. Zur Begründung wurde ausgeführt, auf Grund der gepflogenen Erhebungen stehe fest, daß kein unter Versicherungsschutz stehender Arbeitsunfall vorliege und daß daher Leistungsansprüche abzulehnen seien. Der Bescheid enthält folgende Rechtsmittelbelehrung: "Dieser Bescheid wird gemäß § 383 Abs 2 ASVG rechtskräftig, wenn Sie nicht binnen drei Monaten nach seiner Zustellung Klage erheben bei dem Schiedsgericht der Sozialversicherung für Oberösterreich, Fadingerstraße 2, 4020 Linz".

Der Bescheid wurde dem Kläger am 10.6.1985 zugestellt. Er nahm die Postsendung selbst in Empfang und unterfertigte auch den Rückschein. Er erhob in der dreimonatigen Klagsfrist gegen diesen Bescheid keine Klage.

Erst mit dem am 6.8.1992 beim Erstgericht eingebrachten Schriftsatz stellte der Kläger den Antrag, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der dreimonatigen Klagsfrist gegen den Bescheid vom 5.6.1985 zu bewilligen. Er brachte im wesentlichen vor, er habe seit dem Unfall ständig an Kopfschmerzen, verbunden mit Benommenheit und an Schmerzen in der Wirbelsäule und am Hüftgelenk gelitten, weshalb er "ununterbrochen" starke Medikamente habe einnehmen müssen. Durch diese schweren körperlichen Leiden sei er in eine tiefe Depression mit Suizidgedanken verfallen, weshalb er den Bescheid der Beklagten vom 5.6.1985 bewußt nicht wahrgenommen habe. Er sei folglich durch ein unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Klagserhebung gehindert worden. Zur Rechtzeitigkeit seines Wiedereinsetzungsantrages brachte der Kläger vor, er sei erst am 30.7.1992 von seinem Rechtsvertreter über die gesetzlich richtige Einbringung dieses Antrages samt Klage informiert worden. Gleichzeitig holte der Kläger die versäumte Handlung nach und erhob gegen den Bescheid vom 5.6.1985 Klage mit dem Begehren, "die gesetzlichen Leistungen aus der Unfallversicherung nach dem Arbeitswegunfall vom 27.3.1984 ab dem Tag der Antragstellung zu gewähren."

Die beklagte Partei beantragte, dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattzugeben, hilfsweise das Klagebegehren als unbegründet abzuweisen.

Das Erstgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag ab und die Klage zurück. Es stellte folgenden weiteren Sachverhalt fest:

Der Kläger sah zur Zeit der Bescheidzustellung am 10.6.1985 seine Post nicht selbst durch, sondern gab alle an ihn adressierten Poststücke an seine Gattin weiter. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt erwähnte sie einmal dem Kläger gegenüber den angeführten Bescheid. Er antwortete, sie solle zu seinem damaligen Rechtsvertreter Dr. G*****gehen und war der Ansicht, daß dieser alles erforderliche veranlassen würde, weil ihn der Anwalt auch in einem Zivilprozeß gegen den Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherer vor dem Landesgericht Linz vertrat. Die Klage wurde dort am 5.3.1985 zu 11 Cg 67/85 eingebracht. Die Gattin des Klägers leitete den Bescheid jedoch nicht an den Rechtsanwalt weiter, sondern dachte, daß ohnedies bereits eine Klage erhoben worden sei, wobei sie die Angelegenheit mit dem laufenden Zivilverfahren verwechselte. Das Zivilverfahren endete schließlich am 13.1.1987 mit einem gerichtlichen Vergleich, während der Bescheid in Vergessenheit geriet. Anfang 1992 sah Erwin W*****, der Halbbruder des Klägers, dessen Unterlagen über den Zivilprozeß durch und fand dabei auch den gegenständlichen Bescheid. Er sprach bei der Landesstelle Linz der Beklagten vor und fragte, was man noch machen könnte. Dort wurde ihm der Rat gegeben, einen weiteren Antrag bei der Unfallversicherungsanstalt formlos zu stellen. Mit dem am 28.2.1992 bei der Beklagten eingelangten und vom Kläger unterzeichneten Antrag wurde ersucht, den Anspruch auf eine Entschädigung aus Anlaß des Unfalls vom 27.3.1984 nochmals zu überprüfen.

