Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Graf, Dr.Schiemer und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl G*****, vertreten durch Dr.Bruno Binder, Dr.Helmut Blum und Dr.Georg Lehner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen S 714.081,68 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 3. Dezember 1991, GZ 12 R 69/91-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 9.Juli 1991, GZ 2 Cg 100/90-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.372,50 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger mit Wohnsitzen im Ausland (M*****) und im Inland (V*****). Seit 10.Juli 1986 ist er Eigentümer eines in M***** polizeilich gemeldeten PKWs Porsche 928 S. Am 27.Oktober 1986 teilte ein Zollwachbeamter der Finanzstrafbehörde des Zollamtes Linz mit, er sehe schon seit längerer Zeit einen PKW der Marke Porsche mit M***** Kennzeichen in V*****. Die Erhebungen ergaben, daß es sich dabei um den PKW des Klägers handelte. Weitere Ermittlungen ergaben, daß der Kläger in der Regel nicht in V*****, sondern in L***** in einer Wohnung in der W*****straße oder in einem Büro in L*****, L*****gasse zu erreichen war. In einem verdeckt geführten Gespräch (in dem sich ein Angehöriger der Finanzstrafbehörde als Kaufinteressent des PKWs ausgab) gab der Kläger an, er sei meistens in der Mittagszeit im Büro der H***** Versicherung in der L*****gasse zu erreichen. Der Kläger ist bei der H***** Versicherungs AG als freier Mitarbeiter beschäftigt; seine Aufgabe ist die Schulung und Betreuung von Mitarbeitern, Agenten und Versicherungskeilern, an deren Arbeitserfolge er durch Provision beteiligt ist. Ende 1985 verlagerte der Kläger, der seit 1979 in München wohnte, das Schwergewicht seiner Tätigkeit nach Österreich. Er baute hier die Organisation der genannten Versicherungs AG auf und war im ersten Halbjahr 1986 zu etwa 90 % in Österreich tätig. Er wohnte teils (ungemeldet) bei seiner Freunding in L*****, W*****straße, teils bei seinen Eltern in V*****, daneben hatte er noch - gemeinsam mit einem Freund - eine Wohnung in M*****. Weil er schon Bedenken hatte, mit seinem in Deutschland angemeldeten PKW Porsche in Österreich zu fahren, kaufte er am 20.Oktober 1986 in L***** einen PKW Suzuki, den er aber wegen seines Hauptwohnsitzes in M***** nicht auf seinen Namen anmelden konnte und daher auf den Namen seiner Freundin anmeldete. Dennoch fuhr er in Österreich weiterhin mit dem PKW Porsche. Der PKW des Klägers wurde in der Zeit vom 28. Oktober bis 1.Dezember 1986 bei diversen Nachschauen an insgesamt 20 Tagen in der Nähe der angeführten Adressen ausfindig gemacht. Am 25. November 1986 gab der Anzeiger weiters bekannt, er habe von einem Informanten erfahren, daß sich der Kläger schon lange Zeit mit dem Porsche im Inland aufhalte. Daraufhin wurde der Kläger am 14.Dezember 1986 von der Finanzstrafbehörde des Zollamtes L***** zum Verdacht des Finanzvergehens der "Verzollungsumgehung" (Eingangsabgabenhinterziehung) nach § 35 Abs 2 FinStrG, begangen durch die unrichtige Erklärung seiner Wohnsitzverhältnisse bei Inanspruchnahme des formlosen sicherstellungsfreien Vormerkverkehres, vernommen. Dabei gab er an, sein offizieller Stützpunkt als selbständiger Versicherungsagent der H*****-Versicherung befinde sich in L*****, L*****gasse, wo er zu erreichen sei. Seit Ende 1985 halte er sich überwiegend in Österreich auf. Seit 16.Juli 1986 besitze er den PKW Porsche 928 S, welchen er seither auch für seine Fahrten in Österreich verwende. Der Kläger kam dabei von sich aus auf die "90 Tage-Frist" zu sprechen, innerhalb welcher er in Österreich mit dem PKW mit deutschem Kennzeichen (jährlich) fahren dürfe, er behauptete jedoch, er habe bislang den PKW Porsche in Österreich an weniger als 90 Tagen verwendet. Auf den Vorhalt, die Erhebungen hätten ergeben, daß er seit Juli 1986 fast ausschließlich mit dem PKW Porsche im Inland gefahren sei, erklärte der Kläger, daß er die Zeit, in der er sich im Ausland aufgehalten habe, mit fünf Wochen beziffere. Er gab auch an, sein persönliches Hauptinteresse im Inland zu haben, zumal er seit Ende 1985 bei seiner Freundin, die er schon seit sieben Jahren kenne, in L***** wohne, ohne allerdings dort polizeilich gemeldet zu sein.
