Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Spedition, ***** vertreten durch Dr.Dietmar Lirk, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei B***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Klaus Braunegg, Dr.Klaus Hoffmann, Dr.Horst Auer und Dr.Herbert Klinner, Rechtsanwälte in Wien wegen S 67.889,79 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 7.August 1992, GZ 12 R 41/92-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 13.April 1992, GZ 1 Cg 194/91-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 4.348,80 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 724,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin erteilte der Beklagten am 7.6.1990, einem Donnerstag, den Auftrag, acht Bund-Form-Rohre mit einem Gesamtgewicht von 4.425 kg vom Lagerplatz der Klägerin in Hallein zur Firma A*****gesellschaftmbH in München zu befördern. Die Ablieferung sollte vertragsgemäß am Freitag, dem 8.6.1990 erfolgen. Ein genauerer Zeitpunkt wurde nicht vereinbart. Am 7.6.1990 wurde das Frachtgut bei der Klägerin von einem Fahrer übernommen, der erklärte, für die "Spedition B*****" zu kommen. Die Beklagte beauftragte die Firma K***** mit Sitz in Traunreuth, die Eisenrohre nach München zu transportieren. Am Freitag konnte das Frachtgut nach 12.00 Uhr mittags bei der A*****gesellschaftmbH nicht mehr abgeliefert werden. Die Beklagte holte von der Klägerin die Weisung ein, die Eisenrohre am kommenden Montag bei der Empfängerfirma abzuliefern. Die Beklagte erteilte der J***** GesellschaftmbH & Co KG mit Sitz in München (in der Folge: B***** München) den Auftrag, das Frachtgut zu entladen, auf einem Lagerplatz dieses Unternehmens bis Montag zwischenzulagern und an diesem Tag der A*****gesellschaftmbH zuzustellen. Die Eisenrohre wurde unter freiem Himmel abgeladen und gelagert, wodurch sie stark verrosteten. Die A*****gesellschaftmbH weigerte sich am 11.6.1990, die verrosteten Rohre zu übernehmen. Die Klägerin ersetzte der E***** GesellschaftmbH den dieser enstandenen Schaden. von S 67.889,79.
Die Klägerin begehrt S 67.889,79 sA. Sie habe der Beklagten einen Transportauftrag erteilt. Die Ware sei auftragswidrig nicht frei Haus München abgeliefert worden, sondern auf einem Lagerplatz gelagert worden. Dadurch seien die Rohre verrostet. Die Klägerin habe der E***** GesellschaftmbH den Schaden ersetzen müssen (ON 1).
Das Frachtgut sei am 7.6.1990 von einem LKW der Beklagten übernommen worden. Zwischen der Übernahme der Eisenrohre in Hallein und dem Eintritt des Schadens in München sei kein anderer Frachtführer eingeschaltet gewesen. Die Beklagte habe die Rohre auftragswidrig in München nicht sogleich frei Haus zugestellt, sondern im Hof von B*****München unsachgemäß im Freien gelagert (ON 4).
Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren zuweisen. Sie habe als weiteren Frachtführer die Firma K***** eingeschaltet. Man habe sich geeinigt, die Rohre am 8.6.1990 abzuladen und bei B***** München zu lagern. B***** München hätte das Frachtgut am Montag zustellen sollen. Die Rohre hätten zwar Roststellen aufgewiesen, sie seien aber nicht gänzlich unbrauchbar gewesen. Die Klägerin könne sich bei der Beklagten nicht regressieren, weil diese kein Verschulden treffe (ON 3).
Es habe sich um eine Frachführerkette gehandelt. Der Transportauftrag sei an die Firma K***** in Traunreuth weitergegeben worden. Ein Mitarbeiter der Klägerin habe den Fahrer der Firma K***** angewiesen, die Ware über das Wochenende einzulagern und am Montag neuerlich einen Abladeversuch zu unternehmen (ON 5).
Das Erstgericht sprach der Klägerin S 67.889,79 samt 10,25 % Zinsen zu; das Zinsenmehrbegehren wies es ab. Das Erstgericht hielt, zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, fest, nicht feststellen zu können, ob das Frachtgut bereits am Donnerstag von einem Fahrer der Firma K***** übernommen wurde. Es könne weiters nicht feststellen, ob der Mitarbeiter der Beklagten B***** und der Disponent der Klägerin H***** auch erörterten, ob das Frachtgut in München zwischengelagert werden solle oder ob der LKW samt Ladung auf einem Abstellplatz in München belassen werden solle und ob die beiden über diese Fragen Einvernehmen erzielten.