Die Beklagte wertete diesen Antrag einerseits als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs 2 Z 2 AVG und andererseits als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG. Die absolute Wiederaufnahmsfrist von drei Jahren sei bereits 1988 abgelaufen, weshalb der Antrag verspätet sei. Auch der Wiedereinsetzungsantrag sei verspätet, weil der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht habe, er sei erst zwei Wochen vor Antragstellung in der Lage gewesen, Kenntnis vom Wiedereinsetzungsgrund zu erhalten. Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch des Klägers gab der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 15.7.1992 keine Folge. Zum Wiedereinsetzungsantrag wurde in diesem Bescheid ausgeführt, der Einspruchswerber habe nicht glaubhaft machen können, daß er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis sieben Jahre lang verhindert gewesen sei, ein Rechtsmittel zu ergreifen. Er wäre zweifellos in der Lage gewesen, über seine Unfallversicherungsangelegenheit mit seiner Gattin zu reden oder mit seinem Anwalt Kontakt aufzunehmen. Dieser Bescheid wurde dem Kläger am 22.7.1992 durch Hinterlegung zugestellt. Eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde von ihm nicht erhoben.

Das Erstgericht stellte weiters fest, daß sich der Kläger zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides am 10.6.1985 über dessen Tragweite voll bewußt gewesen sei.

In der rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 146 ZPO, weil der Kläger und seine Gattin, deren Fehlverhalten er sich zurechnen lassen müsse, die dreimonatige Klagsfrist gegen den Bescheid auf grob fahrlässige Art und Weise versäumt hätten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Es bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß mit der Maßgabe, daß es den Wiedereinsetzungsantrag zurückwies. Unabhängig davon, ob der Kläger und seine Gattin wegen der Versäumung der dreimonatigen Klagsfrist grob fahrlässiges Verhalten zu verantworten hätten, habe das die Versäumung verursachende Hindernis darin bestanden, daß die Gattin des Klägers die Sozialrechtssache mit dem laufenden Zivilverfahren verwechselt und daher den Bescheid nicht an den damaligen Rechtsvertreter weitergeleitet hatte. Dieses Hindernis sei spätestens im Jänner 1992 weggefallen, als der Halbbruder des Klägers beim Durchsuchen der Unterlagen des Zivilprozesses den Bescheid gefunden habe. Der erst am 6.8.1992 bei Gericht eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag sei daher im Hinblick auf § 148 Abs 2 ZPO jedenfalls verspätet, wobei völlig unerheblich sei, welche konkreten Umstände zu dieser Verspätung geführt hätten. Denn § 148 Abs 2 ZPO stelle nach dem ausdrücklichen Wortlaut auf eine schuldhafte Verspätung nicht ab. Es wäre vielmehr Sache des Klägers gewesen, zunächst - und zwar dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der dreimonatigen Klagsfrist vorgelagert - die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist des § 148 Abs 2 ZPO zu beantragen. Doch selbst diesem Antrag hätte kein Erfolg beschieden sein können. Der beim Landesgericht anhängig gewesene Zivilprozeß habe am 13.1.1987 mit Vergleich geendet. Nach allgemeiner Erfahrung müsse davon ausgegangen werden, daß der in der Tagsatzung einschreitende Rechtsvertreter unverzüglich Rücksprache mit dem Kläger wegen des Vergleichsabschlusses gehalten habe. Dem Kläger hätte zu diesem Zeitpunkt auffallen müssen, daß die sozialversicherungsrechtliche Seite des Unfalls durch den zivilgerichtlichen Vergleich nicht miterfaßt gewesen sei. Der der Gattin des Klägers seinerzeit unterlaufene Irrtum hätte somit zu diesem Zeitpunkt aufgeklärt werden können und müssen. Das Unterbleiben der endlichen Klärung sei der Gattin des Klägers als objektiv und subjektiv grob fahrlässiges Fehlverhalten vorzuwerfen und dem Kläger nach allgemeinen Grundsätzen zuzurechnen. Der Wiedereinsetzungsantrag sei somit verspätet und daher aus diesem Grund zurückzuweisen gewesen. Ob der Kläger die dreimonatige Klagsfrist grob fahrlässig versäumt habe, könne dahingestellt bleiben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist nicht berechtigt.

