TE OGH 1993/4/21 7Ob514/93

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Veröffentlicht am 21.04.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. I. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Sabine K*****, 2.) mj. Claudia K*****n, vertreten durch die Mutter Maria K***** und 3.) Maria K*****, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Rudolf K*****, vertreten durch Dr. Othmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil und den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 25. November 1992, GZ 3 R 213/92-12, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 23. April 1992, GZ 29 C 2/92z-8, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, zurückgewiesen und das Urteil im übrigen bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision und der darin enthaltene Rekurs gegen den die Nichtigkeitsberufung zurückweisenden Beschluß des Berufungsgerichtes werden zurückgewiesen.

Der Antrag der Revisionsgegner auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Erst- und Zweitklägerin stammen aus der am 3.3.1988 geschiedenen Ehe der Drittklägerin und des Beklagten. Die ehemalige Ehewohnung befindet sich in dem auf der Liegenschaft ***** errichteten Haus, dessen Eigentümer die Erst- und Zweitklägerin je zu 3/8 und der Beklagte zu einem Viertel sind. In dem gemäß § 81ff EheG geführten Aufteilungsverfahren wurde der Drittklägerin das lebenslange Fruchtgenußrecht (§ 509 ABGB) am Viertelanteil des Beklagten eingeräumt. Der Beklagte benützt zwei im Dachgeschoß des Hauses gelegene Zimmer. Nebenräume des Hauses und den Garten benützt er mit. Das von der Erstklägerin gegen ihn und die Zweitklägerin vor Abschluß des Aufteilungsverfahrens eingeleitete Verfahren zur Regelung der Benützung des Hauses wurde bisher nicht abgeschlossen. Keine der Klägerinnen hat mit dem Beklagten einen Mietvertrag oder Benützungsregelung oder sonstige Vereinbarung über das Weiterwohnen im Haus getroffen.

Die Klägerinnen beantragen die Räumung der Liegenschaft durch den Beklagten wegen titelloser Benützung.

Dieser erhob die Einreden der mangelnden Vertretung der minderjährigen Zweitklägerin, weil die Klagsführung einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfe, weiters der Unzulässigkeit des Rechtsweges, weil die Sache im Außerstreitverhandeln zu behandeln sei, sowie der Ausgeschlossenheit bzw Unzuständigkeit des die Sache bearbeitenden Richters, der nach der Geschäftsverteilung des Erstgerichtes zwar für Familienrechtssachen, nicht aber für Mietensachen zuständig sei. Sachlich trat der Beklagte dem Räumungsanspruch im wesentlichen mit dem Hinweis auf sein nach wie vor aufrechtes Eigentum an seinem Elternhaus entgegen.

Das Erstgericht gab der Räumungsklage statt und hielt in der Begründung seines Urteiles unter anderm fest, daß die Prozeßeinreden des Klägers zu verwerfen gewesen seien.

Das Gericht zweiter Instanz wies die inhaltlich den Prozeßeinreden entsprechende Berufung des Beklagten wegen Nichtigkeit zurück und gab im übrigen der Berufung nicht Folge. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Das Berufungsgericht führte zur Sache in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen aus, daß bei Belastung eines Miteigentumsanteiles mit einem Fruchtgenußrecht zwischen dem Fruchtgenußberechtigten und den Miteigentümern der unbelasteten Anteile in bezug auf die Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse eine Rechtsgemeinschaft bestehe, auf die die Grundsätze der Eigentumsgemeinschaft anzuwenden seien. Der Eigentümer des mit dem Fruchtgenuß belasteten Anteiles bleibe hievon ausgeschlossen. Da dem Beklagten kein vertraglich oder vom Außerstreitrichter eingeräumtes Benutzungsrecht eines Teiles des Hauses zustehe, könnten die Erst- und Zweitklägerin als Mehrheitseigentümer mit Räumungsklage gegen den Minderheitseigentümer vorgehen. Der Drittklägerin stehe in ihrer Eigenschaft als Fruchtgenußberechtigte die Klage nach § 523 ABGB zu. Eine aus dem natürlichen Zusammengehörigkeitsgefühl der Familienangehörigen entspringende tatsächliche Benützungsgewährung könne jederzeit widerrufen werden. Der Beklagte habe keinen unabhängig davon bestehenden Rechtstitel zur Benützung der Wohnung darlegen können. Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß eine Rechtsprechung des OGH zur Frage fehle, ob Mehrheitseigentümer und Fruchtgenußberechtigte auch dann mit einer Räumungsklage gegen den mit dem Fruchtgenußrecht belasteten Minderheitseigentümer vorgehen können, wenn zwischen den Parteien nicht bloß sachenrechtliche, sondern auch familienrechtliche Beziehungen bestanden haben und ob auf die aus dem familienrechtlichen Verhältnis erfließenden Nachwirkungen Bedacht zu nehmen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Beklagten ist insgesamt unzulässig.

Mit seinen Ausführungen zur Nichtigkeit, die sinngemäß seinen Prozeßeinreden entsprechen, zeigt der Beklagte in Wahrheit keinen zur Nichtigkeit führenden Mangel des Berufungsverfahrens auf (§ 503 Z 1 ZPO), sondern angebliche, schon in erster Instanz unterlaufene Nichtigkeiten. Er bekämpft damit die Verwerfung seiner Nichtigkeitsberufung durch das Gericht zweiter Instanz. Diese Entscheidung ist aber nach ständiger Rechtsprechung gemäß § 519 ZPO jedenfalls unanfechtbar (vgl JN/ZPO14, MGA, § 503 E 4, § 519 E 10).

Unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit macht der Kläger ebenfalls nur eine Aktenwidrigkeit des erstinstanzlichen Urteiles geltend, mit der sich das Berufungsgericht ohnehin befaßt hat. Der Entscheidung zweiter Instanz ist keine Aktenwidrigkeit zu entnehmen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt nicht vor.

Welche Auswirkungen die Bestimmungen über die Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber ihren Eltern (§ 143 Abs 1 ABGB) und die Legaldefinition des Vermächtnisses des Unterhaltes (§ 672 ABGB), auf die sich die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit beruft, auf die Frage der Räumungslegitimation der Mehrheitseigentümer und des Fruchtgenußberechtigten haben sollen, ist nicht nachvollziehbar.

Die Ursache und Art des Entstehens des Fruchtgenußrechtes hat auf dessen Wirkungen ebenso wenig Einfluß wie die Tatsache der Verwandtschaft der Miteigentümer und des Fruchtgenußberechtigten zueinander. Eine quantitative oder qualitative Änderung der Rechtsfolgen der §§ 509ff ABGB je nachdem, ob ein solches Recht vertraglich oder durch Richterspruch, zwischen verwandten oder nicht verwandten Personen, zwischen ehedem im Familienverband lebenden Personen oder anderen Personen begründet wird, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund eine andere Auslegung (§§ 6 und 7 ABGB) selbst in Zusammenschau der sachenrechtlichen mit sämtlichen familien- und eherechtlichen Bestimmungen Platz greifen sollte.

Den in der Zulässigkeitsbegründung anklingenden Bedenken, ob nicht die familiären Beziehungen der Streitteile zu einer anderen rechtlichen Lösung als jener des Berufungsgerichtes führen müßten, ist zu erwidern, daß es geradezu der Zweck des Aufteilungsverfahrens ist, die durch die ehebedingten vermögensrechtlichen Verknüpfungen der ehemaligen Eheleute möglichst abschließend und endgültig zu lösen. Nach der Auflösung der Ehe durch die Scheidung sollen auch die schuld- und sachenrechtlichen Beziehungen, wie sie sich aus dem ehelichen Zusammenleben ergaben, abschließend der Auflösung des Familienverbandes angepaßt werden.

Die Drittklägerin ist nicht anders als andere Fruchtnießer zu behandeln. Der Verneinung ihrer Klagslegitimation allein aus dem Grund, weil sie einmal mit dem durch das Fruchtgenußrecht belasteten Miteigentümer verheiratet war und im betreffenden Haus in Ehegemeinschaft mit ihm lebte, steht die Bindungswirkung der im Aufteilungsverfahren ergangenen Entscheidung, in der das Fruchtgenußrecht mit all seinen Rechtsfolgen uneingeschränkt eingeräumt wurde, entgegen.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des OGH, daß der Fruchtgenußberechtigte anstelle des Eigentümers das ausschließliche Recht auf Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse hat und zur Einbringung der Eigentumsfreiheitsklage legitimiert ist (SZ 63/164 = EvBl 1991/14, 99 mwN). Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß zwischen dem Fruchtnießer und den Miteigentümern der unbelasteten Anteile eine Rechtsgemeinschaft hinsichtlich dieser Rechte besteht, während der Eigentümer des mit dem Fruchtgenuß belasteten Anteiles hievon ausgeschlossen bleibt, wurde vom OGH ebenfalls bereits ausgesprochen (MietSlg 32.036; SZ 25/233; Petrasch in Rummel**2 I § 509 ABGB Rz 2).

Wie der OGH in seinen im Aufteilungsverfahren ergangenen Entscheidungen 6 Ob 534/90 und 6 Ob 675/90 ausführte, war der Rechtsgrund für die Benützung von Räumen in dem zu einem Viertelanteil im Eigentum des Beklagten stehenden Haus neben den höchstpersönlichen familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern das ungeregelte, aus dem Miteigentum des Beklagten fließende Benützungsrecht. Ersterer Rechtsgrund ist durch die Ehescheidung, den Eintritt der Volljährigkeit der Erstklägerin und die Zuteilung der Obsorge hinsichtlich der Zweitklägerin (und des dritten, noch minderjährigen Kindes) an die Drittklägerin, letzterer Rechtsgrund durch die Begründung des Fruchtgenußrechtes der Drittklägerin am Miteigentumsanteil des Beklagten weggefallen.

Der OGH hat bereits in einer Vielzahl von Fällen einhellig eine Nachwirkung der ehedem familienrechtlichen Beziehungen von Eltern und Kindern dahin, daß jeder derart nahe Verwandte unabhängig vom Zerfall der Familie gegen den Willen des oder der über das Elternhaus verfügungsberechtigten Eigentümer oder Fruchtgenußberechtigten weiter darin verbleiben könne, verneint. Es wurde wiederholt dargelegt, daß ein dem Familienverhältnis entspringender tatsächlicher Wohnzustand nach Erlöschen der besonderen Verpflichtungen (volljährig und selbsterhaltungsfähig gewordene Kinder, Ehescheidung und Abschluß des Aufteilungsverfahrens, Zuteilung der Obsorge bezüglich minderjähriger Kinder an den anderen Elternteil) jederzeit, nötigenfalls durch Räumungsklage geändert werden kann (MietSlg 35.007, 37.025, 39.007, 39.009, 40.005, 40.078, 41.003 uva).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Da die Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht hinweist, waren den Klägerinnen hiefür keine Kosten zuzusprechen.

Anmerkung

E34250

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0070OB00514.93.0421.000

Dokumentnummer

JJT_19930421_OGH0002_0070OB00514_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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