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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
GewO 1994 §74 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der J Ges.m.b.H. in K, vertreten durch Dr. Karl Haas, Dr. Georg Lugert, Mag. Andreas Friedl und Mag. Hannes Huber, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Dr. Karl-Renner-Promenade 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 5. Juli 2001, Zl. 322.021/6-III/A/9/01, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Parteien: 1. E und 2. S, beide in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 15. März 2000 genehmigte die "Bezirkshauptmannschaft St. Pölten als die vom Landeshauptmann von Niederösterreich ermächtigte Behörde" der beschwerdeführenden Partei die Änderung der im näher bezeichneten Standort bestehenden Betriebsanlage (Schlachthof) durch Vornahme von Zu- und Umbauten samt der maschinellen Einrichtung. Weiters wurde bestimmt, dass die Änderung "mit den Projektunterlagen, welche einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden und beigelegt sind, und mit nachstehender Beschreibung übereinstimmen" muss.
Im Spruch des Bescheides findet sich sodann - nach Darstellung der Betriebsbeschreibung - die Vorschreibung einer Reihe von Auflagen, wobei nach der Auflage 38 die Betriebszeit des Schlachthofes mit 02.00 Uhr bis 21.00 Uhr festgelegt wird.
Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligen Parteien Berufung.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Spruch des unterinstanzlichen Bescheides dahin gehend abgeändert, als die Auflage 38 zu lauten hat:
"Die Betriebszeit des Schlachthofes wird mit 03.00 Uhr bis 21.00 Uhr festgelegt."
In der Begründung dieses Bescheides werden die Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen sowie des medizinischen Sachverständigen wiedergegeben.
Nach Darstellung maßgebender Bestimmungen der GewO 1994 heißt es sodann:
"Der Bundesminister folgt mit seiner Entscheidung den klaren, eindeutigen und schlüssigen Aussagen des technischen Amtssachverständigen und des medizinischen Amtssachverständigen. Hieraus ergibt sich, dass bei Einhaltung der nunmehr geänderten Auflage 38 (Änderung der Betriebszeit) mit einer Gesundheitsgefährdung oder Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Nachbarn nicht zu rechnen ist. Zu den vorhandenen gesundheitlichen Störungen der Kinder der Familie M führte der Amtssachverständige aus, dass kein Zusammenhang mit Lärmemissionen abgeleitet werden könne, da diese einerseits aus Angstzuständen bzw. aus einer Erkältungskrankheit resultieren.
Zu den von den Parteien im Rahmen des Parteiengehörs vorgebrachten Äußerungen ist auf Folgendes zu verweisen:
Im Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen vom 21.12.2000 wurde in Abschnitt 4 ausgeführt, dass der Grundgeräuschpegel im Gutachten 1999 meistens zwischen 26 und 28 dB(A) läge. Im Gutachten 2000 (Dr. S) lägen diese Werte vorwiegend in demselben Bereich. Diese Formulierung bringt zum Ausdruck, dass einzelne Werte außerhalb des angegebenen Bereiches liegen. So liegt zum Beispiel ein Wert im Gutachten 1999 bei 32 dB(A) (28.5.1999, 03.00 Uhr bis 03.30 Uhr), im Gutachten 2000 (Dr. Schultes) bei 33 dB(A). Gleiches gilt für den energieäquivalenten Dauerschallpegel, welcher manchmal außerhalb des angegebenen Bereiches von überwiegend 34 bis 40 dB(A) liegt. Am 28.5.1999 wurde zwischen 03.30 Uhr und 04.00 Uhr ein Wert von 41 dB(A) gemessen, im Gutachten 2000 ein Wert von 43 dB(A) zwischen 03.00 Uhr und 03.30 Uhr. Wie in den Abschnitten 5 und 6 des Gutachtens vom 21.12.2000 ausführlich dargelegt wurde, sind Schwankungen des entsprechenden Geräuschpegels um einige dB durchaus üblich. Die von den Nachbarn aus dem Gutachten 2000 zitierten höchsten Werte (Grundgeräuschpegel, Dauerschallpegel) finden auf 2 dB genau ihre Entsprechung im Gutachten 1999. Unterschiede von wenigen dB bei den Messergebnissen von variablen Umgebungsgeräuschen (Grundgeräuschpegel, energieäquivalenter Dauerschallpegel) stellen überhaupt keine Besonderheit dar.
Der Grundgeräuschpegel, dessen Ermittlung und Schwankungsbreite wurde im Gutachten vom 21.12.2000 in Abschnitt 5 ausführlich behandelt.
Dass der energieäquivalente Dauerschallpegel im Gutachten 1999 am 28.5.1999 zwischen 00.00 Uhr und 03.00 Uhr praktisch unbeeinflusst von Betriebsgeräuschen und Betriebsaggregaten ermittelt werden konnte, ist den Pegelschrieben zu entnehmen, bei denen die Dauer der einwirkenden Geräusche vermerkt wurde."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994 in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Recht der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte;
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen. ...
Gemäß § 77 Abs. 1 leg. cit. ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Nach § 81 Abs. 1 leg. cit. bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
Die beschwerdeführende Partei rügt, dass es Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, auf Basis der Sachverständigengutachten fundierte Feststellungen zu treffen und diese dann einer rechtlichen Beurteilung zu unterziehen. Diesen Aufgaben sei die belangte Behörde mit dem zu Grunde liegenden Bescheid in keiner Weise nachgekommen; dieser sei nicht schlüssig und auch nicht begründet.
Schon damit ist die beschwerdeführende Partei im Recht:
Der angefochtene Bescheid beruht erkennbar auf der im wiedergegebenen ärztlichen Sachverständigengutachten vertretenen Meinung, dass die auftretenden Verladegeräusche und die dadurch verursachten "diskontinuierlichen Geräuschimmissionen ... bis zu 50 dB(A)" bis etwa 03.00 Uhr früh deutlich aus dem Umgebungsgeräuschpegel (der erst ab diesem Zeitpunkt ansteigt) "hervorstechen". Daher hat die belangte Behörde die vom Sachverständigen vorgeschlagene Betriebszeitbeschränkung (03.00 bis 21.00 Uhr) als Auflage vorgeschrieben.
Derselbe Sachverständige hat in seinem Gutachten allerdings auch darauf hingewiesen, dass alle Messwerte im Freien - vor dem Schlafzimmerfenster - erhoben wurden und "daher noch um ca. 5 dB abgemindert werden müssen, um die Verhältnisse beim Schlafen korrekt darzustellen".
Damit hat sich die belangte Behörde in ihren Erwägungen im angefochtenen Bescheid nicht auseinander gesetzt. Da nicht auszuschließen ist, dass sich die genannte Betriebszeitbeschränkung bei Berücksichtigung der bei den Nachbarn tatsächlich auftretenden Geräuschimmissionen als nicht erforderlich erweist, haftet dem angefochtenen Bescheid ein wesentlicher Verfahrensmangel an.
Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Die Umrechnung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 24. Februar 2006
Schlagworte
"zu einem anderen Bescheid" Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2001040155.X00Im RIS seit
24.03.2006