Durch den letzten Satz des § 67 Abs 2 ASGG ist klargestellt, daß es sich bei der gesetzlichen Frist für die Klage gegen einen Bescheid um eine prozessuale Frist handelt, woraus folgt, daß im Falle einer Versäumung dieser Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Anwendung der Bestimmungen der §§ 146 ff ZPO in Betracht kommt (Kuderna ASGG 373 Erl. 11 zu § 67; Feitzinger-Tades ASGG 93 Anm 5 zu § 67; Fasching in Tomandl SV-System 6. ErgLfg 736; derselbe ZPR**2 Rz 2298). Gemäß § 148 Abs 1 ZPO ist der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung bei dem Gericht anzubringen, bei welchem die versäumte Prozeßhandlung vorzunehmen war. Dieses Gericht ist auch zur Erledigung des Wiedereinsetzungsantrages zuständig (Fasching Komm. II 739). Im vorliegenden Fall ist allerdings bedeutsam, daß gemäß § 84 ASGG in gewissen Sozialrechtssachen (wie der vorliegenden) der Versicherte die Klage auch bei demjenigen Versicherungsträger einbringen kann, der den Bescheid erlassen hat; die Klage gilt dann als beim zuständigen Gericht eingebracht. Bei dieser Möglichkeit der Klagseinbringung handelt es sich um eine technische Regelung zur Vermeidung von Verwaltungsaufwand, jedoch nicht um eine verfassungsrechtlich unzulässige organisatorische Verknüpfung der Verwaltung mit der Gerichtsbarkeit. Der Versicherungsträger wird in diesem Zusammenhang nicht in seiner Eigenschaft als Versicherungsträger tätig, sondern erfüllt nur die Funktion einer Posteinlaufstelle (Kuderna aaO 428 Erl 2 zu § 84). Die weiteren Aufgaben des Versicherungsträgers ergeben sich aus § 85 Abs 2 ASGG:

Er hat binnen zwei Wochen die Klage an das zuständige Gericht weiterzuleiten und die Klagebeantwortung ohne gerichtlichen Auftrag zu überreichen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß § 84 ASGG auf Rechtsmittel nicht analog anzuwenden ist (SSV-NF 3/141). Kann aber der Versicherte die Klage beim Versicherungsträger einbringen, dann muß ihm auch die Möglichkeit offenstehen, den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagefrist beim Versicherungträger einzubringen, weil eben auch der Versicherungsträger eine Stelle ist, bei dem die versäumte Prozeßhandlung vorgenommen werden konnte. Dies ändert aber nichts daran, daß zur Erledigung des Wiedereinsetzungsantrages einzig und allein das Sozialgericht und nicht der Versicherungträger berufen ist.

Nach diesen Grundsätzen war die Beklagte nicht berechtigt, in ihrem Bescheid vom 1.4.1992 über einen Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagefrist zu entscheiden. Dennoch wurde dieser Bescheid vom Landeshauptmann von Oberösterreich bestätigt und ist daher in Rechtskraft erwachsen. Hätte der Kläger daher tatsächlich am 28.2.1992 einen derartigen Wiedereinsetzungsantrag gestellt, wäre über diesen bereits rechtskräftig, wenn auch von einer unzuständigen Behörde, entschieden worden. Tatsächlich handelt es sich bei dem Antrag des Klägers vom 28.2.1992, seinen Anspruch auf Entschädigung aus Anlaß des Unfalls vom 27.3.1994 nochmals zu überprüfen, aber um gar keinen Wiedereinsetzungsantrag, sondern allenfalls um einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, über den zutreffend von der Beklagten abzusprechen war. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagsfrist wurde vom Kläger erstmals am 6.8.1992 beantragt, sodaß zu prüfen ist, ob dieser Antrag rechtzeitig gestellt wurde, also innerhalb von 14 Tagen ab dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist (§ 148 Abs 2 ZPO).