Am 11.Dezember 1986 erließ das Zollamt L***** als Finanzstrafbehörde erster Instanz bescheidmäßig die Beschlagnahmeanordnung betreffend den PKW Porsche des Klägers. Diese wurde damit begründet, es bestehe der Verdacht, daß der Kläger bei seiner Einreise aus Deutschland für den PKW Porsche 928 S zu Unrecht den sicherstellungsfreien formlosen Vormerkverkehr in Anspruch genommen habe und, ohne den Tatbestand des Schmuggels im Sinne des § 35 Abs 1 FinStrG zu erfüllen, durch vorsätzliche Verletzung der in den §§ 52 ZollG und 119 BAO normierten abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Eingangsabgaben hinterzogen und dadurch das Finanzvergehen gemäß § 35 Abs 2 FinStrG begangen habe; gemäß §§ 35 Abs 4 iVm 17 FinStrG sei bei Vorliegen der Voraussetzungen für dieses Finanzvergehen die Strafe des Verfalls angedroht; die Beschlagnahmeanordnung sei zur Sicherung des Verfalls geboten. Nach der Vernehmung am 14.Dezember 1986 wurde dem Kläger die Ausfertigung der Beschlagnahmeanordnung zugestellt und aufgetragen, am nächsten Morgen beim Zollamt L***** zu erscheinen. Er erschien zu dieser Vernehmung, gab zu Protokoll, seine am Vortag gemachten Angaben seien richtig, er halte sie weiterhin aufrecht, habe sich in der Zwischenzeit mit einem Rechtsanwalt besprochen und wolle über dessen Anraten keine weiteren Angaben mehr machen. In einem Interventionsschreiben an den Landeshauptmann für Oberösterreich vom 27.Dezember 1986 erwähnte der Kläger, er habe sich im Oktober 1986 in Österreich schon einen PKW Suzuki gekauft, weil er schon knapp an der 90-Tages-Frist gewesen sei; er hätte zwischen dem
15. und 20.Dezember 1986 den beschlagnahmten PKW Porsche wieder nach Deutschland gebracht und wäre dann anschließend in Österreich ausschließlich mit dem im Inland gekauften PKW Suzuki gefahren.
Seiner am 12.Jänner 1987 verfaßten Beschwerde gegen die Beschlagnahmeanordnung schloß er eine Abschrift dieses Schreibens an. In der Beschwerde führte er aus, daß sich das in Österreich begonnene Versicherungsgeschäft sehr gut entwickelt habe, weshalb sehr viele Fahrten in Österreich notwendig gewesen seien; er habe deswegen auch ein Auto in Österreich gekauft, das in der Folge auf den Namen seiner Freundin angemeldet worden sei; er brachte darin auch noch vor, seine geschäftlichen Interessen gingen von M***** aus, deswegen sei es erforderlich, daß er seinen Hauptwohnsitz in M***** behalte.