Zur rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß keine Beförderung durch aufeinanderfolgende Frachtführer im Sinne von Art 34 CMR vorliege, weil ein durchgehender Frachtbrief fehle. Am Bestimmungsort habe ein Ablieferungshinderns nach Art 15 CMR vorgelegen. Die Beklagte habe die Weisung der Klägerin auszuführen gehabt. Sie hafte daher als Frachtführer nach Art 17 Abs 1 CMR für den Schaden, der durch die sorgfaltswidrige Lagerung im Freien verursacht worden sei.
Der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht Folge. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei.
Parteien und Erstgericht hätten übersehen, daß die CMR nur für Verträge über die Beförderung von Gütern auf der Straße gelte. Lager- und Verwahrungsgeschäfte fielen nicht darunter. Für die anschließende Lagerung hafte der Frachtführer nicht mehr nach der CMR, es sei denn, er hätte zu Unrecht abgeladen. Nur dann werde der Beförderungsvertrag nicht im Sinne des Art 16 CMR beendet und der Frachtführer hafte weiter nach Art 17 CMR. Zwischenlagerungen aufgrund eines Beförderungs- oder Ablieferungshindernisses seien nicht in den Haftungszeitraum des Art 17 CMR einbezogen. Für diesen Fall sehe Art 16 Abs 2 CMR vor, daß der Frachtführer das Gut für den Verfügungsberechtigten zu verwahren habe. Er könne es jedoch auch einem Dritten anvertrauen und hafte dann nur für die sorgfältige Auswahl des Verwahrers.
Für die Ablieferung sei kein bestimmter Termin vereinbart worden. Der Zustellversuch am Nachmittag des 8.6.1990 habe den Vereinbarungen entsprochen. Die Beklagte habe das Ablieferungshindernis somit nicht verschuldet. Aufgrund der sofort eingeholten Weisung, die Ware am Montag auszuliefern, sei die Beklagte gemäß § 16 Abs 2 Satz 2 und 3 CMR berechtigt gewesen, das Transportgut über das Wochenende zwischenzulagern. Die Beklagte habe die Verwahrung einem Dritten übertragen können. Sie habe ein Speditionsunternehmen beauftragt, die Rohre abzuladen, über das Wochenende zu lagern und am Montag dem Empfänger zuzustellen. Mit dem Abladen der Ware in der Münchener Spedition sei die Beklagte von ihrer Haftung als Frachtführer befreit gewesen. Für den in der Folge eingetretenen Schaden habe sie nicht einzustehen; ein Verschulden bei der Auswahl des Verwahrers sei nicht behauptet worden und auch nicht anzunehmen.
Die Klägerin bekämpft diese Entscheidung mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, wegen Aktenwidrigkeit und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die Revisionswerberin beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat den erstgerichtlichen Feststellungen eine deutlichere Fassung gegeben; es ist davon aber in den wesentlichen Punkten nicht abgewichen.
Die Revisionswerberin behauptet, das Frachtgut sei weder abgeladen noch bei einem Dritten eingelagert worden. Die Beklagte habe die Rohre einfach auf einen anderen LKW umgeladen und im Freien stehen gelassen.
Diese Behauptungen widersprechen dem festgestellten Sachverhalt. Das Erstgericht hat festgestellt, daß die Beklagte B***** München den Auftrag erteilte, das Frachtgut zu entladen, auf einem Lagerplatz dieses Unternehmens bis Montag zwischenzulagern und an diesem Tag der A*****gesellschaftmbH zuzustellen (AS 53 = S. 7 des Ersturteils ON 10). Diese Feststellung kann nur dahin verstanden werden, daß auch dem Auftrag gemäß mit dem Frachtgut verfahren wurde. Das zeigen die Urkunden ./F und ./2, auf die das Erstgericht zur Begründung seiner Feststellung verweist. ./F ist ein Telex der Beklagten an B***** München vom 13.7.1990, ./2 eine Hausmitteilung von B***** München an die Beklagte vom 29.6.1990. Aus ./F geht hervor, daß die Sendung am 8.6.1990 im Auftrag der Beklagten in München entladen wurde; laut ./2 hat B***** München der Beklagten die Überlagernahme der Sendung in Rechnung gestellt. Die Behauptung der Revisionswerberin, die Beklagte habe zwar den Auftrag erteilt, das Frachtgut zu entladen und zwischenzulagern, sie habe dies jedoch selbst durchgeführt, findet somit im festgestellten Sachverhalt keine Deckung. Auf die Ausführungen, mit denen die Klägerin darzulegen versucht, daß die Beklagte als Lagerhalter zu haften habe, ist daher nicht weiter einzugehen.
