Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Alexander P*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Mag. Kurt H*****, *****, wider die beklagte Partei Sch*****, vertreten durch Dr. Johann Kahrer und Dr. Christian Haslinger, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, wegen S 126.864,60 sA (Revisionsstreitwert S 116.860), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 26.11.1992, GZ 4 R 176/92-17, womit das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 5.7.1992, GZ 2 Cg 22/91-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit sie nicht in Rechtskraft erwachsen sind, nämlich soweit darin über den Anfechtungsanspruch auf Grund der Zahlung vom 6.10.1989 von S 116.860 samt 4 % Zinsen seit 10.10.1989 abgesprochen wurde, aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Versäumungsurteil des KG Ried im Innkreis vom 26.7.1989 wurde der spätere Gemeinschuldner schuldig erkannt, der beklagten Partei (für die bestellungsgemäße Lieferung von Waren) S 134.357,69 samt Zinsen und Prozeßkosten zu zahlen.
Mit Beschluß des BG Mauerkirchen vom 26.9.1989, GZ E 2184/89-1, wurde der beklagten Partei zur Hereinbringung dieser vollstreckbaren Forderung die Exekution durch Pfändung der dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner O*****Versicherungsanstalt L*****auf Grund einer Erlebens- und Ablebensversicherung zustehenden Forderung zur Einziehung bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung bewilligt. Das Zahlungsverbot wurde der Drittschuldnerin am 27.9.1989 zugestellt, die der beklagten Partei am 6.10.1989 einen Betrag von S 116.860 (Versicherungsrückkaufwert) überwies. Der Betrag langte am 10.10.1989 bei der beklagten Partei ein.
Mit Beschluß des KG Ried im Innkreis vom 15.1.1990, S 1/90, wurde über das Vermögen des Mag. Kurt H*****der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Der Gemeinschuldner war ab August 1988 bis zur Konkurseröffnung durchgehend zahlungsunfähig.
Mit der am 15.1.1991 beim Erstgericht eingelangten Klage stellte der Masseverwalter neben der Anfechtung zweier weiterer Beträge, die die beklagte Partei erhalten hatte und hinsichtlich derer bereits Rechtskraft eingetreten ist, das Begehren, die Zahlung des Gemeinschuldners an die beklagte Partei von S 116.860 vom 6.10.1989 den Konkursgläubigern gegenüber für unwirksam zu erklären und die beklagte Partei zur Zahlung auch dieses Betrages samt 11 % Zinsen an den Kläger zu verurteilen.
Der Kläger stützte sein Begehren auf die §§ 30 und 31 KO und brachte vor, die Überweisung durch den Drittschuldner stelle eine inkongruente Deckung dar. Die beklagte Partei habe zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keinen Anspruch auf Pfändung und Überweisung des Rückkaufwertes der Lebensversicherung gehabt. Die Pfändung und Zahlung sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, in welchem der spätere Gemeinschuldner bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Die Zahlungsunfähigkeit sei der beklagten Partei bekannt gewesen; zumindest hätte sie ihr bei gehöriger Aufmerksamkeit bekannt sein müssen. Es liege auch eine Begünstigung durch den Gemeinschuldner vor, welche der beklagten Partei auch bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen.
Die beklagte Partei wandte ein, sie habe auf Grund der Pfändung und Überweisung des Anspruches des Verpflichteten nur das erhalten, was ihr auf Grund eines Urteiles zugestanden sei. Die Zahlung des Drittschuldners stelle daher keine inkongruente Deckung dar. Weder die Zahlungsunfähigkeit noch eine Begünstigungsabsicht seien vorgelegen, jedenfalls aber der beklagten Partei nicht bekannt gewesen.