Erst in der am 6.März 1987 aufgenommenen niederschriftlichen Vernehmung gab der Kläger im Beisein seines nunmehrigen Rechtsfreundes zu Protokoll, daß er seine persönlichen und geschäftlichen Hauptinteressen im Ausland habe und daß er sich mit dem Porsche in der Zeit vom Kauf bis zur Beschlagnahme weniger als 90 Tage im Inland aufgehalten habe. Zur Bescheinigung dieses Vorbringens legte er ausländische Werkstätten- und Benzinrechnungen sowie Verpflegungs- und Seminarteilnahmebelege vor. Aufgrund des von ihm sodann gestellten Antrages hob die Zollbehörde am 6.März 1987 - ohne Prüfung dieser neuen Angaben - die Beschlagnahme des PKWs Porsche auf. Mit Bescheid vom 18.März 1987 wies die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich die Beschwerde des Klägers gegen die Beschlagnahmeanordnung als unbegründet ab. Sie erblickte den im Zeitpunkt der Beschlagnahme gegen den Kläger bestehenden - dringenden - Verdacht der objektiven und subjektiven Verwirklichung des Finanzvergehens der Hinterziehung von Eingangsabgaben gemäß § 35 Abs 2 FinStrG auf Grund der Erhebungen der Finanzstrafbehörde darin, daß der Kläger in Kenntnis der "90 Tage-Frist" den PKW Porsche länger als 90 Tage in Österreich benutzte, ohne dem Grenzzollamt die Umstände seines Doppelwohnsitzes im Zollin- und -ausland bekannzugeben. Die für die Einbringung ausländischer, unverzollter Beförderungsmittel vorgesehene Zollbegünstigung des formlosen und sicherstellungsfreien Vormerkverkehrs nach § 93 Abs 1, 2 und 7 ZollG habe zur Voraussetzung, daß Halter und Benützer dieses Fahrzeuges ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Zollausland haben; haben sie jedoch - wie der Kläger - auch einen Wohnsitz im Zollgebiet, sei die dargestellte Eingangsvormerkbehandlung nur für die Dauer von höchstens 90 Tagen pro Kalenderjahr zulässig. Die gemäß § 35 Abs 4 iVm § 17 Abs 1 FinStrG zwingend vorgesehene Beschlagnahme des PKW Porsche sei geboten gewesen, weil wegen der Auslandsbeziehungen des Klägers und des hohen Fahrzeugwertes in hohem Maße die Möglichkeit der Entziehung des Tatgegenstandes zu befürchten gewesen sei. Die dagegen erhobene Beschwerde nahm der Verwaltungsgerichtshof zum Anlaß, das anhängige Verfahren zu unterbrechen und beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des anzuwendenden § 17 FinStrG zu stellen. Mit Erkenntnis vom 14.Dezember 1987 hob der Verfassungsgerichtshof § 17 Abs 2 lit a FinStrG in der damals geltenden Fassung als verfassungswidrig auf. Der Verwaltungsgerichtshof hob mit seinem Erkenntnis vom 11.Februar 1988 den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil durch die Aufhebung der Verfallsbestimmung ein Tatbestandselement der Beschlagnahme entfallen sei, sodaß die Bestätigung der Beschlagnahme sich als inhaltlich rechtswidrig erweise. Die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich gab mit Bescheid vom 5.Juli 1988 der Beschwerde des Klägers statt, weil diesem zugute komme, daß die als verfassungswidrig aufgehobene Verfallsbestimmung nicht anzuwenden sei.
Gestützt auf die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahmeanordnung vom 11./14.Dezember 1986 macht der Kläger im Amtshaftungswege Schadenersatz in Höhe von S 714.081,68 für Verdienstentgang, Ersatz frustrierter Versicherungsbeiträge und KFZ-Steuer sowie von Telefon- und Fahrtspesen geltend. Die Organe der beklagten Partei seien bei der Beschlagnahme von einer unvertretbaren Rechtsansicht ausgegangen. Es seien keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, daß der Kläger ein mit der Strafe des Verfalls bedrohtes Finanzdelikt begangen habe und eine Sicherungsmaßnahme notwendig gewesen wäre, weil der Kläger auf geordnete berufliche und Wohnsitzverhältnisse verweisen haben können. Das Ermittlungsverfahren sei völlig unzureichend geführt worden.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Beschlagnahmeanordnung möge zwar zufolge der für den konkreten Fall wirksam gewordenen Aufhebung der Verfallsbestimmung rechtswidrig gewesen sein, keinesfalls aber hätten die Organe schuldhaft gehandelt. Aufgrund der im Herbst 1986 geführten Erhebungen habe der Verdacht bestanden, daß der Kläger im Juli 1986 seinen in Deutschland angemeldeten PKW Porsche unter widerrechtlicher Inanspruchnahme des formlosen Vormerkverkehrs ins Inland eingebracht habe. Dieser Verdacht habe sich durch die Angaben des Klägers anläßlich seiner Vernehmung durch das Zollamt L***** vom 14.Dezember 1986 verstärkt, weil danach - jedenfalls vertretbar - angenommen habe werden dürfen, daß der Kläger seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Inland habe. Davon ausgehend habe er aber durch die faktische Inanspruchnahme des formlosen sicherstellungsfreien Vormerkverkehrs den Tatbestand der Eingangsabgabenhinterziehung nach § 35 Abs 2 FinStrG begangen, was den Verfall des Fahrzeuges zur Folge habe. Zur Sicherung des Verfallsanspruches sei die Beschlagnahme geboten gewesen, weil die Gefahr bestanden habe, daß der Kläger aufgrund seiner Auslandsbeziehung das Fahrzeug dem Zugriff der Behörde entziehe. Im übrigen sei der geltend gemachte Ersatzanspruch nicht nur überhöht, sondern auch verjährt.