Die Revisionswerberin weist darauf hin, daß die Beklagte lediglich die Weisung erhalten hat, das Frachtgut am Montag neuerlich zuzustellen. Sie behauptet, die Beklagte habe das Ablieferungshindernis verschuldet, weil sie nicht ordnungsgemäß am Freitag zugestellt habe. Ihr habe bekannt sein müssen, daß Firmen üblicherweise am Freitag Nachmittag geschlossen haben.
Die Klägerin hat in erster Instanz nichts derartiges behauptet. Sie hat nur vorgebracht, die Beklagte habe die Ware "nicht sogleich frei Haus" zugestellt, sondern einfach im Hof von B***** München gelagert (ON 4). Nach den für das Revisionsgericht maßgeblichen Feststellungen hat die Beklagte die Eisenrohre jedenfalls noch vor 14.00 Uhr des 8.6.1990 zuzustellen versucht; eine Feststellung, wonach Firmen üblicherweise Freitag Nachmittag geschlossen haben, wurde mangels entsprechender Behauptung und mangels entsprechender Beweisergebnisse nicht getroffen. Derartiges ist auch nicht gerichtsbekannt.
Es ist daher davon auszugehen, daß es der Beklagten nicht vorzuwerfen ist, die Eisenrohre nicht bereits am Freitag zugestellt zu haben. Nach Art 15 Abs 1 CMR - das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR), BGBl 1961/138 idF BGBl 1981/192, ist anzuwenden, weil es sich um einen entgeltlichen Vertrag über eine grenzüberschreitende Beförderung zwischen Vertragsstaaten handelt - hatte die Beklagte Weisungen des Absenders einzuholen. Sie hat die Weisung erhalten, das Frachtgut am Montag (neuerlich) zuzustellen. Diese Weisung konnte die Beklagte sinnvollerweise nur in der Form ausführen, daß sie die Eisenrohre einstweilen auslud und zwischenlagerte. Die CMR gilt gemäß Art 1 Abs 1, Art 41 Abs 1 ausschließlich für die Beförderung von Gütern; auf Lager- und Verwahrungsgeschäfte ist das Übereinkommen nicht anzuwenden. Vorlagerungen fallen daher nicht in den Haftungszeitraum des Art 17 Abs 1 CMR; bei Zwischenlagerungen muß unterschieden werden, aus welchem Anlaß sie notwendig geworden sind. Sind sie auf ein Beförderungs- oder Ablieferungshindernis zurückzuführen, so sind sie nicht in den Haftungszeitraum einbezogen. In einem solchen Fall gilt die Beförderung mit dem Ausladen des Gutes zur zwischenzeitlichen Einlagerung gemäß Art 16 Abs 2 Satz 1 CMR als beendet (Heuer, Die Haftung des Frachtführers nach dem Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) 63 f mwN; Jesser, Frachtführerhaftung nach der CMR 63 f; siehe auch Schütz in Straube, HGB, § 452 Anh I CMR Art 16 Rz 2).
Der Frachtführer hat das Gut nach dem Abladen zu verwahren; dies kann dadurch geschehen, daß er es einem Dritten anvertraut. In einem solchen Fall haftet der Frachtführer nur für die sorgfältige Auswahl des Dritten (Art 16 Abs 2 dritter Satz).
Die Beklagte haftet daher, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, weder nach den Bestimmungen der CMR noch als Verwahrer. Entgegen der Behautpung der Revisionswerberin hat sie die Eisenrohre nicht selbst über das Wochenende verwahrt; sie hat mit B***** München einen befugten Spediteur zum Verwahrer bestellt. Daß sie ein Auswahlverschulden träfe, ist weder behauptet noch festgestellt.
Die Revision mußte erfolglos bleiben.
Die Kostentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E31144European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0020OB00591.92.0415.000Dokumentnummer
JJT_19930415_OGH0002_0020OB00591_9200000_000