Das Erstgericht wies das (noch strittige) Klagebegehren mit der Begründung ab, der betreibende Gläubiger erhalte durch die Zuweisung im Verteilungsbeschluß im Zuge eines Fahrnisexekutionsverfahrens dann eine kongruente Deckung, wenn der Erwerb des - inkongruenten - Pfandrechtes und die Erlassung des Verteilungsbeschlusses der Konkurseröffnung vorangegangen seien. Ziehe man diese Rechtsprechung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes (SZ 45/12) für die Zahlung des Drittschuldners, die vor Konkurseröffnung erfolgt sei, analog heran, liege keine inkongruente Deckung im Sinne des § 30 Abs 1 Z 1 KO vor. Auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die darüber hinaus geltend gemachten Anfechtungstatbestände seien nicht gegeben.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers - mit Ausnahme der 4 % übersteigend geltend gemachten Zinsen - Folge und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung des erhaltenen Betrages. Es führte rechtlich aus, für den Fall einer gegen den Gemeinschuldner geführten Fahrnisexekution habe der Oberste Gerichtshof in SZ 45/12 ausgesprochen, daß eine Zahlung des Verpflichteten an den Gerichtsvollzieher zur Erwirkung der Einstellung dieser Exekution, aber auch eine vor Konkurseröffnung erfolgende Zuweisung auf Grund eines Verteilungsbeschlusses keine inkongruente Deckung bewirkten. Dabei handle es sich allerdings um Zahlungen des Verpflichteten selbst bzw. des Exekutionsgerichtes für den Verpflichteten aus dem Erlös der Versteigerung von Fahrnissen des Verpflichteten. Auf eine Befriedigung der Forderung in dieser Art hätte die beklagte Partei einen materiell-rechtlichen Anspruch. Sie habe aber keinen Anspruch darauf, daß ihr anstelle des geschuldeten Betrages der Schuldner eine Forderung gegen einen Dritten abtrete. Eine Befriedigung der eigenen Forderung aus der vom Schuldner abgetretenen Forderung durch eine Zahlung des Dritten bewirke eine nicht in der Art zu beanspruchende und damit inkongruente Deckung. Mit einer solchen außergerichtlichen Vorgangsweise sei die hier in Frage stehende Forderungsexekution zu vergleichen. Angesichts der nur mittelbar dem Verpflichteten (dh dem Gemeinschuldner) zurechenbaren Zahlung eines Dritten, nämlich des Drittschuldners, könne die nur die Fahrnisexekution betreffende Judikatur nicht herangezogen werden. Damit seien alle Voraussetzungen für den Anfechtungstatbestand des § 30 Abs 1 Z 1 KO gegeben. Eine Prüfung der übrigen geltend gemachten Anfechtungsgründe sei nicht mehr erforderlich.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, inwieweit eine anläßlich einer Forderungsexekution vorgenommene Zahlung der inkongruent gepfändeten Forderung eine inkongruente Befriedigung des betreibenden Gläubigers bewirke, soweit ersichtlich, keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.
Anläßlich des Erkenntnisses des verstärkten Senates des OGH SZ 45/12 war darüber zu entscheiden, ob eine mit Verteilungsbeschluß nach durchgeführter Fahrnisexekution dem betreibenden Gläubiger zugewiesene Zahlung vor Konkurseröffnung nach § 30 Abs 1 Z 1 KO anfechtbar sei. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes beschränkte sich diese Entscheidung, der der OGH seither in ständiger Rechtsprechung mehrfach gefolgt ist, aber keineswegs nur auf den Anlaßfall der Befriedigung des Gläubigers auf Grund eines Verteilungsbeschlusses im Fahrnisexekutionsverfahren; es wurde vielmehr ausführlich dargelegt und begründet, daß zwar die bloße Erwerbung eines exekutiven Pfand- oder Befriedigungsrechtes zur Hereinbringung einer Geldforderung eine inkongruente Deckung im Sinne des § 30 Abs 1 Z 1 KO ist, daß aber im Zuge einer Exekution - keineswegs nur im Zuge einer Fahrnisexekution - erfolgte Zwangszahlungen aus dem Vermögen des Schuldners nicht inkongruent sind. Es ist also nicht nur die Befriedigung des Gläubigers durch Meistbotverteilung oder Geldabnahme nach § 261 EO, sondern auch die Zahlung des Drittschuldners nach Überweisung zur Einziehung als kongruente Deckung zu beurteilen. Maßgeblich ist, daß die Geldforderung in allen Fällen exekutiver Verwertung aus dem Vermögen des Schuldners befriedigt wird, der Gläubiger somit eine Leistung erhält, die er in der gleichen Art nach materiellem Recht zu beanspruchen hatte. Das gepfändete und zur Einziehung überwiesene Forderungsrecht gegenüber dem Drittschuldner auf den Rückkaufswert der eingezahlten Lebensversicherungsprämien war Vermögen des Gemeinschuldners; aus diesem erhielt die beklagte Partei als betreibender Gläubiger durch Zahlung des Drittschuldners vor Konkurseröffnung Befriedigung. Der Anfechtungstatbestand des § 30 Abs 1 Z 1 KO liegt daher hier nicht vor. Dies bedeutet aber noch nicht, daß die erfolgte exekutive Befriedigung deshalb nicht auch nach den §§ 28, 30 Abs 1 Z 2, 3 und 31 KO angefochten werden kann, wenn sie vor Konkurseröffnung stattgefunden hat. Denn das Merkmal der Benachteiligungs- oder Begünstigungsabsicht sowie der Nachteiligkeit haftet auch einer vor Konkurseröffnung erfolgten Zwangszahlung im Zuge eines Exekutionsverfahrens an. Zu den Anfechtungstatbeständen wegen Benachteiligung und Begünstigung hat der Kläger aber Vorbringen erstattet und Beweise angeboten, die auf Grund unrichtiger Rechtsansicht der Vorinstanzen bisher nicht aufgenommen wurden. Das Verfahren erweist sich daher in diesem Sinne noch als ergänzungsbedürftig, sodaß spruchgemäß zu entscheiden war.
Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E33038European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0060OB00508.93.0415.000Dokumentnummer
JJT_19930415_OGH0002_0060OB00508_9300000_000