Auf den Verjährungseinwand erwiderte der Kläger, die von ihm geltend gemachten Schäden seien erst nach dem 20.Dezember 1986 entstanden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ließ die grundsätzliche Berechtigung eines Amtshaftungsanspruchs des Klägers dahingestellt und gründete seine Entscheidung darauf, daß ein Verdienstentgang des Klägers nicht nachgewiesen und die übrigen Ansprüche (frustrierte Aufwendungen für den beschlagnahmten PKW sowie Spesen) verjährt seien.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Auf der Grundlage der als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens gewonnenen und übernommenen erstgerichtlichen sowie der vom Berufungsgericht zusätzlich getroffenen Feststellungen über die Begebenheiten vor und nach der Beschlagnahme des PKWs Porsche sei von einem vertretbaren Vorgehen der belangten Behörde auszugehen. Die Organe der beklagten Partei hätten die erst später aus Anlaß einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde des Klägers vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bestimmung des § 17 Abs 2 lit a FinStrG im Anlaßfall nach der bestehenden Spruchpraxis angewendet. Sie hätten vor allem aufgrund der Angaben des Klägers selbst bei seiner Vernehmung am 14.Dezember 1986 den gegründeten Verdacht haben dürfen, daß der Kläger ein mit dem Verfall des PKWs bedrohtes Finanzstrafdelikt (der Eingangsabgabenhinterziehung nach § 35 Abs 2 FinStrG) begangen habe. Sie hätten weiters mit Grund annehmen dürfen, daß der Kläger den vom Verfall bedrohten PKW dem jederzeitigen Zugriff der Finanzstrafbehörde entziehen, nämlich nach Deutschland verbringen werde. Die Aufrechterhaltung der Beschlagnahmeanordnung sei auch bis zum 6.März 1987 berechtigt gewesen, weil der Kläger erst bei seiner Vernehmung an diesem Tag angegeben habe, den PKW doch überwiegend in Deutschland verwendet zu haben und diesen Angaben - ohne Abwarten eines sachlichen Überprüfungsergebnisses - sofort durch Aufhebung der Beschlagnahme entsprochen worden sei. Mangels eines Verschuldens der Organe des beklagten Rechtsträgers sei das Amtshaftungsbegehren schon im Grunde nicht gerechtfertigt und vom Erstgericht im Ergebnis zutreffend abgewiesen worden. Daher müßten weitere Fragen (Verjährung, Grund und Höhe der geltend gemachten Ansprüche) nicht mehr behandelt werden.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Im Zeitpunkt des in Rede stehenden Verhaltens der Finanzstrafbehörde (Erlassung der Beschlagnahmeanordnung gemäß § 89 Abs 1 FinStrG des Zollamts L***** vom 11.Dezember 1986; Beschlagnahme durch Beamte des Zollamts L***** am 14.Dezember 1986 und deren Aufrechterhaltung bis 6. März 1987) bestand folgende Rechtslage:
Gemäß § 35 Abs 2 FinStrG (BGBl 1958/129 idgF) macht sich der
Hinterziehung von Eingangsabgaben schuldig, wer vorsätzlich unter
Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder
Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Eingangsabgaben.....bewirkt. Die
Hinterziehung von Eingangsabgaben......wird mit einer Geldstrafe bis
zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages geahndet...... . Auf Verfall
ist nach Maßgabe des § 17 zu erkennen (§ 35 Abs 4 FinStrG).