Es wurde wiederholt bemerkt, daß der die Wiedereinsetzungsfrist auslösende Tag des Wegfalles des die Versäumung verursachenden Hindernisses nicht von vornherein mit jener Eindeutigkeit festzulegen ist wie etwa das den Ablauf der Rechtsmittelfrist auslösende Ereignis (SSV-NF 4/43 unter Hinweis auf Fasching Komm. II 740). Daher ist der nicht aktenkundige Beginn der Wiedereinsetzungsfrist vom Antragsteller zu bescheinigen. Der Wegfall des hindernden Ereignisses ist nach den tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen. Das Hindernis ist jedenfalls dann weggefallen, wenn der Partei selbst unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Möglichkeiten unter Bedachtnahme auf die im § 147 Abs 3 ZPO zum Ausdruck gebrachte Handlungspflicht zugemutet werden kann, die Prozeßhandlung nachzuholen. Entscheidend ist also nicht, wann der Wiedereinsetzungsantrag - als solcher isoliert betrachtet - an sich gestellt werden könnte, sondern wann die Partei die versäumte Prozeßhandlung nachholen konnte. Ist die Säumnis durch einen Irrtum entstanden, dann beginnt die Frist im allgemeinen mit dessen Aufklärung (SSV-NF 4/43). Dies ist dahingehend zu verdeutlichen, daß die Frist bereits mit der möglichen Aufklärung des Irrtums beginnen kann, sodaß es also nicht darauf ankommt, wann das die Versäumung verursachende Ereignis tatsächlich weggefallen ist, sondern wann es weggefallen sein könnte, mit anderen Worten, daß der Lauf der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages bereits dann beginnen kann, wenn der säumigen Partei die Aufklärung des zur Säumnis führenden Irrtums möglich ist. Die Frist wird allerdings nur dann in Lauf gesetzt, wenn die mögliche Aufklärung durch auffallende Sorglosigkeit unterblieben ist, weil bei der Beurteilung dieser Frage kein strengerer Maßstab angelegt werden kann als bei der Versäumung der Frist selbst (RZ 1991, 172 = AnwBl. 1991, 110; ebenso 9 ObA 1028/92).

Im vorliegenden Fall bestand der Irrtum darin, daß der Kläger und seine Gattin den Bescheid der Beklagten nicht an ihren damaligen Rechtsvertreter weiterleiteten, weil sie irrtümlich annahmen, daß dieser ohnedies bereits Klage erhoben habe und damit auch die Angelegenheit der gesetzlichen Unfallversicherung miterledigt würde. Die Aufklärung dieses Irrtum wäre aber spätestens in dem Zeitpunkt möglich gewesen, als der Zivilprozeß vor dem Landesgericht Linz mit Vergleich endete, also im Jänner 1987. Wie das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, hätte dem Kläger und seiner Gattin auch bei nur durchschnittlicher Aufmerksamkeit auffallen müssen, daß die sozialversicherungsrechtliche Seite des dem Kläger widerfahrenen Unfalls, insbesondere die gesetzliche Versehrtenrente durch den zivilgerichtlichen Vergleich nicht miterfaßt war. Der Kläger hatte bereits am 16.4.1985 bei einer Vorsprache in der Landesstelle Linz der Beklagten Rentenansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung gestellt und um Erteilung eines klagefähigen Bescheides ersucht. Spätestens bei Abschluß des zivilgerichtlichen Vergleiches hätte ihm auffallen müssen, daß ihm die beantragte Versehrtenrente aus der Unfallversicherung nicht zuerkannt wurde. Bei Durchsicht der Unterlagen des Zivilprozesses hätte ihm bereits damals der Bescheid der Beklagten in die Hände fallen müssen. Auch eine Rückfrage bei der Beklagten hätte ihn darüber belehrt, daß bereits im Jahr 1985 ein die Ansprüche ablehnender Bescheid ergangen sei. Daß der Bescheid erst im Jahr 1992 aufgefunden wurde, ist auf auffallende Sorglosigkeit des Klägers im Verkehr mit Gerichten und Behörden zurückzuführen. War aber die Aufklärung des zur Säumnis führenden Irrtums bereits im Jahr 1987 möglich, dann wäre auch ein im Februar 1992 eingebrachter Wiedereinsetzungsantrag verspätet gewesen, sodaß nicht geprüft werden muß, ob die von der Beklagten dem Kläger im Februar 1992 erteilte mangelhafte Rechtsbelehrung für die Verspätung des Wiedereinsetzungsantrages kausal war.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E34822

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:010OBS00064.93.0415.000

Dokumentnummer

JJT_19930415_OGH0002_010OBS00064_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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