§ 17 Abs 2 lit a FinStrG in der Fassung der FinStrG-Novelle 1984 BGBl
532 lautete:
"(2) Dem Verfall unterliegen:
a) die Sachen, hinsichtlich derer das Finanzvergehen begangen wurde,
samt Umschließungen, es sei denn, der auf die Sache entfallende
strafbestimmende Wertbetrag (§ 53 Abs 1 lit b) beträgt weniger als
ein Zehntel der für seine Ermittlung maßgebenden Bemessungsgrundlage
(§ 5 des Umsatzsteuergesetzes 1972) oder in Ermangelung einer solchen
des gemeinen Wertes der Sache;......"
Gemäß § 89 Abs 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde mit Bescheid die
Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von
Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen, anzuordnen,
wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten
ist.....Gemäß § 89 Abs 7 FinStrG kann von der Beschlagnahme
verfallsbedrohter Gegenstände abgesehen und eine bereits erfolgte
Beschlagnahme aufgehoben werden, wenn ein Geldbetrag erlegt wird, der
dem Wert dieser Gegenstände entspricht (Freigabe). Der Geldbetrag
tritt an die Stelle dieser Gegenstände und unterliegt nach Maßgabe
des § 17 dem Verfall........
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwSlgNF 6139 F ua) handelt es sich beim Rechtsinstitut der Beschlagnahme um eine Art vorläufiges Verfahren, das der zwangsweisen Entziehung der Gewahrsame an einer Sache (Wegnahme) zum Zweck ihrer Verwahrung dient und in dem Entscheidungen im Verdachtsbereich und keine endgültigen Lösungen zu treffen sind; Tatbestandsvoraussetzungen für die Verfügung der Beschlagnahme sind der Verdacht der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens, die Bedrohung des Gegenstandes mit der Strafe des Verfalls (§ 17 FinStrG) und das Gebotensein der Beschlagnahme zur Sicherheit des Verfalls; liegen alle drei Voraussetzungen vor, steht der Finanzstrafbehörde kein Ermessensspielraum zu. Zufolge der in § 17 FinStrG normierten Zehntelgrenze unterliegen Tatgegenstände auch bei bloß 10 %iger Eingangsabgabenbelastung dem Verfall. Daß die Zehntelgrenze bei der Einfuhr des PKW Porsche 928 S überschritten wird, ist offenkundig (Steuersatz von 32 vH). Für die Annahme eines Tatverdachtes genügt das Vorliegen hinreichender Gründe, daß der Betreffende als Täter eines mit der Sanktion des Verfalls bedrohten Finanzvergehens in Frage kommt. Geboten ist die Sicherung des Tatgegenstandes durch Beschlagnahme, weil die Sicherung der Abgabenbelange nicht gefährdet werden soll (Gefahrenrelevanz), was der Fall wäre, wenn die Gefahr besteht, daß der Eigentümer oder Besitzer den beschlagnahmten Gegenstand sonst den Zielsetzungen des Verfalls zuwider dem jederzeitigen Zugriff der Behörde entziehen werde (vgl Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Finanzstrafgesetz 295 ff).
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 14.Dezember 1987 (veröffentlicht in ÖJZ 1989, 59; kundgemacht in BGBl 1988/109) den § 17 Abs 2 lit a FinStrG in der Fassung der Novelle BGBl 1984/532 - ua aus Anlaß der vorliegenden Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde des Klägers - wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz (Fehlen der gebotenen Flexibilität dieser Verfallsbestimmung, zumal die Zehntelregelung bei den derzeitigen Steuersätzen die Eingangsabgabenhinterziehung stets erfaßt) als verfassungswidrig aufgehoben. Unter Bindung an dieses Erkenntnis haben sodann der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich und letztere den Beschlagnahmebescheid des Zollamtes L***** mangels Rechtsgrundlage (des § 17 Abs 2 lit a FinStrG) aufgehoben. Diese Rechtsfolgen des Verfassungsgerichtshofserkenntnisses schließen die Anwendung des § 11 AHG aus, können aber für sich allein einen Amtshaftungsanspruch nicht begründen, weil die Organe des beklagten Rechtsträgers bei der Erlassung des Bescheides über die Beschlagnahmeanordnung verpflichtet waren, auch das nachmalig als verfassungswidrig aufgehobene Gesetz anzuwenden (SZ 62/162 ua; Schragel AHG2 247). Es kommt, wie die zweite Instanz richtig erkannt hat, allein darauf an, ob die Anwendung der dargestellten Bestimmungen, insbesondere des § 17 Abs 2 lit a FinStrG schuldhaft erfolgte und damit die Amtshaftung auslöst. Dies ist aufgrund der dargestellten Rechtslage im kritischen Entscheidungszeitpunkt im Sinne der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichtes zu verneinen:
Rechtsträger haften auch für leichtes, am Maßstab des § 1299 ABGB zu messendes Verschulden ihrer Organe (SZ 62/162; 55/36; 53/83 ua; Schragel aaO 140, 142). Allerdings begründet nicht jede objektiv unrichtige Entscheidung einen Amtshaftungsanspruch. Ein Verschulden des Organs kann nicht vorliegen, wenn seine Entscheidung auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht und nicht etwa von einer klaren Rechtslage ohne sorgfältige Überlegung und Darlegung der Gründe abweicht (SZ 62/162 mwH ua).
Im vorliegenden Fall bestand für die Finanzstrafbehörde erster Instanz aufgrund der ausführlichen Recherchen vor der Einvernahme des Klägers als Verdächtigen und auch nach dessen Aussage ein begründeter Tatverdacht in Richtung des Finanzvergehens der Eingangsabgabenhinterziehung nach § 35 Abs 2 FinStrG. Dem Einwand des Revisionswerbers, die Beschlagnahmeanordnung habe sich nicht auf einen konkreten Tatverdacht des Finanzvergehens nach § 35 Abs 2 FinStrG in subjektiver Richtung (vorsätzliche Begehung) gestützt und stützen können, ist auf der maßgeblichen Feststellungsgrundlage mit dem Hinweis auf die Begründung des Bescheides der Finanzlandesdirektion für OÖ vom 18.März 1987 zu erwidern, daß der Kläger selbst die "90 Tage-Frist" kannte und seine Wohnsitzverhältnisse (Doppelwohnsitz in Österreich und in Deutschland) den Grenzzollorganen verschwieg. Mit Recht haben daher die Organe der beklagten Partei bei der Beschlagnahmeanordnung auch den Tatverdacht gemäß § 35 Abs 2 FinStrG auch in subjektiver Richtung angenommen. Angesichts des strafbestimmenden Wertbetrages (angegebener Kaufpreis des PKW Porsche DM 36.000 = nicht über öS 500.000) und der zum Tragen kommenden Zehntelregelung war daher der Verfall der vom Finanzvergehen betroffenen Sache (des PKW Porsche) zwingend vorgesehen. Es bestand auf Grund der Ankündigung des Klägers in seinem Interventionsschreiben an den Landeshauptmann von Oberösterreich, aber auch schon vorher aufgrund der gegebenen Sachlage die Gefahr, daß er den PKW nach Deutschland bringen und damit der jederzeitigen Verfügung der Finanzstrafbehörde zur Sicherung des Verfalls entziehen könnte. Diese Umstände wurden im Beschlagnahmebescheid knapp (erst in der Begründung der Beschwerdeentscheidung der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich ausführlich) dargelegt. Ein Verstoß der Organe des beklagten Rechtsträgers gegen die dargelegte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann nicht erkannt werden. Warum der Kläger von der Möglichkeit des § 89 Abs 7 FinStrG (Stellung einer dem Wert des PKWs entsprechenden Barkaution) nicht Gebrauch machte, ist den Verfahrensergebnissen, insbesondere auch seinem Vorbringen, nicht zu entnehmen.
Soweit der Revisionswerber die Nichterledigung seiner Nichtigkeitsberufung gegen das Ersturteil rügt, ist er darauf zu verweisen, daß die Nichtigkeitsberufung bloß im Zusammenhang mit den Fragen des Bestands und der Höhe der Schadenersatzansprüche ausgeführt wurde, diese Fragen jedoch schon wegen der Ablehnung eines Amtshaftungsanspruchs dem Grunde nach rechtlich irrelevant sind.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des berufungsgerichtlichen Urteiles.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E31147European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0010OB00010.92.0420.000Dokumentnummer
JJT_19930420_OGH0002_0010OB00010_9200000_000